Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) wurde mit der Auflösung der Sowjetunion am 8. Dezember 1991 gegründet und umfasste zunächst alle Nachfolgestaaten der Sowjetunion mit Ausnahme des Baltikums. Die GUS ist ein loser Staatenverbund, der trotz breiter Kooperationsziele kaum wirkliche Integration geschaffen hat. Wichtiger wurden im Laufe der Zeit andere Projekte, wie etwa die Eurasische Wirtschaftsunion.
„Gemeinschaft unabhängiger Staaten“ – dieser Ausdruck, der in den 1990er Jahren in aller Munde war, hört man noch immer gelegentlich. Ursprünglich angetreten mit umfassenden Kooperationszielen, stellte sich das Bündnis aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion bald weitgehend als Papiertiger heraus: Zahllose Gremien tagten, wurden jedoch kaum eingesetzt, um echte Probleme zu lösen, die Kooperation zu vertiefen oder die Staaten rechtlich zu integrieren. Die GUS ist nicht mehr als ein loser Staatenverbund – dient allerdings als Basis für ernsthaftere Integrationsprojekte im post-sowjetischen Raum.
Die Gründung der GUS ist das Spiegelbild der Auflösung der Sowjetunion: Die Präsidenten der Ukraine, Russlands und Belarus’ unterzeichnen am 8. Dezember 1991 die Vereinbarungen von Beloweschskaja Puschtscha, die das Ende der UdSSR besiegelt und mit demselben Federstrich die GUS als Nachfolgeorganisation einsetzt. Bis zum Ende des Jahres treten ihr alle ehemaligen Teilrepubliken bei – bis auf die baltischen Staaten, die sich sofort in Richtung EU orientieren, und bis auf Georgien, das erst 1993 dazukommt.
Wie ist diese Gemeinschaft konzipiert? Ihre Charta von 1993 stellt klar: Alle beteiligten Staaten sind souverän, die GUS hat – im Gegensatz zur EU – „keine supranationalen Kompetenzen“.1 Die Staaten verpflichten sich zu Kooperation in Wirtschaft, Umweltschutz, Menschenrechten und Sicherheitspolitik und etablieren zahlreiche Gremien, deren Vereinbarungen jedoch nie in nationales Recht umgesetzt werden.2 Auch um die gelegentlichen Handelskriege zu schlichten, ist die Organisation kein effektives Forum. Ein Grund dafür liegt in Russlands Außenpolitik, die bis in die 2000er hinein klar nach Westen ausgerichtet war. Russland setzte oft nur dann auf Integration mit den post-sowjetischen Nachbarn, wenn das gegenüber der EU oder dem Baltikum von strategischem Nutzen war.3 Zudem sind die einzelnen GUS-Mitgliedsstaaten für Russland von höchst unterschiedlicher Wichtigkeit – klar, dass Russland stärker auf bilaterale Vereinbarungen und kleinere Verbünde setzt, wie etwa die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (Gründung 2002) oder die Zollunion mit Belarus und Kasachstan (Gründung 2010).4
Die GUS hat jedoch durchaus Effekte, wenn auch vor allem psychologische: Zum einen dämpft das Bekenntnis zur Kontinuität die Zerfallsdynamik der ehemaligen UdSSR. Der offiziell kundgegebene Wille zur Integration vereinfacht auch die transnationale Zusammenarbeit unter den Staaten, die sich ohnehin noch immer eine gemeinsame Infrastruktur teilen, eine Sprache sprechen und kulturell und sozial stark miteinander verbunden sind.5 Auch für die jeweiligen Staatschefs spielt die GUS eine stabilisierende Rolle: So erklärt die Wahlbeobachtungsorganisation der GUS auch heute noch regelmäßig Wahlen in der Region für frei und fair – insbesondere dort, wo die OSZE Probleme sieht (wie z. B. 2005 in Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan und 2011 in Russland).
Der größte formale Erfolg der GUS ist sicher die Errichtung einer Freihandelszone im Jahr 2011 – die Erfüllung eines seit Anbeginn anvisierten Ziels. Allerdings umfasst das Abkommen nicht alle ursprünglichen GUS-Staaten: Georgien ist bereits 2008 nach dem Russisch-Georgischen Krieg aus der GUS ausgetreten. Auch Aserbaidschan und Turkmenistan sind, obwohl GUS-Mitglieder, nicht Teil der Freihandelszone. Und die Ukraine, die Teil des Abkommens war, wird von Russlands Präsident Putin persönlich Anfang Dezember 2015 ausgeschlossen – wegen ihrer wirtschaftlichen Assoziation mit der EU.6
Die GUS als solche, so zeigt sich, hat nie die Integrationskraft entfaltet, die ihre Gründer in der Charta festgelegt hatten. Zu unterschiedlich sind die Interessen der beteiligten Staaten, zu asymmetrisch die Beziehungen. Auf Basis des lockeren Verbundes etablieren sich jedoch viele andere Integrationsprojekte kleineren Umfangs, mit deren Hilfe die beteiligten Staaten – allen voran der regionale Hegemon Russland – ihre Interessen effektiver wahrnehmen können. Das wichtigste Projekt dieser Art ist bislang ohne Zweifel die Eurasische Zollunion, die 2015 mit zwei neuen Mitgliedern in die Eurasische Wirtschaftsunion übergeht.