Was vom Fortschritt übrig bleibt: Danila Tkachenko fotografiert Relikte technischer Utopien im postsowjetischen Raum. Viele der Objekte befinden sich in Restricted Areas, ehemaligen Sperrzonen, die früher nur einem sehr engen Kreis von Mitarbeitern zugänglich waren. Einsam stehen die technischen Gebilde auf Tkachenkos Fotografien da, außerhalb aller Zivilisation, die Farbe ist bis auf ein Minimum zurückgenommen, die Zeit scheint in Schnee und Eis zum Stillstand gekommen zu sein.
Danila Tkachenko (geboren 1989 in Moskau und Absolvent der dortigen Rodchenko School of Photography and Multimedia) begreift sich als Visual Artist, der mit den Mitteln der Dokumentarfotografie arbeitet. Zu seiner Serie Restricted Areas sagt er: „Ich suche auf meinen Reisen Orte, die einen großen Stellenwert für den technischen Fortschritt hatten und die nun verlassen sind. Diese Orte haben ihre Bedeutung verloren zusammen mit der utopischen, nun obsolet gewordenen Utopie: Die perfekte technokratische Zukunft, die nie eingetreten ist.“
Tkachenko ist einer der wichtigsten Vertreter der jungen russischen Fotokunst. Für seine Serie Escape, die modernen Einsiedlern in Russland gewidmet ist, wurde er 2014 mit einem ersten Platz beim World Press Photo Award ausgezeichnet. Auch Restricted Areas (entstanden von 2013 bis 2015) wurde vielfach prämiert, das zugehörige Buch in fünf Sprachen übersetzt. Derzeit wird die Arbeit im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie in der traditionsreichen OstberlinerFotogalerie Friedrichshaingezeigt, ergänzt durch Archivmaterial zu den abgebildeten Objekten. Die Ausstellung läuft bis zum 28. Oktober.
Fotos: Danila Tkachenko Bildredaktion: Nastya Golovenchenko, Text: Martin Krohs Veröffentlicht am 01.10.2016
Turnen unterm Olympia-Mosaik: Vor 41 Jahren fanden die Olympischen Spiele in Moskau statt. Die Fotografin Anastasia Tsayder hat sich angesehen, wie die futuristische Architektur der Sportstätten heute genutzt wird. (Archiv-Text)
Was übrig bleibt: In einer leerstehenden Petersburger Altbauwohnung fällt dem Fotografen Max Sher ein privates Fotoalbum in die Hände. Darin: Familienfotos aus der Sowjetzeit. Das Leben einer Epoche ersteht wieder neu.
In heiligen Hainen werden die Götter verehrt, deren höchster der Große Weiße Gott ist: Osh Kugu Yumo. Fotograf Oleg Ponomarev zu Besuch bei den Mari in den Gebieten der mittleren Wolga.
Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat Freundschaften zerstört und Familien auseinandergerissen. Oksana Yushko zeigt Paare, die dem Geist der Feindschaft keinen Platz geben.
Street-photography made in the USSR: Drei Fotografen eines Metallkombinats lassen den Werkskittel im Spind und dokumentieren den Alltag. Die Breshnew-Zeit, hautnah.
dekoder wird gefördert von
Gnosen
en
Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft der UdSSR (WDNCh)
Die WDNCh (Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft der UdSSR, Moskau) war ein Abbild der idealisierten Sowjetunion: In diesem Miniatur-Wunderland gruppierten sich kunstvoll angelegte Pavillons der einzelnen Teilrepubliken mit deren exotischen Erzeugnissen und regionaltypischem Kunsthandwerk einträchtig hinter einem zentralen Palast. Den Besuchern wurde so ein utopisches Modell des idealen Staates präsentiert, wie ihn sich viele erträumten. Die zahlreichen Umbauten der Ausstellung spiegeln die verschiedenen Veränderungen in der Sowjetunion wider. Lange nach dem Zerfall des Staates wurde das Ausstellungsgelände 2014 unter Denkmalschutz gestellt und die Erinnerung an goldene – wenn auch größtenteils imaginierte – Zeiten damit offiziell konserviert.
Die 1939 eröffnete Allunions-Landwirtschaftsausstellung (1959 umbenannt in WDNCh, Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft der UdSSR) stand in der Tradition nationaler und internationaler Ausstellungen, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Europa ein wichtiges Medium der Selbstdarstellung von Nationalstaaten und ein Instrument des nation building waren.1
Das Muster einer ausgedehnten Pavillon-Stadt kam erstmals bei der Pariser Weltausstellung von 1889 zur Anwendung.2 Die Ausstellungen sollten das Publikum durch Teilhabe an nationalen Symbolen und Institutionen erziehen, bilden und kulturell assimilieren.3 Ihre Funktionen reichten von der nationalen Identitätskonstruktion über die Austragung von Rivalitäten bis hin zur Volksbildung und zum Laboratorium für Zukunftstechnologien für die „Welt von morgen“. Die sowjetischen Konzepte lehnten die kolonialen und imperialen Displays der internationalen Ausstellungen zwar ab. Die WSChW/WDNCh hatte jedoch im Grunde ganz ähnliche Ziele und Funktionen und übernahm grundlegende Muster.
Ewig leuchtendes Beispiel der sowjetischen Architektur
Die sowjetische Allunions-Landwirtschaftsausstellung (WSChW) sollte ursprünglich 1937 zum Jahrestag der Oktoberrevolution eröffnet werden. Eine erste international ausgerichtete Landwirtschafts- und Gewerbeausstellung mit futuristischen Holzpavillons von Konstantin Melnikow, Boris Gladkow und Wladimir Schtschuko hatte 1923 einen Monat gedauert.4 Architekt Wjatscheslaw K. Oltarschewski, der 1935 den Wettbewerb für eine Neuauflage gewann, wollte die WSChW als Parade-Beispiel für standardisierte Bauweise in der Landwirtschaft gestalten. Während der Planung wurde jedoch beschlossen, dass die Ausstellung nicht 100 Tage, sondern fünf Jahre dauern sollte. Angesichts der neuen Aufgabe, ein ewig leuchtendes Beispiel sowjetischer Architektur zu errichten, erschienen die geplanten hölzernen Pavillons als Akte der Sabotage. Die Eröffnung wurde verschoben, Oltarschewski verhaftet: die politischen Säuberungen der Jahre 1937 und 1938 erfassten die Ausstellungsplaner.
Sowjetunion en miniature
Ein neues Team um Sergej Tschernyschew gestaltete die Ausstellung zwischen 1937 und 1939. Die neue Version zeigte neoklassizistische, reich mit Ornamenten verzierte Bauten und die Kolossalskulptur Arbeiter und Kolchosbäuerin von Vera Muchina und Boris Iofan, die bereits den Pavillon an der Weltausstellung in Paris 1937 geschmückt hatte.5 Die Ausstellung wurde 1939 zum zehnten Jahrestag des Beginns der Kollektivierung eröffnet.
Das Gelände war als idealer Staat angelegt, mit einem palastartigen Zentralpavillon und dem Platz der Kolchosen, um den sich die Pavillons der Republiken mit ihren Musterpflanzungen scharten.
Der als Narrativ angelegte Rundgang ermöglichte den Besuchern eine virtuelle Reise durch die Sowjetunion en miniature: Am ersten Tag würden die Besucher den zentralen Teil mit den Pavillons der Republiken besichtigen; am zweiten Tag die Pavillons für Ackerbau und Viehzucht mit ihren exotischen Früchten, seltenen Gänsen und Schweinesorten. Der dritte Tag schließlich gehörte der Unterhaltung und Erholung im Vergnügungspark mit seinen Cafés und Restaurants.
Dadurch wurden die Besucher mit einem Bild des Landes und mit einer Standard-Auswahl von Schlussfolgerungen über die ausgestellten Republiken und ihre Bewohner versorgt.
Ein Triumphtor zur Erinnerung an den Sieg
Nach dem Krieg, zwischen 1950 und 1954, wurde die Ausstellung im Stil des so genannten patriotischen Monumentalismus umgebaut und erhielt ein Triumphtor – zur Erinnerung an den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg. Der Platz der Kolchosen wurde erweitert um die drei annektierten baltischen Republiken und geschmückt mit dem Brunnen der Völkerfreundschaft. Die von weiteren Pavillons der Republiken gesäumte zentrale Allee führte zum erweiterten Pavillon der Mechanisierung und zu den Themenpavillons für Ackerbau und Viehzucht.
Alle Pavillons im zentralen Teil der Ausstellung zeigten Dekorationen und Kunsthandwerk, die für ihre jeweiligen Regionen typisch waren. Vor jedem Pavillon befanden sich ein Hof und ein Garten mit Pflanzen aus der Region. Der daran anschließende Erholungspark mit Cafés und Restaurants war ein Wunder der Landschaftsarchitektur mit märchenhaft anmutenden Pavillons wie der Nachbildung einer Eisgrotte für den Verkauf von Speiseeis.6
Nationale Leistungsschau mit Kosmos-Pavillon
Die Ausstellung wurde 1958 geschlossen, umgebaut und 1959 unter der Bezeichnung Ausstellung der Errungenschaften der Volkswirtschaft der UdSSR als nationale Leistungsschau wiedereröffnet. Der Pavillon der Mechanisierung war zum Kosmos-Pavillon geworden. Ganz im Trend der internationalen Entwicklung diente die WDNCh der Popularisierung von Wissenschaft und Technik.7 Im Jahr 1967, zum 50. Jahrestag der Revolution von 1917, erfolgten weitere Vergrößerungen und Verbesserungen, ebenso zu den Olympischen Spielen in Moskau 1980.
In der Ausstellung lebte der Monumentalismus fort. Der Versuch, von der thematischen Ausstellung zur Wechselausstellung überzugehen, führte allerdings zum Verlust des Gesamteindrucks. Auch die finanziellen Mittel flossen seit der Breshnew-Zeit nicht mehr so üppig, so dass sich der Gesamtzustand schleichend verschlechterte.
Wichtiger Erinnerungsort
In den 1990er Jahren wurden die Pavillons vermietet, teilweise in Geschäftslager umgebaut oder für Messen und Konsumgüterausstellungen genutzt. Auf dem Gelände wurde ein Vergnüngungspark untergebracht. Viele wertvolle Ausstellungsstücke, unter allem aus dem Pavillion „Kosmos”, wurden in dieser Zeit zerstört oder landeten auf dem Schrott.
In den 1990er Jahern werden unter den Augen Juri Gagarins Saatgut und Handtaschen verkauft. Foto: Ilya Varlamov / Varlamov.ru
Heute bedient das Gelände als wichtiger russischer Erinnerungsort aktuelle Identitätsbedürfnisse: Es war wie die Moskauer Metro oder das Ferienlager Artek auf der Krim Teil eines Systems perfekter Orte, an denen bereits in der sowjetischen Gegenwart die lichte Zukunft besichtigt und genossen werden konnte.8 Sie waren zu Sowjetzeiten sehr populär und erinnern heute an den vergangenen Großmachtstatus in Verbindung mit Freizeit und Vergnügen.
Die WDNCh steht seit 2014 unter Denkmalschutz und wird derzeit fein säuberlich auf den neuesten Stand gebracht: entrümpelt, restauriert, aber auch um angrenzende Areale erweitert und verändert.
1. Rydell, Robert W. und Nancy Gwinn (Hg.) (1994): Fair Representations. World’s Fairs and the Modern World. Amsterdam; Greenhalgh, Paul (1988): Ephemeral vistas. The Expositions Universelles, Great Exhibitions and World’s Fairs, 1851-1939, Manchester; Swift, Anthony (1998): The Soviet World of Tomorrow at the New York World’s Fair, 1939, in: The Russian Review 57, S. 364-79; Morton, Patricia (2000): Hybrid modernities. Architecture and Representation at the 1931 Colonial Exposition, Paris, Cambridge, Mass.
3. Yengoyan, Aram A. (1994): Culture, Ideology and World’s Fairs: Colonizer and Colonized in Comparative Perspectives, in: Rydell, Gwinn, Fair Representations, S. 62-83, hier S. 81
4. Starr, S. Frederick (1978): Melnikov. Solo architect in a mass society, Princeton, N.J. S. 57; Posochin, V. und Baranov, N. et al. (1968): Sovetskaja Architektura za 50 let., Moskau
5.Zinov’ev, A. (2014): Ansambl’ VSChV. Architektura i stroitel’stvo. Moskau.; Papernyj, V. (1996): Kul’tura dva. Moskau, S. 196-197; Castillo, G. (1995): Peoples at an Exhibition: Soviet Architecture and the National Question, in: South Atlantic Quarterly 94 (3), S. 715-746 (Special issue: Socialist Realism without Shores. Hg. von Thomas Lahusen und Evgeny Dobrenko), hier S. 728
6.Olenčenko, N. (2002): Vystavka-prodaža/The Soviet Trade Show, in: Proekt Rossija 23, S. 78
7.Schroeder-Gudehus, Brigitte und Cloutier, David (1994): Popularizing Science and Technology During the Cold War. Brussels 1958, in: Rydell, Gwinn, Fair Representations, S. 157-180
8.Foucault, M. (1991): Andere Räume, in: Stadt-Räume. Hg. von Martin Wentz. Frankfurt a. M. usw. , S. 65–72; Ryklin, M. (2003): Räume des Jubels. Totalitarismus und Differenz, Frankfurt a. M.
Am 07. November 1917 brach in Russland eine neue Zeitrechnung an. Wie haben die russischen Zeitungen damals über die Oktoberrevolution berichtet? Eine Historische Presseschau aus dem Archiv der Russischen Nationalbibliothek.
Am 25. Januar 1755 wurde sie auf Initiative des Universalgelehrten Michail Lomonossow gegründet: Die Staatliche Universität Moskau ist nicht nur die älteste, sondern auch die wichtigste und renommierteste Hochschule Russlands. Das Gründungsdatum am Tatjanin Den (dt. Tatjana-Tag) wird bis heute in Russland als Feiertag der Studierenden begangen.
Blickt man auf die Silhouette von Moskau, so werden die bunten Zwiebeltürme der Basilius-Kathedrale und die goldenen Kuppeln des Kreml überragt von den aufstrebenden Turmspitzen der Hochhäuser aus der Stalinära. Sie sind sprechende Zeugnisse des Zeitgeschmacks, mehr aber noch eines politischen Systems, das auf Einschüchterung und Ausbeutung der Bevölkerung einerseits und staatlich verordneter Verherrlichung des woshd („Führers“) andererseits abzielte.
Sein Name ist untrennbar mit seinem größten Coup verbunden – dem Schwarzen Quadrat (1915, Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau). Sein im doppelten Sinn ikonisches Gemälde stellt eine Tabula rasa für das Medium Malerei dar und bildet gleichzeitig den Ausgangspunkt für die Entwicklung einer gegenstandslosen Abstraktion, die bis heute andauert. Malewitsch verstarb am 15. Mai 1935.
Heute vor 77 Jahren verstarb in Moskau Wassily Kandinsky. Miriam Leimer über den Künstler, der mit seiner abstrakten Malerei ein zentraler Akteur der Moderne war.
Die Peredwishniki (dt. Wanderer) waren die erste unabhängige Künstlervereinigung Russlands. Künstler wie Ilja Repin, Viktor Wasnezow und Iwan Schischkin organisierten ab 1870 in ganz Russland Wanderausstellungen mit Motiven aus dem Leben der einfachen Bevölkerung. Die Arbeiten der Gruppe standen für ein erwachendes Heimatgefühl, griffen aber auch sozialkritische Aspekte auf.
Nach europäischem Vorbild wurde 1757 in St. Petersburg die Kaiserliche Akademie der Künste gegründet. Die langjährige Ausbildung der Maler, Bildhauer, Graphiker und Bildhauer folgte strengen formalen und thematischen Vorgaben. Der Akademie war die wichtigste Instanz für Geschmack und ästhetisches Empfinden. Erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde ihre Monopolstellung in künstlerischen Belangen aufgebrochen.
Der Tschistoprudny bulwar ist Teil des Boulevardrings im Zentrum Moskaus. Er ist aufgrund seiner zentralen Lage ein beliebter Ort zum Flanieren und Verweilen und war während der Regierungsproteste 2011/12 Schauplatz von Demonstrationen und Protestaktionen.
weitere Gnosen
Um unser Webangebot stetig zu verbessern, nutzen wir Cookies. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung. Sind Sie mit der Verwendung von Cookies einverstanden?