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Die Stunde der Elefanten

Plötzlich tauchen immer mehr Elefanten in Wohnungen und Häusern auf, die Menschen aber wollen sie nicht bemerken. Der neue Roman des belarussischen Schriftstellers Sasha Filipenko spielt mit der Metapher des Elefanten, der im Zimmer steht und der ein aufgeschobenes Problem versinnbildlicht. Filipenko macht ihn zum Zentrum einer hochaktuellen und politischen Geschichte und zeigt, wie kleine alltägliche Kompromisse die Bildung eines autoritären Regimes begünstigen. Slon ist bisher auf Russisch und Belarussisch erschienen. Der Roman wird im Frühjahr 2026 in der deutschen Übersetzung von dekoder-Übersetzerin Ruth Altenhofer veröffentlicht werden. 

Das russische Online-Medium Meduza hat mit Filipenko, der 2020 an den Massenprotesten in seiner Heimat teilnahm und heute im Schweizer Exil lebt, ein langes Interview geführt. Über russische und belarussische Elefanten, über Moskauer Humor und über seine Einstufung als „extremistischer Autor”. 

Quelle Meduza

Sasha Filipenko im Mai 2025 in Warschau. / Foto © Volha Shukailax/ ZUMA Press Wire/ Imago 

Meduza: Die wichtigste Frage zuerst: Sie haben einen Roman über Elefanten geschrieben, die von allen ignoriert werden. Wie sind Sie auf dieses Bild gekommen? 

Sasha Filipenko: Das war gleich zu Beginn des Krieges. Ein paar Wochen lang hab ich immer bis 15 Uhr gewartet, um mich dann sofort zu betrinken. Ich lebte schon in der Schweiz, damals an einem malerischen Fleckchen Erde in den Bergen, mit Blick auf den Genfer See. Und mich quälten unerträgliche Schuld- und Schamgefühle dafür, dass ich inmitten von Schönheit und Sicherheit sitze und nicht bei meinen Freunden in Kyjiw. 

Dann wurde mir bewusst: Das nützt niemandem. Doch es hat mich erschüttert, wie meine ehemaligen Bekannten in Russland reagiert haben. Zunächst waren sie schockiert, dann haben sie sich untereinander ausgetauscht und beschlossen, dass man da nichts machen kann und es zu brenzlig wäre, Widerstand zu leisten. Und das werfe ich persönlich der russischen Gesellschaft vor. Ich habe immer an Demonstrationen teilgenommen, in Russland wie in Belarus, auch Einzelproteste habe ich mitgemacht. Ich habe genug Erfahrung, um zu vergleichen, wo es riskanter ist. Ich habe kein Verständnis, wenn ich höre, es sei in Russland besonders riskant gewesen. Es gab eine lange Zeitspanne, in der man ruhig hätte demonstrieren können, und die haben sie wohl verpasst.                  

Die Russen hatten schon proaktiv die Hosen voll. Ein paar Zehntausende haben demonstriert, aber bei einer Bevölkerung von 140 Millionen ist das wenig – auch wenn das ihr mutiges Tun nicht schmälert. Was also ist der Unterschied zwischen den Belarussen und den Russen? Die Belarussen können – wie in Einer flog über das Kuckucksnest – immerhin sagen, sie haben es probiert.  

Ich befolge immer ganz einfache Lebensgesetze: „Im Theater weinen wir, beim Boxen nicht, Verwaltungsdelikte für die Teilnahme an Demonstrationen nehmen wir in Kauf, Strafdelikte nicht." Einfache Regeln, die helfen sich zurechtzufinden. Und da schien mir mit einem Mal, dass rundum Elefanten stehen, aber die Menschen rasch gelernt haben, sie nicht zu bemerken.   

Es ist ein Buch über Freiheit geworden, über die Freiheit von Form und Gedanken.   

Auch das Ende des Buchs war mir sofort klar, ich wusste, wo das hinführen muss. Aber ich habe mir lange nicht erlaubt, diesen Roman zu schreiben, weil mir die Metapher zu plump vorkam, ich dachte, das kann man nicht machen. Aber dann fand ich: Warum eigentlich nicht? Meine Bücher werden übersetzt und ausgezeichnet, ich kann doch schreiben, was ich will. Das war ein wichtiger Schritt, und so ist es ein Buch über Freiheit geworden, auch über die Freiheit von Form und Gedanken.   

Wenn jemand erzählt, dass es in Russland so riskant war zu protestieren, dann weiß man gleich, er hat es nicht versucht. Wer etwas getan hat, sagt nicht, dass es unmöglich ist.  

Meine Logik war immer sehr simpel – ich glaube, die Nadel des Unsterblichen Koschtschej befindet sich für die Belarussen in Moskau. Deshalb war ich in Russland aktiv und hoffte, dass das einen Einfluss auf die Entwicklungen in Belarus haben würde. Ich habe demonstriert, den Mund aufgemacht, bei Doshd gearbeitet. 

Hatten Sie während des Schreibens irgendwelche neuen Erkenntnisse über Ihre Elefanten?   

Ich arbeite immer gern dokumentarisch, weswegen ich erst mal eine Menge über Elefanten erfahren wollte. Ich sprach mit Dompteuren, Tierärzten, Psychologen, die in europäischen Zoos mit Elefanten zu tun haben. In meinem Buch erwähne ich die ungewöhnlichen Trauerrituale, mit was für tiefen Gefühlen sie ihre Artgenossen beweinen, und ihren Charakter – Elefanten können sehr reizbar und nachtragend sein, mehr noch als wir Menschen. Und sie haben sogar Wahlen, nur im Unterschied zu uns sind es faire Wahlen, ohne Fälschungen.     

Ich wollte beschreiben, wie die Entscheidung gegen die Liebe zur Entmenschlichung führt. 

Aber es ging mir nicht hauptsächlich darum, dass die Menschen die Elefanten nicht bemerken, obwohl auch das wichtig ist. Eher wollte ich beschreiben, wie die Entscheidung gegen die Liebe zur Entmenschlichung führt. Wie diese kleinen, alltäglichen Kompromisse, Entscheidungen zugunsten der Bequemlichkeit, in eine Riesentragödie führen. Ich wollte zeigen, wie sich all die kleinen Kompromisse zu einem großen Elefantenkompromiss auswachsen.  

Ein Elefant ist ein sympathisches Tier, zu Beginn hat man nicht das Gefühl, in Gefahr zu sein. Dann sind eben Elefanten da und stehen rum. Ich habe auf Telegram gefragt: Was würdet ihr tun, wenn plötzlich ein Elefant in eurem Zimmer stünde? Die Antworten in meinem Buch sind das, was meine Follower geschrieben haben: „Ich würde ihn waschen.“ „Ich würde ihm was aus meinem Leben erzählen, dann würde er von selber gehen.“ Keiner fand die Vorstellung bedrohlich. Nur eine junge Frau hat geschrieben, sie würde schreien, dass es alle hören: Elefanten bringen Unglück. 

Sasha Filipenkos Roman Slon (dt. Elefant) in der russischen Ausgabe.

Warum haben Sie Kommentare aus sozialen Netzwerken in Ihren Text eingeflochten? 

Weil wir heute in so einem endlosen Kommentar leben. Wir haben die Fähigkeit zur Diskussion verloren, und ich wollte zeigen, wie das passiert ist. Zunächst wirkt es toll, dass es so viele verschiedene Stimmen gibt, das sieht nach Demokratie aus, aber letztlich beobachten wir, wie die Leute online die Chirurgen belehren, wie sie ihre Operation zu machen haben. Ich wollte nicht nur zeigen, wie unterschiedlich die Menschen ein und dieselbe Begebenheit wahrnehmen, sondern auch, dass die Interpretation ohne jegliche Reflexion erfolgt: Man denkt nicht nach, bevor man urteilt. 

Und ich experimentiere immer gern mit Formen. Ich glaube, das macht es für die Leser interessanter, weil es in der heutigen Zeit, in der sich keiner länger als sieben Minuten auf sein Buch konzentrieren kann, ohne aufs Handy zu gucken, wichtig ist, dass die Form attraktiv ist.  

Stand der Stand-up-Comedian als Hauptfigur ebenfalls von Anfang an fest?  

Für mich ist Stand-up-Comedy ein wichtiges Genre, wenn es um Freiheit geht. Ich habe selber viele Programme geschrieben, und die meisten meiner Freunde, die Comedians sind, machen im Exil weiter. In Russland erzählt heute die Hälfte der Stand-up-Comedians, wie doof ihre Frau ist, die andere Hälfte jammert, dass man in Moskau keinen Parkplatz findet, oder berichtet von Turbulenzen. Keine Ahnung, von was für Turbulenzen, wenn sie doch nirgendwo mehr hinfliegen, außer nach Dubai. So viel zum Reichtum des Moskauer Humors. Sie machen Witze über Moskauer Probleme, ohne die Elefanten zu bemerken.              

Es ist ja nicht so, dass man nur über den Krieg und nur über Scheußlichkeiten Witze machen soll. Wenn du komplett frei bist, kannst du über alles reden, auch über den Krieg. Es ist nicht normal, nur über das zu lachen, was erlaubt ist, und zu ignorieren, dass nebenan ein Genozid verübt wird.  

Der Komiker als Protagonist war mir deswegen wichtig, weil ich das sonst nicht hingekriegt hätte. Ich wollte nicht mit Pathos und Drama schreckliche Geschichten über die Banalität des Bösen schreiben. In meinem Buch steht ein Elefant auf der Bühne, der Protagonist taucht im Hintergrund auf und wechselt irgendwann vom Humor hin zu dem Thema, warum der Elefant überhaupt dasteht. Ich wusste sofort, dass der Comedian in der zweiten Hälfe des Romans zur Hölle fahren muss, und zusammen mit ihm werde ich auch der Leser dorthin führen. Er behält bis zum Schluss seinen Humor, sogar als ihm das Schlimmste widerfährt. Für mich ist das eine Geschichte über Widerstand gegen Entmenschlichung – weil der Romanheld dem Bösen ins Gesicht lacht und sich gegen Gehorsam und Bequemlichkeit wehrt. 

Sasha Filipenko bei den Protesten in Belarus im Jahr 2020. Auf dem Plakat (statt alles Gute zum Geburtstag): „Alles Gute zum Tag des Umsturzes!”  / Foto © Archiv Filipenko 

Ist Ihr Elefant vor allem ein Text über Russland? 

Ich wollte einen universellen Text schreiben. In Amerika kann man ihn zum Beispiel als Geschichte über Trumps Aufstieg lesen. Auch da kommen Elefanten, machen alles kaputt und vertreiben die Menschen. Aber es sind auch jene Elefanten, die die deutsche oder die Schweizer Gesellschaft nicht bemerkt.  

Aber natürlich ist es zu einem hohen Grad ein Dialog mit der russischen Gesellschaft – der doppelköpfige Elefant ist mir nicht umsonst eingefallen, er war sogar auf einem Cover-Entwurf. Auch eine Auseinandersetzung mit der belarussischen Gesellschaft. Heute beobachte ich, wie viele Belarussen das Jahr 2020 zur eigenen Beschwichtigung benutzen. Sie trösten sich, indem sie sagen: Wir haben 2020 wenigstens irgendwas unternommen, die Russen haben gar nichts getan. Aber das ist jetzt fünf Jahre her, und in Belarus wurde nichts erreicht. Kein Sieg, stattdessen Tausende im Gefängnis, Folter, permanente Verhaftungen. 500.000 bis zwei Millionen sind im Exil. Mitten in Minsk steht ein Gefängnis, in dem gefoltert wird. Die Minsker wenden jetzt genauso den Blick ab von dem, was rundherum passiert, wollen nicht hinsehen.  

Noch eine wichtige Ebene: die Elefanten als jene Probleme, die wir mit uns mitschleppen. So kann man das Buch in jedem Land lesen. 

Wobei Sie trotz all Ihrer Kritik an der russischen Gesellschaft die Verbindung nicht endgültig abreißen lassen, Sie publizieren nach wie vor in Russland. Hat sich für Sie mit Beginn des großangelegten Kriegs etwas verändert? 

Ich habe eine Vereinbarung, dass alle meine Romane, bevor sie als Buch erscheinen, in der Literaturzeitschrift Snamja abgedruckt werden. Diesmal war ich mir sicher, dass die Zeitschrift aus nachvollziehbaren Gründen davon Abstand nehmen wird. Trotzdem haben wir den Text hingeschickt, und er wurde veröffentlicht. Er ist in Russland bereits in Bibliotheken und auf der Snamja-Website öffentlich zugänglich.  

Ich würde mir wünschen, dass er gerade in Russland gelesen wird. In Moskau, das derzeit in einem Blumenmeer versinkt und wo ständig neue Lokale aufmachen. Gestern habe ich ein Inserat gesehen von einer Firma namens Archipel Gulag. Da kommen NKWD-ler zu Ihnen ins Büro, verhaften alle und fahren sie in irgendeinen Wald zum Holzarbeiten. Das steht direkt so da: Die Uniformierten gehen extra grob mit Ihren Mitarbeitern um. Nach einer „Amnestie“ steigt die Party. Ich empfinde es als meinen kleinen Sieg, dass in so einem Land Elefant in den Bibliotheken steht, und bin jenen Menschen, die das ermöglicht haben, äußerst dankbar.  

Metaphern sind in Russland noch erlaubt. Sind Metaphern kein „Extremismus”? 

Es gibt da einen doppelköpfigen Elefanten, der zum Staatswappen wird. Aber das könnte ja auch Österreich sein, oder die USA. 

Ihr Buch ist gleichzeitig auf Russisch und auf Belarussisch erschienen. Welche Version war die erste? 

Ich habe auf Russisch geschrieben, dann aber sofort mit einem Redakteur die belarussische Version begonnen, die wir als Erstes veröffentlicht haben, um den belarussischen Verlag zu unterstützen. Weil, wenn ein Buch auf Russisch erscheint, lesen es viele Belarussen auf Russisch und kaufen es nicht auf Belarussisch. Die belarussische Auflage war in Warschau innerhalb von vier Tagen ausverkauft. Das ist ein Riesenglück. 

Gibt es einen Unterschied zwischen dem belarussischen und dem russischen Elefant

Im Text gibt es ein Kreuzworträtsel, das nach und nach von einer Figur gelöst wird, und einige Wörter darin sind für die Handlung wichtig und müssen unbedingt erhalten bleiben. Andere Wörter mussten für die belarussische Version ausgetauscht werden, damit sie ins Rätsel passen, dementsprechend musste ich einige Absätze umschreiben. Diesen Unterschied gibt es. Darüber zerbrechen sich momentan die Übersetzer die Köpfe, denn es sind Übersetzungen ins Deutsche, Französische und Tschechische in Arbeit.  

Eine merkwürdige Frage, aber für mich im heutigen Kontext wichtig: Fühlen Sie sich als postsowjetischer Mensch 

Ich war eines der letzten sowjetischen Kinder. Mein erster Schultag war am 1. September 1991, davon gibt es eine Filmaufnahme. Die Lehrer sprechen noch von der Sowjetunion. Sie ist bereits aufgelöst, aber in dieser Klasse noch existent.   

Ich würde sehr gern zurück nach Minsk, weil das die einzige Stadt ist, in der ich mich in jeder Straße zu Hause fühle. 

Ich habe mich mein Leben lang als Belarusse gefühlt. Wir waren keine Pioniere mehr, keine Oktjabrjata, wir waren belarussische Gutmenschen – also die, die gute Taten vollbringen. Unsere Sitzordnung war wie im Flugzeug, immer drei zusammen, und dann sagten uns die Lehrer, wir fliegen zum Guten und werden von nun an Gutes tun. 

Heute gelten Sie in Belarus als „Extremist”, stimmt das? 

Es gibt ein Strafverfahren gegen mich, aber Genaueres weiß ich darüber nicht. Mein Instagram-Account gilt als extremistisch, aber meine Bücher nicht, obwohl sie überprüft wurden. Das heißt, mein Insta zu abonnieren ist in Belarus verboten, aber meine Bücher lesen darf man noch.  

Könnten Sie nach Minsk zurückkehren? Würden Sie das überhaupt? Und was würden Sie dort gern tun? 

Ich würde sehr gern zurück nach Minsk, weil das die einzige Stadt ist, in der ich mich in jeder Straße zu Hause fühle. Aber alle meine Freunde haben Minsk verlassen. Wenn ich über eine Rückkehr nachdenke, dann frage ich mich, in welcher Stadt ich da landen würde. Weil es eine Rückkehr in die Vergangenheit wäre, nicht in mein Leben, sondern in mein früheres Leben. 

Auf jeden Fall würde ich gern meinen Lesern begegnen, weil zu meinen Lesungen immer vor allem Belarussen kommen – in Warschau und Vilnius zu Hunderten. Ich würde mir wünschen, dass meine Theaterstücke in Minsk aufgeführt werden, was uns bisher vereitelt wurde. Und am liebsten würde ich so was wie eine Diskussionsplattform gründen, wo jeden Samstag Begegnungen mit Schriftstellern oder Journalisten stattfinden. Um eine Diskussionskultur zu pflegen.   

Aber können Sie auch ein neues Zuhause finden, jenseits von Minsk? 

Irgendwie ist das für mich leichter, weil ich nie das Gefühl hatte, hier ist Belarus und dort der Westen. Ich habe mich von Beginn an als Teil von Europa gefühlt und die Meinung vertreten, dass wir Europäer sind. Alle meine Freunde und ich haben sich Richtung Warschau oder Vilnius orientiert. Mein Leben lang dachte ich, dass wir Europäer sind. Eigentlich hätte Belarus früher in die EU kommen sollen als Litauen, Lettland und Estland. Insofern war es für mich nicht so schmerzvoll, nach Europa zu ziehen.  

Sasha Filipenko zusammen mit Maria Kolesnikowa. / Foto © Archiv Filipenko 

Hat die Literatur irgendeinen Einfluss auf etwas? 

Nein. Sie hat überhaupt keinen Einfluss. Ein Buch kann nur immer den einzelnen Leser beeinflussen. Ich weiß aber, dass meine Bücher einen therapeutischen Effekt haben. Die Menschen in Minsk, in den belarussischen Gefängnissen, lesen meine Bücher, geben sie untereinander weiter, behalten Exemplare aus der Bibliothek. Wenn sie aus der Haft entlassen werden, schreiben sie mir, dass ihnen das geholfen hat.  

Ich weiß zum Beispiel auch, dass einige Schweizer Familien, nachdem sie meine Bücher gelesen hatten, Kinder aus Belarus adoptiert haben, als das noch ging. Ich weiß, dass mit meinen Büchern Diplomaten diverser Länder angereist sind, das floss in ihre Entscheidungsfindung ein. Aber ich schreibe ganz sicher nicht dafür.    

Ich schreibe, um Fragen zu stellen. In manchen Momenten kann das vielleicht zu Veränderungen führen, ja. Aber das ist alles Sisyphusarbeit, was wir da tun. Wobei ich mittlerweile von einem Kreis aus treuen Fans und Lesern umgeben bin. Zu Kriegsbeginn hat Shenja Berkowitsch eine Auktion organisiert, bei der Prominente ihre Pokale und Auszeichnungen versteigert haben. Die Einnahmen gingen an Juristen, die Männern halfen, die nicht kämpfen wollten. Jeder sollte einen Pokal oder eine Auszeichnung beisteuern, aber ich sagte: „Verkaufen wir doch gleich alle“, und gab meine ganze Sammlung her. Jasnaja Poljana, Snamja-Preise, Russkaja premija. Behalten habe ich mir nur meine erste Auszeichnung für junge Autoren vom belarussischen PEN-Zentrum.         

Einmal kam in Amsterdam nach meiner Lesung eine junge Frau zu mir und sagte: „Ich habe alle Ihre Auszeichnungen gekauft. Ich habe Russland zu Kriegsbeginn mit zwei Koffern verlassen – in einem meine Sachen, im anderen Ihre Auszeichnungen. Wenn Sie möchten, gebe ich sie Ihnen zurück.“ Ich finde, das ist eine schöne Geschichte über die Rolle von Literatur und darüber, was für unerwartete Formen sie manchmal annimmt.  

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Gnose Belarus

Die moderne belarussische Sprache

In den vergangenen 200 Jahren hinderten unterschiedliche Herrschaftsbereiche und politische Systeme die moderne belarussische Sprache daran, sich durchzusetzen. Sie wurde unterdrückt und an den Rand gedrängt. Heute ist sie eine der beiden Amtssprachen der Republik Belarus. Dennoch wird sie nur von wenigen Menschen im Alltag gesprochen. Warum ist das so? Eine Gnose von Jan Patrick Zeller über eine Sprache mit bewegter Vergangenheit und großem aktuellen Symbolwert.

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Die moderne belarussische Sprache

Eine Fahrt mit der Minsker Metro verrät einiges über die sprachliche Situation in der Belarus. Die Fahrgäste unterhalten sich auf Russisch. In dieser Sprache sind auch die Bücher und Zeitschriften in ihren Händen, genau wie die Werbeanzeigen an den Wänden. Und gibt es einmal Störungen im Betriebsablauf, so erfolgt die entsprechende Durchsage ebenfalls auf Russisch. Wird jedoch ein planmäßiger Halt angekündigt, hört man aus den Lautsprechern plötzlich eine andere Sprache: das Belarusische.

Wären auf dem Gebiet der heutigen Belarus vor 200 Jahren auch schon Metros gefahren, hätte sich ein anderes Bild geboten. Russisch wäre kaum zu hören gewesen, denn die Gebiete der heutigen Belarus sind zu Beginn des 19. Jahrhunderts erst seit kurzer Zeit Teil des Russischen Zarenreichs. Zuvor hatten sie jahrhundertelang zur Adelsrepublik Polen-Litauen gehört, und deswegen wären auch zu jener Zeit die offiziellen Durchsagen der nächsten Station wohl noch auf Polnisch erfolgt. Auch die Namen der Stationen hätte man auf Polnisch ausgeschildert. Zwar hatte es im 16. und 17. Jahrhundert auf den Gebieten der Belarus bereits eine autochthone, ostslawische Schriftsprache1 gegeben, diese war aber längst vom westslawischen Polnischen verdrängt worden. Unterhalten hätten sich die Fahrgäste des 19. Jahrhunderts in unterschiedlichen Sprachen: Einige auf Polnisch, der Sprache des Adels, andere auf Jiddisch, und wieder andere in unterschiedlichen dialektalen Formen des ostslawischen Belarusischen, der Sprache der breiten Bevölkerung.

Das moderne Belarusische

Im 19. Jahrhundert setzte sich in Europa der Glaube an die Einheit von Volk, Nation und Sprache und damit das Bedürfnis nach einheitlichen Standardsprachen durch. Für die drei modernen ostslawischen Standardsprachen, für das Russische, das Ukrainische und das Belarusische, war dieses Jahrhundert das entscheidende. Auch die Idee einer belarusischen Identität gewann nun an Bedeutung und damit der Wunsch nach einer einheitlichen belarusischen Sprache. Anfang des 19. Jahrhunderts standen beide allerdings in Konkurrenz zur polnischen Sprache und Identität. Exemplarisch zeigt sich das in Biographie, Werk und Wahrnehmung der beiden befreundeten Schriftsteller Adam Mickiewicz und Jan Tschatschot. Obwohl beide am Ende des 18. Jahrhunderts unweit des heute belarusischen Nawahrudak geboren wurden, avancierte der erste zum Nationaldichter Polens, während der zweite zu einem der Gründer der belarusischen Wiedergeburtsbewegung wurde. „Von nahezu identischen Ausgangspunkten“ schlugen sie Bahnen ein, „wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten“2.

Das Polnische verlor im späteren 19. Jahrhundert in den „Nordwestprovinzen“ des Zarenreiches zunehmend seine Bedeutung. In Reaktion auf zwei Aufstände, die 1830/31 und 1863 auf den Gebieten des ehemaligen Polen-Litauens ausbrachen, nahm stattdessen der Einfluss des Russischen zu. Die westlichen Ostslawen wurden als „Teil des russischen Volkes“ betrachtet, der durch polnische Einflussnahme von diesem „entfremdet“ worden sei.3 Eine belarusische Standardsprache hatte in dieser Logik keinen Platz und wurde dementsprechend in ihrer Entwicklung behindert. Trotz dieser ungünstigen politischen Situation bildete sich bis zum Anfang des 20. Jahrhundert eine Literatur heraus, deren Sprache auf den damaligen belarusischen Dialekten aufbaute. Im Zuge der politischen Teilliberalisierung, die auf die Russische Revolution 1905 folgte, konnte das Belarusische schließlich auch in publizistischen Bereichen verwendet und stilistisch ausgebaut werden. Maßgeblich für diesen Prozess war die zwischen 1906 und 1915 herausgegebene Zeitung Nascha Niwa, das wichtigste Publikationsorgan der belarusischsprachigen Schriftsteller und Publizisten jener Zeit. 1918 wurden die orthographischen und grammatischen Regeln des Belarusischen durch Branislau Taraschkewitsch kodifiziert. Diese erste, aber nicht letzte Norm der belarusischen Standardsprache wurde nach ihrem Schöpfer als Taraschkewiza bekannt und war auf Abstand zum Russischen bedacht.

Das Belarusische in der Sowjetunion

Anfang des 20. Jahrhunderts stand die belarusische Sprache also gewissermaßen bereit, in einem künftigen belarusischen Staat die Funktionen einer Standardsprache zu erfüllen. Durchsetzen sollte sie sich jedoch letztlich nie, auch wenn es nach dem ersten Weltkrieg zunächst ganz danach aussah. Zwar gingen die westlichen Gebiete der heutigen Belarus an das neu entstandene Polen, wo eine Polonisierung der ostslawischen Bevölkerung angestrebt wurde. Im östlichen Teil, der nun als Belarusische Sozialistische Sowjetrepublik (BSSR) Teil der Sowjetunion war, erfuhr das Belarusische jedoch im Zuge der sogenannten Belarussisazyja eine nie dagewesene Förderung. Insbesondere wurde das Belarusische als Schul- und Verwaltungssprache eingeführt und auch in beträchtlichem Maße durchgesetzt.

Doch die liberale Sprachenpolitik der frühen Sowjetunion, die das Ziel verfolgte, nationale Minderheiten und ihre Eliten in den neuen Staat und die neue Ideologie einzubinden, sollte nicht lange andauern. Unter Stalin wurde 1934 das Russische zur alleinigen Sprache der innersowjetischen Kommunikation erklärt, bereits ein Jahr zuvor war es die alleinige Sprache der Armee geworden. 1938 wurde es Pflichtfach in den Schulen aller Sowjetrepubliken. Ein neues Regelwerk, die nach dem Volkskommissariat (narodny kamissaryjat) benannte Narkamauka, ersetzte 1933 die Taraschkewiza. Sie nähert das Belarusische in Grammatik, Wortbildung und Orthographie dem Russischen an. Diese Maßnahmen lesen sich heute recht nüchtern. Gleichzeitig fiel aber dem Großen Terror der 1930er Jahre auch fast die gesamte belarusischsprachige Intelligenz zum Opfer. Sich für das Belarusische einzusetzen oder lediglich Belarusisch zu sprechen, während der Kampf gegen „nationale Abweichler“ wütete, erforderte beträchtlichen Mut.

Doch nicht nur die Sowjetisierung, sondern auch der Zweite Weltkrieg hatte Folgen für die Stellung der belarusischen Standardsprache. Zwar gingen mit der sowjetischen Annexion Ostpolens 1939 große Teile des in der Zwischenkriegszeit zu Polen gehörenden belarusischen Sprachgebiets an die BSSR. Der Umstand, dass die deutschen Besatzer die belarusische Sprache im Zweiten Weltkrieg – wie auch schon im Ersten Weltkrieg – in gewissem Umfang für ihre Zwecke gefördert hatten, trug jedoch dazu bei, das Belarusische in der Sowjetunion zu diskreditieren. Vor allem aber verlor die belarusische Standardsprache ihren stärksten Trumpf gegenüber dem Russischen, nämlich die größere Nähe zur Alltagssprache der breiten Bevölkerung. Denn mit der Ermordung von Millionen Menschen und der vollständigen Vernichtung von etwa 9000 Dörfern durch die Deutschen war auch die dialektale Landschaft zu großen Teilen zerstört worden. Nach dem Krieg wurden Städte im Zuge einer raschen Industrialisierung schneller wiederaufgebaut als Dörfer. Zahlreiche junge Sprecher*innen belarusischer Dialekte zogen daher als dringend benötigte Arbeitskräfte vom Land in die rasant wachsenden Städte, wo sie sich der sozial dominanten russischen Sprache zuwandten. Hieraus resultiert die weite Verbreitung der sogenannte Trassjanka im Lande, einer gemischten Rede, die Elemente des Belarusischen und des Russischen aufweist.

Dass insbesondere in den Städten das Russische dominierte, lag einerseits daran, dass nach dem Krieg viele Russ*innen und Sprecher*innen des Russischen aus anderen Teilen der Sowjetunion in die belarusischen Städte gezogen waren, um dort Führungspositionen einzunehmen. Vor allem blieb aber auch unter Stalins Nachfolgern das Russische die Sprache des ideellen Wegs zum Kommunismus – und damit auch die Sprache des individuellen Wegs nach oben auf jedweder Karriereleiter. Seinem Ärger über eine belarusischsprachige Rede, die er wohlgemerkt auf dem 40. Jahrestag der BSSR hatte hören müssen, soll Chruschtschow mit den Worten Luft gemacht haben: „Je eher wir alle Russisch sprechen, desto eher haben wir den Kommunismus aufgebaut“.4 Das Russische hatte nun die „zweite Muttersprache“ aller nicht-russischen Ethnien zu sein. Trotz allem war das Belarusische als Unterrichtssprache bis in die Nachkriegszeit hinein aber noch recht gut vertreten. Als Eltern ab 1958 jedoch die Unterrichtssprache ihrer Kinder frei wählen durften, optierten die meisten für das in der Sowjetunion unverzichtbare Russische, nicht für das verzichtbare Belarusische.

Belarusisch im unabhängigen Belarus

Zum Ende der Sowjetzeit sah es für das Belarusische düster aus. Erst in der Perestroika-Stimmung der 1980er Jahre konnten sich national orientierte Intellektuelle für das Belarusische stark machen. Als alleinige Staatssprache der nun unabhängigen Republik Belarus erlebte es dann Anfang der 1990er Jahre einen vorerst letzten Aufschwung. Insbesondere der Anteil der Schüler*innen, die auf Belarusisch unterrichtet wurden, stieg stark an. Der Rückhalt in der Bevölkerung für die allgemeine Durchsetzung einer Sprache, die von vielen kaum benutzt und eher mittelmäßig beherrscht wurde, war jedoch nicht allzu groß. Vielen ging es zumindest zu schnell und in der postsowjetischen Wirtschaftskrise waren vielen Belarus*innen andere Probleme dringlicher. Auf diese Stimmung bauend ließ Präsident Alexander Lukaschenko kurz nach seinem Antritt im Mai 1995 ein in seiner Rechtmäßigkeit umstrittenes Referendum durchführen, das unter anderem auch auf die Staatssprache abzielte. Die entsprechende Frage war geschickt formuliert: Es ging nicht etwa darum, die Förderung des Belarusischen zurückzunehmen oder es gar zurückzudrängen, sondern darum, „dem Russischen den gleichen Status wie dem Belarusischen“ einzuräumen. Offiziell 87 Prozent der gültigen Stimmen zeigten sich damit einverstanden.

Heute sind Belarusisch und Russisch rechtlich gleichberechtigte Staatssprachen der Republik Belarus. Personen, die sich für eine stärkere Position des Belarusischen einsetzen, kann die offizielle Seite entgegnen, dass man das Belarusische ja keinesfalls zurückdränge. Man sei – so etwa Lukaschenko – lediglich dagegen, eine der beiden Sprachen mit Zwang durchzusetzen.5 Ganz ähnlich wie bei der freien Wahl der Unterrichtssprache in den 1950er Jahren ist das Belarusische ohne eine positive Diskriminierung jedoch chancenlos. Denn ob im alltäglichen Gebrauch, im öffentlichen Leben, den Medien, dem Bildungswesen, dem Buchmarkt, bei Regierungs- und Verwaltungsorganen, im Geschäftswesen, in der Wissenschaft – überall dominiert das Russische, das Belarusische spielt allenfalls eine marginale Rolle.
So gab im Zensus von 2019 zwar immerhin ein gutes Viertel der knapp acht Millionen ethnischer Belarus*innen6 an, zu Hause für gewöhnlich das Belarusische zu benutzen. Dass sich dahinter aber nicht die Standardsprache verbirgt, wird in anderen Umfragen deutlich. Können die Befragten nicht nur Belarusisch oder Russisch ankreuzen, sondern auch „Trassjanka“ oder „belarusisch-russisch gemischt“, dann sinkt der Anteil der Belarusischsprecher*innen auf unter fünf Prozent.7
 

Die Daten wurden in sieben belarusischen Städten erhoben, 1230 Menschen wurden befragt.8

Der zweifellos marginale Status des Belarusischen im Gebrauch wird zuweilen sogar in ein Argument gegen dessen Förderung umgemünzt: Dass niemand es im Alltag benutze, zeige, dass diese „Sprache der Schriftsteller“ nicht für den Alltag tauge. Das verkennt allerdings, dass das Belarusische für einige, wenn auch wenige, durchaus die praktikable und normale Alltagssprache ist. Bei dieser Gruppe handelt es sich um eine national gesinnte Minderheit, oft mit einer Vorliebe für die erste, nicht-russifizierte Norm des Belarusischen, die Taraschkewiza. Der Gebrauch des Belarusischen in der Öffentlichkeit ist ungewöhnlich und damit als Statement zu verstehen. Umgekehrt ist es jedoch keineswegs so, dass der Gebrauch des Russischen auf eine regierungstreue Haltung oder die Ablehnung einer belarusischen Eigenständigkeit schließen lässt. Die Sprachenfrage ist entsprechend auch in den gegenwärtigen Protesten „seltsam abwesend“9


Die Daten wurden in einer landesweiten Umfrage erhoben, 882 Menschen wurden befragt.10

Die Situation des Belarusischen ist heute von vielen Widersprüchen geprägt. So betrachten etwa viele Belarus*innen das Belarusische als ihre Muttersprache11, obwohl sie es kaum sprechen. Auch sehen viele die Sprache noch als wichtiges Unterscheidungsmerkmal der Belarus*innen zu den Russ*innen, stimmen jedoch der Aussage zu, dass man auch Belarus*in sein könne, ohne die Sprache zu sprechen. Grundsätzlich beherrschen solle man sie jedoch schon, auch wenn für die allermeisten das Belarusische heute eine lediglich im Klassenzimmer erlernte und auf schulische Kontexte beschränkte Sprache ist. Nach wie vor hegen aber viele junge Belarus*innen den Wunsch, dass ihre eigenen Kinder einmal nicht nur das Russische, den jasyk, beherrschen, sondern auch: die belarusische mowa.12 Ob den Belarus*innen in ihrer Mehrheit die symbolischen, aber letztlich homöopathischen Dosen des Belarusischen in Metro, Schule und anderswo ausreichen, wird sich zeigen müssen.


Anmerkung der Redaktion:

Weißrussland oder Belarus? Belarussisch oder belarusisch? Die Belarus oder das Belarus? Nicht ganz leicht zu beantworten. Da es im Deutschen keine einheitlich kodifizierten Schreibweisen für diese Bezeichnungen und deren Adjektive gibt, überlassen wir es den Autorinnen und Autoren der Gnosen, welche Schreibweise sie verwenden. Die Schreibweise in redaktionellen Inhalten (wie Titel und Erklärtexte) wird von der dekoder-Redaktion verantwortet.

 

 

Zum Weiterlesen
Bieder, H. (2001): Der Kampf um die Sprachen im 20. Jahrhundert, in: Beyrau, D./Lindner, R. (Hrsg.): Handbuch der Geschichte Weißrusslands, Göttingen, S. 451–471
Hentschel, G./Kittel, B. (2011): Zur weißrussisch-russischen Zweisprachigkeit in Weißrussland – nicht zuletzt aus der Sicht der Weißrussen, in: Bohn, Th. et al. (Hrsg.): Ein weißer Fleck in Europa ... Die Imagination der Belarus als Kontaktzone zwischen Ost und West, Bielefeld, S. 49–67
Woolhiser, Curt (2013): New speakers of Belarusian: Metalinguistic Discourse, Social Identity, and Language Use, in Bethea, David M./Bethin, Christina Y.  (Hrsg.): American Contributions to the 15th International Congress of Slavists, Minsk, August 2013, Bloomington, S. 63–115
Zaprudski, S. (2007): In the grip of replacive bilingualism: The Belarusian language in contact with Russian, in: International Journal of the Sociology of Language 183, S. 97–118

1.Moser, M. (2005): Mittelruthenisch (Mittelweißrussisch und Mittelukrainisch): Ein Überblick, in: Studia Slavica Academiae Scientiarum Hungaricae 50, S. 125–142; Bunčić, D. (2006): Die ruthenische Schriftsprache bei Ivan Uževyč unter besonderer Berücksichtigung der Lexik seines Gesprächsbuchs Rozmova/Besěda, München 
2.Kohler, G.-B. (2014): Selbst, Anderes Selbst und das Intime Andere: Adam Mickiewicz und Jan Čačot, in: Studia Białorutenistyczne 8, S. 79–94, hier S. 83 
3.Brüggemann, M. (2014): Zwischen Anlehnung an Russland und Eigenständigkeit: Zur Sprachpolitik in Belarus', in: Europa ethnica 3-4/2014, S. 88–93, hier S. 89 
4.zit. nach: Korjakov, Ju. B. (2002): Jazykovaja situacija v Belorussii i tipologija jazykovych situacij, Moskva, hier S. 39 
5.nach Brüggemann, M. (2014): Die weißrussische und die russische Sprache in ihrem Verhältnis zur weißrussischen Gesellschaft und Nation: Ideologisch-programmatische Standpunkte politischer Akteure und Intellektueller 1994–2010, Oldenburg, hier S. 112 
6.Mit ethnischen Belarus*innen sind dabei belarusische Staatsbürger*innen gemeint, die sich nicht als Russ*innen, Pol*innen, Ukrainer*innen etc. identifizierten. 
7.Kittel, B./Lindner, D./Brüggemann, M./Zeller, J. P./Hentschel, G. (2018): Sprachkontakt – Sprachmischung – Sprachwahl – Sprachwechsel: Eine sprachsoziologische Untersuchung der weißrussisch-russisch gemischten Rede „Trassjanka“ in Weißrussland, Berlin, hier S. 180; Informacionno-analitičeskij centr pri Administracii Prezidenta Respubliki Belarus’ (Hrsg.) (2018): Respublika Belarus’ v zerkale sociologii: Sbornik materialov sociologičeskich issledovanij, Minsk, hier S. 46 
8.Die Daten wurden in sieben belarusischen Städten erhoben, 1230 Menschen wurden befragt. Vgl. Kittel et al. 2018, S. 180 
9.Brüggemann, M. (2020): Demokratie nur auf Belarusisch? Eine Reise in die sprachpolitischen „Befindlichkeiten“ der Belarus, in: Bohn, T./Rutz, M. (Hrsg.): Belarus-Reisen: Empfehlungen aus der deutschen Wissenschaft, Wiesbaden, S. 53–69, hier S. 69 
10.Die Daten wurden in einer landesweiten Umfrage erhoben, 882 Menschen wurden befragt. Vgl. Hentschel, G./Brüggemann, M./Geiger, H./Zeller, J. P. (2015): The linguistic and political orientation of young Belarusian adults between East and West or Russian and Belarusian, in: International Journal of the Sociology of Language 2015/236, S. 133–154, hier S. 151 
11.In der Entsprechung zum deutschen Wort „Muttersprache“ ist weder im Belarusischen noch im Russischen von „Mutter“ die Rede. Im Belarusischen ist es „rodnaja mova“, im Russischen „rodnoj jazyk“. Das Attribut „rodnaja“ bzw. „rodnoj“ ist am ehesten vergleichbar mit dem englischen „native“. In anderen Kontexten kann es mit „leiblich verwandt“, „Heimat‑“ oder „angeboren“ übersetzt werden. Abgeleitet ist es von der Wurzel „rod“, zu übersetzen unter anderem mit „Stamm, Geschlecht“, die auch im Wort „narod“ „Volk“ vorkommt. Vgl dazu: Zeller, J. P./Levikin, D. (2016): Die Muttersprachen junger Weißrussen: Ihr symbolischer Gehalt und ihr Zusammenhang mit sozialen Faktoren und dem Sprachgebrauch in der Familie, in: Wiener Slavistisches Jahrbuch (Neue Folge) 4, S. 114–144 
12.Hentschel, G et al. 2018, S. 151 
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Janka Kupala

Vor 80 Jahren starb die Ikone der belarusischen Literatur Janka Kupala (1882–1942). Ob es Selbstmord war oder ob der Geheimdienst beteiligt war, wurde nie richtig aufgeklärt. Seine Werke sind Klassiker, die mit dem Protestsommer von 2020 wieder brandaktuell wurden. Gun-Britt Kohler in einer Gnose über den Nationaldichter Kupala, der mit seinem Werk wie kein anderer für die schwierige Suche der Belarusen nach einem nationalen Selbstverständnis steht.

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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)