Alexej Nawalny gilt als bekanntester Kreml-Kritiker. Bei seiner Rückkehr nach Russland am Sonntag wurde er noch am Flughafen festgenommen und am heutigen Montag zu 30 Tagen U-Haft verurteilt. Jan Matti Dollbaum über den widersprüchlichen Oppositionspolitiker und dessen Potential, der Macht auf lange Sicht gefährlich zu werden.
Oppositionspolitiker Alexej Nawalny kehrt in wenigen Tagen zurück nach Russland. Schon vorher sagte Wirtschaftswissenschaftler Wladislaw Inosemzew voraus, dass 2021 das Jahr des Kampfes zwischen Dissidenten und Macht werden wird. Der Sieger steht für ihn schon fest. Er heißt nicht Nawalny.
Journalisten in Belarus leben gefährlich. Vor allem seit dem Beginn der Proteste am 9. August 2020 sind sie fast täglich staatlichen Repressionen ausgesetzt. Auch Festnahmen gehören zum Alltag. Wie aber sieht die belarussische Medienlandschaft aus? Wie frei können Medien berichten? Woher beziehen die Menschen ihre Informationen? Und sprechen belarussische Medien immer nur po-russki? Ein Bystro von Ingo Petz in neun Fragen und Antworten – einfach durchklicken.
Gesellschaft – von Roman Anin , Alessja Marochowskaja , Irina Dolinina , Dimitri Welikowski , Sonja Sawina , Olessja Schmagun , Roman Schleinow , Denis Dmitrijew
Ein Geschäftsmann heiratet Putins Tochter und wird zum jüngsten Dollarmilliardär Russlands. Wie der Lebensstil der First Family aussieht und wie solche Geschäfte ablaufen, rekonstruieren Washnyje Istorii, die Zugang zu einem einzigartigen E-Mail-Archiv bekamen: der Collection #1.
Weihnachtsgeschenk für die Kreml-Propaganda? Die Reaktionen aus Russland auf die Eskalation im US-Kapitol reichen von Spott bis Betroffenheit – ein Zusammenschnitt.
Der Faschismus ist in Belarus wieder in aller Munde: Der Schriftsteller Alhierd Bacharevič erzählt, was es mit diesem wechselvollen Begriff in seiner Heimat auf sich hat.
Ein Jahr, in dem Corona fast alles dominierte. Aber es war auch ein Jahr des peremen – des Wandels, im Guten wie im Schlechten. Ein spezifischer Rückblick mit Russland-Fokus, viel Kultur – und mit Lieblingstexten unserer RedakteurInnen
Das aktuelle Video des nicht-zu-Ende-ermordeten Nawalnys hat dem putinschen Hauptmythos FSB einen heftigen Schlag verpasst. Von Kirill Rogow.
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Dass ich mich das letzte Mal auf das regelmäßige Lesen so gefreut habe, war ungefähr vor 30 Jahren bei der Bravo …
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Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Auch nicht nach den Aufsehen erregenden Recherchen zu Nawalnys Vergiftung, auch nicht nach Putins Stellungnahme dazu. Sergej Medwedew beschreibt, warum das so ist.
Am 6. März 1953 stand die Wahrheit in derPrawdaDie Prawda (dt. Wahrheit) ist eine russische Tageszeitung, die 1912 von Lenin aus dem Exil gegründet wurde. Sie sollte eine Zeitung von Arbeitern für Arbeiter sein und war in der Sowjetunion das Parteiorgan der KPdSU. So war die Prawda mit einer offiziellen täglichen Auflage von elf Millionen Exemplaren die größte Zeitung der Sowjetunion. Nach dem Zerfall der Sowjetunion geriet sie allerdings in finanzielle Schwierigkeiten und wurde 1996 eingestellt, bevor sie im April 1997 als Organ der Kommunistischen Partei der Russischen Föderationunter Chefredakteur Alexander Ilin neu gegründet wurde. Seit 2009 ist Boris Komozki Chefredakteur der Zeitung.. Die Welt erfuhr, dass der FührerIossif Dschugaschwili hatte mehr als 30 Pseudonyme beziehungsweise Beinamen. Die Entstehung des Pseudonyms Stalin ist nicht klar nachvollziehbar, viele Historiker vertreten die Version, dass es sich auf Stahl bezieht, im Sinne von hart und unnachgiebig. Einer der häufigsten Beinamen Stalins war Führer (der Völker) (russ. Woshd (Narodow)). Die sowjetische Propaganda bezeichnete ihn darüber hinaus unter anderem auch als Lehrer, weiser Vater, Lokomotive der Revolution oder Baumeister des Kommunismus. der Werktätigen am Vortag nach schwerer Krankheit verschieden sei. Auch wenn das „Herz des Kampfgefährten und genialen Fortsetzers der Sache LeninsNach der Februarrevolution fixierte sich Lenin auf den gewaltsamen Sturz der Provisorischen Regierung. Die bolschewistische Partei wurde zum Anziehungspunkt für alle unzufriedenen, radikalen und anarchistischen Elemente. Nach dem misslungenen Juliaufstand nutzte Lenin das Machtvakuum aus, um seine Strategie des bewaffneten Aufstandes im Oktober 1917 zu verwirklichen. Mehr dazu in unserer Gnose“ zu schlagen aufgehört habe, versicherten die obersten Organe des Parteistaates, werde Stalin „immer in den Herzen des sowjetischen Volkes und der gesamten progressiven Menschheit“ fortleben. Wie Lenin rund 30 Jahre zuvor, sollte nun auch sein treuester Schüler im Säulensaal des Hauses der GewerkschaftenDas Haus der Gewerkschaften (russ. Dom Sojusow) in Moskau wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts für den russischen General und Staatsmann Wassili Dolgoruki-Krimski (1722–1782) errichtet. Nach der Oktoberrevolution 1917 fanden in dem klassizistischen Gebäude Räteversammlungen und Parteitage statt. Bei Staatsbegräbnissen wurden hier Politiker aufgebahrt, die später an der Kremlmauer bestattet wurden. aufgebahrt werden, um seinen Anhängern Gelegenheit zum Abschied zu geben.1 Dieser einträchtigen Trauer waren allerdings dramatische Tage vorausgegangen.
Begonnen hatten sie am 28. Februar mit einem Kinoabend im Kreml. Für gewöhnlich saß Stalin an diesen Abenden mit seiner Entourage zusammen, zuletzt bestehend aus Nikita ChruschtschowNikita Chruschtschow (1894–1971) war zwischen 1953 und 1964 Parteivorsitzender der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU). Er übernahm das Amt nach Stalins Tod, 1956 initiierte er mit seiner Geheimrede auf dem XX. Parteitag der KPdSU die Entstalinisierung des Landes. Chruschtschow betrieb ein massives Programm der Aufrüstung, dessen Auswirkungen als eine der Ursachen für die Kuba-Krise 1962 gelten. Seine Annäherung an die BRD sowie seine tiefgreifende Parteireform kosteten ihn viele Unterstützer in der KPdSU-Führung: 1964 wurde Chruschtschow gestürzt, sein Amt übernahm Leonid Breshnew., Lawrenti BerijaGeboren 1899 in Sochumi im heutigen Georgien (Abchasien), wurde Lawrenti Berija im Jahr 1938 zum Volkskommissar des Inneren ernannt. Ihm unterstanden die sowjetischen Geheimdienste und das Straflagersystem Gulag. Er gilt als einer der grausamsten Repräsentanten des staatlichen Gewaltapparates. Unter seiner Aufsicht wurden etwa 1,5 Millionen Menschen innerhalb der Sowjetunion deportiert, wobei hunderttausende ums Leben kamen., Georgi MalenkowGeorgi Malenkow (1901–1988) war ein sowjetischer Politiker und ein enger Weggefährte Stalins. Er beteiligte sich maßgeblich an den Stalinschen Säuberungen und war ab 1939 Mitglied des Zentralkomitees (ZK) der KPdSU. Nach dem Großen Vaterländischen Krieg wurde Malenkow Vollmitglied des Politbüros des ZK und galt zeitweise als zweitmächtigster Mann des Landes. und Nikolaj BulganinNikolaj Bulganin (1895–1975) war Marschall der Sowjetunion, Vollmitglied des Politbüros des Zentralkomitees (ZK) der KPdSU und Verteidigungsminister. Er gehörte zum engsten Kreis Stalins, beteiligte sich aber nach Stalins Tod an der Entstaliniserungs-Kampagne von Chruschtschow. . Diese Abende nahmen sich keineswegs erholsam aus: vielmehr waren sie informelle Zusammenkünfte des stalinistischen Machtzirkels, nicht selten gefolgt von ausgedehnten nächtlichen Gelagen auf der Lieblings-DatschaDie Datscha ist ein Sommerhaus im Umfeld der großen Städte. Das Wort geht auf das russische Verb dawat (dt. geben) zurück und bezeichnet ursprünglich eine „Land-Gabe“ des Zaren an den Adel. Im Unterschied zur „großen“ Urlaubsreise bewirkte die Nähe zur Stadt die spezifische Form der lockeren Geselligkeit im Austausch mit Freunden und Bekannten. Die Datscha steht seit jeher für die kleine Flucht aus Stadt und Alltag. Trotz oder wegen ihrer Randlage steht die Datscha auch oft im Zentrum der großen Politik: Von Stalin über Chruschtschow bis Gorbatschow lebte und regierte die Polit-Prominenz in ihren Staatsdatschen. Mehr dazu in unserer Gnose Stalins ganz in der Nähe Moskaus.2
Licht im Zimmer des Führers
Auch am 28. Februar fand man sich also nach der Filmvorführung zu einem späten Abendessen in Kunzewo ein. In ausgelassener Stimmung, so Chruschtschow in seinen Memoiren, verbrachten sie den letzten gemeinsamen Abend, bis Stalin seine Gäste gegen vier Uhr morgens zur Tür geleitete.3 Am nächsten Tag, einem Sonntag, wartete man dann allerdings vergebens auf Anweisungen. Erst am frühen Abend vermeldeten außerhalb des Hauses postierte Wachtposten Licht im Zimmer des Führers; indes sah der Sicherheitsdienst erst in der eingetroffenen Abendpost einen geeigneten Vorwand, gegen 23:30 Uhr nach Stalin zu schauen.
Entsetzen vor dem Tod
Nun war offenbar, dass es schlecht stand um den Diktator. Die engsten Vertrauten wurden informiert: Berija und Malenkow trafen noch in der Nacht auf den 2. März in Kunzewo ein, am frühen Morgen kam Chruschtschow mit einer Gruppe von Ärzten hinzu. Diese attestierten eine Hirnblutung.4 Es waren „schreckliche Tage“, erinnert sich Stalins Tochter Swetlana Allilujewa: „Die Atemzüge wurden immer kürzer und kürzer. In den letzten zwölf Stunden war es bereits klar, dass sich der Sauerstoffhunger vergrößerte. […] Die Agonie war entsetzlich, sie erwürgte ihn vor aller Augen. In einem dieser Augenblicke – ich weiß nicht, ob es wirklich so war, aber mir schien es jedenfalls so – offenbar in der letzten Minute öffnete er plötzlich die Augen und ließ seinen Blick über alle Umstehenden schweifen. Es war ein furchtbarer Blick, halb wahnsinnig, halb zornig, voll Entsetzen vor dem Tode und den unbekannten Gesichtern der Ärzte, die sich über ihn beugten […] – da hob er plötzlich die linke Hand (die noch beweglich war) und wies mit ihr nach oben, drohte uns allen.“5
Der König ist tot …
Der Kampf um die Nachfolge war längst in vollem Gange, als die Welt aus der Zeitung erfuhr, dass Stalin am 5. März gestorben sei und eine Begräbniskommission unter Chruschtschows Vorsitz die Beisetzung für den 9. März festgesetzt hatte. In den drei Tagen bis zu diesem Termin strömten Tausende zum Haus der Gewerkschaften, um sich von Stalin zu verabschieden. Da die begrenzten Besuchszeiten in keinem Verhältnis zu dem Andrang standen, seien mindestens 109 Menschen erstickt oder einfach totgetrampelt worden, was Chruschtschow einige Jahre später preisgab.6
Die chaotischen Zustände im Zentrum Moskaus lassen sich geradezu als Metapher umfassender Überforderung verstehen, denn niemand wusste, was der Tod des Diktators für die Hinterbliebenen bedeuten würde. So herrschte denn auch bei vielen Opfern der stalinistischen Ordnung eine bedrückende Mischung aus Erleichterung und Trauer.7Selbst Häftlinge in den Lagern des GulagDer Begriff Gulag steht im weitesten Sinne für das sowjetische Lagersystem und damit für den Terror und den Repressionsapparat, den die kommunistische Partei der Sowjetunion zum Erhalt ihrer Macht aufbaute. GULag ist die Abkürzung für Hauptverwaltung der Erziehungs- und Arbeitslager. Diese Verwaltungsstruktur existierte von 1922 bis 1956 und unterstand dem sowjetischen Sicherheitsdienst. Mehr dazu in unserer Gnose-Komplexes wollten den Nachrichten aus Moskau keinen rechten Glauben schenken und boten der sowjetischen Führung ihre Hilfe an. Von anderen Reaktionen berichtet der Insasse eines Lagers bei Workuta: „Wir hörten die Posten auf den Wachtürmen erregt miteinander telefonieren und bald darauf die ersten Betrunkenen lärmen.“8
Der Tod des Führers erwies sich als Wendepunkt des Personenkults. Ein Kult, der seit dem 50. Geburtstag Stalins die gesamte Sowjetunion und die sozialistischen Bruderländer zu erfassen begonnen und stets zu den runden Geburtstagen besondere Höhepunkte erfahren hatte. Das Ableben des Sakralisierten und die völlige Ungewissheit des Kommenden erzeugten somit im März 1953 eine außerordentlich widersprüchliche Atmosphäre. Während die einen von der Freiheit zu träumen wagten, erschien anderen ein Leben außerhalb des stalinistischen Koordinatensystems geradezu unvorstellbar. Wieder andere fürchteten gar eine noch schlimmere Zukunft.
… es lebe der König
Am 9. März erwiesen das PräsidiumUnter Stalin wurde das Politbüro 1952 mit dem Organisationsbüro des Zentralkomitees zusammengefasst und als Präsidium bezeichnet. Auf dem 18. Parteitag 1966 wurde es von den Parteimitgliedern wieder in Politbüro rückbenannt. Bei dem Politbüro handelte es sich um das höchste Führungsgremium der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) und somit dem eigentlichen politischen Machtzentrum von Partei und Staat. und kommunistische Würdenträger aus dem Ausland Stalin das letzte Geleit. Unzählige verfolgten das Spektakel und erhofften neue Orientierung von den drei Grabreden, die MolotowWjatscheslaw Molotow (1890–1986) war ein enger Weggefährte Stalins. In den Jahren 1939–1949 sowie 1953–1956 war er Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten beziehungsweise sowjetischer Außenminister. Bereits mit 16 Jahren war Molotow Mitglied der Bolschewiki. Er war vor der Revolution 1917 zweimal verhaftet und in Straflagern interniert worden., Berija und Malenkow hielten. Nicht zuletzt aufgrund ihrer politischen Funktionen – Außenminister, Innenminister und Vorsitzender des Ministerrates – standen diese drei für die neuen Machtverhältnisse. Die Alleinherrschaft Stalins erschien nunmehr als Triumvirat. Chruschtschow hatte demgegenüber lediglich die Begräbniskommission leiten dürfen, während er im selben Zeitraum das Amt als Moskauer Parteiführer einbüßte. Als einer von acht Sekretären sollte er das ZentralkomiteeDas Zentralkomitee(ZK) der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) war das eigentliche Machtorgan der UdSSR. Es bestand unter anderem aus dem Politbüro, dem Sekretariat und dem Apparat des ZK. Der Apparat bündelte zum Teil dieselben Kompetenzen wie der Ministerrat der UdSSR – die formale Regierung des Landes. neu organisieren. In den nächsten Wochen konnte er allerdings aus dieser unscheinbaren Position seine Macht ausbauen. Chruschtschow folgte somit faktisch Stalin als Erstem Sekretär des Zentralkomitees nach, auch wenn er in dieses Amt erst im September 1953 offiziell gewählt wurde.
Sollte „Chruschtschow seinen Triumph vorhergesehen haben“, so resümiert der Historiker William Taubman den unwahrscheinlichen Aufstieg des TauwetterpolitikersBefreiung vom Despoten, zarte Protestkultur und Poeten als Volkshelden: Die Zeit des Tauwetters in den Jahren nach Stalins Tod brachte eine Neudefinition des sowjetischen Lebens. Kultur und Politik erfuhren eine euphorische Phase der Liberalisierung. Doch schon mit der Entmachtung Nikita Chruschtschows setzte eine politische Restaurationsphase ein, die bis zur Perestroika andauern sollte. Heutzutage wird das Tauwetter oft nostalgisch verklärt, unter Historikern ist seine Deutung weiterhin umstritten. Mehr dazu in unserer Gnose in spe, „dann muss er wirklich der einzige gewesen sein.“9 Nun ist es keine historische Seltenheit, dass sich in der Politik unterschätzte Personen durchsetzen. Und so erwies sich auch im Falle Chruschtschows gerade dieser Umstand als entscheidender Vorteil. Als eine weitere Überraschung sollte sich in den nächsten Jahren sodann erweisen, dass der neue Machthaber im Kreml 1956 öffentlich mit dem Personenkult Stalins abrechnete und damit die Verbrechen publik machte, in die auch er selbst verstrickt war. Das Sprechen über den Terror des Stalinismus hatte auf oberster Ebene begonnen – die Epoche der EntstalinisierungDie ersten Anzeichen einer Entstalinisierung zeigten sich bereits unmittelbar nach Stalins Tod 1953. Zentral dafür wurde jedoch erst die Geheimrede Nikita Chruschtschows, die er 1956 auf dem XX. Parteitag der KPdSU hielt. Die Phase der Sowjetgeschichte, die als Tauwetter bekannt wurde, erlaubte eine deutliche Liberalisierung des Kulturbereichs und eine Abkehr von Repression und Gewalt. Mehr dazu in unserer Gnose war angebrochen.
„Wieso ist Stalin so beliebt?“, wurde Politologin Ekaterina Schulmann in Berlin gefragt. „Ist er das überhaupt?”, stellt sie auf Inliberty die Gegenfrage – und beleuchtet den Zusammenhang zwischen Stalinkult und Propaganda.
Stepan Karagodin war eins von Hunderttausenden Todesopfern des Stalin-Terrors. Sein Urenkel Denis fordert nun strafrechtliche Konsequenzen. Ein Tabubruch, kommentiert Iwan Kurilla auf slon.ru, und ein Hoffnungszeichen.
Ein Enkel will genau wissen: Wer hat im Großen Terror unter Stalin 1938 meinen Urgroßvater erschossen? Nun ist eine erregte, öffentliche Debatte entbrannt, als Denis Karagodin nach langer Suche dem Töten konkrete Namen gab – und der Gewalt ein Gesicht. Sergej Medwedew fragt sich auf Republic: Was ist daran so brisant?
„Die Ent-Stalinisierung“, so schreibt Meduza, „kümmert in Russland heute kaum einen: die Gesellschaft verhält sich zu Stalin entweder gleichgültig oder gar wohlwollend.“ Ist das so? Und wenn ja warum? Verschiedene Wissenschaftler geben Antworten.
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Die Erinnerung an den Großen Terror der Stalinzeit war lange ein Tabu. Nun sind es die Enkel der Opfer, aber auch der Täter, die Fragen stellen. „Der Verantwortung kann man sich nicht entziehen“, meint der junge Erfolgsautor Sergej Lebedew. Realnoe Vremya hat mit ihm zum Gedenktag an die Opfer des Stalinismus gesprochen.
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