Quelle

Rossijskaja Gaseta

Die Rossijskaja Gaseta ist die offizielle russische Regierungszeitung. Mitten im Umbruch 1990 gegründet, verband sich mit ihr der Anspruch auf ein modernes Mediensystem in Russland, doch wurde sie unter Jelzin bald zum Spielball politischer Interessen. Heute bildet die Zeitung ein bedeutendes Sprachrohr für Kreml und Regierungsbehörden, dient der Machtelite aber auch zur Selbstbespiegelung.  

Als die Rossijskaja Gaseta am 1. November 1990 erstmals in einer Vorabausgabe erscheint, macht kein geringerer als Boris Jelzin auf der Titelseite klar, welches publizistische Ziel die Zeitung verfolgen soll. Unter der Überschrift „An die Leser und die Mitarbeiter der Rossijskaja Gaseta“ proklamierte Jelzin zwar, die Rossijskaja Gaseta solle nach „Wahrheit und Objektivität“ streben, einen Beitrag für ein „wirksam funktionierendes, modernes Mediensystem“ leisten und „maximal demokratisch“ sein. Zugleich bezeichnete er die Zeitung jedoch explizit als Organ des neu gewählten russischen Parlaments. Dessen Vorsitzender war Jelzin selbst, damals Hoffnungsträger für den Weg weiterer demokratischer Reformen in der russischen Sowjetrepublik. Ein Jahr darauf wird Jelzin erster frei gewählter Präsident Russlands. Damit wurde die Rossijskaja Gaseta in publizistische Widersprüche, politische Interessenlagen und Loyalitätskonflikte hineingeboren.

Das trat im Herbst 1993 offen zutage: Im Zuge des eskalierten Machtkampfs des Präsidenten mit dem Parlament ließ Jelzin den damaligen Chefredakteur Valentin Logunow gegen den Widerstand der Redaktion absetzen. Zuvor hatte die Rossijskaja Gaseta gegen ihren einstigen Mitgründer Jelzin und für das Parlament Position bezogen. Logunow war ein gestandener Journalist, der noch zwei Jahre zuvor als Gleichgesinnter Jelzins der Oppositionsfraktion des ersten frei gewählten Parlaments der UdSSR angehörte. Das war plötzlich lange her.

Die Rossijskaja Gaseta wurde 1994 zum offiziellen Bekanntmachungsblatt der Regierung erklärt und ist das auch unter Präsident Wladimir Putin geblieben. Der band sie kurz nach Einzug in den Kreml direkt an das Kommunikationsministerium. Neuer Chefredakteur wurde 2001 Wladislaw Fronin, 49 Jahre alt und ursprünglich aus der Schule des Jugendparteiorgans Komsomolskaja Prawda – das er Anfang der 1990er Jahre zur auflagenstarken Boulevardzeitung umfrisiert hatte. Er war ein Mann gegen ein verstaubtes Image. Fronin leitet die Zeitung bis heute.

In klassischen Ressorts informiert die Rossijskaja Gaseta über Politik, Wirtschaft, aber auch über Kultur und Kino. Das geschieht überwiegend mit nüchternem Verlautbarungscharakter. Politische Neuigkeiten und (offizielle) Positionen aus dem Staatsapparat werden kanalisiert.
Ein wichtiger Adressat sitzt in den Amtsstuben des Landes: Nach einer Recherche der Wirtschaftszeitung RBK von 2015 gehört die Rossijskaja Gaseta bei Beamten, Behördenmitarbeitern und Abgeordneten zu den meistgelesenen Tageszeitungen. Es sind ihre Vorgesetzten, Minister, ranghohe Vertreter aus Politik, Geheimdienst, Justiz und Präsident Putin, die in dem Blatt zu Wort kommen. So ist die landesweite Zeitung ebenso sehr Sprachrohr und Schaufenster der Machtelite, wie ein Mittel für sie, um sich in den undurchsichtigen politischen Prozessen Russlands ein Stück weit selbst zu bespiegeln. 
Die Anliegen von Regierungskritikern und russischer Opposition spielen dabei keine Rolle.

Die Rossijskaja Gaseta erscheint auch Online sowie als App. Zu ihr gehört die monatlich erscheinende Historien-Zeitschrift Rodina (dt. „Heimat“), außerdem gibt sie in russisch-belarussischer Kooperation die Beilage Union. Belarus-Russland mit heraus. In mehr als ein Dutzend russischen Städten hat die Rossijskaja Gaseta Büros, bringt Nachrichten und Reportagen von dort. Ebenso aus dem Ausland, wo die Rossijskaja Gaseta zeitweise auch selbst als Herausgeber aktiv war: mit dem Werbeheft Russia Beyond the Headlines (RBTH). Die Beilage war Teil einer Imagekampagne der russischen Regierung und lag ab 2010 zunächst unter dem Titel Russland Heute der Süddeutschen Zeitung bei, wurde zur Krim-Krise im März 2014 aber vom Verlagshaus gekippt und erschien zwei weitere Jahre als Beigabe zum Handelsblatt
Kurz darauf  wurde RBTH an den Auslandssender Russia Today (RT) übertragen. Die Rossijskaja Gaseta, so hieß es, sollte sich wieder allein um das heimische Publikum kümmern. Dort erreicht sie allein mit der Printausgabe im Durchschnitt mehr als 600.000 Leser täglich, die dazugehörige Wochenzeitung Rossijskaja Gaseta-Nedelja mit eingerechnet.  

Text: Mandy Ganske-Zapf
Stand: 30.08.2018

Eckdaten:
Gegründet: 1990
Herausgeber: Russisches Kommunikationsministerium
Chefredakteur: Wladislaw Fronin
URL: www.rg.ru


Teil des Dossiers „Alles Propaganda? Russlands Medienlandschaftgefördert von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius
Gnosen

im Gnosmos

als Text

im Gnosmos

als Text

Neueste Gnosen
Gnose

Noize MC

Rap als Poesie und Gegenkultur: Mit kraftvollen Versen reimt Noize gegen den Kreml und widerlegt nebenbei das Klischee, dass Kunst absichtsfrei sein muss, um Kunst zu sein.

Gnose

Weiblicher Widerstand gegen den Krieg

Es sind vor allem Frauen, die in Russland gegen den Angriffskrieg auf die Ukraine protestieren. Sie malen Plakate, kleben Sticker auf ihre Autos und verteilen konspirativ Zeitungen. Mit ihren aufsehenerregenden Aktionen sticht besonders eine Organisation hervor: die Feministische Antikriegs-Bewegung.

Gnose

Wladimir Kara-Mursa

Wladimir Kara-Mursa ist kein Star der früheren Straßenopposition in Russland. Der Oppositionelle bekämpfte das Putin-Regime auf seine Art: Er hat sich in den USA für Sanktionen gegen Moskau eingesetzt. Seit April 2023 sitzt er in einer sibirischen Strafkolonie ein. Das Urteil: 25 Jahre.

Gnose

Schwanensee – Ballett, Requiem und Protestsong

Pjotr Tschaikowskis Ballett Schwanensee ist in Russland eine historische Referenz – Requiem für sowjetische Staatsmänner und Begleitmusik zum Untergang der Sowjetunion selbst. Mahnung an die Endlichkeit des Regimes und Erinnerung daran, dass am Ende das Gute über das Böse siegt.

 

Gnose Belarus

Die Griechisch-Katholische Kirche in Belarus

Über Jahrhunderte war Religionszugehörigkeit auch eine Frage politischer Loyalität. So ist auch die griechisch-katholische Kirche in Belarus entstanden. Sie war im 16. Jahrhundert gegründet worden, als der belarussische Kulturraum zum katholisch geprägten Polen-Litauen gehörte. Von der orthodoxen Kirche wird sie bis heute als innerer Feind diffamiert. 

Gnose

Sergej Kirijenko

Die aggressive Kriegspropaganda der russischen Staatsmedien kommt bei der Jugend nicht an, Abhilfe schafft Sergej Kirijenko. Als „effektiver Manager“ leitet er zudem die Zivilverwaltung der annektierten ukrainischen Gebiete.

Gnose

Wladimir Potanin

Wladimir Potanin ist der zweitreichste Mann Russlands. Den Grundstein für sein Wirtschaftsimperium legte er in den 1990er Jahren, als er selbst die Regeln für die Privatisierung großer Staatsbetriebe mitgestaltete, dank derer er in den Besitz des Buntmetall-Riesen Norilsk Nickel kam. Seit Beginn des vollumfänglichen Krieges gegen die Ukraine konnte er sein Wirtschaftsimperium sogar ausbauen. Er steht auf den Sanktionslisten der USA und Großbritanniens – Deutschland hingegen treibt weiter Handel mit dem „Nickel-König“.

Gnose

Konstantin Ernst

Konstantin Ernst ist der „Kreativdirektor“ des Kreml. Der Chef des Staatssenders Erster Kanal gestaltet den visuell-medialen Stil von Putins Russland. Die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Sotschi trug ebenso seine Handschrift wie die jährliche Call-in-Sendung Der direkte Draht mit Wladimir Putin. Vom Hollywood-Kino lernte Ernst, wie man über Emotionen Massen erreicht – und stellte dieses Talent in den Dienst des Regimes.

Gnose Belarus

Nikolaj Statkewitsch

Mikola Statkewitsch ist in Belarus einer der bekanntesten Oppositionsführer der älteren Generation. Er wurde zu zahlreichen Haftstrafen verurteilt, auch aktuell ist er in Haft. Waleri Karbalewitsch über einen nationalbewussten Sozialdemokraten, der sich dem Kampf gegen die Diktatur verschrieben hat.

Motherland, © Tatsiana Tkachova (All rights reserved)