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Maria Sacharowa

Mit schrillen Auftritten und aggressiver Rhetorik hat die Sprecherin des russischen Außenministeriums einen neuen Stil in der russischen Diplomatie geprägt. 

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Sergej Uwarow

Sergej Uwarow (1786–1855), Bildungsminister unter Zar Nikolaus I., gilt in der Geschichtsschreibung als widersprüchliche Persönlichkeit. Einerseits machte er sich um das Schul- und Universitätswesen in Russland verdient, andererseits war er ein ausgesprochen konservativer Ideologe des Zarenreiches, dem der berühmte Dreiklang Orthodoxie, Selbstherrschaft, Volkstümlichkeit zugeschrieben wird.

Orthodoxie, Selbstherrschaft, Volkstümlichkeit

„Es gibt drei Grundlagen, ohne die Russland nicht blühen, nicht stärker werden, nicht leben kann […]: Erstens die Orthodoxie, zweitens die Selbstherrschaft und drittens die Volkstümlichkeit (narodnost).“ So äußerte sich der frisch berufene Bildungsminister des Russischen Reiches, Graf Sergej Semjonowitsch Uwarow, im November 1833 in einem Gespräch gegenüber Zar Nikolaus I. Diese später als Theorie der offiziellen Volkstümlichkeit beschriebene Losung sollte zu einer wichtigen ideologischen Grundlage der Herrschaft Nikolaus' I. werden, der darum bemüht war, sich als die Verkörperung der russischen Nation zu inszenieren.1 Das autokratische Herrschaftssystem wurde nun nicht mehr nur aus einer göttlichen Legitimation abgeleitet, sondern als eine zutiefst russische Eigenschaft gedeutet, durch die Russland sich angeblich fundamental von Europa unterscheide.

Antwort auf die Prinzipien der Französischen Revolution

Sergej Uwarows zentrale Rolle für die ideologische Ausgestaltung der konservativen Herrschaft Nikolaus' I. hat ihm lange Zeit den Vorwurf des Anti-Liberalismus eingebracht. In der Tat ist Uwarows Dreiklang von Orthodoxie, Selbstherrschaft, Volkstümlichkeit als Antwort auf  die Prinzipien der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit der Französischen Revolution von 1789 zu verstehen. Trotzdem stellt sich die Frage, ob man Uwarow mit diesem Urteil gerecht wird. 1786 als Sohn russischer Adeliger in Moskau geboren, widmete sich Uwarow in seinem Studium, das er teilweise in Deutschland absolvierte, vor allem der klassischen Antike. Selbst anerkannter Wissenschaftler, wurde er 1818 zum Präsidenten der ehrwürdigen Petersburger Akademie der Wissenschaften ernannt und behielt dieses Amt bis zu seinem Tod im Jahr 1855.

Noch 1818 hatte Uwarow die Freiheit als ein hohes Gut gelobt. Was bewog ihn 1833 dazu, die Selbstherrschaft als Herrschaftsform zu empfehlen?2 Zar Nikolaus I. war 1825 nach dem gescheiterten Dekabristen-Aufstand an die Macht gekommen, in dem junge Offiziere vergeblich eine Einschränkung der autokratischen Herrschaft gefordert hatten. Einige der Offiziere hatten für ihre Forderungen mit Exil oder gar mit ihrem Leben zahlen müssen.

S. Uwarow, 1815 / Foto © artsait.ru

Ideologische Antworten auf die Herausforderungen der Zeit

1830 waren in Belgien und Frankreich revolutionäre Erhebungen ausgebrochen. Das Zarenreich selbst sah sich im polnischen Aufstand von 1830/31, der schließlich mit Gewalt niedergeschlagen wurde, fundamental herausgefordert. Zumindest aus Sicht der Beamten des Zarenreiches war es da nur folgerichtig, eine ideologische Antwort auf die Herausforderungen der Zeit zu formulieren, die die Stabilität des Zarenreichs sichern sollte. Dass Nikolaus I. keinesfalls eine Einschränkung der Zarenmacht dulden würde, war zu diesem Zeitpunkt völlig eindeutig.

In der Französischen Revolution war das Prinzip der göttlichen Legitimation der Königsmacht durch den Bezug auf die Nation als Quelle politischer Herrschaft in Frage gestellt worden. Mehr noch: Russland war im 19. Jahrhundert kein Nationalstaat, sondern ein Vielvölkerreich. Vor diesem Hintergrund musste aus Sicht Uwarows die russische Nation genau wie die Selbstherrschaft gestärkt werden. Als eine Quelle konnte dabei der Rückbezug auf die russische Orthodoxie dienen, und die Selbstherrschaft selbst musste eben national gedeutet werden, wenn sie das 19. Jahrhundert überstehen wollte. Die politische Schlagkraft nationaler Bewegungen wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert für das russische Vielvölkerreich zu einer zentralen Herausforderung und Sergej Uwarow hatte dies vielleicht schon in den 1830er Jahren begriffen.

Uwarow war aber auch Architekt zahlreicher Bildungsreformen im Zarenreich. Er trieb nicht nur den Ausbau des Realschulwesens voran, sondern war auch eine zentrale Figur für die Gründung staatlicher Schulen für die Juden des Russischen Reiches. Einige Jahrzehnte später sollte aus den Absolventen dieser Schulen die erste Generation einer russisch-jüdischen Intelligenzija hervorgehen. In mehrfacher Hinsicht war Uwarow also einer der einflussreichsten Staatsmänner seiner Zeit.


1.Unter der Ägide Nikolaus' I. entstanden unter anderem die Nationalhymne „Gott, schütze den Zaren!“ und die berühmte Oper „Ein Leben für den Zaren“ von Michail Glinka. Für die Selbstinszenierung NikolaUs' I. als Verkörperung der russischen Nation, siehe: Wortman, Richard S. (2006): Scenarios of power: Myth and ceremony in Russian monarchy from Peter the Great to the abdication of Nicholas II, Princeton,  S. 143–165
2.Für eine Neudeutung Uwarows, siehe: Miller, A. I. (2008): The Romanov empire and nationalism: Essays in the methodology of historical research, Budapest, S. 139–158
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