Nach der Vereinbarung einer Waffenruhe in Syrien beschäftigen sich die russischen Medien mit den Chancen und Risiken dieser Einigung. Innenpolitisch sorgte Oppositionspolitiker Ilja JaschinIlja Jaschin (geb. 1983) ist einer der sichtbarsten Aktivisten der liberalen Opposition. Von 2010 bis 2012 war er Mitglied der Partei Jabloko, danach wechselte er zur Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Dort führte er das Moskauer Büro an, bevor er PARNAS Ende 2016 wegen interner Querelen verließ. 2017 schloß sich Jaschin der Vereinigten demokratischen Bewegung Solidarnost an. Bei den Moskauer Kommunalwahlen 2017 holte sein Team im Bezirk Krasnoselski sieben von zehn Sitzen. mit seinem Bericht über Korruption in TschetschenienDas russische Föderationssubjekt Republik Tschetschenien liegt im Nordkaukasus, zwischen Inguschetien im Westen und Dagestan im Osten. Die islamisch geprägte Republik ist nach einer kurzen Zeit der Unabhängigkeit und zwei Kriegen Teil Russlands. Sie umfasst ein Territorium von 15.600 Quadratkilometern und ist damit etwa so groß wie Thüringen. Nach offiziellen Angaben leben rund 1,3 Millionen Menschen in Tschetschenien. Die Republik ist eine der ärmsten Regionen Russlands und eine mit den massivsten Verstößen gegen Menschenrechte. Als Oberhaupt der Republik ist seit 2007 Ramsan Kadyrow im Amt. Mehr dazu in unserer Gnose und die Privatarmee des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow für Aufruhr. Außerdem: Die Russen feiern den Tag des Vaterlandsverteidigers mit der Präsentation allerlei neuen Kriegsgeräts.
Russland und USA verkünden Einigung. Rechtzeitig zum Tag des Vaterlandsverteidigers am 23. Februar konnte Präsident Wladimir Putin eine gemeinsam mit den USA erzielte Einigung über eine Feuerpause in Syrien verkünden. Beide Ereignisse, der Feiertag wie die Einigung zu Syrien, fanden in den Medien ausführlich Platz. Der Kommersant sieht in Syrien einen großen diplomatischen Sieg für Moskau. Die USA seien nach den bereits fünf Monate andauernden Luftschlägen gezwungen, Russland als gleichberechtigten Partner anzuerkennen. Der am 27. Februar in Kraft tretende Waffenstillstand ist allerdings nicht verbindlich. Die bewaffneten Gruppierungen müssen ihre Beteiligung entweder Moskau oder Washington melden. Der sogenannte Islamische Staat und andere Terrorgruppen, welche von der UNO als solche eingestuft wurden, sind explizit davon ausgenommen, schreibt die Zeitung weiter. Gegen diese werde die Militäraktion weitergeführt.
Nach einem Telefonat mit Putin sicherte auch Syriens Präsident Bashar al-Assad die Bereitschaft seiner Regierung zur Unterstützung der Waffenruhe zu. Kremlnahe Medien sprechen von einer ehrlichen Chance, das Blutvergießen zu beenden. Auch die syrische Bevölkerung wolle Frieden, berichtet die Komsomolskaja PrawdaKomsomolskaja Prawda ist eine russische Tageszeitung mit Sitz in Moskau mit einer verkauften Auflage von rund 655.000 Exemplaren. Sie gilt als ein Kreml-nahes Boulevardblatt. in einer Reportage aus Latakia, wo sich eine russische Militärbasis befindet. Von Versöhnung oder Friedensverhandlungen ist allerdings nicht die Rede. Vielmehr sollen die bewaffneten Kämpfer nun an der Seite der offiziellen syrischen Armee weiter gegen den Islamischen Staat kämpfen, fordert einer der Gesprächspartner der Komsomolskaja PrawdaKomsomolskaja Prawda ist eine russische Tageszeitung mit Sitz in Moskau mit einer verkauften Auflage von rund 655.000 Exemplaren. Sie gilt als ein Kreml-nahes Boulevardblatt..
Die Absicht hinter dieser Deeskalationsstrategie scheint klar: Das Ziel der russischen Militäroperation in Syrien wurde erreicht, das Assad-Regime stabilisiert und das von ihm kontrollierte Gebiet vergrößert, analysiert das unabhängige Magazin Slon. Um die umkämpfte Stadt Aleppo einzunehmen, reichen die Kräfte des Regimes jedoch nicht. Lässt sich Russland stärker in den Konflikt hineinziehen, riskiert Moskau damit weitere SanktionenAls Reaktion auf die Annnexion der Krim und Russlands militärisches Eingreifen in der Ostukraine beschlossen sowohl die USA als auch die EU im Jahr 2014 wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland. Im Juli 2017 beschlossen die USA zudem, Russland für die Angliederung der Krim, die mutmaßliche Einmischung in den US- Präsidentschaftswahlkampf und für die Unterstützung Baschar al-Assads im syrischen Bürgerkrieg zu bestrafen. Die neuen beziehungsweise modifizierten Sanktionen können bei voller Umsetzung nachhaltig Russlands Rohstoffgeschäft schädigen (das einen großen Teil des Staatshaushalts ausmacht). Mehr dazu in unserer Gnose , schreibt das Magazin weiter. An der Einhaltung der Waffenruhe, wird sich laut Vedomosti zeigen, wie groß der Einfluss Moskaus und Washingtons auf ihre jeweiligen Verbündeten in Syrien ist. Die Positionierung Moskaus neben Washington als zweiter Garant für die Waffenruhe bringt auch Risiken mit sich, so die Zeitung. Kremlkritische Medien wie Meduza bewerten die Chancen für eine stabile Waffenruhe negativ.
Gefahr für die nationale Sicherheit. Ramsan KadyrowSeit 2007 ist Ramsan Kadyrow (geb. 1976) Präsident (seit 2010 offiziell „Oberhaupt“) der russischen Teilrepublik Tschetschenien. Seine Familie kämpfte zunächst für die tschetschenischen Separatisten, bis sie 1999 die Seite wechselte und sich in den Dienst der russischen Regierung stellte. Die moderat islamische Politik Kadyrows genießt weitgehende Unterstützung des Kreml, da Kadyrow mit harter Hand gegen islamistische Extremisten vorgeht. Dabei begehen seine Einsatzkräfte regelmäßig eklatante Menschenrechtsverletzungen., tschetschenischer Republikchef, ist aus den russischen Medien kaum mehr wegzudenken: Zum einen wegen der Ermordung des Oppositionspolitikers Boris NemzowsBoris Nemzow war einer der bekanntesten Politiker Russlands und galt als scharfer Kritiker Wladimir Putins. Am 27. Februar 2015 wurde Boris Nemzow in der Nähe des Kreml erschossen. Im Juni 2017 wurden fünf Tschetschenen wegen Mordes an Nemzow verurteilt. Das Urteil ist umstritten, da bis heute unklar ist, wer die Auftraggeber der Verurteilten sind. Mehr dazu in unserer Gnose , die sich am 27. Februar zum ersten Mal jährt und deren Spuren nach Tschetschenien führen – die Novaya Gazeta und TV Dozhd berichteten ausführlich über den Stand der Ermittlungen. Zum anderen veröffentlichte Ilja JaschinIlja Jaschin (geb. 1983) ist einer der sichtbarsten Aktivisten der liberalen Opposition. Von 2010 bis 2012 war er Mitglied der Partei Jabloko, danach wechselte er zur Partei der Volksfreiheit (PARNAS). Dort führte er das Moskauer Büro an, bevor er PARNAS Ende 2016 wegen interner Querelen verließ. 2017 schloß sich Jaschin der Vereinigten demokratischen Bewegung Solidarnost an. Bei den Moskauer Kommunalwahlen 2017 holte sein Team im Bezirk Krasnoselski sieben von zehn Sitzen., Vizepräsident der Oppositionspartei PARNASDie Republikanische Partei Russlands – Partei der Volksfreiheit, kurz RPR-PARNAS, ist eine liberal-demokratische Partei aus dem oppositionellen Spektrum. Sie ist 2012 aus der Fusion zweier Oppositionsparteien entstanden, konnte bisher jedoch kaum politische Wirkung entfalten. Der Ko-Vorsitzende der Partei Boris Nemzow wurde im Februar 2015 unter bisher ungeklärten Umständen in der Nähe des Kreml erschossen. PARNAS wird seitdem alleine von Michail Kassjanow geleitet. Mehr dazu in unserer Gnose , am Dienstag einen Bericht über die Korruption in der russischen Teilrepublik und über Kadyrows Privatarmee. Slon und The New Times haben die wichtigsten Punkte daraus zusammengefasst. Der Bericht schließt mit 20 Fragen, die Jaschin gerne vom tschetschenischen Machthaber beantwortet haben möchte. Hier die englische Übersetzung. Kadyrow reagierte auf Instagram: Es sei ein „Theater“, das Geschriebene „Geschwätz“, so der Republikchef, der sich damit brüstete, den Bericht noch vor der offiziellen Präsentation in Moskau veröffentlicht zu haben. In einem Radiointerview unterstellte Kadyrow Jaschin, bei seinem Besuch in Grosny mit niemandem gesprochen und bloß Klatsch aus dem Internet gesammelt zu haben. Erneut bedrohte er Jaschin als Volksfeind, die seien überhaupt die größte Gefahr für die nationale Sicherheit. Konsequenzen drohen Kadyrow dafür wohl kaum. Im Gegenteil: 31 Prozent der Russen respektieren den tschetschenischen Machthaber laut einer neuen Umfrage des staatlichen WZIOMDas Meinungsforschungsinstitut WZIOM veröffentlicht regelmäßig umfangreiche Umfragen zu politischen und sozialen Themen. Im Jahr 2003 wurde es von einem Forschungsinstitut in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die zu 100 Prozent dem Staat gehört. Inwieweit dies und die finanzielle Abhängigkeit von Regierungsaufträgen sich auf die Methoden und Ergebnisse der Studien auswirken, ist umstritten, insgesamt gilt das WZIOM aber als regierungsnah. Uneinigkeit herrscht auch darüber, ob Umfragen im gegenwärtigen politischen Klima überhaupt die Stimmung in der Bevölkerung repräsentativ abbilden können. Mehr dazu in unserer Gnose -Instituts. 2007 waren es gerade einmal elf Prozent. Kadyrow sei für alle Seiten nützlich, deshalb führe er sich so auf, sagt Alexej Malaschenko vom Moskauer Carnegie Center im Moskovski Komsomolets. Um das Problem Tschetschenien zu lösen, müsste Russland ein anderer Staat werden, konstatiert Malaschenko.
Tag des Vaterlandsverteidigers. Am Dienstag, den 23. Februar feierte Russland seine Armee. Anlässlich des inoffiziellen Männertags (offiziell arbeitsfrei) übte sich das Verteidigungsministerium im zeitgemäßen Rebranding, während das Staatsfernsehen neues Kriegsgerät zeigte und die friedensstiftenden Aspekte der russischen Armee hervorhob: „Wie haben sich unsere Armee und unsere Fähigkeit, die Welt zum Positiven zu verändern, verbessert“, leitete die Moderatorin den Beitrag in den Abendnachrichten ein. Kritischere Stimmen, wie die des Journalisten Oleg KaschinOleg Kaschin (geb. 1980) ist ein bekannter russischer Journalist. Er schreibt für verschiedene unabhängige Medien und gibt sich in seinen Artikeln betont kremlkritisch. Mutmaßlich wegen dieser Haltung wurde er bereits mehrmals Opfer von Gewalttaten. So schlugen ihn 2010 drei Menschen brutal zusammen, Kaschin musste sich einigen Operationen unterziehen. Wegen seiner häufigen Kritik an russischen Liberalen gilt Kaschin bei vielen von ihnen als Persona non grata. beklagen dagegen den Militarismus der russischen Gesellschaft, der anlässlich dieses Feiertags durchaus auch seltsame Blüten treibt. Was der Wehrdienst für eine Familie bedeuten kann, schildert auf Radio Svoboda eine Journalistin anhand der Erfahrungen ihres jüngeren Bruders in der sowjetischen Armee. Es wäre zynisch, würde sie ihm, wie in Russland üblich, zum Tag des Vaterlandsverteidigers gratulieren, vor allem seit der Annexion der KrimDie Krim ist eine Halbinsel im nördlichen Schwarzen Meer. Sie stand lange Zeit unter osmanischem Einfluss und wurde Ende des 18. Jh. von Russland erobert. In der Sowjetunion fiel die strategisch und kulturell wichtige und als Urlaubsdomizil beliebte Krim der Ukrainischen Sowjetrepublik zu. Die 2014 erfolgte Angliederung an Russland löste eine internationale Krise aus. Mehr dazu in unserer Gnose Als Krim-Annexion wird die einseitige Eingliederung der sich über die gleichnamige Halbinsel erstreckenden ukrainischen Gebietskörperschaft der Autonomen Republik Krim in die Russische Föderation bezeichnet. Seit der im Frühjahr 2014 erfolgten Annexion der Krim ist die Halbinsel de facto Teil Russlands, de jure jedoch ukrainisches Staatsgebiet und somit Gegenstand eines ungelösten Konfliktes zwischen der Ukraine und Russland. Mehr dazu in unserer Gnose . Positiv sei einzig, dass ihn seine Zeit in der Armee zum überzeugten Pazifisten gemacht habe.
Was in der nächsten Woche wichtig wird. Wir beobachten, ob der Waffenstillstand in Syrien eingehalten wird. Am Samstag findet in Moskau ein Gedenkmarsch für Boris NemzowBoris Nemzow war einer der bekanntesten Politiker Russlands und galt als scharfer Kritiker Wladimir Putins. Am 27. Februar 2015 wurde Boris Nemzow in der Nähe des Kreml erschossen. Im Juni 2017 wurden fünf Tschetschenen wegen Mordes an Nemzow verurteilt. Das Urteil ist umstritten, da bis heute unklar ist, wer die Auftraggeber der Verurteilten sind. Mehr dazu in unserer Gnose statt. Zudem muss die russische Regierung bei der Budgetplanung nachbessern. Laut Finanzminister Anton Siluanow fehlen sogar die Mittel für den Anti-Krisenplan.
Beatrice Bösiger aus Moskau für dekoder.org