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Debattenschau № 78: Vier Jahre Sperre: „Antirussische Hysterie“?

Bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio wird es wohl keine Athleten unter russischer Flagge geben. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA hat Russland wegen Doping für vier Jahre gesperrt. Damit hielt sich die WADA an die Empfehlung der unabhängigen Prüfkommission CRC. Einzelne russische Sportler können unter bestimmten Voraussetzungen allerdings unter neutraler Flagge an den Spielen teilnehmen. Auch die Fußball-EM 2020 wird weiterhin mit der russischen Mannschaft und teilweise in Russland stattfinden, da die UEFA den WADA-Code nicht unterzeichnet hat und die EM zudem als „kontinentales“ Sportereignis gilt.

Hintergrund der Sperre ist, dass Russland die Manipulation von Dopingtests nachgewiesen wurde. Der russische Sportminister bestritt die Vorwürfe. Premierminister Medwedew räumte zwar Probleme mit Doping ein, sprach angesichts der vierjährigen Sperre allerdings von „antirussischer Hysterie“. Russland will nun beim Internationalen Sportgerichtshof Einspruch einlegen.

Nicht nur kremlnahe, sondern auch liberale Stimmen äußern sich kritisch über die WADA-Entscheidung. Die vierjährige Sperre Russlands: Ausdruck einer antirussischen Haltung? Werden die Falschen bestraft? Oder ist es eine gerechtfertigte Maßnahme? dekoder bringt Ausschnitte aus der Debatte in russischen Medien.

Источник dekoder

Facebook / Sergej Medwedew: Je schlimmer, desto schlimmer

Der Schlag, den die WADA Russland verpasst hat, sei viel schwerer als all die politischen Sanktionen. Das meint der kremlkritische Historiker und Publizist Sergej Medwedew auf Facebook:

Deutsch
Original
Im Weltsport – anders als in der Weltpolitik – zeigen Sanktionen genaue, automatische und schmerzliche Wirkung. Atomwaffen und Staatengröße sind keine Argumente: Aus der UNO wird Russland nicht rausgeschmissen, aus Olympia aber ohne mit der Wimper zu zucken.

Und es soll bitte niemand sagen, es sei eine politische Entscheidung gewesen – ja, sie hat enorme politische Wirkung, aber zunächst einmal ist das Ganze rein technisch: Russland (beziehungsweise der, der die Datenbank frisiert hat) hat WADA überhaupt keine Chance gelassen.
Fehl am Platz ist auch das typische russische „Je schlimmer, desto besser“. Nein: je schlimmer, desto schlimmer – der russische Sport hat voll eins in die Fresse bekommen [...] und damit wir alle: Ein Schlag gegen das Humankapital, die Soft Power, die Gesundheit und Freude der Nation, oder was auch immer noch von diesen Begriffen übrig ist. Sport ist das, wo Russland bislang zumindest ein bisschen (und verdientermaßen) stark war.

В мировом спорте, в отличие от мировой политики, санкции работают четко, автоматически и болезненно. Тут ядерное оружие и территория не аргумент: из ООН Россию не выгонят, а с Олимпиады — запросто.
И не надо говорить, что это решение политическое — да, оно имеет огромные политические последствия, но в основе своей оно чисто техническое: Россия (вернее, те, кто зачищал базу данных) не оставила ВАДА никакого выбора.
И не надо тут типично русской Schadenfreude, «чем хуже, тем лучше».  Нет, чем хуже, тем хуже — нанесен зубодробительный удар по российскому спорту и в итоге — по нам всем, по человеческому капиталу, мягкой силе, здоровью и радости нации, что бы там от этих понятий ни оставалось. Спорт — то немногое, в чем Россия до сих пор была хоть немного (и заслуженно) сильна.

Original, veröffentlicht am 09.12.2019

Facebook / Wladislaw Inosemzew: Neues Schäbigkeits-Level

Der Ökonom und Publizist Wladislaw Inosemzew fragt auf Facebook nach den strukturellen Ursachen der russischen Doping-Politik:

Deutsch
Original
Das aktuelle System des Weltsports ist in der Epoche der Machtkämpfe und der militärpolitischen Konkurrenz entstanden und hat diese Prozesse mitentwickelt und ergänzt.  
Das schäbige Bild des modernen Russlands nach der Entscheidung der WADA spiegelt in erster Linie wider, wie unangemessen diese veralteten politischen Interessen sind sowie ihre Kollision mit den Interessen der Sportler. Diese müssen mit Fans und Zuschauern die einzigen wichtigen Akteure des globalen Sports sein.
Современная организация мирового спорта родилась в эпоху суверенитетов и военно-политического соперничества, став развитием и дополнением этих процессов. Убогость образа современной России после решения ВАДА отражает прежде всего неадекватный характер устаревшей трактовки политических интересов и их столкновение с интересами спортсменов, которые – наряду с фанатами и зрителями – должны быть единственными значимыми акторами глобального атлетического движения.

Original, veröffentlicht am 09.12.2019

Facebook / Iwan Preobrashenski: Geiseln der Drecksäcke 

Auch für den liberalen Politikwissenschaftler Iwan Preobrashenski werden die russischen Sportler zu Opfern des Systems:

Deutsch
Original
Mein Beileid den russischen Sportlern, die zu Geiseln der Drecksäcke geworden sind.
Мои соболезнования российским спортсменам, которые оказались заложниками подонков.

Original, veröffentlicht am 09.12.2019

Erster Kanal: Unangemessen, unlogisch und unverhältnismäßig

Der Vorsitzende des Russischen Olympischen Komitees Stanislaw Posdnjakow protestiert auf dem staatlichen Ersten Kanal gegen den Olympia-Ausschluss: 

Deutsch
Original
Die Position des Russischen Olympischen Komitees bleibt unverändert: Die Sanktionen sind unangemessen, unlogisch und unverhältnismäßig. Und wir werden alles Mögliche tun, damit die russische Olympiamannschaft in Japan unter den Farben der russischen Trikolore antritt.
Позиция ОКР остается неизменной — санкции носят неадекватный, нелогичный и чрезмерный характер. И мы сделаем все от нас зависящее, чтобы олимпийская сборная выступила в Японии под цветами российского триколора.

Original, veröffentlicht am 09.12.2019

Kremlin.ru: Gesetzeswidrige Kollektivhaftung

Auf seiner Pressekonferenz nach dem Gipfel im Normandie-Format in Paris äußerte sich Wladimir Putin auch zu der WADA-Entscheidung: 

Deutsch
Original
[...] jegliche Strafe, so schon im Römischen Recht verankert, muss individuell verhängt werden, ausgehend davon, was die eine oder andere Person getan hat. Strafen können nicht kollektiv verhängt werden und für Menschen gelten, die mit dem konkreten Verstoß nichts zu tun haben. 
[...] любое наказание, так повелось еще со времен Римского права, должно быть индивидуально и исходить из того, что содеяно тем или иным лицом. Наказания не могут носить коллективного характера и распространяться на людей, которые к определенным нарушениям не имеют никакого отношения.

Original, veröffentlicht am 10.12.2019

Vedomosti: Zweite Chance für Russland

Bei den Olympischen Winterspielen 2018 sind russische Sportler bereits unter neutraler Flagge angetreten. Auch diesmal sind die WADA-Sanktionen ähnlich. Die Redaktion der Tageszeitung Vedomosti fragt, ob die zweite Chance denn verdient sei:

Deutsch
Original
Die Reaktion der russischen Politiker und Beamten bietet bislang keinen Anlass zu Optimismus. Premierminister Dimitri Medwedew hat die WADA-Sanktionen schon als „antirussische Hysterie“ bezeichnet, das Außenministerium – als „skrupellose Konkurrenz“. Nachdem im Dezember 2017 der russischen Mannschaft verboten wurde, unter eigener Flagge bei der Winterolympiade anzutreten, hat der Kreml Fingerspitzengefühl bewiesen: hat das Doping-Problem eingestanden und den Sportlern erlaubt, in Pyeongchang unter neutraler Flagge zu starten. Doch Worte sind hier ganz bestimmt nicht das Wichtigste: Russland hat schon bewiesen, dass es fähig ist, gegebene Versprechen zu brechen und gegen selbst auferlegte Verpflichtungen zu verstoßen. Wenn auch die wiederholten Sanktionen es nicht schaffen, Russland von Doping und von Manipulationen der Proben abzubringen, dann kann es sein, dass es keine dritte Chance bekommen wird. 
Реакция российских политиков и чиновников пока не дает повода для оптимизма. Премьер Дмитрий Медведев уже назвал санкции WADA «антироссийской истерией», а МИД — «недобросовестной конкуренцией». В декабре 2017 г. после лишения российской сборной флага на зимней Олимпиаде — Кремль продемонстрировал сдержанность: признал наличие допинговой проблемы и разрешил атлетам отправиться в Пхенчхан в нейтральном статусе. Но слова тут в любом случае не главное: Россия уже доказала, что способна нарушать данные обещания и не выполнять взятые на себя обязательства. Если и повторные санкции не заставят Россию на самом деле отказаться от допинга и махинаций с пробами, третьего шанса ей могут и не дать.

Original, veröffentlicht am 09.12.2019

Republic: Die grünen Männchen des Sports

Zwischen den beiden Möglichkeiten „Lass dich nicht erwischen“ und „Löffel die Suppe aus, die du dir eingebrockt hast“ wird Russland nun eine dritte wählen – prognostiziert Andrej Sinitsyn auf Republic:

Deutsch
Original
Wladimir Putin (wer, wenn nicht er?) könnte sich aus reiner Gewohnheit fürs Nichtstun plus Propaganda entscheiden. Ja, wir befinden uns unter dem Beschuss der Russophobie, aber wir wissen doch, dass es eben unsere Sportler sind, die da unter neutraler Flagge eine neutrale Hymne singen, wir wissen, welche echte Flagge sie in der geballten Faust in ihrer Tasche haben und welche echte Hymne sie singen, bevor sie schlafen gehen im Olympischen Dorf. Sie werden zu den „Es-gibt-dort-Keine“, den „höflichen Menschen“ und der Gruppe Wagner des Sports. Und den russischen Fans wird stets bewusst sein, wen sie da anfeuern – und den Gegner werden sie zehn Mal heftiger verfluchen.
[...] Владимир Путин (а кто, если не он?) может по привычке выбрать [...] ничегонеделание плюс пропаганда. Да, мы под огнем русофобии, но мы же знаем, что под нейтральным флагом поют нейтральный гимн именно наши спортсмены, мы знаем, какой у них настоящий флаг зажат фигой в кармане и какой настоящий гимн они поют перед сном в Олимпийской деревне. Они станут спортивными «ихтамнетами», «вежливыми людьми» и спортротой ЧВК Вагнера, и российские болельщики будут всегда знать, за кого болеть. А соперника они станут проклинать в десять раз сильнее.

Original, veröffentlicht am 10.12.2019

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Spartak Moskau

Als im Oktober 2011 die Website Spartak ohne Trophäe online ging, die die Tage und Jahre der Mannschaft ohne Titel zählt, war die populärste Fußballmannschaft Russlands bereits acht Jahre erfolglos. Die Durststrecke sollte noch lange anhalten, ehe sich Spartak Moskau im Mai 2017 – nach 16 Jahren – souverän die russische Meisterschaft sicherte – drei Spieltage vor Saisonende und mit zehn Punkten Vorsprung. Damit endete eine Phase, die für viele Spartak-Fans schmerzhaft war: Schließlich hatte ihr Team den russischen Fußball in den 1990er Jahren dominiert. Es spielt heute mit vier Sternen auf dem Logo, wobei ein Stern für je fünf gewonnene Meisterschaften seit 1936 steht. Spartak Moskau ist aber mehr als Russlands erfolgreichste Fußballmannschaft. Mit dem Namen Spartak sind zentrale Ereignisse der sowjetischen und russischen Fußballkultur verbunden.

Nach 16 Jahren feiert Spartak im Mai 2017 wieder den Gewinn der Meisterschaft / Foto © Dimitri Korotajew/Kommersant

Die im Jahr 1922 gegründete Mannschaft wird von vielen ihrer Anhänger als „narodnaja komanda“, als „Mannschaft des Volkes“ bezeichnet. Dieses Image Spartaks geht bis in den 1930er Jahre zurück.

Der Mythos der „Mannschaft des Volkes“

Das Team lieferte sich in der 1936 gegründeten sowjetischen Fußballliga packende Duelle mit Dinamo Moskau. Das Geheimpolizei-Team Dinamo gewann 1937 Meisterschaft und Pokal. Spartak dominierte 1938 und 1939. Mindestens 60.000 Zuschauer verfolgten in diesen Jahren das Lokalderby der beiden Teams im brandneuen Dinamo-Stadion. Spartak, ehemals eine kleine Stadtteilmannschaft aus Krasnaja Presnja, trotzte der großen Dinamo-Sportorganisation. Spartak verzauberte damals viele Moskauer, egal wo sie lebten und arbeiteten.

Spartak-Gründer Nikolaj Starostin und seine drei Brüder waren das Herz dieser Mannschaft. Sie gerieten im Zuge der Erfolge zunehmend unter Druck. Zur Zeit des Großen Terrors in Moskau sahen sie sich mit Hetzkampagnen in der Presse und mit Polizeigängelung konfrontiert. Nach Verhaftung 1942, Haft und Verbannung kehrte Nikolaj Starostin erst 1954 nach Moskau zurück. Als im Tauwetter eine zaghafte Auseinandersetzung mit dem stalinistischen Terror einsetzte, erinnerten sich Spartaks Anhänger. Der Mythos der heldenhaften „Mannschaft des Volkes“, die der Geheimpolizei die Stirn bot, war geboren.

Spartak tastete sich schon vor Starostins Rückkehr wieder an die großen Konkurrenten der Armee- und Polizeimannschaften CDKA/CSKA und Dinamo heran. Das Team war 1952 und 1953 Meister geworden und wiederholte diese Erfolge 1956 und 1958. Vor 1961 hatten nur Moskauer Mannschaften die sowjetische Meisterschaft gewonnen. In den 1960er Jahren forderten Mannschaften aus anderen Sowjetrepubliken, insbesondere Dinamo Kiew, die Moskauer Dominanz heraus.

Geburt der Fanbewegung

Spartaks Fangemeinde war Taktgeber der sowjetischen Fankultur. Fernsehübertragungen brachten seit den 1960er Jahren auch Bilder westlicher Fankultur in sowjetische Wohnzimmer. Erste Transparente fanden daraufhin den Weg zu Spielen der obersten sowjetischen Fußballliga. Eine informell organisierte Fankultur entstand indes erst, nachdem 1976 Ungeheuerliches geschehen war: Der große Spartak war abgestiegen. In seiner einzigen Zweitliga-Saison erfuhr Spartak ungeahnte Unterstützung durch jugendliche Fans, die selbstgestrickte Fanschals mitbrachten und Fangesänge organisierten.

Diese Fanbewegung, die Fanatskoje Dwishenije, war zunächst ein normales Phänomen sowjetischer Freizeitkultur der Breshnew-Jahre. Doch sie provozierte Anhänger anderer Moskauer Mannschaften, die sich ebenfalls zu organisieren begannen. Auswärtsfahrten von Spartak-Fans inspirierten Zuschauer auch in anderen sowjetischen Städten. Fanaty von Dinamo Kiew etwa führen die Entstehung ihrer Fanbewegung um 1980 auf das Vorbild Spartaks zurück.1

Radikalisierung der Fankultur

In den frühen 1980er Jahren radikalisierte sich die Fankultur im Kampf der Fangruppen unter­einander und in ersten Auseinandersetzungen mit der Miliz. Spartaks Anhänger standen erneut im Mittelpunkt. Am 20. Oktober 1982 kam es im Moskauer Leninstadium in Lushniki zur Katastrophe: Spartak traf an diesem Abend im UEFA-Pokal auf den niederländischen HFC Haarlem. Bereits während des Spiels kam es auf den Tribünen zu Auseinandersetzungen zwischen Fans und Miliz. Nach dem Spiel gab es im Treppenhaus ein Gedränge, in dessen Folge mindestens 67 zumeist jugendliche Fans von Spartak Moskau starben.

Fankreise machten die Miliz verantwortlich, die nur einen von drei möglichen Ausgängen geöffnet habe. Sowjetische Behörden unterdrückten in den folgenden Jahren das Gedenken an die Opfer. Erst 1989, die Perestroika war weit fortgeschritten, erschien der erste größere Artikel zur Stadionkatastrophe.2 Spartak gegen Dinamo, freies Volk gegen sowjetische Sicherheitskräfte: Die Tragödie fügte sich nahtlos ein in den Mythos Spartaks.

Spartaks zwei Gesichter

Spartak und seine Fans haben zwei Gesichter: Offenheit und Toleranz, aber auch Ausgrenzung und Rassismus. Das Team war stets offen für Spieler anderer Nationalität. Selbst im xenophoben Klima des Spätstalinismus spielten bei Spartak Spieler anderer (sowjetischer) Nationalität, wie der Este Igor Netto oder der Armenier Nikita Simonjan. Spartak repräsentierte für die einen das Zentrum der ungeliebten Sowjetunion – Moskau. Für die anderen aber stand es für Toleranz, Vielfalt und Freiheit.

Seit den 1990er Jahren entstanden auch Verbindungen einzelner Fangruppierungen ins rechtsradikale Lager. Als etwa Spartak-Fan Jegor Swiridow am 6. Dezember 2010 „bei einer Schlägerei mit Kaukasiern“, wie es in den Medien hieß,3 ums Leben kam, versammelten sich fünf Tage später zunächst mehr als 10.000 Menschen, unter ihnen viele Fans von Spartak, an der Metrostation Wodny Stadion in Moskau, um seiner friedlich zu gedenken. Am frühen Nachmittag kam es zu Ausschreitungen auf dem Manegenplatz in unmittelbarer Kremlnähe. Die Krawalle verlagerten sich alsbald in die Metro und in andere Stadtteile.

Attacken auf Gastarbejtery folgten. Versuche der einflussreichen informellen Spartak-Fanbewegung Fratria, diese Ausschreitungen im Vorfeld zu unterbinden, waren gescheitert.

Sportliche Gegenwart

So bewegt die Geschichte seiner Fankultur ist, so unbeständig ist auch die sportliche Gegenwart Spartaks. Noch in den 1990er Jahren dominierte der Verein, da der Hauptwettbewerber Dinamo Kiew nachdem  Ende der Sowjetunion in der ukrainischen Liga spielte. Zwischen 1991 und 2001 gewann Spartak neun Mal in der Russischen Premier-Liga und holte dreimal den Pokal nach Moskau. Im Übergang von Sozialismus zu Kapitalismus war das Team an den Trainer und ehemaligen Spieler Oleg Romanzew gefallen, der ab 1993 auch als Manager Spartaks fungierte.

In den 2000er Jahren vergrößerte sich die Konkurrenz in der russischen Premier-Liga merklich. Neue Sponsoren traten hinzu. Gazproms Mittel für den FC Zenit aus Sankt Petersburg halfen etwa, eine europäische Spitzenmannschaft aufzubauen. 2004 änderten sich auch die Eigentumsverhältnisse bei Spartak. Der Vizepräsident von Lukoil, Leonid Fedun, erstand die Mehrheit der Aktien Spartaks. Dies stabilisierte den Klub, der in der Folge fünfmal Vizemeister wurde, gleichwohl an frühere Erfolge nicht anknüpfen konnte.

Auch während der erfolgreichsten Jahren in Russland waren die Ergebnisse bei internationalen Europa-Spielen eher bescheiden. Der Höhepunkt war bereits 1990/91 erreicht, als Spartak gegen Real Madrid im Viertelfinale der Champions League (0:0/1:3) gewann. Im Halbfinale verlor die Moskauer Mannschaft beide Spiele gegen Olympique Marseille (1:3/1:2). 1998 erreichte Spartak nochmals das Halbfinale des UEFA-Pokals, verlor aber wiederum beide folgenden Spiele, diesmal gegen Inter Mailand (1:2/1:2).

Die Meisterschaft 2017 ist der erste große Titel Spartaks seit dem Pokalsieg 2002. Es ist auch der erste Titel, den Spartak in der Otkrytye Arena feiert – dem 2014 eröffneten ersten eigenen Stadion der Klubgeschichte.

In den 1970er Jahren gab es einen Spruch, wonach sich im Lande noch keine Mannschaft gefunden habe, die besser wäre als Spartak. Das stimmt nun wieder – zumindest für ein Jahr.


1.Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Dissertationsprojekts zu Zuschauersport und Fankultur in der Sowjetunion führte ich 2007 und 2008 rund 30 Interviews mit Fußballfans in Moskau und Kiew durch. Der Untersuchungszeitraum umfasste die 1950er bis 1980er Jahre, sodass ich auch Interviews mit frühen Mitgliedern der Fanbewegungen in Moskau und Kiew durchführte. Die Vorstellung von Spartak als Vorbild begegnete mir in zwei Interviews in Kiew.
2.Mikulik S./Toporov S. (1989): Černaja tajna Lužnikov, in Sovetskij Sport, 08.07.1989, S. 1
3.vgl.: Kommersant: Narodnomu gnevu našli organizatorov: „Tausende Fußballfans und mitfühlende Bürger fanden sich zu Spontanaktionen zusammen, um dem Spartak-Fan Jegor Swiridow zu gedenken, der in der Nacht auf den 6. Dezember [2010] Opfer eines Angriffs von Kaukasiern aus Dagestan und Kabardino-Balkarien wurde.“ In der Folge wurde von den Medien allerdings versucht, den nationalen Gegensatz zu entschärfen. Vergleiche die Dokumentation auf dem Perwyj Kanal.
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