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Maria Sacharowa

Mit schrillen Auftritten und aggressiver Rhetorik hat die Sprecherin des russischen Außenministeriums einen neuen Stil in der russischen Diplomatie geprägt. 

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Kontrollverlust – Der Volksaufstand vom Juni 1953

Die größte Gefahr für Diktaturen besteht im Verlust der Kontrolle. Um dieser Herausforderung zu begegnen, brauchen sie Infrastrukturen der Überwachung und der Unterdrückung – stets in der Hoffnung, dass sie im Moment der Bedrohung Wirkung zeigen. Der Volksaufstand vom Juni 1953 in der DDR war eine solche Ausnahmesituation, in der die SED-Diktatur existenziell herausgefordert wurde. Diese Ereignisse sind für die Geschichte der DDR von zentraler Bedeutung. Zugleich sind sie Teil einer transnationalen Geschichte des Widerstands gegen kommunistische Diktaturen und stehen in einer Kontinuitätslinie, die von 1917 bis 1989/91 reicht. So unterschiedlich Proteste und Aufstände gegen Ordnungen sowjetischen Typs im Einzelnen verliefen, legten sie doch stets deren Fragilität und Schwäche bloß. Auch deshalb folgten staatliche Reaktionen auf massenhafte Manifestationen des Unmuts immer gleichen Mustern: Um Autorität zu demonstrieren und ihren Herrschaftsanspruch durchzusetzen, setzten die Machthaber auf Zwang und physische Gewalt. Aus einer solchen Perspektive handelte es sich beim Einsatz von sowjetischen Panzern und Soldaten gegen die Demonstrierenden auf den Straßen und Plätzen ostdeutscher Städte letztendlich um eine „normale“ Reaktion sozialistischer Regime angesichts des drohenden Kontrollverlusts. Gleichzeitig blieb der Aufstand vom Juni 1953 für die führenden Kommunisten in der DDR eine traumatische Erfahrung, die ihr Denken und Handeln bis zum Zusammenbruch des Staates beeinflusste. 

Seit Beginn des Jahres 1953 spitzte sich die ökonomische und soziale Krise in der DDR zu. Eine wesentliche Ursache für die zunehmende Schieflage war der seit Sommer 1952 offiziell forcierte Kurs zum „Aufbau des Sozialismus“. Konkret bedeutete dies: Zwangskollektivierung, Fokussierung auf die Schwerindustrie und die Verstärkung politischer Repression. Insbesondere auf dem Land wuchs die Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung massiv. Angesichts dieser Zwänge stimmten viele Menschen mit den Füßen ab und flohen aus dem „Paradies der Arbeiter und Bauern“ gen Westen.

Parallel dazu wurde das Schicksal des jungen deutschen sozialistischen Staats in Moskau diskutiert. 1952 und unmittelbar nach Stalins Tod im März 1953 ließ die Sowjetunion Anzeichen von Verhandlungsbereitschaft über die Zukunft der DDR erkennen. Im Kern ging es darum, ob und unter welchen Bedingungen eine Wiedervereinigung Deutschlands denkbar war.1 Die Ernsthaftigkeit dieser Angebote ist bis heute umstritten. Nicht nur in Bonn, London und Washington wurden die ambivalenten Signale registriert, sondern auch in der DDR glaubten manche, über die Zukunft des ostdeutschen Teilstaates sei in Moskau noch nicht abschließend entschieden worden. 

Dies hing auch damit zusammen, dass im Frühjahr 1953 die Machtkonstellation in der sowjetischen Führung nach dem Tode Stalins neu ausgehandelt wurde. In diesen Auseinandersetzungen war das Schicksal des ostdeutschen Teilstaats nur eine Frage unter vielen. 

„Neuer Kurs“

Erst im Mai 1953 rangen sich die Erben des Diktators zu einer Entscheidung durch: Die forcierte Durchsetzung des Sozialismus in der DDR sollte gestoppt werden. Die SED-Führung wurde nach Moskau zitiert, wo den konsternierten Genossen die Kernelemente des „neuen Kurses“ diktiert wurden: Die Zwangskollektivierung wurde gestoppt, Preiserhöhungen zurückgenommen und Steuern reduziert. Der verordnete Politikwechsel fiel derart radikal aus, dass viele glaubten, er würde die Herrschaft des SED-Generalsekretärs Walter Ulbricht beenden. 

Doch wie sich bald zeigen sollte, standen nun nicht mehr einzelne Karrieren, sondern die Existenz der SED-Diktatur an sich auf dem Spiel. 

Am 11. Juni wurde im Parteiorgan Neues Deutschland der „Neue Kurs“ veröffentlicht. Mit ihm zerbrach die fragile Stabilität der DDR-Gesellschaft: Viele Menschen verstanden die Ankündigungen als Bankrotterklärung des Staates und fragten erbost, weshalb die führenden SED-Kader keine Konsequenzen aus diesem Eingeständnis ihres Scheiterns zogen. Andere triumphierten angesichts der Rücknahme der Zwangskollektivierung und weiterer Repressionen. In der Arbeiterschaft herrschte hingegen vielfach Unzufriedenheit, denn ausgerechnet die kurz zuvor verkündete Erhöhung der Arbeitsnormen blieb von den Reformen ausgenommen. Aus Unzufriedenheit wurde offener Protest. Es entstand eine Eskalationsdynamik, die vor allem von Dörfern und kleineren Städten ausging.2

Kontrollverlust

Die Partei verlor zunehmend die Kontrolle. Aus allen Teilen der Republik gingen alarmierende Berichte ein, so hieß es beispielsweise in einem SED-Lagebericht vom 12. Juni: „Das Kommuniqué des Politbüros wurde von den Großbauern in allen Bezirken unserer Republik mit offener Schadenfreude aufgenommen. Sie führten wüste Saufgelage durch, schüchterten teilweise die Genossenschaftsbauern ein und versuchten durch offene Benutzung der RIAS-Argumente Verwirrungen unter den Genossenschafts- und werktätigen Bauern zu stiften.“3 Der in West-Berlin ansässige „Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen“ erhielt am 13. Juni die Information, „dass in der Kreisverwaltung Königs Wusterhausen unter den Funktionären der SED ein kopfloses Durcheinander herrscht. Die Funktionäre wissen nicht, wie sie sich für die Zukunft verhalten sollen.“4 Aus Brandenburg an der Havel hieß es am selben Tag: „Am 12.6. versammelten sich gegen Abend etwa 200 bis 300 Einwohner […] vor dem […] Gefängnis. […] Die Menschenmenge erwartete die Freilassung von Gefangenen. Transportarbeiter […] waren mit Blumen und Transparenten erschienen, um ihren inhaftierten Chef „heimzuholen“. Es herrschte viel Geschrei und eine absolut aufsässige Stimmung gegen die Volkspolizei. Einige Volkspolizisten wurden verprügelt. Ein herbeigerufenes Überfallkommando traute sich nicht vom Wagen herunter.“5 

In den folgenden Tagen beruhigte sich die Lage nicht, im Gegenteil. Am 16. Juni legten die Bauarbeiter auf der Ost-Berliner Stalinallee zunächst die Arbeit nieder, um gegen erhöhte Arbeitsnormen zu protestieren. Am folgenden Tag riefen sie gar zum Generalstreik auf. Diese Nachricht verbreitete sich in der gesamten DDR wie ein Lauffeuer. Doch zu der massenhaften Erhebung am 17. Juni konnte es nur deswegen kommen, weil es vielerorts bereits seit Tagen Proteste gab und unablässig Gerüchte die Runde machten. In einem Bericht der „Organisation Gehlen“, der Vorläuferorganisation des BND, hieß es dazu: „Der Aufstand hatte nicht nur Ost-Berlin, sondern die gesamte Zone erfasst. Die Unruhen vom 17. Juni, die in der ganzen Welt einen Widerhall fanden, waren kein spontaner Akt, sie waren zwar der Höhepunkt, aber dennoch nur eine Phase im Ablauf von Ereignissen, die schon mehrere Tage vorher begonnen hat und die eine Vorgeschichte haben.“6

Zu der massenhaften Erhebung am 17. Juni konnte es nur deswegen kommen, weil es vielerorts bereits seit Tagen Proteste gab und unablässig Gerüchte die Runde machten / Foto © 70 Jahre DDR-Volksaufstand/Bundesstiftung Aufarbeitung, Eastblockworld, 1212152Vielfach angeführt von den Belegschaften großer Betriebe, demonstrierten am 17. Juni 1953 abertausende Menschen überall in der DDR. Ihre Motive waren unterschiedlich. Während einige ihren Protest gegen die SED-Herrschaft artikulierten („Spitzbart, Bauch und Brille sind nicht des Volkes Wille“) oder konkrete Forderungen erhoben, feierten andere bereits das vermeintliche Ende der Diktatur.  

„Ulbrichtknechte“

Das Zentrum des Aufstands war Berlin, doch auch in allen anderen Bezirken der DDR kam es zu Protesten, Demonstrationen und Ausschreitungen. So etwa in der sächsischen Kleinstadt Niesky. Ein Bericht der Staatssicherheit beschrieb die Ereignisse dort folgendermaßen: „Die Demonstration bewegte sich nach dem Zinssendorfplatz. Dort drangen die Demonstranten bei geringem Widerstand in das Gebäude der SED-Kreisleitung ein und zerstörten einen Teil der Einrichtung. Führende Genossen wurden misshandelt. Der I. Parteisekretär flüchtete in das VPKA [Volkspolizeikreisamt –dek] Niesky. Danach zogen die Demonstranten zum Gebäude des Ministeriums für Staatssicherheit. Da von Seiten des Dienststellenleiters und der Mitarbeiter keine ausreichenden Maßnahmen zur Sicherung der Dienststelle getroffen wurden, gelang es den Banditen nach längerer Zeit, das Gebäude zu stürmen und unsere Mitarbeiter niederzuschlagen.“7

Dramatisch auch die Schilderung eines Angehörigen der „Kasernierten Volkspolizei“, dessen Einheit in die Kleinstadt Hohenstücken beordert wurde, um dort den Aufstand niederzuschlagen: „Wir wurden mit Steinen beworfen und als ‚Ulbrichtknechte‘ beschimpft. Fahnen wurden verbrannt und in den Schmutz getreten. […] Aus den Fenstern des Amtes flogen Aktenordner und Papiere. Im Haus tobte eine unbekannte Personengruppe. Die Volkspolizisten des Amtes hatten sich in die oberste Etage zurückgezogen und leisteten Widerstand. Vor dem Amtsgebäude lag ein toter Zivilist. An einem Laternenmast hing ein Seil mit Schlinge und die grölende Menge forderte, den Täter auszuliefern, um ihn öffentlich zu richten. Angeblich ein Volkspolizist, der geschossen haben sollte. […] Auf den Treppen entwickelte sich ein kurzer Kampf – Mann gegen Mann. Die Gewalttäter gingen mit Brandhaken und Feuerwehräxten gegen uns vor. Wir versuchten, sie mit Gewehrkolben zurückzudrängen bzw. mit Körpergewalt zu überwältigen. Dieses Handgemenge dauerte ca. 30-40 Minuten. Die Festgenommenen waren in einem Raum zusammengefasst. […] Der Aufruf an die Menge erfolgte, die Festgenommenen wurden freigelassen und tauchten sofort in der Menge unter. Jedoch anstelle einer Auflösung verschärfte sich die Situation, darunter die Drohungen gegen uns. […] Die Menge tobte weiter. Auf uns prasselten Rufe nieder wie: ‚Was wollt ihr noch? Ulbricht und die Bonzen sind längst nach Moskau abgehauen! Geht nach Hause, ihr habt hier nichts mehr zu verrichten!‘“8

„Ulbricht und die Bonzen“ befanden sich zu diesem Zeitpunkt zwar nicht in Moskau, wohl aber unter sowjetischem Schutz im Berliner Bezirk Karlshorst. Nur hier waren die führenden Genossen sicher, die ohnmächtig miterleben mussten, wie sich Teile der Bevölkerung – und keineswegs nur Arbeiter – gegen sie erhoben. 

Den Aufstand bekämpfen 

Ohne das energische Eingreifen der „Freunde“ wäre der Fortbestand der SED-Herrschaft gefährdet gewesen, doch dies war aus sowjetischer Sicht keine Option. Nachdem die ersten Nachrichten von den Berliner Unruhen bei den sowjetischen Behörden eintrafen, ergriff Moskau die Initiative. Dort gab es keinen Zweifel, dass der Aufstand mit allen Mitteln niedergeschlagen werden musste. Der Geheimdienstchef Lawrenti Berija persönlich erteilte die Befehle. Die sowjetische Führung, die noch Tage zuvor im Begriff gewesen war, die Führungsriege um Ulbricht fallenzulassen, tat nun alles dafür, den ungeliebten Genossen – und damit auch den ostdeutschen Staat – zu retten. 

In Moskau gab es keinen Zweifel, dass der Aufstand mit allen Mitteln niedergeschlagen werden musste / Foto © 70 Jahre DDR-Volksaufstand/Bundesstiftung Aufarbeitung, Eastblockworld, 1212156Gegen Einheiten der ostdeutschen Kasernierten Volkspolizei und der Roten Armee vermochten die Aufständischen letztlich nichts auszurichten. Auch wenn zahlreiche Einheiten der insgesamt 500.000 Soldaten umfassenden sowjetischen Besatzungstruppen alarmiert beziehungsweise eingesetzt wurden und über die meisten ostdeutschen Landkreise der Ausnahmezustand verhängt wurde, konzentrierte sich der sowjetische Militäreinsatz auf und um Berlin. Allein hier waren am 17. Juni rund 600 Panzer im Einsatz.9 Insgesamt kamen im Kontext des Volksaufstands mehr als 50 Personen ums Leben; 34 davon wurden nachweislich erschossen oder starben an den Folgen ihrer Verletzungen.10 

Am Abend des 17. Juni war in Berlin die „Ordnung weitgehend wieder hergestellt“ und in den folgenden Tagen flauten die Unruhen auch in den anderen Teilen der DDR allmählich ab. Die Unzufriedenheit blieb jedoch bestehen; immer wieder streikten in den folgenden Monaten ganze Betriebsbelegschaften oder verweigerten den Parteileitungen die Gefolgschaft. 

Die Abrechnung

Sowjetische Truppen und Kasernierte Volkspolizei waren kaum in die Kasernen zurückgekehrt, da begann die Abrechnung. Für die Kommunisten schien die Sache eindeutig: Der Aufstand war von außen geschürt worden. In einem SED-internen Bericht hieß es, „feindliche Kräfte unter direkter Beteiligung und Führung amerikanischer Stellen und der Volksfeinde in Bonn [organisierten] in der Zeit vom 16. bis 22.6.53 den Versuch eines faschistischen Umsturzes in der DDR.“  Nicht nur intern, sondern auch in offiziellen Verlautbarungen verwies die DDR immer wieder auf den Einfluss des Rundfunksenders RIAS, der von Westberlin aus die Geschehnisse angeheizt und manipuliert habe.

Wo es Organisatoren gab, mussten auch Schuldige gefunden werden. Aus diesem Grund wurden in den folgenden Monaten mehr als 1500 „Provokateure des Putsches“ vor Gericht gestellt und zumeist verurteilt. Doch weder Propaganda noch Justiz konnten darüber hinwegtäuschen, dass die SED und ihr Machtapparat eine empfindliche Niederlage erlitten hatten und bloßgestellt worden waren. In einem Bericht der Staatssicherheit zu den Ereignissen im Bezirk Dresden hieß es etwa: „Es ist festzustellen, dass [...] am 17.6., die Betriebsparteiorganisationen unserer Partei zum großen Teil versagt haben. Die Funktionäre waren zum Teil ratlos und entwickelten keinerlei Initiative, um die Lage zu klären. Es gibt auch Beispiele, dass Parteisekretäre bei der Verfassung von sogenannten Resolutionen dabei waren und zustimmten. Es zeigte sich, dass der Einfluss der Partei auf die Massen vollkommen ungenügend war und somit in vielen Fällen die führende Rolle der Partei nur theoretisch, aber nicht praktisch existiert.“ In einigen Fällen hätten etwa die Arbeiter nur noch mit „Gejohle und Geschrei auf die ‚Phrasen‘“ der Funktionäre reagiert.11 

Moskauer Bilanzen

Auch in Moskau wurde Bilanz gezogen. Während in der Parteizeitung Prawda formelhaft von „Provokateuren“ und „Faschisten“ die Rede war, die hinter den Ereignissen steckten, wurde der Aufstand auf höchster politischer Ebene instrumentalisiert. Anfang Juli 1953 versammelte sich das Zentralkomitee der KPdSU zu einem Plenum, um mit dem wenige Tage zuvor verhafteten ehemaligen Geheimdienstchef Lawrenti Berija abzurechnen. Zu den zahlreichen ihm zur Last gelegten Vergehen gehörte unter anderem auch der Vorwurf, er habe die DDR preisgeben und eine Wiedervereinigung unter „bürgerlichen“ Vorzeichen forcieren wollen. Berija wurde einige Monate später hingerichtet, weil er die Stabilität der sowjetischen kollektiven Führung gefährdete.12 

Berijas Ende und der Volksaufstand hingen zunächst nur mittelbar miteinander zusammen. Doch beide Ereignisse trugen entscheidend dazu bei, dass die Frage einer (partiellen) Herauslösung der DDR aus dem sowjetischen Machtbereich bis 1989 nicht mehr zur Debatte stand. Zugleich wurde die Herrschaft Walter Ulbrichts, die zuvor auf tönernen Füßen gestanden hatte, durch die Protestwelle stabilisiert: Die Sowjetunion konnte es sich nicht leisten, Risse in ihrem Herrschaftsgefüge sichtbar werden zu lassen, obgleich die Kritik hinter verschlossenen Türen nicht abriss.13

„Ist es so, dass morgen der 17. Juni ausbricht?“

Der Kontrollverlust, der im Juni 1953 offenbar geworden war, war für die Genossen ein Schock. Fortan bestimmte der „Tag X“ ihr Denken und Handeln. Der Ausbau paranoid anmutender Überwachungs- und Repressionsapparate in der DDR – und die stets präsente Sorge, diese könnten im entscheidenden Moment versagen – lässt sich nicht zuletzt auf diese prägende Erfahrung zurückführen. In der oft zitierten Frage Erich Mielkes in einer Lagebesprechung im August 1989 „Ist es so, dass morgen der 17. Juni ausbricht?“ wird dies unmittelbar deutlich. Die Antwort eines Stasioffiziers „Der ist morgen nicht, der wird nicht stattfinden, dafür sind wir ja auch da“, vermochte Mielke vielleicht für den Augenblick zu beruhigen, verkannte indes den Ernst der Lage.14 Denn im Unterschied zum Juni 1953 war die Sowjetunion im Herbst 1989 nicht mehr bereit, die DDR-Führung zu unterstützen. Damit aber war die SED-Herrschaft am Ende, weil sie ein entscheidendes Mittel zur Machtsicherung verloren hatte.  


1.Scherstjanoj, Elke (1998): Die sowjetische Deutschlandpolitik nach Stalins Tod 1953. Neue Dokumente aus dem Archiv des Moskauer Außenministeriums, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 46/3 (1998), S. 497-549 
2.Schöne, Jens (2023): Jenseits der Städte. Der Volksaufstand vom Juni 1953 in der DDR, Erfurt. Für eine Interpretation, die davon ausgeht, dass der Aufstand von Berlin ausging vgl. bspw.: Diedrich, Torsten (2003): Waffen gegen das Volk. Der 17. Juni in der DDR, München 
3.SED: Lagebericht Nr. 4, 12.6.1953, in: Heydenreich, Ronny (Hrsg.): Der 17. Juni 1953. Berichte über den Volksaufstand aus Ostberlin und Bonn, Bd. 1 Berlin 2023, S. 110-117 
4.Bericht von „Hans Kraft“ (UfJ) über die Stimmung in der SED-Kreisleitung Königs Wusterhausen, 13.6.1953, in: Heydenreich (Hrsg.), Der 17. Juni 1953, Bd. 1, S. 287f. 
5.Bericht von „A79/Dr. B. (UfJ) über die Gefangenenentlassung in Brandenburg/Havel, in: Heydenreich (Hrsg.), Der 17. Juni 1953, Bd. 1, S. 289f. 
6.Organisation Gehlen: Einschätzung über den Volksaufstand, 29.6.1953, in: Heydenreich (Hrsg.), Der 17. Juni 1953, Bd. 3, S. 156-165 
7.Stasi Mediathek: Gesamtübersicht über die Ereignisse in den Tagen um den 17. Juni 1953 im Bezirk Dresden 
8.zit. Nach: Diedrich, Waffen gegen das Volk, S. 94f. 
9.Diedrich, Waffen gegen das Volk, S. 167-172 
10.bpb.de: Die Toten des Volksaufstands vom 17. Juni 1953 
11.Stasi Mediathek: Gesamtübersicht über die Ereignisse in den Tagen um den 17. Juni 1953 im Bezirk Dresden 
12.Zur kollektiven Führung nach Stalins Tod: Wagner, Martin (2023): Stalins Tod und das Ende der Allmacht. Zur Transformation totalitärer Herrschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 20-21/2023, S. 35-40 
13.Novik, F.I. (2006): SSSR i sobytija v GDR v ijune 1953g, in: Sacharov, A.N. (Hg.): Trudy Instituta rossijskoj istorii, t. 6, Moskva, S. 305-326 
14.Wolle, Stefan (1996): „Ist es so, dass morgen der 17. Juni ausbricht?“ Der Volksaufstand in der DDR als Trauma, Hoffnung und Menetekel, in: Kirchliche Zeitgeschichte, 9/1 (1996), S. 111-118 
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