Plötzlich tauchen immer mehr Elefanten in Wohnungen und Häusern auf, die Menschen aber wollen sie nicht bemerken. Der neue Roman des belarussischen Schriftstellers Sasha Filipenko spielt mit der Metapher des Elefanten, der im Zimmer steht und der ein aufgeschobenes Problem versinnbildlicht. Filipenko macht ihn zum Zentrum einer hochaktuellen und politischen Geschichte und zeigt, wie kleine alltägliche Kompromisse die Bildung eines autoritären Regimes begünstigen. Slon ist bisher auf Russisch und Belarussisch erschienen. Der Roman wird im Frühjahr 2026 in der deutschen Übersetzung von dekoder-Übersetzerin Ruth Altenhofer veröffentlicht werden.
Das russische Online-Medium Meduza hat mit Filipenko, der 2020 an den Massenprotesten in seiner Heimat teilnahm und heute im Schweizer Exil lebt, ein langes Interview geführt. Über russische und belarussische Elefanten, über Moskauer Humor und über seine Einstufung als „extremistischer Autor”.
Sasha Filipenko im Mai 2025 in Warschau. / Foto © Volha Shukailax/ ZUMA Press Wire/ Imago
Meduza: Die wichtigste Frage zuerst: Sie haben einen Roman über Elefanten geschrieben, die von allen ignoriert werden. Wie sind Sie auf dieses Bild gekommen?
Sasha Filipenko: Das war gleich zu Beginn des Krieges. Ein paar Wochen lang hab ich immer bis 15 Uhr gewartet, um mich dann sofort zu betrinken. Ich lebte schon in der Schweiz, damals an einem malerischen Fleckchen Erde in den Bergen, mit Blick auf den Genfer See. Und mich quälten unerträgliche Schuld- und Schamgefühle dafür, dass ich inmitten von Schönheit und Sicherheit sitze und nicht bei meinen Freunden in Kyjiw.
Dann wurde mir bewusst: Das nützt niemandem. Doch es hat mich erschüttert, wie meine ehemaligen Bekannten in Russland reagiert haben. Zunächst waren sie schockiert, dann haben sie sich untereinander ausgetauscht und beschlossen, dass man da nichts machen kann und es zu brenzlig wäre, Widerstand zu leisten. Und das werfe ich persönlich der russischen Gesellschaft vor. Ich habe immer an Demonstrationen teilgenommen, in Russland wie in Belarus, auch Einzelproteste habe ich mitgemacht. Ich habe genug Erfahrung, um zu vergleichen, wo es riskanter ist. Ich habe kein Verständnis, wenn ich höre, es sei in Russland besonders riskant gewesen. Es gab eine lange Zeitspanne, in der man ruhig hätte demonstrieren können, und die haben sie wohl verpasst.
Die Russen hatten schon proaktiv die Hosen voll. Ein paar Zehntausende haben demonstriert, aber bei einer Bevölkerung von 140 Millionen ist das wenig – auch wenn das ihr mutiges Tun nicht schmälert. Was also ist der Unterschied zwischen den Belarussen und den Russen? Die Belarussen können – wie in Einer flog über das Kuckucksnest – immerhin sagen, sie haben es probiert.
Ich befolge immer ganz einfache Lebensgesetze: „Im Theater weinen wir, beim Boxen nicht, Verwaltungsdelikte für die Teilnahme an Demonstrationen nehmen wir in Kauf, Strafdelikte nicht." Einfache Regeln, die helfen sich zurechtzufinden. Und da schien mir mit einem Mal, dass rundum Elefanten stehen, aber die Menschen rasch gelernt haben, sie nicht zu bemerken.
Es ist ein Buch über Freiheit geworden, über die Freiheit von Form und Gedanken.
Auch das Ende des Buchs war mir sofort klar, ich wusste, wo das hinführen muss. Aber ich habe mir lange nicht erlaubt, diesen Roman zu schreiben, weil mir die Metapher zu plump vorkam, ich dachte, das kann man nicht machen. Aber dann fand ich: Warum eigentlich nicht? Meine Bücher werden übersetzt und ausgezeichnet, ich kann doch schreiben, was ich will. Das war ein wichtiger Schritt, und so ist es ein Buch über Freiheit geworden, auch über die Freiheit von Form und Gedanken.
Wenn jemand erzählt, dass es in Russland so riskant war zu protestieren, dann weiß man gleich, er hat es nicht versucht. Wer etwas getan hat, sagt nicht, dass es unmöglich ist.
Meine Logik war immer sehr simpel – ich glaube, die Nadel des Unsterblichen Koschtschej befindet sich für die Belarussen in Moskau. Deshalb war ich in Russland aktiv und hoffte, dass das einen Einfluss auf die Entwicklungen in Belarus haben würde. Ich habe demonstriert, den Mund aufgemacht, bei Doshd gearbeitet.
Hatten Sie während des Schreibens irgendwelche neuen Erkenntnisse über Ihre Elefanten?
Ich arbeite immer gern dokumentarisch, weswegen ich erst mal eine Menge über Elefanten erfahren wollte. Ich sprach mit Dompteuren, Tierärzten, Psychologen, die in europäischen Zoos mit Elefanten zu tun haben. In meinem Buch erwähne ich die ungewöhnlichen Trauerrituale, mit was für tiefen Gefühlen sie ihre Artgenossen beweinen, und ihren Charakter – Elefanten können sehr reizbar und nachtragend sein, mehr noch als wir Menschen. Und sie haben sogar Wahlen, nur im Unterschied zu uns sind es faire Wahlen, ohne Fälschungen.
Ich wollte beschreiben, wie die Entscheidung gegen die Liebe zur Entmenschlichung führt.
Aber es ging mir nicht hauptsächlich darum, dass die Menschen die Elefanten nicht bemerken, obwohl auch das wichtig ist. Eher wollte ich beschreiben, wie die Entscheidung gegen die Liebe zur Entmenschlichung führt. Wie diese kleinen, alltäglichen Kompromisse, Entscheidungen zugunsten der Bequemlichkeit, in eine Riesentragödie führen. Ich wollte zeigen, wie sich all die kleinen Kompromisse zu einem großen Elefantenkompromiss auswachsen.
Ein Elefant ist ein sympathisches Tier, zu Beginn hat man nicht das Gefühl, in Gefahr zu sein. Dann sind eben Elefanten da und stehen rum. Ich habe auf Telegram gefragt: Was würdet ihr tun, wenn plötzlich ein Elefant in eurem Zimmer stünde? Die Antworten in meinem Buch sind das, was meine Follower geschrieben haben: „Ich würde ihn waschen.“ „Ich würde ihm was aus meinem Leben erzählen, dann würde er von selber gehen.“ Keiner fand die Vorstellung bedrohlich. Nur eine junge Frau hat geschrieben, sie würde schreien, dass es alle hören: Elefanten bringen Unglück.
Warum haben Sie Kommentare aus sozialen Netzwerken in Ihren Text eingeflochten?
Weil wir heute in so einem endlosen Kommentar leben. Wir haben die Fähigkeit zur Diskussion verloren, und ich wollte zeigen, wie das passiert ist. Zunächst wirkt es toll, dass es so viele verschiedene Stimmen gibt, das sieht nach Demokratie aus, aber letztlich beobachten wir, wie die Leute online die Chirurgen belehren, wie sie ihre Operation zu machen haben. Ich wollte nicht nur zeigen, wie unterschiedlich die Menschen ein und dieselbe Begebenheit wahrnehmen, sondern auch, dass die Interpretation ohne jegliche Reflexion erfolgt: Man denkt nicht nach, bevor man urteilt.
Und ich experimentiere immer gern mit Formen. Ich glaube, das macht es für die Leser interessanter, weil es in der heutigen Zeit, in der sich keiner länger als sieben Minuten auf sein Buch konzentrieren kann, ohne aufs Handy zu gucken, wichtig ist, dass die Form attraktiv ist.
Stand der Stand-up-Comedian als Hauptfigur ebenfalls von Anfang an fest?
Für mich ist Stand-up-Comedy ein wichtiges Genre, wenn es um Freiheit geht. Ich habe selber viele Programme geschrieben, und die meisten meiner Freunde, die Comedians sind, machen im Exil weiter. In Russland erzählt heute die Hälfte der Stand-up-Comedians, wie doof ihre Frau ist, die andere Hälfte jammert, dass man in Moskau keinen Parkplatz findet, oder berichtet von Turbulenzen. Keine Ahnung, von was für Turbulenzen, wenn sie doch nirgendwo mehr hinfliegen, außer nach Dubai. So viel zum Reichtum des Moskauer Humors. Sie machen Witze über Moskauer Probleme, ohne die Elefanten zu bemerken.
Es ist ja nicht so, dass man nur über den Krieg und nur über Scheußlichkeiten Witze machen soll. Wenn du komplett frei bist, kannst du über alles reden, auch über den Krieg. Es ist nicht normal, nur über das zu lachen, was erlaubt ist, und zu ignorieren, dass nebenan ein Genozid verübt wird.
Der Komiker als Protagonist war mir deswegen wichtig, weil ich das sonst nicht hingekriegt hätte. Ich wollte nicht mit Pathos und Drama schreckliche Geschichten über die Banalität des Bösen schreiben. In meinem Buch steht ein Elefant auf der Bühne, der Protagonist taucht im Hintergrund auf und wechselt irgendwann vom Humor hin zu dem Thema, warum der Elefant überhaupt dasteht. Ich wusste sofort, dass der Comedian in der zweiten Hälfe des Romans zur Hölle fahren muss, und zusammen mit ihm werde ich auch der Leser dorthin führen. Er behält bis zum Schluss seinen Humor, sogar als ihm das Schlimmste widerfährt. Für mich ist das eine Geschichte über Widerstand gegen Entmenschlichung – weil der Romanheld dem Bösen ins Gesicht lacht und sich gegen Gehorsam und Bequemlichkeit wehrt.
Sasha Filipenko bei den Protesten in Belarus im Jahr 2020. Auf dem Plakat (statt alles Gute zum Geburtstag): „Alles Gute zum Tag des Umsturzes!” / Foto © Archiv Filipenko
Ist Ihr Elefant vor allem ein Text über Russland?
Ich wollte einen universellen Text schreiben. In Amerika kann man ihn zum Beispiel als Geschichte über Trumps Aufstieg lesen. Auch da kommen Elefanten, machen alles kaputt und vertreiben die Menschen. Aber es sind auch jene Elefanten, die die deutsche oder die Schweizer Gesellschaft nicht bemerkt.
Aber natürlich ist es zu einem hohen Grad ein Dialog mit der russischen Gesellschaft – der doppelköpfige Elefant ist mir nicht umsonst eingefallen, er war sogar auf einem Cover-Entwurf. Auch eine Auseinandersetzung mit der belarussischen Gesellschaft. Heute beobachte ich, wie viele Belarussen das Jahr 2020 zur eigenen Beschwichtigung benutzen. Sie trösten sich, indem sie sagen: Wir haben 2020 wenigstens irgendwas unternommen, die Russen haben gar nichts getan. Aber das ist jetzt fünf Jahre her, und in Belarus wurde nichts erreicht. Kein Sieg, stattdessen Tausende im Gefängnis, Folter, permanente Verhaftungen. 500.000 bis zwei Millionen sind im Exil. Mitten in Minsk steht ein Gefängnis, in dem gefoltert wird. Die Minsker wenden jetzt genauso den Blick ab von dem, was rundherum passiert, wollen nicht hinsehen.
Noch eine wichtige Ebene: die Elefanten als jene Probleme, die wir mit uns mitschleppen. So kann man das Buch in jedem Land lesen.
Wobei Sie trotz all Ihrer Kritik an der russischen Gesellschaft die Verbindung nicht endgültig abreißen lassen, Sie publizieren nach wie vor in Russland. Hat sich für Sie mit Beginn des großangelegten Kriegs etwas verändert?
Ich habe eine Vereinbarung, dass alle meine Romane, bevor sie als Buch erscheinen, in der Literaturzeitschrift Snamja abgedruckt werden. Diesmal war ich mir sicher, dass die Zeitschrift aus nachvollziehbaren Gründen davon Abstand nehmen wird. Trotzdem haben wir den Text hingeschickt, und er wurde veröffentlicht. Er ist in Russland bereits in Bibliotheken und auf der Snamja-Website öffentlich zugänglich.
Ich würde mir wünschen, dass er gerade in Russland gelesen wird. In Moskau, das derzeit in einem Blumenmeer versinkt und wo ständig neue Lokale aufmachen. Gestern habe ich ein Inserat gesehen von einer Firma namens Archipel Gulag. Da kommen NKWD-ler zu Ihnen ins Büro, verhaften alle und fahren sie in irgendeinen Wald zum Holzarbeiten. Das steht direkt so da: Die Uniformierten gehen extra grob mit Ihren Mitarbeitern um. Nach einer „Amnestie“ steigt die Party. Ich empfinde es als meinen kleinen Sieg, dass in so einem Land Elefant in den Bibliotheken steht, und bin jenen Menschen, die das ermöglicht haben, äußerst dankbar.
Metaphern sind in Russland noch erlaubt. Sind Metaphern kein „Extremismus”?
Es gibt da einen doppelköpfigen Elefanten, der zum Staatswappen wird. Aber das könnte ja auch Österreich sein, oder die USA.
Ihr Buch ist gleichzeitig auf Russisch und auf Belarussisch erschienen. Welche Version war die erste?
Ich habe auf Russisch geschrieben, dann aber sofort mit einem Redakteur die belarussische Version begonnen, die wir als Erstes veröffentlicht haben, um den belarussischen Verlag zu unterstützen. Weil, wenn ein Buch auf Russisch erscheint, lesen es viele Belarussen auf Russisch und kaufen es nicht auf Belarussisch. Die belarussische Auflage war in Warschau innerhalb von vier Tagen ausverkauft. Das ist ein Riesenglück.
Gibt es einen Unterschied zwischen dem belarussischen und dem russischen Elefant?
Im Text gibt es ein Kreuzworträtsel, das nach und nach von einer Figur gelöst wird, und einige Wörter darin sind für die Handlung wichtig und müssen unbedingt erhalten bleiben. Andere Wörter mussten für die belarussische Version ausgetauscht werden, damit sie ins Rätsel passen, dementsprechend musste ich einige Absätze umschreiben. Diesen Unterschied gibt es. Darüber zerbrechen sich momentan die Übersetzer die Köpfe, denn es sind Übersetzungen ins Deutsche, Französische und Tschechische in Arbeit.
Eine merkwürdige Frage, aber für mich im heutigen Kontext wichtig: Fühlen Sie sich als postsowjetischer Mensch?
Ich war eines der letzten sowjetischen Kinder. Mein erster Schultag war am 1. September 1991, davon gibt es eine Filmaufnahme. Die Lehrer sprechen noch von der Sowjetunion. Sie ist bereits aufgelöst, aber in dieser Klasse noch existent.
Ich würde sehr gern zurück nach Minsk, weil das die einzige Stadt ist, in der ich mich in jeder Straße zu Hause fühle.
Ich habe mich mein Leben lang als Belarusse gefühlt. Wir waren keine Pioniere mehr, keine Oktjabrjata, wir waren belarussische Gutmenschen – also die, die gute Taten vollbringen. Unsere Sitzordnung war wie im Flugzeug, immer drei zusammen, und dann sagten uns die Lehrer, wir fliegen zum Guten und werden von nun an Gutes tun.
Heute gelten Sie in Belarus als „Extremist”, stimmt das?
Es gibt ein Strafverfahren gegen mich, aber Genaueres weiß ich darüber nicht. Mein Instagram-Account gilt als extremistisch, aber meine Bücher nicht, obwohl sie überprüft wurden. Das heißt, mein Insta zu abonnieren ist in Belarus verboten, aber meine Bücher lesen darf man noch.
Könnten Sie nach Minsk zurückkehren? Würden Sie das überhaupt? Und was würden Sie dort gern tun?
Ich würde sehr gern zurück nach Minsk, weil das die einzige Stadt ist, in der ich mich in jeder Straße zu Hause fühle. Aber alle meine Freunde haben Minsk verlassen. Wenn ich über eine Rückkehr nachdenke, dann frage ich mich, in welcher Stadt ich da landen würde. Weil es eine Rückkehr in die Vergangenheit wäre, nicht in mein Leben, sondern in mein früheres Leben.
Auf jeden Fall würde ich gern meinen Lesern begegnen, weil zu meinen Lesungen immer vor allem Belarussen kommen – in Warschau und Vilnius zu Hunderten. Ich würde mir wünschen, dass meine Theaterstücke in Minsk aufgeführt werden, was uns bisher vereitelt wurde. Und am liebsten würde ich so was wie eine Diskussionsplattform gründen, wo jeden Samstag Begegnungen mit Schriftstellern oder Journalisten stattfinden. Um eine Diskussionskultur zu pflegen.
Aber können Sie auch ein neues Zuhause finden, jenseits von Minsk?
Irgendwie ist das für mich leichter, weil ich nie das Gefühl hatte, hier ist Belarus und dort der Westen. Ich habe mich von Beginn an als Teil von Europa gefühlt und die Meinung vertreten, dass wir Europäer sind. Alle meine Freunde und ich haben sich Richtung Warschau oder Vilnius orientiert. Mein Leben lang dachte ich, dass wir Europäer sind. Eigentlich hätte Belarus früher in die EU kommen sollen als Litauen, Lettland und Estland. Insofern war es für mich nicht so schmerzvoll, nach Europa zu ziehen.
Sasha Filipenko zusammen mit Maria Kolesnikowa. / Foto © Archiv Filipenko
Hat die Literatur irgendeinen Einfluss auf etwas?
Nein. Sie hat überhaupt keinen Einfluss. Ein Buch kann nur immer den einzelnen Leser beeinflussen. Ich weiß aber, dass meine Bücher einen therapeutischen Effekt haben. Die Menschen in Minsk, in den belarussischen Gefängnissen, lesen meine Bücher, geben sie untereinander weiter, behalten Exemplare aus der Bibliothek. Wenn sie aus der Haft entlassen werden, schreiben sie mir, dass ihnen das geholfen hat.
Ich weiß zum Beispiel auch, dass einige Schweizer Familien, nachdem sie meine Bücher gelesen hatten, Kinder aus Belarus adoptiert haben, als das noch ging. Ich weiß, dass mit meinen Büchern Diplomaten diverser Länder angereist sind, das floss in ihre Entscheidungsfindung ein. Aber ich schreibe ganz sicher nicht dafür.
Ich schreibe, um Fragen zu stellen. In manchen Momenten kann das vielleicht zu Veränderungen führen, ja. Aber das ist alles Sisyphusarbeit, was wir da tun. Wobei ich mittlerweile von einem Kreis aus treuen Fans und Lesern umgeben bin. Zu Kriegsbeginn hat Shenja Berkowitsch eine Auktion organisiert, bei der Prominente ihre Pokale und Auszeichnungen versteigert haben. Die Einnahmen gingen an Juristen, die Männern halfen, die nicht kämpfen wollten. Jeder sollte einen Pokal oder eine Auszeichnung beisteuern, aber ich sagte: „Verkaufen wir doch gleich alle“, und gab meine ganze Sammlung her. Jasnaja Poljana, Snamja-Preise, Russkaja premija. Behalten habe ich mir nur meine erste Auszeichnung für junge Autoren vom belarussischen PEN-Zentrum.
Einmal kam in Amsterdam nach meiner Lesung eine junge Frau zu mir und sagte: „Ich habe alle Ihre Auszeichnungen gekauft. Ich habe Russland zu Kriegsbeginn mit zwei Koffern verlassen – in einem meine Sachen, im anderen Ihre Auszeichnungen. Wenn Sie möchten, gebe ich sie Ihnen zurück.“ Ich finde, das ist eine schöne Geschichte über die Rolle von Literatur und darüber, was für unerwartete Formen sie manchmal annimmt.