
„Ein Deutscher“, sagte sich Berlioz. „Ein Engländer“, dachte Besdomny. „Boah, dass dem nicht zu heiß wird mit seinen Handschuhen!“
Es war Frühling, eine ungewöhnlich heiße Dämmerstunde am PatriarchenteichDer Patriarchenteich ist ein rund 10.000 Quadratmeter großes künstliches Gewässer im Zentrum von Moskau. Es befindet sich im Stadtviertel Patriarchenteiche, das zu den beliebtesten Wohngegenden der Hauptstadt gehört. Der Patriarchenteich ist ein bekannter Schauplatz des Romans Meister und Margarita vom sowjetischen Schriftsteller Michail Bulgakow (1891–1940). Unweit des Teichs wurde 2015 ein Bulgakow-Platz angelegt; seit 1998 gibt es Pläne, ein Denkmal für den Schriftsteller aufzustellen. … und BulgakowMichail Bulgakow (1891–1940) war ein bekannter sowjetischer Schriftsteller, Theaterregisseur und Schauspieler. Zu seinen bekanntesten Romanen gehören Sobatschje Serdze (dt. „Hundeherz“) und Master i Margarita (dt. „Der Meister und Margarita“). Viele von Bulgakows Werken wurden (auch im Ausland) verfilmt – zuletzt kamen 2012 Bulgakows Erzählungen A Young Doctor's Notebook raus. In dieser britischen Fernsehserie spielte Daniel Radcliffe eine Hauptrolle. betrachtet Moskau, wie wir uns erinnern, durch die Augen eines ausländischen KonsultantenIn Gestalt eines ausländischen Konsultanten erscheint in Michail Bulgakows Roman Meister und Margarita der Satan. Er trägt den Namen Woland, den Bulgakow aus Goethes Faust entlehnte. „Platz! Junker Voland kommt!“ sagt Mephistopheles über sich selbst in der Szene der Walpurgisnacht (Faust, 24). – eines Ausländers. Diese Projektion kommt nicht von ungefähr: So sieht man Moskau besser.
Auch jetzt, kurz vor der Weltmeisterschaft, ist die Stadt, wenn man sie durch die Augen eines ausländischen Besuchers betrachtet, ungewöhnlich schön. Ohne die jahrelang aufgerissenen Straßen, die dann ganz plötzlich, innerhalb von nur zwei Wochen nigelnagelneu aussahen, wie von Zauberhand ... Die Gäste werden natürlich nichts davon erfahren, wie ganz Moskau drei Jahre lang brav im Stau gestanden hat, während die Innenstadt und die Ausfallstraßen einmal komplett umgegraben wurden – „wir bitten um Geduld für die WM“. Wie es in all den anderen Städten ausgesehen hat, in denen die Fußballsause ausgetragen wird, kann man nur erahnen.
Wir bitten um Geduld für die WM
Eine der Absonderlichkeiten an jenem Frühlingsabend, mit dessen Schilderung Meister und MargaritaMeister und Margarita ist der bekannteste Roman des sowjetischen Schriftstellers Michail Bulgakow (1891–1940). Er wurde von 1928 bis 1940 geschrieben und gilt als unvollendet: Jelena Bulgakowa (1893–1970), die Witwe des Autors, fügte den Roman zusammen und gab ihn (von Behörden zensiert) 1966 und 1967 in der Literaturzeitschrift Moskwa heraus. Das Werk wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und avancierte schon bald nach der Erscheinung zu einem weltweiten Kultbuch. – dekoder zitiert aus der 2012 bei Galiani Berlin erschienenen Übersetzung von Alexander Nitzberg. beginnt, ist die folgende: „Nicht nur am Büdchen, nein, auf der gesamten Allee […] war nicht ein einziger Mensch zu sehen.“ Und auch jetzt wirkt Moskau halbleer – nur dass diesmal niemandes teuflischer Plan dahintersteckt. Ja, stimmt, laut Gerüchten gab es in manchen Ecken der Hauptstadt hier und da Säuberungsaktionen gegen MigrantenSpätestens seit dem wirtschaftlichen Aufschwung der 2000er ist Russland ein attraktives Ziel für Wanderarbeiter aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, insbesondere aus Zentralasien. Die Wirtschaftskraft dieser Länder hängt zum Teil erheblich von Rücküberweisungen aus Russland ab. Jüngste Verschärfungen des russischen Migrationsrechts haben Einreise und Arbeitsaufenthalt der Gastarbajtery jedoch erschwert. Mehr dazu in unserer Gnose , aber wesentlich für die Leere Moskaus ist heute etwas ganz anderes: seine städtebauliche Struktur.
Die Stadt, in der wir heute leben und wie wir sie kennen, wurde noch unter Stalin erdacht. Aus dieser Zeit stammen ihre HochhäuserBlickt man auf die Silhouette von Moskau, so werden die bunten Zwiebeltürme der Basilius-Kathedrale und die goldenen Kuppeln des Kreml überragt von den aufstrebenden Turmspitzen der Hochhäuser aus der Stalinära. Sie sind sprechende Zeugnisse des Zeitgeschmacks, mehr aber noch eines politischen Systems, das auf Einschüchterung und Ausbeutung der Bevölkerung einerseits und staatlich verordneter Verherrlichung des woshd („Führers“) andererseits abzielte. Mehr dazu in unserer Gnose und ProspekteDer schon im Russischen Kaiserreich verwendete Ausdruck Prospekt (von lat. prospectus, Aussicht) bezeichnet breite, mehrspurige und lange Straßen in den russischen Städten. In diesen sind sie zentral gelegen oder fungieren als Verbindungslinien äußerer Bezirke mit dem Stadtzentrum. Straßen, die ähnliche äußere Eigenschaften aufweisen, sich jedoch außerhalb der Innenstädte befinden, werden als Chausseen bezeichnet. Weltweit bekannte Prospekte sind etwa der Newski-Prospekt in St. Petersburg oder der Leningradski-Prospekt in Moskau., damals wurde ihr die totalitäre Logik aufgeprägt. Eine solche Stadt entsprach, wie man heute sagen würde, dem Geist der totalen Repräsentation: Alles war ausgerichtet auf die Durchführung von Fest- und Arbeiterkundgebungen, Ehrenformationen und Pionierparaden – all das sollte der Welt den Sieg des Sozialismus demonstrieren. Der Sozialismus ist längst Geschichte, aber das Schaufenster, zu dem die ganze Stadt gemacht wurde, ist noch da. Nur dass man sie jetzt Podium nennt.
Moskauer Menschenleere
Der Abriss der Verkaufspavillons, aber auch die Verbreiterung der Gehwege waren Teil einer „Vermenschlichungsstrategie“, die die Stadt den Menschen zurückgeben sollte, doch sie brachte den entgegengesetzten Effekt. In ihrem Alltag brauchen die Leute keine derart breiten Gehwege mehr; der moderne Städter flaniert und lustwandelt nicht mehr wie im 19. Jahrhundert. Vor allem abends wird das allzu deutlich – die breiten Trottoirs unterstreichen nur die Moskauer Menschenleere.
Im Endeffekt hat SobjaninSergej Sobjanin (geb. 1958) ist seit 2010 Bürgermeister der Stadt Moskau. Er gilt als „Mann Putins“, wurde von diesem im Jahr 2000 zum Generalgouverneur des Gebiets Ural ernannt und setzte von dort seine politische Karriere fort. Als Bürgermeister Moskaus setzte er teilweise die Bauprojekte seines Vorgängers Juri Luschkow aus, dem Korruption vorgeworfen wurde. Sobjanin gründete eine große, von der Moskauer Regierung kontrollierte Medienholding. Im Vergleich zu seinem Vorgänger gilt er als Reformer. Mehr dazu in unserer Gnose nur die Idee des stalinistischen Moskaus, die einer anderen Gesellschaft galt, verewigt und neu verputzt. Leuchtende Beispiele sind der Gorki-ParkGorki-Park ist ein insgesamt rund 220 Hektar große Park in Moskau. Er wurde 1928 angelegt und 1932 nach dem sowjetischen Schriftsteller Maxim Gorki (1868–1936) benannt. Seit 2014 wird der Park aufwendig restauriert und umgestaltet, die Arbeiten sollen 2018 beendet werden. Einen Teil der Kosten tragen Firmen des russischen Oligarchen Roman Abramowitsch. Im Gorki-Park befinden sich unter anderem ein Veranstaltungsgelände, mehrere Sport- und Spielplätze und einige Teiche mit Bootsverleih. oder das WDNChIn den 1930er Jahren als Landwirtschaftsausstellung in Moskau angelegt, wurde die Schau 1959 zur dauerhaften Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft der UdSSR. Auf dem weitläufigen Gelände der WDNCh stellten sich die Teilrepubliken in Pavillons vor – es entstand ein idealtypisches Abbild des Staates im Kleinen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde das Areal zunächst als Vergnügungspark und für den Verkauf von Konsumgütern genutzt, bis es 2014 unter Denkmalschutz gestellt wurde. Mehr dazu in unserer Gnose , die zum Denkmal des Stalinismus, seiner Geometrie und Totalität geworden sind. Die totalitäre Infrastruktur zwingt den heutigen Stadtbewohner, entgegen seinen Bedürfnissen, Gewohnheiten und Wünschen zu leben, sie nimmt ihm die Alternative, zwingt ihn wieder und wieder, sich im Kreis zu bewegen. Die Menschen stimmen unbewusst mit ihren Füßen ab – gegen diese Logik; und weil die Weltmeisterschaft mit zusätzlichen Einschränkungen droht, halten sie sich naturgemäß ganz von selbst aus der Stadt fernDie Datscha ist ein Sommerhaus im Umfeld der großen Städte. Das Wort geht auf das russische Verb dawat (dt. geben) zurück und bezeichnet ursprünglich eine „Land-Gabe“ des Zaren an den Adel. Im Unterschied zur „großen“ Urlaubsreise bewirkte die Nähe zur Stadt die spezifische Form der lockeren Geselligkeit im Austausch mit Freunden und Bekannten. Die Datscha steht seit jeher für die kleine Flucht aus Stadt und Alltag. Trotz oder wegen ihrer Randlage steht die Datscha auch oft im Zentrum der großen Politik: Von Stalin über Chruschtschow bis Gorbatschow lebte und regierte die Polit-Prominenz in ihren Staatsdatschen. Mehr dazu in unserer Gnose .
Moskau ist nun zugeschnitten für den Blick aus dem Busfenster
Das ist das paradoxe Ergebnis der Umgestaltung: Moskau ist nun zugeschnitten für den Blick aus dem Busfenster – und der fällt genau auf diese Leere, die Menschenlosigkeit, dem unkontrollierbaren, aber bestimmenden Merkmal der Stadt. Genau so wird sich die Stadt den WM-Besuchern präsentieren. Und das offenbart die unbewusste Aufgabe, die mit dem Umbau einhergeht: Das ganze Land in die Vergangenheit zurückzuversetzen, sagen wir, in die 1980er Jahre, um dann die Zeit für immer anzuhalten.
1980 reloaded
Moskau wird sich genauso präsentieren, wie es 1980August: Olympia 1980 Turnen unterm Olympia-Mosaik: Vor 36 Jahren fanden die Olympischen Spiele in Moskau statt. Die Fotografin Anastasia Tsayder hat sich angesehen, wie die futuristische Architektur der Sportstätten heute genutzt wird. war. Die Gäste der Hauptstadt bekommen die einmalige Gelegenheit zu einer Reise in die fortgesetzte Vergangenheit. Das äußere Beiwerk ändert dabei nichts am Grundprinzip der Existenz: Was zählt, sind die Wünsche des Staates, nicht die der Menschen.
Wie es der Zufall will, kommt ausgerechnet in diesen Tagen Kirill SerebrennikowsKirill Serebrennikow (geb. 1969) ist ein bekannter russischer Theater- und Kinoregisseur, Preisträger vieler russischer und internationaler Theater- und Kinopreise. 2012 gründete er das Gogol Center, dessen Leiter er ist. Dortige Veranstaltungen erzeugen wegen ihrer kritischen Positionen sowie der künstlerischen Extravaganz oft breite öffentliche Resonanz. Im Mai 2017 geriet Serebrennikow ins Zentrum eines Korruptionsskandals: Ihm wurde Unterschlagung vorgeworfen. Die Durchsuchungen im Center sowie in der Wohnung Serebrennikows lösten eine breite Medien-Debatte aus, inwieweit sich Kultureinrichtungen durch Förderungen vom Staat abhängig machen. Viele Kulturschaffende haben Serebrennikow ihre Unterstützung ausgesprochen. Im April 2019 wurde Serebrennikow nach fast 500 Tagen Hausarrest freigelassen. Die Entlassung erfolgte unter der Auflage, dass er Moskau nicht verlassen darf. Mehr dazu in unserer Gnose neuer Film SommerLeto (dt. „Sommer“) ist eine Filmbiografie des russischen Regisseurs Kirill Serebrennikow (geb. 1969). Der Film kam im Juni 2018 in den russischen Verleih, er handelt von der Leningrader Underground-Kultur der frühen 1980er Jahre rund um Viktor Zoi (1962–1990) – Poet, Schauspieler und einer der Pioniere des sowjetischen Rock. Bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes 2018 erhielt der Film Leto den Cannes Soundtrack Award. in die Kinos – während der Regisseur selbst seit einem Jahr unter HausarrestDebattenschau № 57: Regisseur Kirill Serebrennikow unter Hausarrest Regisseur Kirill Serebrennikow steht unter Hausarrest. Ihm wird Betrug in Millionenhöhe vorgeworfen. Viele zweifeln an den Vorwürfen, es tobt eine Debatte, an der sich auch zahlreiche Prominente wie der Geiger Gidon Kremer, Autor Boris Akunin oder Regisseur Andrej Kontschalowski beteiligen: Warum ausgerechnet Serebrennikow? Soll hier ein Exempel statuiert werden? Und wer steckt dahinter? steht.
Sein Film spielt ebenfalls in den 1980ern. Auch dort herrscht eben jenes Gefühl von Endlosigkeit – es scheint, als würde alles für immer so bleiben; nur die RockmusikAls russische Rockmusik wird die inoffizielle Musikkultur der späten Sowjetunion bezeichnet, die sich seit den 1970er Jahren aus der Rezeption der westlichen Rockmusik entwickelte. Russischer Rock hatte von Anfang an einen oppositionellen Charakter, in den Texten verbargen sich häufig verschlüsselte kritische Aussagen über die sowjetische Gesellschaft. Zu dieser Musikkultur gehören solche Rockbands wie Maschina Wremeni, Aquarium, Kino und DDT. Mehr dazu in unserer Gnose überschwemmt von Zeit zu Zeit das von allen Seiten abgedichtete Gebäude namens UdSSR. Schließlich beschließt der Staat, dies zu kanalisieren – in Form des Leningrader Rock-KlubsDer Leningrader Rock-Klub ist eine Musikervereinigung und ein Kulturhaus in St. Petersburg. Er wurde 1981 gegründet und bot sowjetischen Rockmusikern (unter der Kontrolle des KGB) eine gemeinsame Plattform. Der Klub gilt als die Geburtsstätte des sowjetischen Rock, hier kamen solche Bands wie Kino oder DDT zu Bekanntheit. Der Leningrader Rock-Klub ist eine Musikervereinigung und ein Kulturhaus in St. Petersburg. Er wurde 1981 gegründet und bot sowjetischen Rockmusikern (unter der Kontrolle des KGB) eine gemeinsame Plattform. Der Klub gilt als die Geburtsstätte des sowjetischen Rock, hier kamen solche Bands wie Kino oder DDT zu Bekanntheit. . Die Freiheit des Menschen, seine Emotionen, sein Tatendrang gepaart mit staatlicher Kontrolle – das ist noch ein Geheimrezept der späten Sowjetunion.
Auch heute wird jede menschliche Regung, jedes Verlangen kontrolliert. Du kannst zum Beispiel dein Fußballteam anfeuern, aber halte deine Gefühle bitte im Zaum, denn die Rostower KosakenKosaken ist die Bezeichnung einer sozialen Gruppe, die sich teilweise aus dem (para-)militärischen Stand im 15. Jahrhundert formiert hat. Die soziostrukturelle Zusammensetzung früherer Reiterverbände der Kosaken ist nicht klar nachvollziehbar. Im 18. Jahrhundert wurden sie zum großen Teil in die Kavallerieverbände der regulären Armee integriert. Die Wiederbelebung der Tradition nach dem Zerfall der UdSSR wird von oppositionellen Kreisen oft als „folkloristisch“ bzw. „archaisch“ bezeichnet. In den südlichen Regionen Russlands übernehmen Kosaken oft die zweifelhafte Rolle einer Volksmiliz. Es kommt dabei immer wieder zu gewalttätigen Angriffen auf Oppositionspolitiker und Aktivisten, wie z. B. auf Alexej Nawalny oder die Kunstaktivistinnen von Pussy Riot. werden „alle Männer, die sich während der WM 2018 küssen, der Polizei meldenIm Juni 2013 wurde ein Gesetz verabschiedet, das die „Propaganda nichttraditioneller sexueller Beziehungen in Anwesenheit von Minderjährigen“ unter Geldstrafe stellt. Bei der Ausformulierung konkreter Handlungen bleibt das Gesetz uneindeutig. Es verbietet die „Verbreitung von Informationen“ (auch im Internet), die bei Minderjährigen eine positive Einstellung gegenüber „nichttraditionellen sexuellen Beziehungen“ hervorrufen können. Das Wort „Homosexualität“ kommt im Gesetz nicht vor.“.
Das Grundprinzip der Existenz ist und bleibt: Jeder, der leben will, muss eine Erlaubnis für dieses Leben einholen.
Freiwillig unfrei
Den Zustand freiwilliger Unfreiheit können Ausländer nur schwer nachvollziehen. Allein die Existenz dieser menschlichen Maschine ist auf ihre Art einzigartig – es braucht dafür gleichzeitig millionenfache Selbstzensur„Am stärksten ist die Selbstzensur” Rund einen Monat nach dem Attentat auf seine Kollegin Tatjana Felgengauer spricht Echo Moskwy-Chefredakteur Alexej Wenediktow über das „besondere Berufsrisiko“ von Journalisten in Russland, über Selbstzensur und Politik. . Nur eine Minderheit empfindet die Abwesenheit von Freiheit als Problem; die Erfahrung der individuellen Freiheit hat es nicht bis in den kollektiven Erfahrungsschatz geschafft, Freiheit ist nie zu einem Wert geworden.
„Im Sport sind alle Länder vereint!“ verkündet fröhlich ein Werbespot im Propagandaradio, das noch gestern fast Funken sprühte vor antiwestlicher Rhetorik. Und auch das spiegelt nur einen Wunsch der obersten Führung wider: Solange wir das Sportfest zelebrieren, sollen „alle alles vergessen“ – weil es ihr, der Führung, gerade so passt. Genau das ist das totalitäre Bewusstsein, von dem Orwell schreibt: Es will alles vergessen, wenn es gerade bequem ist, und erwartet von allen, dass sie dasselbe tun.
Aber die Welt funktioniert anders, und dort wird man nichts vergessen, auch nicht für die Dauer der Weltmeisterschaft: Weder die UkraineDer Krieg im Osten der Ukraine ist eine militärische Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk. Die Ukraine wirft dem Nachbarland Russland vor, die Rebellen mit Personal und Waffen zu unterstützen, was Russland bestreitet. Der Krieg kostete bereits rund 13.000 Menschen das Leben. Eine anhaltende Waffenruhe konnte trotz internationaler Vermittlungsbemühungen bisher nicht erreicht werden. Mehr dazu in unserer Gnose , noch SenzowDer Hungerstreik des Oleg Senzow Der Regisseur Oleg Senzow ist nach einem Gefangenenaustausch wieder in der Ukraine. Auf Colta analysiert Maria Kuwschinowa den Fall Senzow und die Reaktionen der russischen Kulturszene. , noch Serebrennikow. Und dann, wenn die WM vorbei ist, wird alles wieder von vorne beginnen – immer im Kreis, immer im Kreis.