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Tschüss, Russki Mir?!

Ende September ist der Krieg um Bergkarabach zwischen Aserbaidshan und Armenien wieder neu entflammt, zahlreiche Zivilisten und Soldaten sind dabei ums Leben gekommen. Nun kam die überraschende Wende: Beide Seiten einigten sich in der Nacht zum Dienstag unter Vermittlung Russlands auf ein gemeinsames Abkommen

Darin spiegelt sich die militärische Übermacht Aserbaidshans wider, die sich in den vergangenen Wochen deutlich zeigte: So sieht das Dokument etwa vor, dass Armenien sich teilweise aus Bergkarabach zurückzieht. Russland schickt knapp 2000 Soldaten, um den Frieden zu sichern – für zunächst fünf Jahre. Nachrichten, dass auch Aserbaidshans Verbündeter, die Türkei, Truppen entsende, dementierte der Kreml.

Während die Menschen auf Aserbaidshans Straßen einen Sieg feiern, kam es in Armenien zu heftigen Protesten. Armeniens Präsident Nikol Paschinjan bezeichnete das Abkommen als „unaussprechlich schmerzhaft für mich selbst und für unser Volk“. 

Was die Rolle Russlands, traditionelle Schutzmacht Armeniens, angeht, sind sich Beobachter allerdings uneins: Auch wenn die Türkei an dem Abkommen nicht beteiligt ist – den Einfluss in der Region muss Russland künftig mit Aserbaidshans wichtigstem Verbündeten teilen. Steht Russland mit Armenien also auf der Verliererseite?
Der russische Außenexperte Wladimir Frolow erklärte dem Nachrichtenportal Rambler, der Deal sei gut für Putin – unter der Voraussetzung, dass Russland nicht für Armenien in den Krieg ziehen will. Letzteres versteht Frolow als Ausdruck einer strategischen Wende in der russischen Außenpolitik – die er schon länger beobachtet und Ende Oktober auf Republic am Beispiel von Bergkarabach und Belarus beschrieb: Demnach verabschiedet sich Moskau von der Dominanz im postsowjetischen Raum ganz bewusst – schlicht, weil der Preis für Russland zu hoch ist.

Источник Republic

Ohne viel Aufhebens zu machen, hat Russland seine Politik im postsowjetischen Raum geändert. Eine „Eurasische Union“, eine „Zone privilegierter Interessen“, der „Russki Mir“, die regionale Dominanz, die Verteidigung einer Pufferzone vor den „NATO-Panzern und -Raketen“ und die einzigartige Rolle als „Garant für Sicherheit und Souveränität“ für die postsowjetischen Staaten gegen äußere Einmischungen – diese großen Träume sind von der aktuellen Agenda des Kreml verschwunden.

Solch grandiose Ideen existieren zwar in den Talkshows der Staatssender, aber diejenigen, die die russische Politik in den Regionen machen, bedienen sich viel realistischerer Narrative. Denn es herrscht die Meinung, dass der Traum von der russischen Dominanz im postsowjetischen Raum zwar eine gute Sache ist, aber der Preis für seine Verwirklichung viel zu hoch; de facto kann er nur in Ausnahmeszenarien realisiert werden – im Falle, dass existenzielle Staatsinteressen bedroht sind. In den meisten Fällen aber, und insbesondere dort, wo es keine gemeinsame Grenze mit Russland gibt, ist die postsowjetische Dominanz eher ein Luxus als ein Vehikel für nationale Entwicklungsziele. Man ist dazu übergegangen, die Ambitionen im postsowjetischen Raum zu optimieren und eine Bestandsaufnahme der realen Bedürfnisse und ihrer Umsetzungsmöglichkeiten vorzunehmen. Moskau „wägt ab, was für uns sinnvoll ist und was nicht“, sagt Fjodor Lukjanow. Zu einem großen Teil ist das auf die Analyse der russischen Aktionen in der Ukraine, Georgien und Syrien zurückzuführen.

Die postsowjetische Dominanz ist eher ein Luxus

Der neue russische Ansatz in postsowjetischen Angelegenheiten lässt sich im Wesentlichen auf drei Frames herunterbrechen: Wozu? Was habe ich davon? Wie trete ich möglichst nicht in dumme Scheiße? (In Anlehnung an die außenpolitische Doktrin Barack Obamas „Don‘t do stupid Shit“.)

Das Konzept der „strategischen Zurückhaltung“ Russlands im postsowjetischen Raum lässt sich an Wladimir Putins letztem Auftritt beim Waldai-Forum ablesen, bei dem der Präsident Ruhe und Gelassenheit demonstrierte, während er akute Krisen im nahen Ausland erörterte.
Die zeitliche Parallele der Unruhen in Belarus und Kirgistan sowie das Wiederaufflammen eines echten Krieges zwischen Armenien und Aserbaidshan um die Region Berg-Karabach sind ein guter Stresstest für die neue russische Strategie, und bisher hält sie ihm stand.

Belarus

In Belarus legt Moskau Selbstbeherrschung an den Tag – bei gleichzeitiger Wahrung des Handlungsspielraums. Noch bis vor kurzem glaubte man, ein drohender Regimewechsel infolge einer Farbrevolution in einem Staat, der durch ein Netz von Bündnisverpflichtungen an die Russische Föderation gebunden ist und Russland physisch von der NATO trennt, würde eine militärische Intervention Moskaus auslösen. Dadurch wären Proteste zu unterdrücken, oder zumindest ein hybrider Krieg möglich, um marionettenartige Pufferstaaten analog der Donezker Volksrepublik und der Volksrepublik Luhansk zu schaffen. Doch eine Wiederholung des ukrainischen Szenarios hat es nicht gegeben.

Moskau hat den Wahlkampf in Belarus aufmerksam verfolgt und wusste sehr gut, womit das alles enden könnte. Die Frage war lediglich, ob Lukaschenko seine Macht unmittelbar unter dem Druck der Straße verlieren würde (was dem Kreml natürlich überhaupt nicht geschmeckt hätte) oder ob es gelingt, „den Prozess zu strukturieren“ und Moskau den Weg in die belarussische Politik zu ebnen.

Am Ende entschied man sich für eine zurückhaltende Linie: schickte Lukaschenko wärmsten TV-Support (naja, und noch ein bisschen mehr), signalisierte die Bereitschaft, sich „im Falle von Massenunruhen“ einzumischen (ohne darauf die geringste Lust zu haben und völlig im Klaren darüber, dass eine direkte Einmischung einen antirussischen Protest konsolidieren würde), blockierte die Vermittlerrolle des Westens und riet den Demonstranten „zu Lukaschenko zu gehen und ihn nach einer Verfassungsreform zu fragen“.

Russland hat es geschafft, unumkehrbare Schritte zu vermeiden, die in eine Sackgasse geführt und die Kosten in Form von neuen Sanktionen aus dem Westen in die Höhe getrieben hätten. Durch die Absage an eine zu aktive Einmischung in die Krise und an ein direktes gewaltsames Vorgehen in Belarus konnte eine Destabilisierung innerhalb Russlands verhindert werden. Indem Russland westliche Forderungen nach einem „nationalen Dialog“ unter OSZE-Vermittlung verhinderte, hat es diese Vermittlerrolle selbst eingenommen. Nicht zuletzt hat die zurückhaltende Reaktion auf die belarussische Krise Moskau einen besonnenen Blick auf das Projekt des Staatenbundes ermöglicht: Ist der wirklich so vorteilhaft für Russland oder birgt er nicht auch ein Risiko für die russische Staatlichkeit? Alles, was einen Staatenbund ausmacht, lässt sich auch innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion verwirklichen.

Russland hat es geschafft, unumkehrbare Schritte zu vermeiden

Selbst der Wert eines Militärbündnisses mit Belarus stellt sich in neuem Licht dar. Die Bedrohung durch die NATO – das sind nicht die polnischen Panzer vor Smolensk, sondern amerikanische luft- und bodengestütze Hyperschallraketen mittlerer Reichweite in Zentraleuropa. Ist es für die Verteidigung Russlands da nicht sicherer, die 100 Milliarden US-Dollar an Öl- und Gassubventionen für Belarus darauf zu verwenden, den ganzen europäischen Teil des Landes mit Iskander-M-Raketen und S-400-Luftabwehrsystemen zu überziehen (und so die eigenen Fabriken mit Aufträgen auszulasten)? Klar ist, dass es in Minsk nach der Krise keine Rückkehr zum Status quo geben wird, und die „neue russische Zurückhaltung“ ermöglicht es, in aller Ruhe abzuwägen, wie es nun weitergehen soll.

Bergkarabach 

Hier hat Moskau eine Beteiligung auf dieser oder jener Konfliktseite vermieden, auch wenn die von der TV-Propaganda angeheizte Polemik in Russland bereits bedrohliche Ausmaße annimmt.

Moskau gibt zu verstehen, dass der Konflikt um die Region Bergkarabach weder direkten Bezug zu Russland hat noch seine nationalen Interessen berührt. Zwar stellt Putin die aus der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit OVKS resultierenden Bündnisverpflichtungen gegenüber Armenien nicht in Frage, doch in Wirklichkeit überdenkt Moskau den Nutzen eines solchen Bündnisses, dessen Vorteile für Armenien auf der Hand liegen, nicht jedoch für Russland.

Die Beziehungen zu Aserbaidshan haben für Russland einen eigenständigen Wert und werden nicht durch das Prisma der armenischen Interessen betrachtet. Dieser Wert wird dadurch bestimmt, dass die russisch-aserbaidshanische Grenze durch eine äußerst heikle Region verläuft: Dagestan und das Kaspische Meer. Die Ruhe an dieser Grenze und die enge Zusammenarbeit mit dem Nachbarn, um diese Ruhe zu gewährleisten (damit es nicht wieder so wird wie in den 1990ern und Anfang der 2000er Jahre), sind nicht weniger wichtig als die Bündnisverpflichtungen gegenüber Armenien.

Es ist Moskau ein Dorn im Auge, dass beide Seiten versuchen, Russlands Position zu ihren Gunsten zu manipulieren, und Russland auf diese Weise Probleme bereiten. Zu eindeutig nutzt Aserbaidshan das Thema der russischen Antiterroroperationen in Tschetschenien und Dagestan, um separatistische Tendenzen im eigenen Land abzuwehren. Macht man diese Position zu einem unumstößlichen Prinzip, dann entkräftet man die Argumente Russlands in Bezug auf den Donbass und die Krim und verstärkt im Gegenzug die der Ukraine.

Armenien hat schon unter der damaligen Führung das russische Vorgehen auf der Krim im Jahr 2014 zu sehr als Freibrief für eine schrittweise „Wiedervereinigung“ durch eine „Selbstbestimmung des karabachischen Volkes“ gewertet. Und auch wenn Sergej Lawrow erklärt, dass gemäß UN-Charta das „Selbstbestimmungsrecht der Völker an zentraler Stelle steht und die territoriale Integrität und Souveränität respektiert werden müssen“, ist Moskau lediglich bereit, dieses rechtliche Novum auf die Krim (und Abchasien und Südossetien) anzuwenden, aber nicht auf Bergkarabach (und nicht einmal auf den Donbass).

Zur Türkei

Moskau wird sich wegen des penetranten Eindringens der Türkei in den postsowjetischen Raum und deren Anspruch auf Beteiligung an einer Regulierung in Bergkarabach nicht auf einen bewaffneten Konflikt mit ihr einlassen, trotz der laut werdenden Aufrufe, zu den Waffen zu greifen und „ein neues Chalchin Gol“ herbeizuführen. Russland und die Türkei befinden sich bereits in einer symbiotischen Beziehung, in der beide Seiten für die jeweils andere lebensnotwendig sind, um entscheidende außenpolitische Ziele durchzusetzen. Für Moskau ist es von zentraler Bedeutung, dass Erdogan seine Linie der werte- und geopolitischen Opposition zum Westen fortsetzt, was den Westen von einer Konfrontation mit Russland ablenkt, zu einem „Hirntod der NATO“ führt und die Wichtigkeit einer Zusammenarbeit Europas mit Moskau im Nahen Osten und dem Mittelmeerraum erhöht.

Russland und die Türkei befinden sich bereits in einer symbiotischen Beziehung

Es gibt nur zwei Minen, die die russisch-türkischen Beziehungen sprengen könnten: Erstens eine Ausweitung der militärtechnischen Zusammenarbeit zwischen Ankara und der Ukraine (Produktion von Drohnen, Lieferung von Hochpräzisionswaffen und Lobbyarbeit für einen Beitritt der Ukraine und Georgiens in die NATO). 
Und zweitens die aggressive Propagierung eines Panturkismus und des politischen Islam innerhalb Russlands. Die Verstärkung der türkischen Präsenz im Südkaukasus ist eine vollendete Tatsache, und das einzige, was Moskau interessiert, ist, dass Erdogan die roten Linien nicht überschreitet.

Ausformuliert bedeutet die neue außenpolitische Doktrin des Kreml in etwa:

  • nur das absolute Minimum tun, das sich aus Vertragsverpflichtungen ergibt; Ausgaben für das Krisenmanagement minimieren; „brüderliche Hilfe“ leisten; nach und nach „die Last der postsowjetischen Führung“ reduzieren
  • als Bedingung für russische Hilfe möglichst konkrete Schritte des Empfängers dahingehend vereinbaren, dass er sich und seine Souveränität unter die geopolitischen Ziele Moskaus unterordnet
  • die Bündnisverpflichtungen Russlands einer gründlichen Prüfung unterziehen, anpassen und die Formate der russischen Beteiligung konkretisieren
  • nichts tun, was die innenpolitische Lage in Russland destabilisieren könnte, auch nicht durch eine zu aktive Beteiligung Russlands an den inneren Krisen seiner Nachbarn oder eine unreflektierte Ausweitung bestehender Integrationsbündnisse
  • nicht zulassen, dass die russische Außenpolitik durch „Bruderrepubliken“ und ihre „russländischen Diasporen“ zugunsten von deren Interessen manipuliert wird, die sich nicht immer mit den russischen decken
  • keine weiteren Sanktionen aus dem Westen auf sich laden wegen eines postsowjetischen „Anhängsels“ der Russischen Föderation 
  • keine Schritte unternehmen, die Russlands Handlungsspielraum einschränken oder einen Rückzug ohne Gesichtsverlust unmöglich machen und in eine Sackgasse führen, vergleiche „stupid Shit“ 
  • nicht gegen Windmühlen der inneren Destabilisierung postsowjetischer Staaten ankämpfen; Toleranz für ein gewisses Grad an Instabilität in den Regionen entwickeln; von einem übermäßig aktiven Kampf gegen die Farbrevolutionen Abstand nehmen. 
  • sich der eigenen Möglichkeiten und Ressourcen bewusst sein sowie ihrer Unzulänglichkeit, einen entscheidenden Effekt auf regionale Krisen auszuüben – abgesehen von Situationen, die unmittelbar die Sicherheit der Russischen Föderation bedrohen
  • anderen regionalen Playern stillschweigend „eingeschränkte Interessen“ im postsowjetischen Raum zugestehen – und einen Modus vivendi mit ihnen suchen, ohne einen Fetisch aus der „russischen Dominanz“ zu machen: Dominant nur dort, wo es dich ohne Dominanz teuer zu stehen kommt, und nicht einfach nur aus Prinzip
  • anerkennen, dass der Aufstieg der Russischen Föderation zu einer Großmacht in anderen Regionen der Welt (dem Nahen Osten, Nordafrika und dem östlichen Mittelmeerraum) zu einer Abhängigkeit von anderen Regionalmächten führt, die wiederum die Handlungsfreiheit im postsowjetischen Raum einschränkt; sich aller Risiken und Gefahren einer direkten militärischen Konfrontation mit „aufstrebenden Regionalmächten“ bewusst sein – im Unterschied zu einer simulierten „kontrollierten Eskalation“ mit den USA, der NATO oder der EU, wo ein Militäreinsatz grundsätzlich unmöglich ist
  • sich wegen all dem „keinen Kopf machen“, auch wenn die internationale Presse sich mit Schlagzeilen über den schwindenden russischen Einfluss in ihrer eigenen Einflusssphäre überschlägt.
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Krieg um Bergkarabach

Vom 27. September bis 9. November 2020 befanden sich Armenien und Aserbaidshan im Krieg. Mehrere Waffenstillstandsabkommen zeigten keinerlei Wirkung an den Frontlinien; die Kämpfe gingen unvermindert weiter. Schlag Mitternacht trat am 10. November 2020 ein Waffenstillstand unter Aufsicht russischer Friedenstruppen in Kraft. Ob diese effektive Waffenruhe nun aber zu einem dauerhaften Frieden führen wird, ist fraglich. 
Was war passiert? Schauplatz der blutigen Auseinandersetzungen war die Region Bergkarabach, ein sogenannter nicht-anerkannter de facto Staat. Der Status dieses Gebiets – das völkerrechtlich zur Republik Aserbaidshan gehört, aber eine mehrheitlich armenisch-stämmige Bevölkerung hat – ist seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion, also seit fast 30 Jahren, politisch und rechtlich umstritten und immer wieder militärisch umkämpft. Der armenischen und aserbaidshanischen Seite zur Folge geht es bei diesem Konflikt um nicht weniger als die Existenz des jeweiligen Staates. Dennoch reiben sich viele BeobachterInnen immer noch verwundert die Augen: Warum schlug dieser „eingefrorene Konflikt“ gerade jetzt in eine offene Konfrontation um? Und wer hat denn nun gewonnen?

Seit 1923 war Bergkarabach ein Autonomes Gebiet in der Aserbaidshanischen Sowjetrepublik. Damit wurde es Teil des komplizierten ethnoföderalen Konstrukts der Sowjetunion, die eine Föderation und zugleich aber zentral gelenkt sein sollte, getreu dem Motto „Teile und herrsche“. Der territoriale Status von Bergkarabach wurde von dem mehrheitlich von Armeniern bewohnten Gebiet immer wieder in Frage gestellt.

Eingefrorener Konflikt

Aufkeimende Nationalbewegungen, ethnische Konflikte und sich abzeichnende Auflösungsprozesse des föderalen Systems der Sowjetunion, die seit Mitte der 1980er Jahre zu beobachten waren, zeigten hier früh ihre Wirkung. Es kam zu ersten gewaltsamen Auseinandersetzungen. In der Folgezeit wurde Bergkarabach unter anderem ein Status-Referendum verweigert, das voraussichtlich den Anschluss des Gebiets an Armenien zur Folge gehabt hätte. Dem Grundsatz uti possidetis folgend, blieb Bergkarabach aus völkerrechtlicher Sicht Teil des Territoriums des seit 1991 unabhängigen Staats Aserbaidshan.
1992 brach zwischen Armenien und Aserbaidshan der Krieg um Bergkarabach aus, der bis 1994 andauerte. Mit dem Protokoll von Bischkek wurde am 5. Mai 1994 ein Waffenstillstand vereinbart.1 Doch ein Waffenstillstand ist kein Friedensabkommen. Die Grenzen beider Staaten wurden nie effektiv demarkiert. Der Konflikt wurde vielmehr „eingefroren“. Bis September 2020 standen sich Armenien und Aserbaidshan an der direkten Kontaktlinie gegenüber, an Stellungen um Bergkarabach sowie angrenzende besetzte Territorien, die wiederum einen Landkorridor nach Armenien und einen Puffer um die Region bilden. Diese Gebiete machten circa 20 Prozent des Territoriums Aserbaidshans aus.

Karte der Konfliktzone vor der Eskalation 2020. Bild © Screenshot der Karte The Nagorno-Karabakh Conflict: A Visual ExplainerInternational Crisis Group. Blau: Bergkarabach (ehemalige Autonome Republik der Aserbaidshanischen Sowjetrepublik); Orange: Angrenzende Gebiete; Rot: Frontlinie

Bergkarabach und diese Gebiete galten seit 1994 als von Armenien besetzt. Doch die Armenier hatten damals einen Pyrrhussieg errungen: Auf beiden Seiten waren und sind die humanitären, demographischen und sozioökonomischen Kosten des Krieges der 1990er Jahre und des eingefrorenen Konfliktes immens. Mehr als 30.000 Leben hat der Konflikt bisher gefordert, hunderttausende armenische und aserbaidshanische Flüchtlinge, direkte Beziehungen zwischen den Ländern und ihren BewohnerInnen sind dauerhaft unterbrochen, und die Grenzen Armeniens zu Aserbaidshan sowie zur Türkei waren und bleiben vollständig abgeriegelt.

Verhandlungsfrust

Seit 1994 versuchte die Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) unter dem Vorsitz Russlands, der USA und Frankreichs den Konflikt im Rahmen eines internationalen Verhandlungsformats beizulegen.2 Nennenswerte und für beide Seiten akzeptable Entwürfe für einen dauerhaften Frieden und den finalen Status von Bergkarabach lagen jedoch nie auf dem Verhandlungstisch. So verwundert es kaum, dass sowohl die aserbaidshanische als auch die armenische Seite Verhandlungsfrust erkennen ließen. Immer wieder kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, so etwa 2008, 2016 oder auch im Sommer des Jahres 2020, quasi ein Vorzeichen der Eskalation im Herbst 2020. 
Die Minsk-Gruppe erschien zwar immer wieder in offiziellen Stellungnahmen zum Krieg, insbesondere im Rahmen der ersten russischen Mediationsversuchen, doch neue Perspektiven versprach sich wohl niemand von einer Rückkehr an diesen Verhandlungstisch. Das zukünftige Schicksal der Minsk-Gruppe ist unklar. Die gemeinsame Erklärung des armenischen Premierministers, des aserbaidshanischen Präsidenten und des russischen Präsidenten vom 9. November 2020 legt die Vermutung nahe, dass die Minsk-Gruppe in die Bedeutungslosigkeit für die dauerhafte Lösung dieses Territorialkonflikts abgerutscht ist. Der De-facto-Staat Bergkarabach hatte übrigens nie einen Platz am Verhandlungstisch.

De-facto-Staat Bergkarabach

Bergkarabach mit seinen rund 150.000 EinwohnerInnen war seit 1994 mehr als der Schauplatz eines Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidshan. Wie andere sogenannte nicht-anerkannte De-facto-Staaten, die im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion entstanden sind, hat die Republik Arzach, wie sie sich selbst nennt, in den vergangenen Jahrzehnten des eingefrorenen Statuskonflikts aktiv Staats- und Institutionenaufbau betrieben. Die Republik Arzach, die selbst von Armenien bisher offiziell nicht als unabhängiger Staat anerkannt wird, hat eine Verfassung, staatliche Institutionen wie ein Außenministerium und hielt regelmäßig Wahlen ab, wie die Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2020. 

Auf diese Aktivitäten gründete Arzach auch seinen Anspruch auf Unabhängigkeit. Natürlich lässt sich eine enge Verflechtung, wenn nicht sogar Abhängigkeit zwischen Arzach und Armenien nicht leugnen. Besonders interessant ist hier nicht nur die Frage nach der Kontrolle Armeniens über Arzach, sondern auch die Rolle des sogenannten Karabach-Klans in der Politik Armeniens. Von 1999 bis 2018 führten mit Robert Kotscharjan und Sersh Sargsjan der ehemalige Premierminister Bergkarabachs und der ehemalige Anführer der Selbstverteidigungskräfte der Karabach-Armenier als Präsidenten die Republik Armenien.

Im öffentlichen Diskurs ist der Status von Arzach und das Schicksal seiner BewohnerInnen zur Schicksalsfrage für das armenische Volk geworden. Und auch Nikol Paschinjan, der als neuer Hoffnungsträger und Premierminister aus der sogenannten samtenen Revolution von 2018 hervorgegangen war, ließ keinen Zweifel, welche Rolle Arzach für ihn spielt. Wie ein Katalysator wirkt auch die Verbindung des extenziellen Kampfs um Arzach mit dem Genozid an den Armeniern im Osmanischen Reich. Das Gebiet aufzugeben würde die Fortsetzung und Vollendung des Völkermords an den Armeniern durch Aserbaidshan und die Türkei bedeuten, so Nikol Paschinjan.3 Dieses Leitmotiv prägten seit September 2020 zahlreiche armenische Appelle an die internationale Öffentlichkeit.

Der Konflikt in und um Bergkarabach ist jedoch viel mehr als ein Konflikt zwischen zwei südkaukasischen Staaten. Bergkarabach ist ein Brennglas regionaler und globaler Konflikte um politische und militärische Vorherrschaft und Energieversorgung, bei dem Russland, die Türkei und viele andere Staaten direkt oder indirekt involviert sind.

Russland und die Türkei

Russland spielt, wie häufig in seinen Beziehungen zu ehemaligen Teilrepubliken der Sowjetunion, eine ambivalente Rolle. Russland ist zum einen einer der Schirmherren der Minsk-Gruppe und hat damit quasi die Rolle eines Mediators zwischen den Konfliktparteien inne. Zugleich unterhält es militärische Stützpunkte in Armenien, dessen Sicherheit es außerdem garantieren soll unter dem Dach der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit. Sollte die Republik Armenien angegriffen werden, könnte es also zu einem Bündnisfall kommen. Und tatsächlich bat Armenien Russland angesichts einer zunehmenden Eskalation der Kämpfe und aufgrund von Berichten über erste Übergriffe auf das Territorium der Republik um Beistand. Das entbehrt nicht einer strategischen und geopolitischen Ironie, denn Russland hatte auch immer wieder Waffen nach Aserbaidshan geliefert, mit dem es aber auch um den Absatz fossiler Brennstoffe konkurriert. Im Zuge des Vier-Tage-Kriegs 2016 gelang es Russland, einen Waffenstillstand zu bewirken. Versuche seit September 2020, einen solchen zu erreichen, blieben zunächst erfolglos. Es schien gerade so, als würde Russland seine ambivalente Politik in der Region im Verlauf dieses Krieges auf die Füße fallen und als würde ihm die Kontrolle entgleiten bzw. als würde es unter vermutlich hohen Kosten aktiv auf Seiten Armeniens in einen Konflikt eingreifen müssen, ohne sichere Aussicht auf einen Gewinn.

Denn dieser erneute Krieg um Bergkarabach wird vor allem als „Stellvertreterkonflikt“ zwischen Russland und der Türkei um regionale Vormacht gesehen. Das NATO-Mitglied Türkei trat mit dem Streit um Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer und mit seiner offenen Unterstützung für den Bruderstaat Aserbaidshan unter der Leitlinie „ein Volk zwei Staaten“ zunehmend konfrontativer auf. Es häuften sich nicht verifizierbare Berichte über syrische Söldner, die sich in der aserbaidshanischen Exklave Nachitschewan sammelten, um in die Kampfhandlungen in Bergkarabach einzugreifen. Immer deutlicher wurde das Gerangel zwischen der Türkei und Russland um eine neue Balance im politischen und militärischen im Südkaukasus. Ein unbekanntes Gewicht in diesem Kräftemessen war (und ist) der Iran.

Iran

In den letzten Jahrzehnten hat der Iran stets freundliche Beziehungen zum christlichen Armenien unterhalten, nicht zuletzt da beide Staaten unter wirtschaftlichen Embargos leiden. 2007 eröffnete eine Pipeline nach Armenien. 
Die Beziehungen zu Aserbaidshan waren komplizierter: Im Norden Irans lebt eine große aserbaidshanische Bevölkerungsgruppe. Während der Iran befürchtete, dass diese Gruppe den Anschluss an Aserbaidshan anstreben könnte, war man in Baku wiederum besorgt, dass der Iran Pläne hegen könnte, Aserbaidshan aufgrund vermeintlicher historischer Ansprüche zu annektieren. Seit 2017 besserte sich das Verhältnis zwischen beiden Staaten. Das mag auch daran liegen, dass Aserbaidshan kein Interesse an einer engeren Bindung an die USA und die Stationierung amerikanischer Truppen auf seinem Territorium im sich verschärfenden Konflikt zwischen dem Iran und den USA hatte. Iran verhielt sich weitgehend ruhig, betonte aber die Notwendigkeit von Friedensverhandlungen, und auch, dass die territoriale Integrität Aserbaidshans gewahrt werden müsse.

Der Iran dürfte wenig Interesse an einer weiteren Konflikteskalation an seiner nördlichen Grenze haben. Es ist also anzunehmen, dass man sich in Teheran mit dem von Moskau ausgehandelten Waffenstillstand und der Stationierung russischer Friedenstruppen arrangieren kann.

USA und EU

Die USA hat sich seit der Präsidentschaft von Donald Trump weitgehend als Mediator zurückgezogen und schaltete sich erst im Oktober 2020 mit einem Versuch ein, einen Waffenstillstand herbeizuführen. Weiterhin engagieren sich Frankreich und Deutschland, indem sie den Austausch mit Russland und der Türkei suchen. Wobei das aktuell gespannte Verhältnis zwischen Deutschland und Russland sowie zwischen Frankreich und der Türkei die Gespräche und Abstimmung gemeinsamer Linien mit dem Ziel der Konfliktbeilegung nicht erleichterten und zu keinem nennenswerten Ergebnis in der Konfliktbeilegung führten.
Die Europäische Union sowie die Vereinten Nationen, insbesondere der Sicherheitsrat, äußerten sich vor allem mit Appellen, die Verhandlungen im Rahmen der OSZE-Minsk-Gruppe wieder aufzunehmen und den Waffenstillstand einzuhalten.

Die Situation glich einem Mikado-Spiel: Es schien unmöglich, ein Stäbchen zu bewegen, ohne zahlreiche andere auf unkalkulierbare Weise zu verschieben. Ein Zyniker hätte außerdem meinen können, dass einige Akteure gerade jetzt bewusst auf Eskalation setzen, während die Corona-Pandemie die Welt in Atem hält und die Präsidentschaftswahlen in den USA die Schlagzeilen bestimmen. Der sich abzeichnende Wahlsieg des Demokraten Joe Biden könnte wie ein Katalysator in Moskau und auch Ankara gewirkt haben, der Eskalation schnell ein Ende zu bereiten und einem Arrangement der Kräfte zuzustimmen, das den Konflikt unter neuen Vorzeichen einfriert. Joe Biden, so ist anzunehmen, wird das außenpolitische Engagement in der Region der Regierung von Präsident Obama fortsetzen; auch wenn der Südkaukasus sicher nicht sehr weit oben auf der Liste der neuen Administration stehen dürfte. Dennoch gibt es gewisse alte und neue Kontinuitäten in der US-Außenpolitik. Doch nun ist davon auszugehen, dass auch ein State Department unter Präsident Biden den neu eingefroren Konflikt zunächst nicht antasten wird.

Bei allen strategischenn Erwägung der großen internationalen Politik sollte jedoch die Frage, wie es in und um Armenien und Aserbaidshan steht, nicht übersehen werden. 

Armenien

Armenien befand sich seit dem 27. September im Kriegszustand. Doch in der Wahrnehmung vieler ArmenierInnen ist die Bedrohung für das armenische Heimatland ein Dauerzustand. Das Trauma des Völkermords an den Armeniern im Osmanischen Reich ist handlungsleitend in der Innen- und Außenpolitik. Dieses Trauma hat ein großes Mobilisierungspotential über alle politischen Lager hinweg und wird im öffentlichen Diskurs unmittelbar mit dem Schicksal und Status von Arzach verbunden. 

Eine besondere Rolle spielt hier die armenische Diaspora. In der Republik Armenien leben circa drei Millionen Menschen. Global gesehen leben etwa acht bis zehn Millionen ArmenierInnen außerhalb Armeniens. Die größten Diaspora-Gruppen sind in Russland, den USA, Frankreich und in der Ukraine. Durch das Erdbeben von Spitak im Jahr 1988, den Karabach-Krieg von 1992 bis 1994 und das Embargo durch Aserbaidshan und die Türkei hatte Armenien in wirtschaftlicher Hinsicht eine schlechte Startposition. So verwundert es kaum, dass heutzutage schätzungsweise 13 Prozent des armenischen Bruttoinlandsprodukts aus Rücküberweisungen von im Ausland lebenden ArmenierInnen stammen.4 Insbesondere in den USA und Frankreich ist die Diaspora außerdem sehr gut organisiert und nimmt politischen Einfluss – vor allem, wenn es um die Anerkennung des Genozids geht, zum Beispiel durch den US-amerikanischen Kongress, das französische Parlament oder auch durch den Bundestag im Jahr 2016.

Vor diesem Hintergrund ist von einer großen transnationalen Geschlossenheit für eine harte Linie im Konflikt auszugehen. Als „unsagbar schmerzhaft“ bezeichnete es Armeniens Präsident Nikol Pashinjan dem Waffenstillstand und den damit einhergehend Konzessionen für Armenien zuzustimmen. Als er den Abschluss des Waffenstillstandes verkündete, gestand er ein: „Dies ist kein Sieg, aber es gibt keine Niederlage, bis man sich selbst als besiegt betrachtet.“ Weiterhin versprach er: „Wir werden uns niemals als besiegt betrachten, und dies wird ein neuer Beginn einer Ära unserer nationalen Einheit und Wiedergeburt werden.“ Diese Sätze konnten die Wut zahlreicher Armenier nicht eindämmen. Es kam zu tumultartigen Zuständen in Jerewan und zur Erstürmung von Regierungsgebäuden. Pashinjan gilt einigen politischen und militärischen Kräften nun als Verräter, es gibt Zeichen, dass er und seine Regierung gestürzt werden sollen – wenn nötig mit Gewalt. Und während Armenier die besetzten Gebiete um Bergkarabach verlassen und zum Teil dabei Haus und Hof in Brand setzen, ehe sie es Aserbaidshanern überlassen, muss Pashinjan wohl um sein politisches Überleben fürchten.

Aserbaidshan

Viel hat sich in Aserbaidshan seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1991 und dem Karabach-Krieg 1992 bis 1994 geändert. Der rund zehn Millionen EinwohnerInnen zählende Staat, der autoritär von der Familie Alijew regiert wird, ist reich an Öl aus dem Kaspischen Meer. Das Öl, die Grenzziehung im Kaspischen Meer, der Bau von Pipelines und das enge Verhältnis zur Türkei prägen das Verhältnis des Landes zu seinen Nachbarn und strategischen Partnern. Der Konflikt um den rechtlichen und politischen Status von Bergkarabach und den besetzten Gebieten prägt ebenso Innen- und Außenpolitik des Landes und ist maßgebliche Motivation für einen stetig steigenden Rüstungsetat. Neben der offenen Unterstützung der Türkei mag der innere wirtschaftliche Druck sinkender Rohstoffpreise und der Druck durch die Öffentlichkeit nach den Vorfällen an der armenisch-aserbaidshanischen Kontaktlinie im Sommer 2020 den Ausschlag gegeben haben, dem Verhandlungsverdruss in der Minsk-Gruppe ein militärisches Ende zu setzen. Nach Jahrzehnten ergebnisloser Verhandlungen wollte das durch russische und israelische Waffenlieferungen aufgerüstete Aserbaidshan seinem Anspruch auf Gewaltausübung über sein Staatsgebiet Geltung verleihen. Es scheint ganz so, als reagierte das Regime sehr sensibel auf die Stimmung des Volkes. Es war scheinbar zum Schluss gekommen, sich angesichts einer schwächelnden Wirtschaft nicht auch noch mangelnde Verhandlungsergebnisse leisten zu können und zu wollen. Aserbaidschan feierte sich am 09. November 2020 als Sieger. Ein Sieger, der gerade noch von Moskau ausgebremst wurde, bevor er vor den Toren von Stepanakert, der Haupstadt Bergkarabachs, stand. Aserbaidshan ist aber auch ein Sieger, der für lange Zeit russischen Friedenstruppen im Korridor zwischen der Enklave Bergkarabach und Armenien auf seinem de jure Territorium hinnehmen muss. Daran ändert voraussichtlich auch die Entsendung einer noch unbekannten Anzahl türkischer Soldaten, die in einem gemeinsamen Zentrum den Waffenstillstand überwachen sollen.

Aufgetaut und wieder eingefroren

Für eine Weile befanden sich Armenien und Aserbaidshan im Waffenstillstands-Tango ohne realistische Aussichten auf ein effektives internationales Monitoring oder gar Friedenstruppen mit internationalem Mandat, zum Beispiel der Vereinten Nationen. Dennoch spielten die Ereignisse meist nur am Rande der Tagesmeldungen im Westen eine Rolle. Das explosive Potential des Konflikts, auch über den Südkaukasus hinaus, trat in Zeiten der Corona-Pandemie und der Präsidentschaftswahl in den USA meist in den Hintergrund. Gleichzeitig standen verschiedene Bündniskonstellationen vor der Gefahr, sich an der vermeintlichen Peripherie – quasi als Schlafwandler – in einer direkten Konfrontation wiederzufinden.

So herrscht scheinbar eine gewissen Erleichterung angesichts des Waffenstillstands und der gemeinsamen Erklärung von Präsident Alijew, Premierminister Paschinjan und Präsident Putins. Das ist verständlich, doch diese Erleichterung ist trügerisch. Ein wieder aufgeflammter Konflikt wurde unter neuen Vorzeichen und mit einem neuen regionalen Arrangement zwischen Russland und der Türkei wieder eingefroren. Dennoch steht die internationale Gemeinschaft mit diesem Krieg und seinen Folgen vor großen Herausforderungen – politisch, strategisch und nicht zuletzt humanitär. Wird dieser eingefrorene Konflikt wieder (zu lange) ignoriert wird eine mögliche Eskalation wie eines der vielen Erdbeben in der Region sein – man weiß nie genau, wann eines kommt und in welcher Stärke, aber man kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass wieder ein starkes kommen wird – das liegt in der Natur tektonischer Verschiebungen und auch in der von „eingefrorenen“ Konflikten.


1.The Bishkek Protocol, 5 May 1994 
2.OSCE Minsk Group 
3.siehe zum Beispiel ein Interview mit TV5 Monde 
4.siehe The World Bank: Personal remittances, received (% of GDP) – Armenia 
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