Media
Gnose

Sergej Lawrow

Seit 20 Jahren vertritt derselbe Mann Wladimir Putins Politik in der Welt. In dieser Zeit hat Sergej Lawrow Annäherungsversuche mit Washington unternommen und der Welt mit Atomraketen gedroht. Er wurde als erfahrener Diplomat geachtet und als Lügner ausgelacht.

Gnoses
en

Alexej Kudrin

Alexej Kudrin ist der einzige Politiker aus dem engeren Kreis Putins, der sowohl im Ausland als auch bei einem Teil der oppositionell gestimmten Bürger Vertrauen genießt. Seit Beginn der russischen Wirtschaftskrise kehrt der promovierte Ökonom schrittweise in die Politik zurück.

Als Finanzminister (2000–2011) genoss Kudrin nicht nur das Vertrauen Putins, sondern auch das ausländischer Anleger und internationaler Institutionen. Seine wirtschaftspolitischen Ansichten decken sich größtenteils mit den Empfehlungen der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF). Kudrin stand stets für eine Politik der makroökonomischen Stabilität und der Marktorientierung. Der von ihm konzipierte Stabilisierungsfonds machte den Staatshaushalt krisenfester. Die zurückgelegten Mittel wurden 2009, aber auch im Verlauf der Wirtschaftskrise ab 2014 dazu eingesetzt, Haushaltsdefizite zu finanzieren, den Rubel zu stützen und das Bankensystem zu stabilisieren. Ohne die Rücklagen wäre der Kreml 2015 zu deutlich schmerzhafteren Budget-Einschnitten gezwungen gewesen. Das hätte sowohl in der Elite als auch bei den Bürgern für großen Unmut gesorgt. Gleichzeitig lockte Kudrins Politik aber auch viele internationale Kapitalgeber nach Russland und verstärkte damit die Abhängigkeit Russlands von den internationalen Finanzmärkten – die die derzeitigen westlichen Sanktionen erst möglich machte.

Kudrin wurde 1960 in Dobele in Lettland geboren, wo sein Vater, der für das sowjetische Militär arbeitete, stationiert war. Er studierte an der Staatlichen Leningrader Universität Wirtschaftswissenschaften und promovierte am Institut für Ökonomie der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften in Moskau. Ende der 1980er Jahre engagierte er sich in verschiedenen wirtschaftsliberalen Klubs und Initiativen in Sankt Petersburg, in denen er unter anderem mit Anatoli Tschubais Konzepte für wirtschaftliche Reformen diskutierte. Seine politische Karriere begann – wie auch die von Wladimir Putin – in der Stadt Leningrad beziehungsweise Sankt Petersburg unter Anatoli Sobtschak. Dort leitete Kudrin das Komitee für Wirtschaftsreformen. 1996 wechselte er in den Kreml, bevor Putin ihn im Jahr 2000 zum Finanzminister machte. Diesen Posten behielt er bis 20111.

Zerwürfnis mit Medwedew, Bolotnaja-Proteste

Im September 2011 wurde Kudrin von Präsident Medwedew entlassen. Auslöser dieser Entlassung, die sich vor laufenden Kameras abspielte, war eine Bemerkung, die Kudrin wenige Tage zuvor während einer Sitzung des IWF in Washington gemacht hatte. Darin kündigte er an, nicht in einer Regierung unter Medwedew arbeiten zu wollen, da er mit diesem inhaltlich nicht übereinstimme – vor allem bezüglich der Höhe der Militärausgaben2. Ein sichtlich pikierter Medwedew stellte ihn daraufhin rhetorisch vor die Wahl, entweder zu erklären, es gebe keine Meinungsverschiedenheiten, oder seinen Posten zu verlassen3.

Als infolge der Fälschungen bei den Dumawahlen 2011 zum ersten Mal seit Putins Amtsantritt tausende Menschen für einen Machtwechsel demonstrierten, unterstützte Kudrin die Anliegen der Demonstranten und trat am 8.12.2011 selbst auf dem Bolotnaja-Platz als Redner auf. Unter deutlich hörbaren Pfiffen forderte er die Absetzung des Wahlleiters, rief die Demonstranten aber gleichzeitig zum Dialog mit der Politik auf, um eine blutige Revolution zu verhindern4.

Im April 2012 gründete Kudrin das Komitee der Zivilinitiativen, das einen offenen und kritischen, aber nicht personifizierten Dialog zwischen Bürgern und Regierung ermöglichen soll5. Daneben übernahm er den Posten als Dekan der Fakultät für Freie Künste und Wissenschaften an der Staatlichen Universität Sankt Petersburg6.

Nach Kudrins Absetzung äußerte Putin wiederholt sein großes Vertrauen in den ehemaligen Finanzminister. Seit Ende 2013 mehren sich die Anzeichen, dass Kudrin in die Politik zurückkehren könnte. Im Dezember 2013 wurde er von Putin in den neugegründeten Wirtschaftsrat des Kreml berufen7. Mit der fortschreitenden Wirtschaftskrise wurden die Gerüchte um eine Rückkehr auf einen verantwortungsvollen Posten konkreter8.

Mitte April 2016 verkündete Putin, dass sein ehemaliger Finanzminister sich zwar lange geweigert habe, für die Regierung zu arbeiten, sich diese Haltung aber nun ändere.9 Wenige Tage später gab Kudrin bekannt, er werde künftig den Rat des Zentrums für strategische Entwicklung leiten, Putins wichtigster Denkfabrik. Im Rahmen einer internationalen Konferenz in Moskau forderte er kurz darauf umfassende Reformen im russischen Staatswesen, dem Bildungs- und Gesundheitssystem sowie der Justiz. Geschichtsträchtig fasste Kudrin zusammen: „Die Kultur und die Institutionen unserer Gesellschaft erlauben es, von der Staatsführung einen Umbau [Perestroika] zu verlangen.“10 Bei seinen Ratschlägen an den Kreml wird es nun nicht mehr nur um die Staatsfinanzen gehen.


1.akudrin.ru: Biografija
2.The New York Times: Russian Finance Chief Publicly Objects to Leader Swap
3.YouTube.com: Medvedev predlagaet Kudrinu ujti v otstavku
4.YouTube.com:Aleksej Kudrin na mitinge v Moskve 24.12.2011
5.Komitet graždanskich iniciativ
6.Saint Petersburg State University: Kudrin Aleksei
7.The Moscow Times: Enthusiastic Kudrin Returns to Kremlin's Policymaking Table
8.bloomberg.com: Kudrin Said To Be in Talks for Top Job in Putin Government
9. Lenta.ru: Putin predrek Kudrinu mesto v ekspertnom sovete pri presidente
10. Interfax.ru: Kudrin predlozhil perestroit' sistemu gosupravleniia, obrazovanie i zdravookhranenie

 

 

Support dekoder
Related topics
Gnose

Dimitri Medwedew

Dimitri Medwedew ist seit Januar 2020 stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrates. Er war von 2012 bis 2020 Premierminister und bekleidete von 2008 bis 2012 das Amt des Präsidenten der Russischen Föderation. Medwedew gehört zu den engsten Vertrauten von Präsident Putin und nimmt, nicht zuletzt als Vorsitzender der Regierungspartei Einiges Russland, eine wichtige Rolle im politischen Systems Russlands ein.

Gnose

Präsidialadministration

Die Präsidialadministration (PA) ist ein Staatsorgan, das die Tätigkeit des Präsidenten sicherstellt und die Implementierung seiner Anweisungen kontrolliert. Sie ist mit beträchtlichen Ressourcen ausgestattet und macht ihren Steuerungs- und Kontrollanspruch in der politischen Praxis geltend.

Gnose

Rokirowka

Rokirowka - zu Deutsch Rochade - ist ein aus dem Schach entlehnter Begriff, der im russischen politischen Diskurs einen Ämtertausch meint, genauer die Rückkehr Wladimir Putins in das Präsidentenamt 2012 nach der Interimspräsidentschaft von Dimitri Medwedew (2008-2012).

Gnose

Silowiki

Silowiki ist ein Sammelbegriff für Amtspersonen aus Sicherheitsorganen des Staates. Seit den späten 1990er Jahren hat ihr Einfluss stetig zugenommen. Unter Putin gehören sie zu den einflussreichsten Akteuren innerhalb der russischen Elite.

Gnose

Bolotnaja-Platz

Der Bolotnaja-Platz befindet sich zwischen dem Kreml und dem alten Kaufmannsviertel Samoskworetschje im Zentrum Moskaus. Er hat im Mittelalter zunächst als Handelsplatz gedient, später kam ihm immer wieder eine wichtige politische Bedeutung zu, zuletzt während der Proteste gegen die Regierung in den Jahren 2011/12.

Gnose

Protestbewegung 2011–2013

Nachdem Putin im September 2011 angekündigt hatte, wieder Präsident werden zu wollen, und im Dezember zahllose Wahlbeobachter über massive Wahlfälschungen berichteten, bildete sich in Russland die größte Protestbewegung seit dem Ende der Sowjetunion. Sie bewies erstaunliches Durchhaltevermögen, versiegte jedoch im Jahr 2013 aufgrund von inneren Streitigkeiten und der repressiven Reaktion des Staates.

more gnoses
Motherland, © Tatsiana Tkachova (All rights reserved)