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Delo Seti – Protokolle von Willkür- und Folterjustiz

Sie hätten „geplant, Terrorakte zu planen“ – so lautete die Anklage der russischen Staatsanwaltschaft gegen sieben jungen Männer im sogenannten Fall Set (dt. Netzwerk). Am 10. Februar wurden sie in der Stadt Pensa, 550 Kilometer südöstlich von Moskau, schuldig gesprochen. Die Richter folgten mit den sechs- bis 18-jährigen Haftstrafen in vollem Umfang der Forderung der Staatsanwaltschaft. Set gehört nun neben IS und Taliban zu den in Russland „verbotenen terroristischen Organisationen“. Dabei ist nicht mal klar, ob es diese Vereinigung wirklich gab, ob sich die einzelnen Verurteilten überhaupt untereinander kannten.

Die meisten der Verurteilten haben keinen Hehl aus ihren linken und antifaschistischen Überzeugungen gemacht, außerdem spielten sie gerne Airsoft, ein Geländespiel mit Softairwaffen. Viele Menschenrechtler in Russland bringen die Strafen allerdings nicht damit zusammen, sondern halten sie schlicht für drakonische Abschreckungsmaßnahmen: Die Verhaftungen seien willkürlich, der Fall selbst konstruiert, um die Menschen im Land einzuschüchtern, so der Tenor. 

In der Tat ist die Beweislage dünn – es gibt auch keine belastbaren Hinweise darauf, dass die Verurteilten einen terroristischen Anschlag während der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 „geplant [haben] zu planen“. Bei Hausdurchsuchungen wurden Waffen gefunden – doch konnte deren Herkunft nicht nachvollzogen werden. Demgegenüber gibt es aber Hinweise, dass sie den Männern untergeschoben wurden.

Zahlreiche Hinweise gibt es auch darauf, dass die 23- bis 31-jährigen Männer ihre „Geständnisse“ unter Folter abgelegt haben. Die Menschenrechtsorganisation Memorial etwa, listet die Verurteilten als „politische Gefangene“, deren Aussagen unter Folter erzwungen wurden. Massive Verletzungen sind zwar genauso dokumentiert wie die Aussagen der Angeklagten, sie wurden bei dem Prozess aber nicht als Beweise der Verteidigung zugelassen. Diese Aussageprotokolle finden sich nun allerdings auf Meduza – zur Verfügung gestellt von Mediazona-Journalist Jegor Skoworoda. Drei davon hat dekoder übersetzt.

Источник Meduza
Die sieben jungen Männer im sogenannten Delo Seti wurden zu bis zu 18 Jahren Strafkolonie verurteilt. / Foto © 7x7

Dimitri Ptschelinzew – verurteilt zu 18 Jahren Strafkolonie unter verschärften Haftbedingungen

„Einer von ihnen trug weiße medizinische Gummihandschuhe. Er nahm eine Dynamomaschine und stellte sie auf den Tisch, kratzte zwei Kabel mit einem Cuttermesser, forderte mich auf, den großen Zeh auszustrecken. Der zweite tastete am Hals meinen Puls, das machte er die ganze Zeit immer wieder, er kontrollierte meinen Zustand. Er wunderte sich, dass ich so einen ruhigen Puls hatte und nicht aufgeregt war – das kam daher, dass ich anfangs nicht wusste, was geschah.

Dann begann der mit den Handschuhen die Kurbel der Dynamomaschine zu drehen. Der Strom drang bis zu den Knien, meine Wadenmuskeln krampften zusammen, Lähmungsschmerz packte mich, ich schrie los, schlug mit Rücken und Kopf gegen die Wand. All das dauerte ungefähr zehn Sekunden, doch während der Folter erschien es mir wie eine Ewigkeit [...] Sie wiederholten hartnäckig: ‚Du bist der Anführer.‘ Damit sie mit der Folter aufhören, antwortete ich: ‚Ja, ich bin der Anführer.‘ ‚Ihr hattet vor, Terroranschläge zu verüben.‘ ‚Ja, wir hatten vor, Terroranschläge zu verüben.‘”

Diesen Bericht über seine ersten Tage nach der Inhaftierung – die Beschuldigten waren ihren Worten zufolge noch in Untersuchungshaft von FSB-Mitarbeitern gefoltert worden – übergab Dimitri Ptschelinzew seinem Anwalt Anfang Februar 2018, ein halbes Jahr nach seiner Festnahme. Schon am 14. Februar 2018 zog er seine Aussage zurück – wie sich später herausstellte, aufgrund neuerlicher Folter. Ptschelinzew erinnert sich:

„Sie zogen mir meine Socken aus, Hose und Unterhose wurden mir bis zu den Knien runtergezogen. Sie stülpten mir etwas eng Anliegendes über den Kopf, so etwas wie eine Sturmhaube, und befestigten sie unter meinem Kinn. Ein Begleitmann wickelte mir Drähte um die großen Zehen. Sie versuchten, mir einen Knebel in den Mund zu stecken, aber ich hielt ihn geschlossen, also haben sie den Knebel mit Klebeband befestigt. Beim vorigen Mal waren mir durch den Knebel eine Menge Zähne abgebrochen. Während sie auf mich eindroschen haben wir kaum gesprochen. Als sie aufhörten, mir ins Gesicht und in den Magen zu schlagen, bekam ich Stromschläge. [...]

Nach ein paar weiteren Elektroschocks sagten sie mir: ‚Zieh die Aussage zurück: Sag, dass das mit der Folter gelogen war. Künftig wirst du das tun, was der Ermittler sagt. Wenn sie dir weiß zeigen und dir sagen, dass es schwarz ist – dann sagst du schwarz. Hacken sie dir den Finger ab und sagen, du sollst ihn essen – dann isst du ihn.‘ Dann haben sie mir noch ein paar  Stromschläge verpasst, damit ich's mir merke.“

Vor Gericht hat Dimitri Ptschelinzew ausführlicher über die Folter gesprochen und wie er danach mit den FSB-Mitarbeitern sein Geständnis verfasste.

Andrej Tschernow – verurteilt zu 14 Jahren Strafkolonie unter verschärften Haftbedingungen

Laut seinen eigenen Worten wurde Tschernow nicht mit Strom gefoltert, allerdings wurde er auch geschlagen und eingeschüchtert. Vor Gericht sagte er:

„Die FSB-Mitarbeiter haben mich aus der Werkhalle geführt und ins Auto gesetzt. Der Fahnder Schepeljow und zwei Mitglieder der Spezialeinheit haben mich verhaftet. Schepeljow hat sich auf den Beifahrersitz gesetzt, die Spezialkräfte links und rechts neben mich. Noch bevor wir das Fabrikgelände verließen, gleich nachdem die Autotüren zugefallen waren, haben sie angefangen, mich zu schlagen. Ein paar Mal ins Gesicht. Ohne Umschweife schlugen sie mir dann in den Bauch, mit den Ellbogen auf den Rücken und auf den Kopf. Den ganzen Weg ging das so. [...]

Ich habe nicht verstanden, was los ist, und habe gesagt, dass ich einen Anwalt brauche. Schepeljow hat mir auf der ganzen Fahrt gedroht, dass man meinen ‚Bruder einbuchten, allen Verwandten kündigen und die Finger abhacken wird.‘ Er hat gesagt: ‚Dein Leben ist vorbei, du wirst sterben.‘ […] 

Anfangs wusste ich nicht, wo sie mich hinbrachten. Erst später, als ich zur ersten Vernehmung gefahren wurde, war mir klar, dass es das FSB-Gebäude ist. Ich wurde reingeführt, immer wieder wurde ich von den Spezialkräften getreten. Dann kam ich in den Raum, wo die  Zellen waren, da war auch schon Ptschelinzew. In einer solchen Verfassung hatte ich ihn noch nie gesehen, er war völlig verschreckt, auf der linken Gesichtshälfte hatte er eine Schürfwunde oder eine Prellung. Wir durften nicht miteinander reden. Das einzige, was Ptschelinzew mir sagen konnte, war: ‚Brauchst nicht mal versuchen, es auszuhalten – du wirst es nicht schaffen.‘“ 

Wassili Kuksow – verurteilt zu neun Jahren Strafkolonie unter allgemeinen Haftbedingungen

Während der Urteilsverkündung trug Kuksow einen Mundschutz – in Untersuchungshaft hatte man bei ihm eine offene Tuberkulose diagnostiziert, ihn aber trotzdem im selben Gefängniswagen wie die übrigen Beschuldigten transportiert und ihn im Gerichtssaal in dasselbe Aquarium gesetzt [ein Glaskasten, in dem die Angeklagten während des Prozesses sitzen – dek]. Im Laufe des Prozesses erinnerte er sich an seine Verhaftung: 

„Es war ein Wochentag. Ich kam nach der Arbeit mit einer Marschrutka nach Hause. Ging in den Laden und kaufte Milch und Brötchen. An meinem Hauseingang stand ein Mann in Zivil. Er hatte ein Telefon in der Hand oder ein Foto und verglich mich mit dem Bild. Dann sah ich drei Männer auf mich zurennen, mit Tarnuniformen, Masken und Maschinengewehren. Sie schlugen mich nieder, schlugen mir in den Magen und auf die Nase. Sofort strömte Blut. Sie zogen mir die Kapuze über den Kopf und schleppten mich zum UAZ Patriot. Ich weiß noch, dass ich schrie: ‚Leute, helft mir!‘ Ich dachte, es sei ein Traum oder eine Verarschung.

Auf dem Weg schlugen sie mir auf die Wirbelsäule und sagten: ‚Jetzt bist du dran, dein Leben ist vorbei‘. [...] Sie brachten mich in ein Gebäude, führten mich nach oben. Ich machte einen Schritt ins Büro und bekam sofort einen Schlag auf den Solarplexus. Ich höre jemanden sagen: ‚Sachte, sachte, das ist übertrieben.‘ Dann legten sie mich mit dem Gesicht auf den Boden und schlugen mit einem Metallgegenstand hart neben mein Ohr. Sie sagten: ‚Du hast sowieso nur noch eine halbe Stunde zu leben. Wenn du die Fragen beantwortest, dann anderthalb Stunden.‘ 

Sie sagten irgendwelche Namen, ich kannte nur Sorin und Schakurski. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich bereits eine Blutlache gebildet. Sie wollten mir den Finger abhacken, hatten meine Hand schon hingelegt, haben ihn dann aber doch nicht abgehackt. Und erst dann sagten sie mir: ‚Du bist beim FSB, Wassili. Beschuldigt wegen Terrorismus.‘“

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Lubjanka

Nirgendwo sonst saßen Hintermänner, Henker und ihre Opfer so dicht zusammen wie in der Lubjanka. Nina Frieß über den Sitz des Geheimdienstes, um den Menschen jahrzehntelang „einen möglichst großen Bogen“ machten. 

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Lubjanka

Im März 2015 veröffentlichte das Zentrale Kinderkaufhaus eine Serie von Werbeclips. Zu sehen waren zwei Kinder, die ein Verhör ihrer Eltern inszenieren, mit barschen Fragen, blendendem Licht, psychischer Folter. Ziel der Aktion: Sie möchten mit ihren Eltern in das Zentrale Kinderkaufhaus am Lubjanka-Platz fahren. Die Clips enden mit dem Slogan: „Du liebst dein Kind? Bring es zur Lubjanka!“ 

Die Werbefilme riefen in den sozialen Medien einen Sturm der Entrüstung hervor und sogar die russische Wettbewerbskommission auf den Plan: Während Intellektuelle wie Lew Rubinstein die Geschichtsvergessenheit der Werbeleute anprangerten,1 urteilte die Wettbewerbskommission (allerdings erst Monate später), das Video würde das russische Werbegesetz verletzen und Eltern diskreditieren, die das Kaufhaus nicht aufsuchten.2 Nach kurzer Zeit löschte das Zentrale Kinderkaufhaus die Clips von seinem YouTube-Kanal, zu diesem Zeitpunkt hatten sie sich aber bereits über andere Kanäle verbreitet.3

Sowohl die Videoclips selbst als auch die Reaktionen darauf zeigen, womit der Begriff Lubjanka auch heute noch von den meisten Russen assoziiert wird: mit Terror, Angst und Unrecht. Doch was ist die Lubjanka eigentlich?

Erst in den 1980er Jahren erhielt die Lubjanka ihr heutiges ockergelbes Antlitz im Stil des sozialistischen Klassizismus / Foto © James Offer/flickr unter CC BY-NC-SA 2.01897/98 errichtete die Versicherungsgesellschaft Rossija ihre Verwaltungszentrale am Lubjanka-Platz in Moskau. Nach der Oktoberrevolution 1917 wurde das Gebäude im Zentrum Moskaus konfisziert. Zunächst sollte der Moskauer Gewerkschaftsrat in die Große Lubjanka 2 einziehen, doch schon wenige Tage später entschieden die Behörden im Mai 19194, das Gebäude an die Moskauer Außerordentliche Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sabotage (Tscheka) zu übergeben. Seitdem dient es dem sowjetischen Geheimdienst unter seinen wechselnden Namen – von der Tscheka bis zum KGB – durchgehend als Amtssitz; seit 1996 ist es Sitz des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. Die Adresse „Lubjanka“ steht längst auch synonym für die Geheimdienstorgane selbst.

Das Gebäude, das die Tschekisten bezogen, war damals noch wesentlich kleiner als heute. Der Personalzuwachs der sogenannten Organe in den 1920er und 1930er Jahren führte dazu, dass nach und nach immer mehr Gebäude in der Nachbarschaft eingegliedert oder angebaut wurden. Irgendwann nahm das stetig wachsende Ensemble den gesamten Block ein. Pläne für weitere Umbauarbeiten gab es bereits in den 1930er Jahren, durch den Zweiten Weltkrieg verzögerten sie sich aber. Erst in den 1980er Jahren erhielt die Lubjanka ihr heutiges Antlitz mit der einheitlichen ockergelben Fassade im Stil des sozialistischen Klassizismus. Bis heute dominiert das einer Trutzburg gleichende Gebäude den Lubjanka-Platz.5

Ort des Schreckens

Unter der Führung von Felix Dsershinski wurde der Dienstsitz des sowjetischen Geheimdienstes zu einem Ort des Schreckens. Ab 1920 diente einer der inneren Gebäudeteile als Gefängnis. Unzählige Untersuchungshäftlinge durchliefen ihre Verhöre in dem Gebäude, in denen ihnen insbesondere während der Zeit des Großen Terrors unter schwerer psychischer und physischer Folter bizarre Geständnisse über nicht begangene Verbrechen abgepresst wurden. Zahlreiche Arretierte – darunter prominente politische Häftlinge wie Lew Kamenew und Grigori Sinowjew – wurden in den Kellern der Lubjanka erschossen. 

Folter und Exekutionen gab es zwar auch in anderen sowjetischen Gefängnissen, etwa in der Moskauer Butyrka, in der Nikolaj Jeschow erschossen wurde – führender Organisator der Stalinschen Säuberungen. Aber nirgendwo sonst saßen die, die den Terror planten und ausführten, so dicht zusammen mit ihren Opfern wie in der Lubjanka. Nicht selten gerieten außerdem einstige Täter in der Lubjanka selbst in die Mühlen des sowjetischen Repressionssystems.

Zwar haben Historiker inzwischen vor allem durch Berichte von überlebenden Häftlingen wie Alexander Solschenizyn, Margarete Buber-Neumann oder Juri Treguboff eine gewisse Vorstellung davon, wie die Lubjanka aufgebaut war: So weiß man heute unter anderem von der Größe und Lage der Zellen sowie von den Wegen zu den Verhörzimmern. Aus denselben Quellen ist bekannt, wie sich die Abläufe gestalteten: wie Einlieferung, Verhöre, Leben in der Zellengemeinschaft vor sich gingen, wie Weitertransport in andere Gefängnisse beziehungsweise Arbeitslager organisiert waren. Doch liegen genaue Zahlen über die Opfer der Lubjanka bis heute nicht vor und nähren damit den Mythos des Ortes.

Das Gefängnis in der Lubjanka wurde 1957 geschlossen, einige Zellen blieben aber erhalten und wurden mitunter für die Unterbringung prominenter Häftlinge genutzt:  So saß der US-amerikanische Pilot Francis Gary Powers in der Lubjanka ein, nachdem sein Flugzeug während eines Spionageflugs am 1. Mai 1960 über dem Ural abgeschossen worden war. 
Ein Ort des Schreckens blieb die Lubjanka auch nach 1957: Noch in den 1980er Jahren – und wohl auch darüber hinaus – machten Menschen „einen möglichst großen Bogen um sie“, wie Witali Schentalinski in seinem Buch Das auferstandene Wort schreibt. „Jeder Bürger unseres unermeßlichen Staates wußte, daß er der Lubjanka jederzeit ins Visier geraten konnte, daß sie die Macht hatte, in sein Leben einzugreifen und mit ihm anzustellen, was sie wollte. Vor der Lubjanka gab es keinen Schutz.“6

Abkehr von der Geschichte

Im Jahr 1958 errichtete man in der Mitte des Lubjanka-Platzes, der unmittelbar nach dem Tod Dsershinskis 1926 in Felix-Dsershinski-Platz umbenannt wurde, ein Denkmal für den sogenannten Eisernen Felix.

33 Jahre später entwickelte er sich zu einem Schauplatz historischer Umwälzung, die die Politologin Tatjana Rastimeschina als „die markanteste Episode bei der Abkehr von der Geschichte“ bezeichnete:7 Im August 1991 wurde der Eiserne Felix von wütenden Demonstranten attackiert, die kurz zuvor erfolglos versucht hatten, die Geheimdienstzentrale zu stürmen. Der Denkmalsturz gelang allerdings erst mit Hilfe zweier Kräne. Seitdem ist die Statue im Moskauer Skulpturenpark zu sehen, in dem sich auch andere abgeräumte Statuen finden. Im Jahr 2002 brachte der damalige Moskauer Bürgermeister Juri Lushkow ins Spiel, das Denkmal an seinem alten Standort wiederaufzustellen – ein Vorschlag, der nicht realisiert wurde.

Gedächtnisort

Im Oktober 1990 errichtete die Menschenrechtsorganisation Memorial schräg gegenüber des Geheimdienstsitzes ein Mahnmal für die Opfer des totalitären Regimes: den Solowezki-Stein. Der Findling, der von den Solowki-Inseln stammt, wo das System der Arbeitslager seinen Anfang genommen hatte, ist der einzige sichtbare Hinweis auf das, was wenige Meter von ihm entfernt geschah. Am Lubjanka-Gebäude selbst befindet sich bis heute keine Gedenktafel, die auf die dort verübten Verbrechen hinweist oder der Opfer gedenkt.

Zum Gedenktag an die Opfer politischer Repressionen am 30. Oktober versammeln sich Menschen am Solowezki-Stein und verlesen nacheinander die Namen der Opfer. Auch Karl Schlögel brachte die Lubjanka als Erinnerungsort ins Spiel: Im Abschlusskapitel seines 2017 erschienenen Monumentalwerks Das sowjetische Jahrhundert. Archäologie einer untergegangenen Welt schlug der Osteuropahistoriker vor, man solle aus der Lubjanka ein Museum machen, in welchem man die Geschichte der Sowjetunion (und auch des Ortes Lubjanka) erzählt. 

Dieser Vorschlag wird allerdings wohl so bald nicht realisiert werden. Zwar befindet sich in der Lubjanka ein Museum, doch es ist das Museum der inneren Organe, das der Geheimdienst in den 1980er Jahren zur Fortbildung seiner Mitarbeiter eingerichtet hatte. Eine Zeitlang war es auch für die Öffentlichkeit zugänglich, aktuell ist es aber nur für den internen Dienstgebrauch geöffnet.


Zum Weiterlesen:
Uroki istorii: Formirovanie kvartala gosorganov na Lubjanke (letzter Zugriff am 05.06.2019)
Rüthers, Monica (2007): Die Lubjanka, in: Diess.: Moskau bauen von Lenin bis Chruščev, Wien u. a., S. 153-169
Schlögel, Karl (2017): Das sowjetische Jahrhundert: Archäologie einer untergegangenen Welt, München

1.Echo Moskvy: Ljubiš' rebenka? Otvedi na Lubjanku  
2.Svoboda: Reklama "Ljubiš' rebenka? Otvedi na Lubjanku!" priznana nezakonnoj  
3.Youtube.com: “Ljubiš' rebenka? Otvedi na Lubjanku!”  
4.Die Quellenangaben zum tatsächlichen Einzug variieren von 1918 bis 1919. Die russische Menschenrechtsorganisation Memorial datiert den Beginn des Einzugs auf Mai 1919. Topografija terrora Moskva: Lubjanka, 2  
5.Einen reich bebilderten Einblick in das Wachstum der Lubjanka liefert der Historiker Nikita Petrov in seiner Vorlesung über die „Formierung des Quartals der Staatsorgane an der Lubjanka“ auf Uroki Istorii vom 23. Mai 2014 (in russischer Sprache): Uroki Istorii XX veka: Formirovanie kvartala gosorganov na Lubjanke. Nikita Petrov v seminare “Moskva. Mesta pamjati"  
6.Schentalinski, Witali (1996): Das auferstandene Wort: Verfolgte russische Schriftsteller in ihren letzten Briefen, Gedichten und Aufzeichnungen: Aus den Archiven sowjetischer Geheimdienste, Bergisch Gladbach, S. 38  
7.Rastimešina, Tat'jana (2013): Politika Rossijskogo gosudarstva v otnošenii kul'turnogo nasledija cerkvi: tradicionnye podchody i innovacionnye technologii, S. 139  
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