Witali TeslenkoWitali Teslenko (geb. 1962) war zwischen 2010 und 2012 Gesundheitsminister der Oblast Tscheljabinsk. In dieser Zeit soll er über 70 Millionen Rubel [nach heutigem Stand rund 1,1 Millionen Euro – dek] an Schmiergeldern kassiert haben. Im September 2014 wurde er dafür zu sieben Jahren Haft und einer Geldstrafe in Höhe von 300 Millionen Rubel [nach heutigem Stand umgerechnet rund 4,7 Millionen Euro – dek] verurteilt., Gesundheitsminister des Gebietes Tscheljabinsk, saß einfach so mit Freunden in der BanjaDie Banja ist die russische Sauna: ein Dampfbad, in dem die kreislaufanregende und reinigende Wirkung durch das Auspeitschen mit Birkenzweigen verstärkt wird. Auf dem Lande ist es oft eine Holzhütte im Garten, in der Stadt sind es große Gebäude, ähnlich städtischen Badeanstalten. Die Banja ist ein Kultort, an dem gern getrunken und gegessen wird, der Eingang in viele Filme findet. Es gibt auch eine eigene Grußformel, wenn jemand in die Banja geht: S legkim parom! (Ich wünsche leichten Dampf!): bei Wodka, Gurken und Tomaten, Schinkenknackern und dick geschnittenem Schwarzbrot – wobei sie sich durchaus ein erlesenes Bankett hätten leisten können. Die Mitarbeiter des FSBFSB (Federalnaja slushba besopasnosti, dt. Föderaler Sicherheitsdienst) ist der Inlandsgeheimdienst Russlands. Er ging aus dem sowjetischen Geheimdienst KGB hervor, der nach dem Ende der Sowjetunion zerschlagen wurde. Heute gehören Spionageabwehr, Terrorismusbekämpfung, aber auch organisierte Kriminalität und Wirtschaftskriminalität zum Arbeitsgebiet des FSB. Schätzungsweise rund 350.000 Menschen arbeiten heute für die Behörde. Mehr dazu in unserer Gnose , die die Banja stürmten, fanden dort 12 Millionen Rubel [umgerechnet knapp 200.000 Euro – dek]: „Provisionen“Eine bestimmte Form der Korruption. Ein otkat (dt. etwa „Rückschlag“) wird von einer Firma oder einer Einzelperson im Austausch für die Erteilung eines Arbeitsauftrags gezahlt. Wenn beispielsweise eine staatliche Behörde einen Auftrag für neue Anschaffungen vergibt, erhält die verantwortliche Person bei der Behörde eine Schmiergeldzahlung derjenigen Firma, die den Auftrag erhält., die Teslenko erhalten hatte. In der Folge legte man dem Minister den Erhalt von insgesamt 69 Millionen Rubel [umgerechnet 1 Million Euro – dek] Schmiergeldern über einen Zeitraum von wenigen Jahren zur Last und verurteilte ihn zu sieben Jahren Strafkolonie.
Das ist nur eine kleine Episode im Kampf gegen die KorruptionKorruption ist in Russland weit verbreitet – sowohl in Politik und Wirtschaft als auch im Alltagsleben. Korruption, die nicht zuletzt durch niedrige Gehälter befördert wird, kommt in zahlreichen Variationen vor: gegenseitige Gefälligkeiten, Tausch unter der Hand, Abzweigung staatlicher Mittel, Bestechungsgelder und vieles mehr. Da die Korruption systemischen Charakter angenommen hat, ist vorerst nicht damit zu rechnen, dass sie wirksam bekämpft werden kann. Mehr dazu in unserer Gnose in Russland. Der Höhepunkt war die Festnahme des Wirtschaftsministers Alexej Uljukajew, der angeblich mit zwei Millionen US-Dollar aus dem Büro von RosneftAls staatliche Energiegesellschaft Anfang der 1990er Jahre gegründet, stieg Rosneft in den 2000er Jahren zu einem zentralen Akteur des russischen Energiesektors auf. Das Unternehmen war Hauptprofiteur der Zerschlagung des YUKOS-Konzerns und wurde durch weitere Zukäufe zu einem der mächtigsten Unternehmen Russlands. Der niedrige Ölpreis und die westlichen Sanktionen machen dem Giganten jedoch zu schaffen. Ende September 2017 wurde Altkanzler Gerhard Schröder zum Vorsitzenden des Direktorenrats von Rosneft berufen. Mehr dazu in unserer Gnose herausspaziert ist. Das war das erste Mal in der Geschichte Russlands, dass ein amtierender Minister verhaftet Gemeint ist hier der Zeitraum seit 1991. In der Sowjetunion gab es hingegen Verhaftungen von Ministern: So wurde beispielsweise Lawrenti Berija (1899–1953), Volkskommissar im NKWD (Innenminister), im Juni 1953 verhaftet und rund ein halbes Jahr später zum Tode verurteilt.wurde.

Im April 2016 hat Generalstaatsanwalt TschaikaDer Jurist Juri Tschaika ist Generalbevollmächtigter des russischen Präsidenten im Föderationskreis Nordkaukasus. 1999 wurde nach einer Karriere in der Generalstaatsanwaltschaft auf Betreiben Putins zum Justizminister ernannt. Von 2006 bis Januar 2020 war er als Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation eine zentrale Figur im politischen System Russlands. Mehr dazu in unserer Gnose erklärt, im Jahr zuvor seien gegen 958 TschinownikiTschinownik (plural: Tschinowniki) ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für Staats- und Landesbedienstete in öffentlichen Verwaltungen. Oft werden auch Politiker als „Tschinowniki“ bezeichnet. Der im 18. Jahrhundert etablierte Begriff leitet sich vom russischen „Tschin“ ab, dem Rang bzw. Dienstgrad. Mit der Oktoberrevolution 1917 wurden die zivilen Ränge abgeschafft, Beschäftigte in öffentlicher Verwaltung hießen fortan „Staatsbedienstete“. Im Wort „Tschinownik“ schwingt umgangssprachlich oft ein ironisch-abwertender Ton mit. Ermittlungen wegen Korruption aufgenommen worden. Wenn jemand in den Knast gebracht wird, könnte das als glatter Sieg von Polizei und Justiz betrachtet werden, doch ist Korruption in Russland auch schlicht die bequemste Art, einen missliebigen Tschinownik „aus dem Rennen zu nehmen“. In der Wirtschaft ist es immer schlimmer, der Kampf ums Geld wird immer erbitterter.
Niemand zählt mit
NowosibirskNowosibirsk ist mit rund 1,5 Millionen Einwohnern die drittgrößte Stadt Russlands und die größte Stadt Sibiriens. Sie entstand 1893 durch den Bau der Eisenbahnbrücke über den Fluss Ob. Als wichtiger Verkehrsknotenpunkt für den Gütertransport wuchs die Stadt rasch. Den Namen Nowosibirsk (dt. „Neues Sibirien“) trägt die Stadt seit 1926. Unter Stalin wandelte sie sich von einer Handelsstadt zu einem Industriezentrum. Heute ist Nowosibirsk das kulturelle und wissenschaftliche Zentrum Sibiriens und ein wichtiger Standort von Theater und Musik in Russland., WladiwostokWladiwostok ist eine Hafenstadt mit rund 600.000 Einwohnern im Fernen Osten Russlands. Unweit der Grenze zu China und Nordkorea gelegen, ist die östlichste Großstadt Russlands das Zentrum des Föderationskreises Ferner Osten. Wladiwostok ist ein wichtiger Verkehrsknoten internationaler Bedeutung: Hier befindet sich die Endstation der Transsibirischen Eisenbahn, ein Seehafen, ein internationaler Flughafen und wichtige Fernverkehrsstraßen. Laut offizieller Angabe beträgt das Fahrgastaufkommen am Wladiwostoker Bahnhof mehr als 20 Millionen Passagiere pro Jahr. , SyktywkarSyktywkar ist die Hauptstadt des Föderationssubjekts Republik Komi, im Nordwesten Russlands. Gegründet 1780, leben dort derzeit rund 280.000 Menschen. Rund ein Viertel der Bevölkerung sind ethnische Komi – ein finno-ugrisches Volk, dessen Sprache mit Ungarisch und Finnisch verwandt ist., BirobidshanBirobidshan ist die Hauptstadt der Jüdischen Autonomen Oblast, welche Anfang der 1930er Jahre ebenfalls den Namen Birobidshan trug. Gegründet wurde die Oblast 1928 mit dem Ziel, innerhalb der Sowjetunion ein „rotes Zion“ zu schaffen, eine jiddisch-proletarische Alternative zur angeblich bürgerlich-nationalistischen Auswanderung nach Palästina. Das Projekt sollte das Streben vieler Juden nach einem eigenen Territorium befriedigen, gleichzeitig wurde so aber auch das sibirisch-chinesische Grenzgebiet besiedelt. Doch auch wenn sich tatsächlich tausende Juden auf den Weg in die Taiga machten, stellten sie nie die Mehrheit in dem Gebiet. Viele verließen es auch wieder, sodass das ursprüngliche Projekt als gescheitert gilt., PermPerm ist mit rund einer Millionen Einwohnern eine Großstadt im Osten des europäischen Teils Russlands und die Hauptstadt des Permski Krai (dt. „Region Perm“). 1723 gegründet, gilt die Stadt als ein großes Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kulturzentrum Russlands. Zwischen 1940 und 1957 trug die Stadt den Namen Molotow – zu Ehren von Wjatscheslaw Molotow (1890–1986), führender Politiker in der Partei der Bolschewiki und Außenminister der UdSSR unter Stalin., Smolensk. Gouverneure, Bürgermeister, Minister, ihre Stellvertreter – den von Republic zusammengetragenen Daten zufolge werden in Russland im Schnitt monatlich drei hohe Tschinowniki auf Grund von Anti-Korruptions-Paragraphen festgenommen.
Eine offizielle Statistik fehlt, und so hat nun Republic selbst Informationen über Verfahren gegen höhere Tschinowniki gesammelt. Insgesamt wurde seit 2010 in den Medien von rund 120 Festnahmen berichtet: von Bürgermeistern, Gouverneuren, Ministern und deren Stellvertretern (Verfahren gegen Tschinowniki niederen Ranges gelangten nicht in die Stichprobe).
In diesen sechs Jahren fiel der Spitzenwert mit 30 Festnahmen auf das Jahr 2013, das Jahr nach den Präsidentschaftswahlen. 2014 ging die Zahl der verhafteten Tschinowniki drastisch zurück. 2015 (in dem 34 hohe Tschinowniki festgenommen wurden) und 2016 (rund 30 Fälle) wurden allerdings die früheren Werte wieder erreicht. Um Bestechung geht es nur in einem Drittel der Verfahren: Oft werden die Tschinowniki des Betrugs oder der Überschreitung von Amtsbefugnissen beschuldigt, seltener der Unterschlagung, Veruntreuung oder der Bildung einer kriminellen Vereinigung.
„Für kriminelles Handeln wird niemand einfach so eingebuchtet, da muss es schon einen politischen Willen geben“, sagt ein auf derartige Fälle spezialisierter Anwalt.
Wie werden die Fälle bearbeitet?
Am 17. März 2014 hat Wladimir Putin zwei Dekrete unterzeichnet: Durch den einen wurde die Krim an Russland angeschlossenAls Krim-Annexion wird die einseitige Eingliederung der sich über die gleichnamige Halbinsel erstreckenden ukrainischen Gebietskörperschaft der Autonomen Republik Krim in die Russische Föderation bezeichnet. Seit der im Frühjahr 2014 erfolgten Annexion der Krim ist die Halbinsel de facto Teil Russlands, de jure jedoch ukrainisches Staatsgebiet und somit Gegenstand eines ungelösten Konfliktes zwischen der Ukraine und Russland. Mehr dazu in unserer Gnose , mit dem anderen enthob er Wassili JurtschenkoWassili Jurtschenko (geb. 1960) war zwischen 2010 und 2014 Gouverneur der Oblast Nowosibirsk – eines Föderationssubjekts im Süden des Westsibirischen Tieflands. 2014 wurde er wegen Fahrlässigkeit im Amt von seinem Posten entlassen. 2016 wurde außerdem ein Ermittlungsverfahren eröffnet, bei dem Jurtschenko zur Last gelegt wird, rund 150 Millionen Rubel [nach heutigem Stand rund 2,4 Millionen Euro – dek] unterschlagen zu haben., den Gouverneur der Oblast Nowosibirsk, seines Amtes. Er war der erste Gouverneur, den Putin mit der Formulierung „aufgrund von Vertrauensverlust“ entließ.
Nach Jurtschenkos Darstellung steht hinter seiner Abberufung eine Aktion ihm nicht wohlgesonnener Leute. Ihnen soll er in die Quere gekommen sein. Jurtschenko stammte aus dem Team des vorherigen Gouverneurs. Nachdem er seinen Posten angetreten hatte, soll Jurtschenko bald seine eigenen Leute auf Schlüsselposten gehievt haben. Aber als einer der wichtigsten Gründe für die Unzufriedenheit im Umkreis von Jurtschenko gilt sein Bestreben, einen örtlichen TscherkisonTscherkison ist eine saloppe Bezeichnung für den Tscherkisowoer Markt. Der Markt am östlichen Stadtrand von Moskau bestand von Anfang der 1990er Jahre bis 2009. Mit einer Fläche von mehr als 200 Hektar galt er als größter Markt in Osteuropa. Die Begriffe Tscherkison oder Tscherki-Zone (Zone ist eine häufige umgangssprachliche Bezeichnung für Straflager) werden häufig als Gattungsnamen verwendet – sie sind also fast Synonyme für „Markt“. aufzulösen: den großen Kleidermarkt Gusinoborodski, zu dem Waren aus China gelangten und dann in ganz Sibirien vertrieben wurden. Es heißt, schon die Versuche, diesen Markt Anfang der 2000er Jahre zu reformieren, seien der Grund für die Ermordung der beiden Nowosibirsker Vizebürgermeister Igor BeljakowIgor Beljakow (1962–2001) war von 1999 bis 2001 Vizebürgermeister der Stadt Nowosibirsk. In dieser Eigenschaft verantwortete Beljakow die Privatisierung des größten Marktes Sibiriens – des Gusinoborodski Markts in Nowosibirsk. Obwohl mehrere Ermittlungsverfahren gegen Beljakow anhängig waren, wird seine Ermordung im Jahr 2001 mit dieser Privatisierung in Verbindung gebracht. Der Auftragsmörder wurde 2005 gefasst und dann verurteilt, nach den Drahtziehern wird gefahndet. Mit seinen Unternehmensbeteiligungen und Firmen galt Beljakow als einer der erfolgreichsten Geschäftsmänner der Stadt. und Waleri MarjassowWaleri Marjassow (1956–2004) war von 2001 bis 2004 Vizebürgermeister der Stadt Nowosibirsk. Nach der Ermordung seines Vorgängers Igor Beljakow (1962–2001) wurde Marjassow mit der Privatisierung des größten Marktes Sibiriens – dem Gussinoborodski Markt in Nowosibirsk – betraut. Seine Ermordung wird mit dieser Privatisierung in Verbindung gebracht. Der Mord wurde nicht aufgeklärt, viele Beobachter gehen aber davon aus, dass die Serienmorde der kriminellen Vereinigung Trunow-Bande zugeschrieben werden könnten. Der mutmaßliche Bandenchef Alexander Trunow wurde 2012 aufgrund anderer Delikte zu 22 Jahren Haft verurteilt. gewesen.
Gegen Jurtschenko wurde (wegen des Verkaufs eines Grundstücks in Nowosibirsk zu Niedrigpreisen) bereits im Sommer 2013 ein Strafverfahren eingeleitet – das derzeit bei Gericht verhandelt wird. Im Juli 2016 wurde gegen Jurtschenkos Frau Natalja ein Verfahren eingeleitet.
Wessen Interessen hat Jurtschenko beeinträchtigt? Der Gesprächspartner von Republic schweigt, dann holt er das Telefon heraus und gibt den Namen eines ehemaligen Tschinowniks aus der PräsidialadministrationDie Präsidialadministration (PA) ist ein Staatsorgan, das die Tätigkeit des Präsidenten sicherstellt und die Implementierung seiner Anweisungen kontrolliert. Sie ist mit beträchtlichen Ressourcen ausgestattet und macht ihren Steuerungs- und Kontrollanspruch in der politischen Praxis geltend. Mehr dazu in unserer Gnose ein.

Die Entscheidung zur Abberufung eines Gouverneurs oder eines föderalen Ministers kann nur einer treffen: der Präsident. Wie mehrere Gesprächspartner erklären, mit denen Republic sprechen konnte, besteht die Kunst allein darin, ihn zu einem solchen Schritt zu bewegen. Hierzu braucht es Strafverfahren und unwiderlegbare Beweise. „Dossiers mit kompromittierenden Unterlagen gibt es über jeden. Wann diese eingesetzt werden, ist nur eine Frage der Zeit“, erklärt einer der Gesprächspartner von Republic.
Wer ins Visier kommt, der wird abgehört
Der Moment kann dann eintreten, wenn in einem Gebiet, das in die Zuständigkeit eines Bürgermeisters oder Gouverneurs fällt, zu starke Proteststimmungen herrschen oder Wahlen verloren gehen. So hatte zum Beispiel der Föderale Antimonopol-Dienst (FAS) 2015 den Bürgermeister von WladiwostokWladiwostok ist eine Hafenstadt mit rund 600.000 Einwohnern im Fernen Osten Russlands. Unweit der Grenze zu China und Nordkorea gelegen, ist die östlichste Großstadt Russlands das Zentrum des Föderationskreises Ferner Osten. Wladiwostok ist ein wichtiger Verkehrsknoten internationaler Bedeutung: Hier befindet sich die Endstation der Transsibirischen Eisenbahn, ein Seehafen, ein internationaler Flughafen und wichtige Fernverkehrsstraßen. Laut offizieller Angabe beträgt das Fahrgastaufkommen am Wladiwostoker Bahnhof mehr als 20 Millionen Passagiere pro Jahr. Igor PuschkarjowIgor Puschkarjow (geb. 1974) war von 2008 bis 2016 Bürgermeister der Stadt Wladiwostok. Im Juni 2016 wurde er verhaftet und nach Moskau überstellt. Ihm wird schwerer Amtsmissbrauch zur Last gelegt, Puschkarjow soll seinen Verwandten öffentliche Aufträge zugeschanzt haben. Dem Staat soll dadurch ein Schaden in Höhe von 158 Millionen Rubel [nach heutigem Stand rund 2,5 Millionen Euro – dek] entstanden sein. verdächtigt, dessen Verwandte würden an Verträgen mit der Stadt verdienen. Festgenommen wurde Puschkarjow jedoch erst 2016, vor dem Hintergrund des Skandals, als er die Wahlkommissionen umsiedelteDer Autor bezieht sich auf die Vorkommnisse vom Mai 2016: Damals beschuldigte die Leiterin der Zentralen Wahlkommission Ella Pamfilowa Wladiwostoks Bürgermeister Igor Puschkarjow der Einflussnahme auf eine Regionalwahl. Demnach manipulierte er im April 2016 die Stadtduma-Wahl in Spassk-Dalni – einer Stadt mit rund 44.000 Einwohnern etwa 200 Kilometer nördlich von Wladiwostok. Ein großer Teil der territorialen Wahlkommission in Spassk-Dalni wurde daraufhin aufgelöst, wie auch ein Teil der übergeordneten Wahlkommission in Wladiwostok. Die neu bestellten Mitglieder sträubten sich gegen eine wiederholte Einflussnahme Puschkarjows, woraufhin dieser dafür gesorgt haben soll, dass der Mietvertrag für die übergeordnete Wladiwostoker Kommission aufgelöst wurde. Als Ersatz dienten feuchte und verfallene Kellerräume, wie es heißt, um Druck auszuüben.: „Nach personellen Veränderungen in den Territorialen WahlkommissionenTerritoriale Wahlkommissionen sind kommunale Wahlausschüsse. Sie befassen sich mit Organisation und Durchführung der Wahlen auf der Stadt- und Stadtbezirk-Ebene. von WladiwostokWladiwostok ist eine Hafenstadt mit rund 600.000 Einwohnern im Fernen Osten Russlands. Unweit der Grenze zu China und Nordkorea gelegen, ist die östlichste Großstadt Russlands das Zentrum des Föderationskreises Ferner Osten. Wladiwostok ist ein wichtiger Verkehrsknoten internationaler Bedeutung: Hier befindet sich die Endstation der Transsibirischen Eisenbahn, ein Seehafen, ein internationaler Flughafen und wichtige Fernverkehrsstraßen. Laut offizieller Angabe beträgt das Fahrgastaufkommen am Wladiwostoker Bahnhof mehr als 20 Millionen Passagiere pro Jahr. , die nun nicht mehr der Kontrolle des Bürgermeisters unterstanden, hatte der Bürgermeister zur Strafe ,ein wenig nachgeholfen‘, so dass die Pachtverträge für die Räumlichkeiten der Kommissionen gekündigt wurden“, sagt Ella PamfilowaElla Pamfilowa (geb. 1953) war zwischen 2002 und 2010 Vorsitzende der Menschenrechtskommission bzw. des Menschenrechtsrates beim russischen Präsidenten und zwischen 2014 und 2016 Menschenrechtsbeauftragte. Seit März 2016 leitet sie die Zentrale Wahlkommission Russlands. Vor dem Hintergrund offensichtlicher Wahlfälschungen bei der Dumawahl 2016 sieht sie sich mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Mehr dazu in unserer Gnose , die Vorsitzende der Zentralen WahlkommissionDie Zentrale Wahlkommission der Russischen Föderation (russisch: Zentralnaja Isbiratelnaja Komissija Rossiskoi Federazii; ZIK) ist ein staatliches Verwaltungsorgan, das sich mit der Organisation und Durchführung der Wahlen befasst. Vor dem Hintergrund der Dumawahl 2011 wurde die ZIK von der Opposition mit massiven Fälschungsvorwürfen konfrontiert. Mit dem Abgang des ZIK-Leiters Wladimir Tschurow im März 2016 zeichneten sich im Vorfeld der Dumawahl 2016 Reformbestrebungen ab. Mehr dazu in unserer Gnose in einem Interview.
Interesse an einer Abberufung könnte ein Unternehmer oder ein anderer Tschinownik haben, und manchmal treffen sich die Interessen gleich mehrerer Parteien. Lautet das Kommando schließlich, einen Tschinownik zu entfernen, wird er abgehört. Das kann lange dauern. So meinen etwa die Anwälte des ehemaligen Gouverneurs von Sachalin, Alexander ChoroschawinAlexander Choroschawin (geb. 1959) war zwischen 2007 und 2015 Gouverneur der Oblast Sachalin. Im März 2015 wurde er verhaftet. Unter anderem wird ihm zur Last gelegt, Schmiergelder in Höhe von 5,6 Millionen US-Dollar angenommen zu haben., er sei mindestens ein Jahr lang abgehört worden. Der Anwalt des WladiwostokWladiwostok ist eine Hafenstadt mit rund 600.000 Einwohnern im Fernen Osten Russlands. Unweit der Grenze zu China und Nordkorea gelegen, ist die östlichste Großstadt Russlands das Zentrum des Föderationskreises Ferner Osten. Wladiwostok ist ein wichtiger Verkehrsknoten internationaler Bedeutung: Hier befindet sich die Endstation der Transsibirischen Eisenbahn, ein Seehafen, ein internationaler Flughafen und wichtige Fernverkehrsstraßen. Laut offizieller Angabe beträgt das Fahrgastaufkommen am Wladiwostoker Bahnhof mehr als 20 Millionen Passagiere pro Jahr. er Bürgermeisters Igor Puschkarjow gab an, sein Mandant sei über mehrere Jahre abgehört worden. Wie RBK berichtete, war auch Alexej Uljukajew mindestens ein Jahr lang auf dem Radar. Laut Vedomosti betraf das nicht nur den Minister, sondern auch den stellvertretenden Ministerpräsidenten Arkadi DworkowitschArkadi Dworkowitsch (geb. 1972) war von 2012 bis 2018 einer von damals neun Vize-Ministerpräsidenten Russlands. Von 2008 bis 2012 war er einer der persönlichen Berater des Präsidenten Dimitri Medwedew. Mit der Präsidentschaftswahl im März 2018 schied Dworkowitsch aus der Regierung aus. und den Assistenten des Präsidenten, Andrej BeloussowAndrej Beloussow (geb. 1959) ist seit Januar 2020 erster stellvertretender Premierminister der Russischen Föderation. Beloussow war von 2013 bis 2020 Wirtschaftsberater des Präsidenten Wladimir Putin. In den Jahren 2012 und 2013 Wirtschaftsminister Russlands, bis 2017 wirkte er außerdem als Aufsichtsratsvorsitzender von Rosneft – ein Mineralölunternehmen und zentraler Akteur des russischen Energiesektors..
Abhören ist eine unbedingte Maßnahme bei praktisch jedem dieser Vorgänge. Eine Abhörgenehmigung ist per Gericht zu erwirken, doch das ist reine Routine; eine Verweigerung erfolgt äußerst selten. Dem Richter die unbedingte Notwendigkeit von Gesprächsaufzeichnungen eines Tschinowniks plausibel zu machen, ist einfach: Gleich mehrere Anwälte, in deren Verfahren Abhörunterlagen verwendet werden, berichteten davon, dass in den Anträgen folgender Standardsatz auftaucht: „Es besteht der Verdacht, dass Dienstvollmachten überschritten wurden.“ Die Gerichte haben 2015 insgesamt 845.600 Abhörgenehmigungen erteilt. Selbstredend werden nicht nur die Worte des Verdächtigen aufgezeichnet, sondern auch die seiner Gesprächspartner. Das erweitert den Kreis der Leute, deren Gespräche in FSB-Hände gelangen. Und aus ihren Worten können sich neue Strafverfahren ergeben.
Ein ehemaliger Ermittler sagt im Gespräch mit Republic, manchmal sei es möglich, auch ohne Genehmigung des Gerichts abzuhören, was jedoch niemand zugeben würde. Sobald ein Verdächtiger etwas Wertvolles sagt, laufen die Fahnder los, um die Genehmigung einzuholen. „Manchmal streuen sie ein Gerücht und schauen, wie die Abgehörten reagieren. So kann man jemanden bei der Rückgabe von Bestechungsgeldern ertappen, sollte er zu nervös geworden sein“, erklärt ein ehemaliger Ermittler. Beispielsweise wurde 2013 im Restaurant Genazwale auf dem Alten ArbatDer Alte Arbat ist eine der ältesten Straßen im Zentrum von Moskau und eine zentrale Fußgängerzone im beliebten historischen Moskauer Stadtteil Arbat. Der Alte Arbat bildet die Kulisse vieler Romane und Lieder, was seine große Bedeutung im russisch-sowjetischen Bewusstsein widerspiegelt. Dort befindet sich auch die Zoi-Mauer zum Gedenken an die Musiker-Ikone Viktor Zoi, sodass die Straße zu einem Pilgerort gitarrenbehängter Jugendlicher wurde. Sie ist ein großer Touristenmagnet. in Moskau Wjatscheslaw DenissowWjatscheslaw Denissow (geb. 1964) war ein hoher Beamter beim russischen Innenministerium. Er war in einen Betrugsfall im Jahr 2007 verwickelt, gestand bei der Verhandlung seine Schuld und wurde zu dreieinhalb Jahren auf Bewährung verurteilt. festgenommen, ein Oberst des Innenministeriums, der wohl einem Geschäftsmann 835.000 Rubel zurückgab.
Gleichzeitig wird durch das Abhören ein Kreis von Personen umrissen, von denen man Aussagen über die betreffende Person erhalten kann. So kam es aufgrund von Aussagen des Bürgermeisters von IwanowoWjatscheslaw Swertschkow (geb. 1963) war von 2010 bis 2015 Bürgermeister der Stadt Iwanowo. Im Februar 2016 wurde er unter Hausarrest gestellt und des Amtsmissbrauchs und der Korruption beschuldigt., der der Bestechlichkeit verdächtigt wurde, zu einem Verfahren gegen Dimitri KulikowDimitri Kulikow (geb. 1972) war von 2014 bis 2015 Erster Vize-Regierungschef der Oblast Iwanowo. Im Mai 2016 wurde er verhaftet, ihm wird zur Last gelegt, mehrmals Schmiergelder angenommen zu haben., den Vizegouverneur des Gebiets Iwanowo.
Gegen den ehemaligen Gouverneur von Sachalin Alexander Choroschawin hatte der an Krebs erkrankte und in Untersuchungshaft sitzende Geschäftsmann Nikolaj Kern ausgesagt. Anschließend wurde Kern entlassen und blieb unter Hausarrest; er starb einige Monate später. „Es ist klar, dass er ausgesagt hat, um in Freiheit zu sterben“, sagt Iwan Mironow, der Anwalt der Familie Choroschawin.
Ein ehemaliger Ermittler erklärt, absolut jedes Strafverfahren bringe das Recht mit sich, Hausdurchsuchungen und andere Ermittlungsmaßnahmen vorzunehmen – und so können auch für andere Strafverfahren Beweise gesammelt werden.
Beim Schach gibt es klare Regeln, hier nicht
Müssen die Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden das Vorgehen gegen einen Tschinownik von oben absegnen lassen? Formal ist der FSB nicht verpflichtet, die Präsidialadministration über die Aufnahme operativer Fahndungsmaßnahmen in Kenntnis zu setzen. Allerdings sagen die Tschinowniki, mit denen Republic gesprochen hat, dass man im Kreml selbstverständlich von allen Fällen wisse. Man ging davon aus, dass die großen Korruptionsfälle früher von Sergej IwanowSergej Iwanow ist ein russischer Politiker und zählt zu den engsten Vertrauten Wladimir Putins. Von 2001 bis 2007 war Iwanow Verteidigungsminister und galt vor den Präsidentschaftswahlen 2008 neben Dimitri Medwedew als aussichtsreicher Präsidentschaftskandidat. Zwischen 2011 und 2016 leitete er die mächtige Präsidialadministration und gehörte damit zu den wichtigsten politischen Akteuren in Russland. Mehr dazu in unserer Gnose als Chef der Präsidialadministration betreut wurden. Allerdings wurde Iwanow im August 2016 abgesetzt. Über Untersuchungen gegen Gouverneure wusste man auch in der Verwaltung Innenpolitik der Präsidialadministration Bescheid, wo Wjatscheslaw WolodinWjatscheslaw Wolodin war von Dezember 2011 bis Oktober 2016 erster stellvertretender Leiter der Präsidialadministration, in der er nach langjähriger regional- und parteipolitischer Karriere für Innenpolitik verantwortlich war. In dieser Eigenschaft war Wolodin bestrebt, Russland nach außen als nicht-westliche Demokratie zu legitimieren, nach innen – nach den Protesten 2011/12 – auf föderaler und regionaler Ebene das Parteiensystem um die Exekutive zu konsolidieren und oppositionelle Akteure zu marginalisieren. Im Oktober 2016 wurde Wolodin zum Vorsitzenden der Staatsduma gewählt. Mehr dazu in unserer Gnose das Sagen hatte.
Ein standardisiertes Schema, wie man eine Genehmigung für die Untersuchung eines Gouverneurs oder Angehörigen des Sicherheitsapparats erhält, gibt es nicht. Das läuft immer individuell. Es gewinnt derjenige, der einen direkten Zugang zum Präsidenten hat und sein Dossier mit kompromittierenden Materialien auf dessen Schreibtisch weiter oben platzieren kann. Zugang zu Putin haben übrigens nicht nur Tschinowniki der Präsidialadministration, sondern unter anderem auch die Chefs der Staatskorporation RostecDie im Jahr 2007 gegründete Staatsholding Rostec umfasst mehr als 700 Unternehmen. Unter dem Dach der Holding werden über 450 Tausend Mitarbeiter beschäftigt, der Gesamtumsatz im Jahr 2016 betrug rund 1,3 Billionen Rubel (etwa 17,6 Milliarden Euro).hDie im Jahr 2007 gegründete Staatsholding Rostec umfasst mehr als 700 Unternehmen. Unter dem Dach der Holding werden über 450 Tausend Mitarbeiter beschäftigt, der Gesamtumsatz im Jahr 2016 betrug rund 1,3 Billionen Rubel (etwa 17,6 Milliarden Euro). (Sergej TschemesowSergej Tschemesow (geb. 1952) ist seit 2007 Generaldirektor von Rostec – eine im Jahr 2007 gegründete Staatsholding, die mehr als 700 Unternehmen umfasst. Unter dem Dach der Holding sind über 450.000 Mitarbeiter beschäftigt, der Gesamtumsatz für 2015 betrug mehr als eine Billion Rubel.) und von Rosneft (Igor SetschinIgor Setschin (geb. 1960) ist seit 2012 Chef des Mineralölkonzerns Rosneft. Als enger Vertrauter von Präsident Putin gilt er bei vielen als zweitmächtigster Mann Russlands. Oft als Putins Schatten bezeichnet, war Setschin von 1999 bis 2008 stellvertretender Leiter der Präsidialverwaltung und von 2008 bis 2012 stellvertretender Regierungschef Russlands. Mehr dazu in unserer Gnose ). „Das ist wie beim Schach“, erklärt einer der Gesprächspartner. Beim Schach gebe es allerdings klare Regeln, hier nicht, korrigiert ihn ein anderer.
* Stand 11/2016. Quelle: Republic
Dass bei Uljukajews Festnahme der FSB die Hauptrolle spielte, sei Standard, erklären eine Reihe ehemaliger Ermittler gegenüber Republic. Die Erstbearbeitung übernehmen immer die operativen Fahnder von FSB und Innenministerium. Später dann, wenn das Material für ein Strafverfahren gesammelt wird, kommen die Ermittler hinzu. Ein Gesprächspartner erklärt Republic, die Ermittler seien laut Gesetz unabhängig und befugt, den Mitarbeitern des FSB Anweisungen zu geben. Es gebe allerdings Ausnahmen, beispielsweise die Sechser, die 6. Gruppe der internen Sicherheitsabteilung des FSBDie Interne Sicherheitsabteilung des FSB beschäftigt sich mit der Sicherheit der Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes FSB und ihrer Familienmitglieder aber auch mit der Verhinderung von Straftaten und Ermittlungen, die von dort aus geführt werden. In der Praxis ist der Wirkungsbereich der Abteilung deutlich größer.. Sie wird auch „Spezialeinheit Setschin“ genannt, weil die Gruppe auf Initiative Igor Setschins gegründet wurde, als dieser noch Vize-Chef der Präsidialadministration war.
Die interne Sicherheitsabteilung kontrolliert die Mitarbeiter des FSB, und die Sechser kontrollieren die Kontrolleure.
„Sie kommen einfach und sagen dir, was zu tun ist. Das ist der Inbegriff von Macht. Sie sind fast niemandem untergeordnet. Ihr Ding ist die Exklusivität, und Vollstreckung ihr besonderer Fetisch“, sagt einer der Gesprächspartner zu Republic. Wenn die 6. Gruppe dabei ist, geht es seinen Worten zufolge entweder um eine sehr wichtige Person oder um einen sehr großen Auftrag.
Die Sechser stehen hinter fast allen aufsehenerregenden Korruptionsfällen der letzten Zeit: Ihre Mitarbeiter haben sich sowohl Choroschawin und GaiserWjatscheslaw Gaiser war lange Zeit Vorzeige-Gouverneur des Gebietes Komi: Die Wirtschaft in der Region florierte, Gaiser galt als bescheiden und bodenständig und wurde 2015 mit 80 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Im September 2015 wurden er, sein Stellvertreter und über ein Dutzend hoher Beamter und Unternehmer der Region festgenommen. Ihnen wird unter anderem Geldwäsche und Betrug bei der Privatisierung von Staatseigentum vorgeworfen. vorgenommen, wie auch den Gouverneur des Gebietes Kirow Nikita BelychDer ehemalige Oppositionspolitiker Nikita Belych (geb. 1975) war bis Mitte 2016 Gouverneur der Oblast Kirow. Er galt als letzter liberaler Gouverneur Russlands. Im Juni 2016 wurde er in Moskau festgenommen und der Korruption beschuldigt. Daraufhin wurde er seines Postens als Gouverneur enthoben. Anfang 2018 wurde Belych zu einer hohen Geldstrafe und acht Jahren Haft verurteilt. .
Bei der Festnahme von Uljukajew hatte Oleg FeoktistowOleg Feoktistow (geb. 1964) war stellvertretender Leiter der Abteilung für interne Sicherheit beim FSB, bevor er im September 2016 überraschend entlassen wurde und als Sicherheitschef zum staatlichen Ölkonzern Rosneft wechselte. Beim FSB leitete er unter anderem die Ermittlungen gegen den Chef der Hauptverwaltung für Korruptionsbekämpfung des Innenministeriums (MWD) Denis Sugrobow und seinen Stellvertreter Boris Kolesnikow, denen Amtsmissbrauch und Anstiftung zur Bestechung vorgeworfen wurde., der für Sicherheit zuständige Vizepräsident von Rosneft, den Mitarbeitern der Sondereinheit geholfen. Feoktistow war im September 2016 zu dem Ölkonzern gekommen, als der Vorgang Uljukajew bereits lief und der Minister mindestens seit dem Sommer abgehört wurde.
Zuvor war Feoktistow stellvertretender Leiter der internen Sicherheitsabteilung des FSB gewesen. Er war für Belych zuständig und für den aufsehenerregenden Fall um Denis SugrobowIm Jahr 2014 wurde General Denis Sugrobow (geb. 1976), ehemals Leiter der Antikorruptionsbehörde innerhalb des russischen Innenministeriums, wegen Amtsmissbrauchs und Korruption angeklagt. und Boris KolesnikowBoris Kolesnikow (1977–2014) war stellvertretender Leiter der Hauptverwaltung für Korruptionsbekämpfung des Innenministeriums (MWD). Offiziellen Berichten zufolge beging er Selbstmord, sprang demnach 2014 während eines Verhörs aus einem Fenster im fünften Stock in den Tod. Kolesnikow wurde vorgeworfen, sich gemeinsam mit Kollegen vom MWD als Unternehmer ausgegeben und einem FSB-Mitarbeiter 10.000 Dollar für Schutzleistungen angeboten zu haben. Die Anklage lautete auf „Anstiftung zur Bestechlichkeit“ und „Bildung einer kriminellen Vereinigung“. Nach seinem Tod wurden Zweifel laut, ob Kolesnikow tatsächlich Selbstmord begangen habe. Außerdem löste dieses Ereignis im Internet eine heftige Diskussion über die Ermittlungsmethoden der russischen Sicherheitsorgane aus. , ihres Zeichens die Leiter der Hauptverwaltung wirtschaftliche Sicherheit und Korruptionsbekämpfung des Innenministeriums. Wie die New York Times schrieb, war Feoktistow als Anwärter für den Leitungsposten gehandelt worden, verlor aber den apparatsinternen Kampf und gelangte zu den abkommandierten Mitarbeitern des FSB.
Was geschieht nach der Festnahme des Verdächtigen? Der Ermittler eröffnet ein Verfahren, und das Gericht entscheidet über eine Inhaftierung.
Die Festnahme selbst ist eine recht langweilige Angelegenheit. Tschinowniki können an ihrem Arbeitsplatz festgenommen werden (wie im Fall Gaiser und Choroschawin), im Restaurant bei einer angeblichen Geldübergabe (wie bei Belych) oder sogar in der Banja (wie im Fall Teslenko). Die Ermittler nehmen dann über mehrere Stunden Protokolle auf, schreiben Aussagen nieder und durchsuchen die Räumlichkeiten.
Es gibt aber auch Ausnahmen. So erfolgte die Festnahme des Bürgermeisters von MachatschkalaMachatschkala ist die Hauptstadt des russischen Föderationssubjekts Dagestan.1844 am Kaspischen Meer gegründet, leben hier derzeit rund 600.000 Menschen. , Said AmirowSaid Amirow (geb. 1954) ist ein Ökonom aus Dagestan und Mitglied in der Regierungspartei Einiges Russland. Bis 2013 war er zudem Bürgermeister von Machatschkala, der Hauptstadt Dagestans. Im Juni 2013 wurde er aufgrund des Verdachts festgenommen, 2011 die Ermordung des Ermittlers Arsen Gadshibeko in Auftrag gegeben zu haben. Im Jahr 2015 wurde er wegen Terrorismus und Mord zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Amirow beteuerte bis zum Schluss seine Unschuld und betonte, die Vorwürfe seien politisch motiviert., unter Einsatz von Sondereinheiten, Hubschraubern und Militärfahrzeugen, die die Zufahrtswege zum Haus blockierten. Allerdings sticht der Fall Amirow auch in anderer Hinsicht heraus: Den meisten Bürgermeistern und Gouverneuren werden Wirtschaftsstraftaten zur Last gelegt, während Amirow des Mordes und enger Verbindungen zu örtlichen Straftätern verdächtigt wird.
Die Festnahme wird zur Show
Eine Festnahme zur Show zu machen, war bis vor kurzem das Privileg von Wladimir MarkinWladimir Markin war lange Zeit Leiter der Presseabteilung und als solcher ein prägnantes Gesicht des einflussreichen Ermittlungskomitees, einer mit dem US-amerikanischen FBI vergleichbaren Behörde. Er gab besonders zu prominenten Ermittlungsfällen Auskunft und wurde oft als inoffizielles „Sprachrohr des Kreml“ bezeichnet. Mehr dazu in unserer Gnose als Pressesprecher des ErmittlungskomiteesDas Ermittlungskomitee (Sledstwenny komitet/SK) ist eine russische Strafverfolgungsbehörde. Sie gilt als politisch überaus einflussreich und wird häufig mit dem US-amerikanischen FBI verglichen. Mehr dazu in unserer Gnose . „Im Zuge der Durchsuchungen sind 800 wertvolle Juwelier-Erzeugnisse sichergestellt worden. Sehen Sie, dieses scheinbar einfache Schreibgerät. In Wirklichkeit hat der Stift einen Wert von 36 Millionen Rubel [knapp 600.000 Euro]. Können Sie sich das vorstellen?“, berichtete Markin verzückt in der Fernsehsendung VestiVesti, deutsch: „Nachrichten“, ist mit dem Magazin Wremja des Ersten Kanals das wichtigste Nachrichtenprogramm im russischen Fernsehen. Es läuft tagsüber alle drei Stunden im staatlichen Sender Rossija-1. über die Durchsuchung bei Choroschawin. Mehrere Anwälte beklagten gegenüber Republic, bei Markin würden Informationen über Fundstücke im Fernsehen schon auftauchen, bevor sie im Strafverfahren aufgenommen seien.
Choroschawin gab später in einem Interview zu, dass es einen goldenen Stift mit Brillanten gab, doch habe der rund 1,3 Millionen Rubel [rund 21.000 Euro] gekostet. „Die werden von der Firma Montblanc in Serie hergestellt. Ich bin nicht der einzige Tschinownik, der so einen hat. Ich habe ihn selbst gekauft. Ich war schon immer wohlhabend“, sagte Choroschawin dem Moskowski Komsomolez. In den Meldungen über Gaiser kursierte dann statt eines Stifts eine Kollektion teurer Uhren.
Zur Festnahme Uljukajews sind offiziell keine Details nach außen gedrungen. Gesprächspartner von Republic nehmen an, das könne daran liegen, dass Markin zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr im Amt gewesen sei.
Treffpunkt Kreml-Zentrale
Die Kreml-Zentrale ist ein gesonderter Block für hochrangige Häftlinge im Moskauer Untersuchungsgefängnis Matrosenstille. Die Haftbedingungen sind hier strenger, aber komfortabler. Es gibt Zweierzellen mit Fernseher und Kühlschrank, einige sogar mit Dusche. Allerdings wird es in der Kreml-Zentrale langsam eng vor lauter prominenten Insassen. So sitzt Choroschawin, der ehemalige Gouverneur von Sachalin, in einer Zelle mit dem ehemaligen Bürgermeister von WladiwostokWladiwostok ist eine Hafenstadt mit rund 600.000 Einwohnern im Fernen Osten Russlands. Unweit der Grenze zu China und Nordkorea gelegen, ist die östlichste Großstadt Russlands das Zentrum des Föderationskreises Ferner Osten. Wladiwostok ist ein wichtiger Verkehrsknoten internationaler Bedeutung: Hier befindet sich die Endstation der Transsibirischen Eisenbahn, ein Seehafen, ein internationaler Flughafen und wichtige Fernverkehrsstraßen. Laut offizieller Angabe beträgt das Fahrgastaufkommen am Wladiwostoker Bahnhof mehr als 20 Millionen Passagiere pro Jahr. , Igor Puschkarjow. Ein Gesprächspartner erzählt Republic, Choroschawin habe bei einer der Fahrten ins Gericht mit General Sugrobow in einem Gefangenentransport gesessen.
„Wenn jemand in Untersuchungshaft sitzt, ist es für die Ermittler einfacher, Druck auf ihn auszuüben. Und für Anwälte ist es schwieriger, Kontakt mit dem Mandanten zu halten“, meint Darja Konstantinowa, Anwältin des stellvertretenden Regierungschefs des Gebiets Iwanowo, Dimitri Kulikow. Ihr Mandant hatte Glück: Kulikow wurde fast umgehend unter Hausarrest gestellt und später gegen Kaution ganz entlassen. Einer der Anwälte meint, so etwas sei in Moskau praktisch unmöglich; man müsse sich darauf einstellen, dass die Entscheidung des Richters zugunsten der Anklage und nicht zugunsten der Mandanten getroffen werde.
Wjatscheslaw Leontjew, Anwalt von Wjatscheslaw Gaiser, berichtet, im Verfahren gegen seinen Mandanten habe der Richter den Haftbeschluss aufgrund eines standardmäßig formulierten FSB-Berichts gefällt: „Angehörige und Vermögen im Ausland sind vorhanden; es besteht Fluchtgefahr und die Möglichkeit, dass auf Zeugen Druck ausgeübt wird; es gibt Verbindungen zur kriminellen Strukturen.”
Leontjew meint (wie auch andere Anwälte, mit denen Republic gesprochen hat), in den Gerichtsverfahren sei keine Parteiengleichheit gegeben. Für eine Haftverlängerung muss der Ermittler die im Bericht genannten Gründe und Fakten bestätigen. Diese Anforderung ist vom Obersten Gericht festgelegt. Praktisch aber verlängere der Richter die Haft lediglich aufgrund der Worte des Ermittlers und ohne, dass dieser irgendwelche Beweise beigebracht hätte, erklärt der Jurist. Ein weiteres Druckmittel ist das Verbot, Angehörige zu sehen. Dem erwähnten Gaiser wird dies bereits seit 14 Monaten verweigert.
„Vielleicht sind die Beschuldigten bei diesen aufsehenerregenden Verfahren gute Menschen, vielleicht aber auch schlechte. Dazu müssen Beweise vorgelegt und es muss fair verhandelt werden“, meint der Anwalt Andrej GriwzowAndrej Griwzow (geb. 1981) war von 2009 bis 2010 Ermittler für besonders wichtige Angelegenheiten beim Ermittlungskomitee der Russischen Föderation. Im Januar 2010 wurde er beschuldigt, Schmiergelder in Höhe von 15 Millionen US-Dollar erpresst zu haben. Ein Moskauer Geschworenengericht sprach ihn 2012 einstimmig frei. Auch im Berufungsverfahren im Januar 2013 konnte ihm kein Straftatbestand nachgewiesen werden.. Die Anwälte schreiben Beschwerden, berichten von Verstößen gegen die Verfahrensvorschriften, gehen vergeblich in Berufung.
„Das Problem bei den aufsehenerregenden Fällen ist, dass sie all das Perverse dieses Systems zu Tage fördern“, sagt Gaisers Anwalt Leontjew. Keiner der großen Prozesse garantiere, dass das System nicht umgehend an gleicher Stelle reproduziert wird. Die Korruptionsbekämpfung in Russland gleicht einem landesweiten Wettkampf um einen Platz an der Sonne, bei dem jeder mit jedem abrechnet.