Fotograf Igor Tereschkow war auf den Erdölfeldern im Autonomen Kreis der Chanten und Mansen unterwegs. 50 Prozent des russischen Erdöls, so schreibt der Fotograf, würden dort gefördert. Tereschkow hat die Chanten in ihrem Alltag begleitet – ganz plastisch erzählen seine Fotos dabei auch von Zerstörung: „Das Öl wirkt auf das Filmmaterial wie auf die Umwelt: es dringt ein, brennt sich ein und zerlegt es.“
Zu seiner Fotoreportage schreibt der Fotograf auf Takie Dela:
Jedes Jahr gibt es in Russland mehr als 18.000 Unfälle, die zu Ölverschmutzungen führen. 1,5 Millionen Tonnen Öl gelangen so in die Umwelt. Das ist ungefähr doppelt so viel wie bei der Ölpest 2010 auf der Plattform Deepwater Horizon. Damals hatte sich im Golf von Mexiko eine der größten technogenen Katastrophen ereignet.
Die Ursachen für die Ölverschmutzungen in Russland liegen vor allem in der Abnutzung und Korrosion der Rohrleitungen: Einige Rohre sind mehr als 30 Jahre alt, obwohl die Haltbarkeit nur zehn bis 20 Jahre garantiert ist.
Im Sommer 2018 habe ich mich – mit Unterstützung der Freiwilligenbewegung #НеЗаливайМнеТут (#NeSaliwajMneTut, #StopOilSpills), Greenpeace Russland und dem Projekt 7x7 Gorisontalnaja Rossija (Horizontal Russia) –
in die Jugra, den Autonomen Kreis der Chanten und Mansen aufgemacht, um die Folgen der Ölverschmutzung zu fotografieren.
Havarien dieser Art beeinflussen dort die gesamte Umwelt und bedrohen die Lebensweise der indigenen Bevölkerung. In der Nähe der Großstadt Surgut, in der ländlichen Siedlung Russkinskaja, lebt Antonina Tewlina aus dem Volk der Chanten. Ihre Eltern führen bis heute ein traditionelles Nomadenleben und hüten auf ihrem Land Rentiere. Insgesamt besitzt die Familie circa 600 Hektar Land, was für hiesige Verhältnisse eine stattliche Fläche ist. Laut Antonina hielten die Eltern in ihrer Kindheit einige hundert Rentiere, jetzt sind es zusammen mit den Jungtieren nicht mehr als 60.
Insgesamt werden im Autonomen Kreis der Chanten und Mansen ungefähr 50 Prozent des russischen Erdöls gefördert. Die Erdölfelder überschneiden sich teilweise mit den Lebensräumen der Urbevölkerung. Hier ansässige Erdölarbeiter scherzen, dass das gesamte Territorium ein einziges großes Lizenzgebiet sei. Mittlerweile führt der Weg zum Territorium der Tewlins über einen Kontrollpunkt. Um Gäste zu empfangen, greifen die Bewohner manchmal zu dem Trick, ihnen traditionelle Kleider anzuziehen. Sonst musst du, wenn du nicht in den Listen des TschOP aufgeführt bist, zur Umgehung des Kontrollpunktes einige Kilometer durch Moor und Sumpf zurücklegen. Weiter dann im Auto über unbefestigte Straßen, die nicht auf Karten verzeichnet sind, dann noch ungefähr zehn Kilometer zu Fuß durch Minidörfchen [Wohnplätze der halbnomadisch lebenden Rentierzüchter – dek], durch Moor, in das du bis zur Hüfte einsinkst, über Flechten und Moos, das unter den Füßen federt wie ein Trampolin.
Antonina Tewlina sagt: „Rentierflechten sind für die Tiere wie Brot, wenn sie beschädigt werden, braucht es 30 Jahre, damit sie sich regenerieren.“
Die Fotos für das Projekt Moos und Öl wurden auf Schwarzweißfilm gemacht und vor dem Entwickeln in eine Flüssigkeit mit Öl getunkt, das aus den Verschmutzungen im Autonomen Kreis der Chanten und Mansen stammt. Bei all seiner Organik wirkt das Öl auf die gelatinehaltige Filmschicht wie auf die Umwelt – es dringt ein, brennt sich ein und zerlegt sie.
Fotos und Text: Igor Tereschkow/ Takie dela
Übersetzung: dekoder-Redaktion
Veröffentlicht am: 27.06.2019