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Die Christus-Erlöser-Kathedrale

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Christ-Erlöser-Kathedrale

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Christ-Erlöser-Kathedrale

Die Christ-Erlöser-Kathedrale steht am linken Ufer der Moskwa in unmittelbarer Nähe zum Kreml. Sie wurde als Denkmal des Sieges über Napoleon konzipiert und entwickelte sich zum zentralen Gotteshaus der Russisch-Orthodoxen Kirche. In den 1930ern wurde die Kathedrale gesprengt, in den 1990ern originalgetreu wieder aufgebaut. Ihre Rolle im heutigen Russland ist dabei weiter kontrovers: Den Status als Heiligtum der Orthodoxie hat die Christ-Erlöser-Kathedrale längst wiedererlangt – verkörpert jedoch zugleich das enge Band zwischen Staat und Kirche.

So groß und einzigartig wie der Sieg gegen Napoleon im Vaterländischen Krieg für Russland war, so groß und einzigartig sollte das Denkmal für dieses Ereignis sein. Die europäische Großmacht wollte schließlich auch architektonisch ihren Geltungsanspruch herausstreichen.1 Der erste Entwurf aus dem Jahr 1812 sah daher nichts weniger vor, als die größte Kathedrale der Welt zu errichten.2

Als sich der Baugrund an den Sperlingsbergen im Südwesten Moskaus als unzureichend erwies und der Architekt Alexander Witberg sich zudem in eine Korruptionsaffäre verstrickte3, erhielt an seiner Stelle 1832 Konstantin Thon den Zuschlag. Wittberg wurde nach Sibirien verbannt. Auf Anweisung des Zaren Nikolaj I. wurde die Kathedrale ab 1839 in fußläufiger Entfernung zum Kreml errichtet4 und, nach über vierzigjähriger Bauzeit, im Jahr 1883 eingeweiht.

Im Unterschied zu Witbergs klassizistischem Projekt steht der realisierte Entwurf Thons in der russisch-byzantinischen Architekturtradition. Diese nimmt Bezug auf die seit den 1830er Jahren entwickelte Politik der offiziellen Volkstümlichkeit Nikolajs I. Als Vorlagen dienten Thon zum einen die altrussischen Kirchen Moskaus und Wladimirs, zum anderen die Sophienkathedrale in Kiew. Die Kathedrale sollte zum Nationaltempel werden, der dem Krieg als wichtigstem Ereignis in der nationalen Geschichte gewidmet wurde und die damit verbundene nationale Mythologie untermauerte. Als größte Kirche im orthodoxen Raum verkörpert das Gebäude auch die im 19. Jahrhundert wiederbelebte Idee, Moskau repräsentiere als Zentrum des orthodoxen Christentums das dritte Rom. Mit der Verbreitung der Slawophilie-Ideologie wurde die Idee des dritten Roms wiederbelebt, in dieser Kirche ist sie verkörpert.5

Mit ihren 103 Metern Höhe war die Kathedrale von vielen Punkten der Stadt aus sichtbar. Die unmittelbare Nähe zum Kreml symbolisierte dabei die wechselseitige Abhängigkeit und enge Verzahnung von geistlicher und weltlicher Macht im zaristischen Russland.6 Die Symbolwirkung dieses Ortes an der Moskwa unterstreicht auch der brutale Umgang der Sowjetmacht mit dem Gebäude: Im Jahr 1931 wurde die Kathedrale gesprengt, um Platz zu schaffen für ein monumentales Bauprojekt, das als Symbol der Revolution bereits 1918 diskutiert wurde.7 Der Palast der Sowjets sollte mit einer Höhe von 450 Metern und einer über 50 Meter hohen Lenin-Statue die Großmachtsymbolik fortsetzen. Er wurde freilich – wegen erneuter Baugrundmängel und der Belastungen des Zweiten Weltkriegs – nie fertiggestellt. Ab 1960 wurden seine Fundamente kurzerhand zum größten Freibad der Welt umfunktioniert, das bis 1993 betrieben wurde.8

In der sowjetischen Epoche waren die orthodoxe Kirche und ihre Repräsentanten oft Repressionen ausgesetzt.9 Umso bedeutsamer war der Entschluss, die Kathedrale nach dem Ende der Sowjetunion wieder aufzubauen: im alten Stil und am selben Ort zu Füßen des Kreml. Jelzin selbst erklärte, die Kathedrale sei für die russische Nation eine heilige Stätte. Mit ihrer Hilfe werde es leichter gelingen, „sozialen Konsens” in einer neu aufzubauenden Gesellschaft herzustellen.10 Die Wiedererrichtung wurde in der Bevölkerung wohlwollend aufgenommen, zur Finanzierung trugen neben einer staatlich geförderten Stiftung auch Spenden maßgeblich bei. Allerdings blieb es auch diesmal nicht ohne Skandale: Wie beim ersten Entwurf im 19. Jahrhundert wurde der verantwortliche Architekt Alexej Denisow ausgetauscht, seinen Platz nahm der seit Sowjetzeiten berühmte Bildhauer Surab Zereteli ein. Wenngleich damit die Korruptionsvorwürfe keineswegs zum Erliegen kamen, wurde die Kathedrale Ende 1999 eingeweiht.

Foto - Moscow July 2011-7a © Alvesgaspar unter CC BY-SA 3.0

Betrachtet man die neuere Geschichte des Bauwerks, so hat sich Jelzins Hoffnung vom sozialen Konsens nur teilweise erfüllt. Einerseits spielt die Kathedrale ohne Frage eine wichtige Rolle im spirituellen Leben Russlands. Als Wallfahrtsort zieht sie unzählige Gläubige an. Andererseits steht sie auch für die Verflechtung von Staat und orthodoxer Kirche, gegen die sich u. a. die hochumstrittene Protestaktion der Punk-Band Pussy Riot in der Kathedrale richtete. Auch die wenig sakrale Nutzung einiger Gebäudeteile erregt Anstoß unter Gläubigen: In dem riesigen Komplex befinden sich eine Autowaschanlage, eine KFZ-Werkstatt und eine chemische Reinigung – allesamt höchst weltliche Betriebe, die der Kirche willkommene Einnahmen bescheren.11 So hat das Gebäude mit der bewegten Geschichte heute viele Gesichter: Unter seinen mächtigen goldenen Kuppeln eint es die Gläubigen, es steht für einen wiedererstarkten Staat, der sich auf seine orthodoxen Wurzeln besinnt, doch es symbolisiert auch Korruption und das Machtstreben der politischen und kirchlichen Führung.


1.Gentes, Andrew (1998): The Life, death and resurrection of the Cathedral of Christ the Saviour, Moscow, in: History Workshop Journal (46), 63-96, S. 63f
2.Sidorov, Dmitri (2000): „National monumentalization and the politics of scale: the resurrections of the Cathedral of Christ the Savior in Moscow“, S. 548, in: Annals of the Association of American Geographers 90.3, S. 548-572
3.Web-Projekt „Das vergangene Moskau“: Die Christ-Erlöser-Kirche, Teil I & Teil II
4.„Das vergangene Moskau“: Die Christ-Erlöser-Kirche
5.Kiritcenko E.I. (Hrsg.) (2010): Gradostroitelstvo Rossii serediny XIX-načala XX. veka: Stolicy i provincija, Moskau, S. 113 ff
6.Figes, Orlando (2011): Die Tragödie eines Volkes: Die Epoche der russischen Revolution 1891-1924, Berlin, S. 78ff.
7.Gentes (1998), S. 77
8.Sidorov (2000), S. 548
9.Sidorov (2000), S. 552
10.zitiert nach Gentes (1998), S. 86
11.Slon.ru: V chrame Christos Spasitelja nam počistili pidžak
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