Mitte April hat Wladimir Putin den ehemaligen Finanzminister Alexej KudrinAlexej Kudrin (geb. 1960) war zwischen 2000 und 2011 Finanzminister Russlands. Er gilt als einziger Politiker aus dem engeren Kreis Putins, der sowohl im Ausland als auch bei einem Teil der oppositionell gestimmten Bürger Vertrauen genießt. Er trat von seinem Ministerposten zurück, weil er nach Eigenauskunft nicht bereit gewesen war, in der damals anberaumten Regierung von Dimitri Medwedew mitzuarbeiten. Seit Beginn der russischen Wirtschaftskrise kehrte der promovierte Ökonom schrittweise in die Politik zurück. Im April 2016 übernahm er den Ratsvorsitz des regierungsnahen Thinktanks Zentrum für strategische Entwicklung (ZSR). Dort erarbeitete er eine Strategie zur wirtschaftlichen Entwicklung Russlands. Im Mai 2018 wählte die Duma Kudrin zum Vorsitzenden des russischen Rechnungshofs. Mehr dazu in unserer Gnose zum Leiter des Moskauer Thinktanks CSRDas Zentrum für strategische Entwicklung (ZSR) ist ein regierungsnahes Beratungsinstitut. Es wurde 1999 gegründet und war an der Ausarbeitung von Wladimir Putins Wahlkampfstrategie beteiligt. Im April 2016 übernahm der liberale Ökonom Alexej Kudrin den Ratsvorsitz des Think Tanks. ernannt. Damit stieg einer der schärfsten Kritiker der derzeitigen russischen Wirtschaftspolitik zum Berater des Kreml auf.
Der Politologe Michail Komin sieht auf slon.ru die Chancen für einen Machtwechsel in Russland genau bei sogenannten SystemliberalenMit dem Begriff Systemliberaler werden in Russland vor allem Politiker bezeichnet, die trotz der ihnen zugeschriebenen liberal-demokratischen Grundhaltung aktive Gestalter im autoritären politischen System sind. wie Kudrin: Nah genug an den etablierten Machtstrukturen, aber weit genug entfernt von direkter politischer Einflussnahme bildeten sie eine Art „inneren Gegenpol“ zur derzeitigen Politik der Kremlspitze. Anders als die eigentliche, nicht-systemische OppositionDie Unterscheidung zwischen systemischer und nicht-systemischer Opposition soll verdeutlichen, dass manche oppositionelle Parteien den Kurs des Präsidenten tragen und somit zum „System Putin“ gehören. Dagegen ist der gemeinsame Nenner der nicht-systemischen Opposition die Ablehnung dieses Systems. Zu der Nicht-System-Opposition zählen liberale oder sozialdemokratische Parteien, die die demokratische Verfassung anerkennen, genauso wie marginalisierte rechts- oder linksradikale Gruppen. Mehr dazu in unserer Gnose ließen sie dem Kreml genügend Verhandlungsspielraum, um sich auf einen Machtwechsel einzulassen, der die derzeitige Nomenklatura nicht komplett desavouiert.

Der Begriff „Sislib“ oder „Systemliberaler“ existiert im russischen politischen Diskurs seit den späten 90er JahrenDie 1990er Jahre waren in Russland ein Jahrzehnt des radikalen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbruchs. Demokratischer Aufbruch einerseits und wirtschaftlicher Niedergang andererseits prägten die Zeit nach dem Zerfall der Sowjetunion. Mehr dazu in unserer Gnose . Mit seiner Hilfe lässt sich das russische politische System, das sich nach Boris JelzinsBoris Jelzin (1931–2007) war der erste demokratisch gewählte Präsident Russlands. Er regierte von 1991 bis 1999, seine Amtszeit war durch tiefgreifende politische und ökonomische Krisen geprägt. Jelzin setzte massive Reformen in Gang: unter anderem ein Programm zur Privatisierung von Staatseigentum und ein folgenschweres Programm zur Umgestaltung der politischen Kultur. Letzteres bezeichnen viele Wissenschaftler als „Entsowjetisierungs-Programm”. Abgang und in den ersten Jahren der Präsidentschaft Wladimir Putins herausbildete, ziemlich treffend beschreiben. Damals kämpften zwei Clans um den Einfluss im Land: Der Clan der SilowikiSilowiki ist ein Sammelbegriff für Amtspersonen aus Sicherheitsorganen des Staates. Seit den späten 1990er Jahren hat ihr Einfluss stetig zugenommen. Unter Putin gehören sie zu den einflussreichsten Akteuren innerhalb der russischen Elite. Mehr dazu in unserer Gnose , denen auch Putin entstammt und die Gruppe der „progressiven NomenklaturaNach der lateinischen Wortherkunft bezeichnet der Begriff ein Namensregister. Er wurde speziell in den sozialistischen Parteienstaaten verwendet für ein Register, in dem die Inhaber von Führungspositionen gelistet waren. Es hat sich aber etabliert, mit dem Begriff die Gesamtheit der Personen, also die politische und wirtschaftliche Elite der jeweiligen Länder zu bezeichnen. Das Wort wurde – oft auch abwertend – für die in sich abgeschlossene herrschende Klasse verwendet.“, die im Wirtschaftsblock der Regierung führende Positionen innehatte – zuvor hatte sie nach dem Zerfall der UdSSRDer Zerfallsprozess der Sowjetunion begann Mitte der 1980er Jahre und dauerte mehrere Jahre an. Die Ursachen sind umstritten. Während einige hauptsächlich Gorbatschows Reformen für den Zerfall verantwortlich machen, sehen andere die Gründe vor allem in globalen Dynamiken. Eine zentrale Rolle spielte in jedem Fall die Politik der russischen Teilrepublik. Mehr dazu in unserer Gnose schmerzhafte, aber notwendige liberale Reformen durchgeführt.
„Effiziente Manager” statt „Stützen des Regimes”
Nachdem diese Gruppe der wirtschaftsliberal ausgerichteten Ökonomen zunächst auch in die neue Putin-Administration berufen worden waren, setzten sie ihre Reformtätigkeit fort. Aber ihr Einfluss auf die politische Agenda nahm zusehends ab. Sie wandelten sich von vollwertigen „Stützen des Regimes“ zu „effizienten Managern“ für die Lösung konkreter Aufgaben.
Zum größten Eklat im Zusammenhang mit den eingebüßten Befugnissen des wirtschaftsliberalen Blocks kam es im Jahr 2011. Damals trat Alexej KudrinAlexej Kudrin (geb. 1960) war zwischen 2000 und 2011 Finanzminister Russlands. Er gilt als einziger Politiker aus dem engeren Kreis Putins, der sowohl im Ausland als auch bei einem Teil der oppositionell gestimmten Bürger Vertrauen genießt. Er trat von seinem Ministerposten zurück, weil er nach Eigenauskunft nicht bereit gewesen war, in der damals anberaumten Regierung von Dimitri Medwedew mitzuarbeiten. Seit Beginn der russischen Wirtschaftskrise kehrte der promovierte Ökonom schrittweise in die Politik zurück. Im April 2016 übernahm er den Ratsvorsitz des regierungsnahen Thinktanks Zentrum für strategische Entwicklung (ZSR). Dort erarbeitete er eine Strategie zur wirtschaftlichen Entwicklung Russlands. Im Mai 2018 wählte die Duma Kudrin zum Vorsitzenden des russischen Rechnungshofs. Mehr dazu in unserer Gnose von seinem Amt als Finanzminister zurück: Er war mit der Entscheidung des Kreises um MedwedewDimitri Medwedew ist seit Januar 2020 stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsrates. Er war von 2012 bis 2020 Premierminister und bekleidete von 2008 bis 2012 das Amt des Präsidenten der Russischen Föderation. Medwedew gehört zu den engsten Vertrauten von Präsident Putin und nimmt, nicht zuletzt als Vorsitzender der Regierungspartei Einiges Russland, eine wichtige Rolle im politischen Systems Russlands ein. Mehr dazu in unserer Gnose nicht einverstanden, die Rüstungsausgaben erneut zu erhöhen, worunter alle anderen Bereiche zu leiden hätten.
Doch auch nach diesem Vorfall verblieben einige liberale Ökonomen in Leitungspositionen. Sie versuchten, die Entscheidungen des Kreml indirekt zu beeinflussen oder die Elite in den schwierigsten Wirtschaftsfragen zu beraten. Wegen ihrer Bemühungen um Einflussnahme und um größtmögliche Nähe zur herrschenden Elite nennt man sie denn auch Systemliberale.
Kein so ganz richtiger Liberaler
Natürlich ist Sislib ein abwertender Begriff, er gibt zu verstehen, dass ein Systemliberaler kein so ganz richtiger Liberaler„Liberal“ kann in der russischen Sprache heute vieles bedeuten. Der Begriff hat mehrere Wandlungen durchgemacht und ist nun zumeist negativ besetzt. Oft wird er verwendet, um Menschen vorzuwerfen, sie seien unfähig, schwach und widersetzten sich dem Staat nur, weil sie zu nichts anderem in der Lage seien. Das liberale Credo vom Schutz der Menschen- und Eigentumsrechte, so heißt es oft, lenke davon ab, dass unter liberaler Führung der Staat zugrunde gehen würde. Mehr dazu in unserer Gnose ist, sondern ein spezieller. Am häufigsten hört man den Begriff aus dem Mund von Politikern und Wirtschaftsexperten, die sich außerhalb des Systems befinden. Sie kritisieren die Sisliby für ihre Kompromissbereitschaft, dafür, dass sie sich faktisch in den Dienst einer autoritären Regierung stellen. Dass sie dabei helfen würden, einzelne wirtschaftliche Missstände zu beheben. Dadurch würden sie die Politik als Ganzes nicht verändern, dem Regime aber zu einem Mindestmaß an notwendiger Effizienz verhelfen und auf diese Weise zum Fortbestand des autoritären Modells beitragen.
Die Spardose des Kreml
Diese Kritik kann man allein deswegen schwerlich als unbegründet abtun, weil das russische Sozial- und Militärbudget, das in den vergangenen anderthalb bis zwei Jahren stark aufgeblasen wurde, vor allem vom Nationalen WohlstandsfondsDer Nationale Wohlstandsfonds Russlands entstand 2008 aus dem Stabilitätsfonds, in dem überschüssige Erlöse aus dem Verkauf von Rohstoffen angelegt wurden, um in Krisenzeiten die Wirtschaft und das Sozialsystem zu stabilisieren. Zu den offiziellen Zielen des Staatsfonds gehören Förderung der privaten Altersvorsorge sowie Deckung der Rentenkassen- und Haushaltslücke. Die Höhe des verwalteten Vermögens lag Ende 2020 offiziell bei rund 177 Milliarden US-Dollar, was etwa 12 Prozent der Bruttoinlandsprodukts entsprach. lebt. Den hatte Alexej Kudrin vorsorglich eingerichtet.
Würde der Kreml heute nicht über diese Spardose verfügen, hätten sich seine imperialen Ambitionen schon lange totgelaufen. Es wäre außerdem nicht möglich, unbeliebte sozialpolitische Entscheidungen auf die Zeit nach den Wahlen hinauszuschieben. Beides hätte die Chancen der demokratischen OppositionGemeint sind die Parteien Jabloko, PARNAS (Partei der Volksfreiheit) sowie die 2013 gegründete Allianz der Grünen und Sozialdemokraten. Auch die liberale Partei Rechte Sache wird gelegentlich dazugezählt, wenngleich ihr Verbindungen zum Kreml nachgesagt werden. in der aktuellen Wahlperiode erhöhen können.
Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, ist derselbe Alexej Kudrin trotz all dem bereit, dem Regime erneut unter die Arme zu greifen: Er hat für den Kreml eine neue Wirtschaftsstragie erarbeitet, um die Systemkrise zu überwinden.
Nach den Ereignissen auf der KrimAls Krim-Annexion wird die einseitige Eingliederung der sich über die gleichnamige Halbinsel erstreckenden ukrainischen Gebietskörperschaft der Autonomen Republik Krim in die Russische Föderation bezeichnet. Seit der im Frühjahr 2014 erfolgten Annexion der Krim ist die Halbinsel de facto Teil Russlands, de jure jedoch ukrainisches Staatsgebiet und somit Gegenstand eines ungelösten Konfliktes zwischen der Ukraine und Russland. Mehr dazu in unserer Gnose , dem Krieg im Südosten der UkraineDer Krieg im Osten der Ukraine ist eine militärische Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk. Die Ukraine wirft dem Nachbarland Russland vor, die Rebellen mit Personal und Waffen zu unterstützen, was Russland bestreitet. Der Krieg kostete bereits rund 13.000 Menschen das Leben. Eine anhaltende Waffenruhe konnte trotz internationaler Vermittlungsbemühungen bisher nicht erreicht werden. Mehr dazu in unserer Gnose , nach der erschreckenden Zunahme von Propaganda, dem bis heute nicht geklärten Mord an Boris NemzowBoris Nemzow war einer der bekanntesten Politiker Russlands und galt als scharfer Kritiker Wladimir Putins. Am 27. Februar 2015 wurde Boris Nemzow in der Nähe des Kreml erschossen. Im Juni 2017 wurden fünf Tschetschenen wegen Mordes an Nemzow verurteilt. Das Urteil ist umstritten, da bis heute unklar ist, wer die Auftraggeber der Verurteilten sind. Mehr dazu in unserer Gnose , nach der Veröffentlichung der Panama Papers und einer allgemein immer unangemesseneren und aggressiveren Kreml-Politik könnte man sich schon fragen: Wie und warum soll man überhaupt noch mit der Regierung zusammenarbeiten? Diese Frage wird Alexej Kudrin von den Liberalen unvermeidlich gestellt werden, wenn er seine Arbeit im Zentrum für strategische EntwicklungDas Zentrum für strategische Entwicklung (ZSR) ist ein regierungsnahes Beratungsinstitut. Es wurde 1999 gegründet und war an der Ausarbeitung von Wladimir Putins Wahlkampfstrategie beteiligt. Im April 2016 übernahm der liberale Ökonom Alexej Kudrin den Ratsvorsitz des Think Tanks. aufnimmt und ein neues Wirtschaftsprogramm für Putin vorlegt.
Garant für den Wechsel
Lässt man die Emotionen einmal beiseite, bringt eine solche Zusammenarbeit von Liberalen und Regierung zwei wichtige positive Konsequenzen mit sich:
Erstens senkt die Beratung der Regierung durch vernünftige Ökonomen unweigerlich den Grad des Wahnsinns der Kreml-Politik. Sie verhindert, dass Entscheidungen von Leuten gefällt werden, die einen katastrophalen Einfluss auf das System ausüben können.
Welches Programm Alexej Kudrin auch vorschlagen wird – es wird sicher besser sein als das von Sergej GlasjewSergej Glasjew (geb. 1961) ist ein russischer Ökonom und Präsidentenberater für Wirtschaftsfragen. 2004 nahm er als unabhängiger Kandidat an der Präsidentschaftswahl teil. Glasjew gilt als Hardliner gegenüber der Ukraine. Vor dem Hintergrund der westlichen Sanktionen gegen Russland empfahl Glasjew einen wirtschaftsprotektionistischen Kurs. Zu seinen Forderungen gehören Steuern für Auslandsüberweisungen, ein Verbot von Krediten in Fremdwährungen, eine staatliche Preisregulierung und drastisch erhöhte Sozialleistungen., dessen Einfluss im Kreml derzeit stark zugenommen hat.
Die Hyperinflation, herbeigeführt durch Emission von Wertpapieren und das Wachstum der Staatsausgaben, ist Folge nur einiger Maßnahmen des präsidialen Beraters für regionalökonomische Integration. Sie wird kleinen und mittleren russischen Unternehmen den Todesstoß versetzen und treibt eine noch größere Zahl von Bürgern in den Strudel der Armut.
Die zweite Folge der direkten Beteiligung Liberaler an der Kremlpolitik ist: Die Chance für einen unblutigen Abgang der derzeitigen Regierung aus der politischen Arena steigt.
In den aktuellen Wahlratings erreicht die demokratische Opposition mit ihren endlosen internen Konflikten nur äußerst geringe Werte. Noch geringer sind die Chancen, dass es der Opposition in den nächsten Jahren gelingen wird, die Panama-Fraktion des Kreml durch Wahlen und parlamentarischen Kampf wegzudrängen – auch wenn wir uns nachweislich in einer Übergangsphase zum konkurrenzfähigen AutoritarismusAutoritarismus ist eine Herrschaftsform, die sich durch eine stark zentralisierte Kontrolle und eingeschränkten Pluralismus kennzeichnet. Sie unterscheidet sich von Demokratie auf der einen und dem Totalitarismus auf der anderen Seite. In Bezug auf Russland kam es 2016 zu einem Streit zwischen Politologen: Während Ekaterina Schulmann Russland als ein hybrides Regime einstufte, in dem autokratische und demokratische Elemente vorkommen, definierte Grigori Golossow Russland als ein klassisches autoritäres Regime. befinden.
Opposition engt Verhandlungsspielraum des Kreml ein
Die Chancen werden jedoch beträchtlich steigen, wenn es der Opposition gelingt, die typische Hauptforderung einer jeden autoritären Elite zu erfüllen, die angesichts einer ausgebrochenen Wirtschaftskrise spürt, dass eine Liberalisierung unausweichlich ist: Man muss ihr den Erhalt des angehäuften Kapitals und den Verzicht auf Strafverfolgung nach dem Ausscheiden aus der Regierung garantieren.
Derzeit werden ständig Zimmer voller PelzmäntelIm Original schubochranilischtsche. Der Begriff setzt sich zusammen aus den Wörtern schuba (Pelzmantel) und chranilischtsche (etwa Speicher, Aufbewahrungsort, Lager). Er kam im Zuge der von Alexej Nawalny angestoßenen Diskussion um ein teilweise illegal errichtetes Anwesen des ehemaligen Eisenbahnchefs Wladimir Jakunin auf. Seitdem ist der Begriff zum Symbol von maßlosem Luxus geworden – insbesondere im Zusammenhang mit Staatsbediensteten, denen die Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen wird. und Celli voller GeldEine Anspielung auf die Verbindungen des Cellisten Sergej Roldugin zu milliardenschweren Offshore-Firmen, die im Zuge der Veröffentlichung der so genannten Panama Papers an die Öffentlichkeit gerieten. Roldugin ist ein enger Freund Wladimir Putins und steht auch in Verbindung zu Angehörigen der russischen Wirtschaftselite. aufgespürt und SchwarzbücherIm Februar 2016 veröffentlichte der Anti-Korruptions-Aktivist Alexej Nawalny eine Sammlung mit Namen von Richtern, hohen Mitarbeitern der Justizbehörden und anderen Staatsdienern, denen Korruptionsdelikte und die Verwicklung in unrechtmäßige oder als politisch motiviert geltende Entscheidungen und Gerichtsurteile vorgeworfen werden. Die Sammlung heißt Tschorny bloknot (schwarzes Notizbuch). verfasst, was zweifellos Stimmen und Respekt bei den Wählern einbringt. Doch die Opposition macht dadurch einen unblutigen Machtwechsel unmöglich, weil sie den Verhandlungskorridor mit dem Kreml einengt. Denn der „Kollektiv-Putin“ wird nie und nimmer zulassen, dass die Opposition mit solchen Parolen eine auch nur halbwegs nennenswerte Anzahl von Sitzen im ParlamentAls Staatsduma wird das 450 Abgeordnete umfassende Unterhaus der Föderalen Versammlung Russlands bezeichnet. Im Verhältnis zu Präsident und Regierung nimmt die Duma verfassungsmäßig im internationalen Vergleich eine schwache Stellung ein. Insbesondere das Aufkommen der pro-präsidentiellen Partei Einiges Russland führte dazu, dass die parlamentarische Tätigkeit zunehmend von Präsident und Regierung bestimmt wurde. Mehr dazu in unserer Gnose bekommt. Stattdessen wird er sich an die Kremlmauern klammern, das Rad der Repression zum Laufen bringen und solange jegliche soziale Unruhen unterdrücken, bis es zu spät ist.
Druck auf den Kreml von zwei Seiten
In der aktuellen Situation ist es notwendig, Druck auf den Kreml von zwei Seiten, im Tandem, auszuüben. Einerseits muss man, sozusagen von unten, die Protestwählerschaft weiter zusammentrommeln und um Sitze bei diesen Wahlen kämpfen, unter anderem mit der durchaus erfolgreichen Antikorruptions- und Anti-Offshore-Rhetorik – das ist die Aufgabe der demokratischen Koalition.
Andererseits wird die herrschende Elite angesichts des immer stärker drohenden Verlusts von Macht und Kapital genötigt sein, jemanden zu finden, dem sie die Macht weitergeben kann – unter der Garantie, dass persönliche Strafverfolgungen ausbleiben. Diese Kompromissfiguren könnten, wenn es soweit ist, in der Regierung verbliebene und mit ihr kooperierende Systemliberale sein.
Letzte Chance für unblutige Machtübergabe
Alexej Kudrin, der seine guten Beziehungen zu Wladimir Putin und einer Reihe von Leuten aus dessen engstem Umfeld nicht verhehlt, ist unter den gegenwärtigen Bedingungen natürlich nicht der einzige Kandidat. Aber er ist nach den oben beschriebenen Kriterien sicher einer der passendsten. Das Programm, das er nun zusammen mit einem Expertenteam aus dem Komitee für BürgerinitiativenGegründet im April 2012 von Alexej Kudrin, bringt die Organisation nach eigenen Angaben Fachleute aus verschiedenen Bereichen der Gesellschaft zusammen, um Bürgerinitiativen zu unterstützen und alternative Lösungen für gesellschaftliche Probleme vorzuschlagen. Die Gründung war ausdrücklich eine Reaktion auf die Massenproteste im Winter 2011/2012. schreiben kann, wird auf jeden Fall nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Reformen enthalten. Und entschließt sich der Kreml für diese, dann wird er damit die grundlegendste Erneuerung seit den frühen 2000er Jahren anregen.
Falls Wladimir Putin und sein Umfeld beschließen, die Konzepte Kudrins oder anderer liberaler Ökonomen umzusetzen, werden diese vielleicht inzwischen weniger ein Aktionsplan für die Wirtschaft sein als vielmehr eine letzte Chance für eine Machtübergabe ohne Blutvergießen.