Quelle

Batenka

Die Welt spielt verrückt? Für Jegor Mostowschtschikow und seine Freunde steht das lange fest, als sie dieser verrückten Welt eine Plattform bieten wollen, die die Skurrilitäten um sie herum in Worte zu fassen versucht. Poetisch manchmal, philosophisch oft oder eben einfach nur voller Rätsel und Empörung. 2007 ist das, in Kiew, als die Idee für batenka.ru entsteht. Ein kunstvoll gemachtes Online-Magazin, das nach eigenen Angaben mehr als 40.000 Leser im Monat hat.

„Batenka“ heißt eigentlich „Väterchen“, auch „Alter“. Es klingt liebevoll und verachtend zugleich. Der volle Name des Online-Mediums lautet allerdings Batenka, da wy Transformer (dt. „Batenka, Sie sind ja ein Transformer“), wobei die Macher ihr Produkt nicht als Medium, sondern als Samisdat bezeichnen, als Selbstverlag. Wie der Samisdat zu Sowjetzeiten nicht systemkonforme Literatur verbreitet hat, so will auch Batenka eine Alternative zu nachrichtengesättigten Medien sein. Inzwischen entstehen unter der Dachorganisation Mamichlapinatana neben Batenka auch ein Radio, ein Buchverlag, eine Nachrichtenagentur, ein Hotel samt Kunstraum in Moskau und Games. Das Geld für diese Projekte verdienen die Batenka-Gründer inzwischen über Content Marketing, Medienberatung und verschiedene Dienstleistungen (Design, Programmierung etc.), die sie bei Mamichlapinatana anbieten.

Für Batenka selbst schreiben namhafte russische Journalisten genauso wie Studenten der Journalistik. Auch die Gründer, die stets einen Blick auf die sich transformierende Welt werfen, haben Journalistik an der Moskauer Staatsuniversität (MGU) studiert. Jegor Mostowschtschikow hat als Autor für einige russische Zeitungen geschrieben, wie Novaya Gazeta, Kommersant, The New Times, Russki Reporter, und war später Online-Chefredakteur von Snob – bis Batenka nicht mehr nur nebenher zu machen war. Chefredakteur wurde Grigori Tumanow, der sagt: „Die Medien heute sind mehr Community denn Information.“

Batenka bedient sich keiner Fotos, die bereits irgendwo anders zu sehen waren. Stattdessen wird jeder Text eigens für die Seite illustriert. Auch das Maskottchen der Seite ist von Designern entworfen. Es soll den reisenden und stets suchenden Wissenschaftler Theodor Glagolew darstellen, dessen Notizbuch die Batenka-Gründer einst auf einem Flohmarkt in London gefunden haben. Ein Mann mit Schnurrbart, der sich im 19. Jahrhundert viele Gedanken über die Apokalypse machte. Genau das, was auch Jegor Mostowschtschikow und dem Mitinitiator Anton Jarosch beim Akquirieren von Texten so wichtig ist.

Batenka bietet sieben Rubriken. Bei „Ressourcen“ geht es um Themen wie Suizid, Sex und Alkohol, bei „Zusammenschluss“ um Bereiche wie Familie, Partei, Religion, „Verehrung“ zählt „Diktatoren der Woche“ und „Muskeln der Welt“ auf, Ästhetik bietet Bücher-, Film- und Kunstbesprechungen, beim Radio Glagolev-FM werden Lieder abgespielt. Dabei greift Batenka durchaus die aktuelle Nachrichtenlage in der Welt auf, geht die Themen aber stets kunstvoll an. Die Texte sind oft mehr literarischer denn journalistischer Natur.

Text: Inna Hartwich
Stand: Februar 2019

Eckdaten

Gegründet: 2007
Gründer: Jegor Mostowschtschikow, Anton Jarosch
Chefredakteur: Grigori Tumanow
URL: www.batenka.ru


Teil des Dossiers „Alles Propaganda? Russlands Medienlandschaftgefördert von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
Gnosen

im Gnosmos

als Text

im Gnosmos

als Text

Neueste Gnosen
Gnose

Noize MC

Rap als Poesie und Gegenkultur: Mit kraftvollen Versen reimt Noize gegen den Kreml und widerlegt nebenbei das Klischee, dass Kunst absichtsfrei sein muss, um Kunst zu sein.

Gnose

Weiblicher Widerstand gegen den Krieg

Es sind vor allem Frauen, die in Russland gegen den Angriffskrieg auf die Ukraine protestieren. Sie malen Plakate, kleben Sticker auf ihre Autos und verteilen konspirativ Zeitungen. Mit ihren aufsehenerregenden Aktionen sticht besonders eine Organisation hervor: die Feministische Antikriegs-Bewegung.

Gnose

Wladimir Kara-Mursa

Wladimir Kara-Mursa ist kein Star der früheren Straßenopposition in Russland. Der Oppositionelle bekämpfte das Putin-Regime auf seine Art: Er hat sich in den USA für Sanktionen gegen Moskau eingesetzt. Seit April 2023 sitzt er in einer sibirischen Strafkolonie ein. Das Urteil: 25 Jahre.

Gnose

Schwanensee – Ballett, Requiem und Protestsong

Pjotr Tschaikowskis Ballett Schwanensee ist in Russland eine historische Referenz – Requiem für sowjetische Staatsmänner und Begleitmusik zum Untergang der Sowjetunion selbst. Mahnung an die Endlichkeit des Regimes und Erinnerung daran, dass am Ende das Gute über das Böse siegt.

 

Gnose Belarus

Die Griechisch-Katholische Kirche in Belarus

Über Jahrhunderte war Religionszugehörigkeit auch eine Frage politischer Loyalität. So ist auch die griechisch-katholische Kirche in Belarus entstanden. Sie war im 16. Jahrhundert gegründet worden, als der belarussische Kulturraum zum katholisch geprägten Polen-Litauen gehörte. Von der orthodoxen Kirche wird sie bis heute als innerer Feind diffamiert. 

Gnose

Sergej Kirijenko

Die aggressive Kriegspropaganda der russischen Staatsmedien kommt bei der Jugend nicht an, Abhilfe schafft Sergej Kirijenko. Als „effektiver Manager“ leitet er zudem die Zivilverwaltung der annektierten ukrainischen Gebiete.

Gnose

Wladimir Potanin

Wladimir Potanin ist der zweitreichste Mann Russlands. Den Grundstein für sein Wirtschaftsimperium legte er in den 1990er Jahren, als er selbst die Regeln für die Privatisierung großer Staatsbetriebe mitgestaltete, dank derer er in den Besitz des Buntmetall-Riesen Norilsk Nickel kam. Seit Beginn des vollumfänglichen Krieges gegen die Ukraine konnte er sein Wirtschaftsimperium sogar ausbauen. Er steht auf den Sanktionslisten der USA und Großbritanniens – Deutschland hingegen treibt weiter Handel mit dem „Nickel-König“.

Gnose

Konstantin Ernst

Konstantin Ernst ist der „Kreativdirektor“ des Kreml. Der Chef des Staatssenders Erster Kanal gestaltet den visuell-medialen Stil von Putins Russland. Die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Sotschi trug ebenso seine Handschrift wie die jährliche Call-in-Sendung Der direkte Draht mit Wladimir Putin. Vom Hollywood-Kino lernte Ernst, wie man über Emotionen Massen erreicht – und stellte dieses Talent in den Dienst des Regimes.

Gnose Belarus

Nikolaj Statkewitsch

Mikola Statkewitsch ist in Belarus einer der bekanntesten Oppositionsführer der älteren Generation. Er wurde zu zahlreichen Haftstrafen verurteilt, auch aktuell ist er in Haft. Waleri Karbalewitsch über einen nationalbewussten Sozialdemokraten, der sich dem Kampf gegen die Diktatur verschrieben hat.

Motherland, © Tatsiana Tkachova (All rights reserved)