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Wir sind dann mal weg …

Wie viele Russen das Land verlassen, wohin und weshalb sie gehen. Das Onlinemedium Projekt hat verschiedene Zahlen aufbereitet und verglichen.

Source Projekt

Im Oktober 2018 hat Wladimir Putin ein neues Konzept zur Migrationspolitik unterzeichnet. Es gilt als Versuch, Landsleute aus dem Ausland zur Rückkehr nach Russland zu bewegen. Gründe, besorgt zu sein, hat die Regierung sehr wohl: Das Jahr 2017 ist in der Statistik durch einen drastischen Anstieg der Auswandererzahl gekennzeichnet: 377.000 Personen, die das Land verlassen haben, hat das russische Amt für Statistik Rosstat in diesem Jahr verzeichnet. In dem Zeitraum vergleichbarer Messwerte [2012 bis 2017] ist das ein Rekordwert. Gegenüber 2012 hat sich die Zahl der Ausgewanderten fast verdoppelt.

Anmerkung von dekoder: Die russische Statistikbehörde Rosstat modifizierte in den vergangenen Jahren mehrmals die Methodik bei der Erfassung von Migrantenzahlen, zuletzt 2011. Damals entschied Rosstat, auch Arbeitsmigranten in die Statistik aufzunehmen. Diese kommen vor allem aus Zentralasien und dem Kaukasus nach Russland. Streng genommen handelt es sich bei dieser Gruppe nicht um Emigranten, sondern um sogenannte Gastarbeiter, die in ihre Heimatländer zurückkehren.

Gestiegen ist nicht nur die Gesamtzahl der Emigranten [inklusive der Arbeitsmigranten, die von der offiziellen Statistik ebenfalls erfasst werden. Streng genommen sind diese aber keine Emigranten, sie kehren lediglich in ihre Heimatländer zurück – dek]. Auch die Zahl derjenigen, die das Land in Richtung fernes Ausland verlassen haben, ist angestiegen. 
Bezogen auf russische Staatsangehörige ist die Situation die gleiche. 2017 sind fast doppelt so viele russische Staatsangehörige ausgewandert wie noch 2012. Allein im Laufe der dritten Amtszeit von Präsident Putin sind 1,7 Millionen aus Russland fortgezogen, das sind zunächst einmal nur die Berechnungen von Rosstat.



Quelle: Rosstat (1, 2) / zitiert nach Projekt

Ein Vergleich mit Statistiken anderer Länder über zugezogene Menschen aus Russland zeigt aber: Die Angaben von Rosstat sind um ein Vielfaches zu niedrig. Aktuelle Daten (zuletzt zu 2017) sind nur für einige Länder verfügbar. Sie besagen Folgendes: Das Ministerium für Heimatschutz der Vereinigten Staaten zählte sechs Mal mehr zugezogene Russen als Rosstat. Am stärksten weichen die Angaben von Rosstat von den Daten aus Tschechien und Ungarn ab, sie liegen dort beim Zwölf- beziehungsweise Vierzehnfachen. Insgesamt ergibt sich, dass in 24 Ländern der OECD, aus denen für 2016 Angaben zu Ankommenden aus Russland vorliegen, sechsmal mehr Menschen Russland verlassen haben, als bei Rosstat angegeben sind.
Bei der russischen Statistikbehörde werden die Unstimmigkeiten eingeräumt; nicht alle Emigranten würden registriert: „Viele lassen sich nicht von den Meldelisten streichen und fallen dadurch nicht in die Kategorie Emigranten. Diese Menschen sind in Russland gemeldet, leben aber in Wirklichkeit in anderen Ländern.“

Differenz: Rosstat vs. Statistikbehörden der jeweiligen Länder (2016)

Quelle: Rosstat / OECD / Eurostat etc. / zitiert nach Projekt

Der Begriff „Russische Welt“ [Russki Mir] hat sich unter Putin zu einem politischen Statement gewandelt: In den Reden des Präsidenten und seiner Umgebung – besonders bei Patriarch Kirill – ist der Begriff oft zu hören. Eben diese Russische Welt, deren Eindringen man in vielen Ländern fürchtet, könnte eine ganz andere Bedeutung bekommen: Unsere Studie zeigt, wie groß weltweit die Zahl derer ist, die sich als [ethnische] Russen oder als Bürger Russlands wahrnehmen.
Russland lag bei der Zahl der „Verluste“ 2017 weltweit auf Rang drei: Über die Welt verstreut leben 10,6 Millionen Menschen, die Russland verlassen haben. Das sind sieben Prozent der Bevölkerung Russlands im Jahr 2017 und vier Prozent aller Emigranten weltweit.

Top-10 der Herkunftsländer von Migranten weltweit

Quelle: UN (2017) / zitiert nach Projekt

Laut Rosstat hat die Einwohnerzahl Russlands im Jahr 2018 zum ersten Mal seit 2008 abgenommen. Sie beträgt mit der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Krim 146.793.700 Menschen. Laut UN gibt es derzeit mehr als 250 Millionen Migranten weltweit. 



Quelle: UN / zitiert nach Projekt

Der Anstieg der Migrantenzahlen ist ein globaler Trend. Die Globalisierung hat in den letzten Jahrzehnten in den meisten Ländern zu einer drastischen Zunahme der Auswandererzahlen geführt.

Die Russische Welt ist sehr viel größer, als sich berechnen ließe. Diejenigen, die sich den ethnischen Russen zurechnen, aber nicht mehr die Staatsangehörigkeit der Russischen Föderation besitzen, tauchen in den Statistiken nicht auf. Auch jene Nachkommen von Emigranten, die sich durch die Sprache eine nationale Identität bewahrt haben, gelangen nicht in die Statistiken. Es gibt weltweit sehr viel mehr Russen (im weiteren Sinne), als sich durch die Emigrationsstatistiken nachvollziehen lässt. Ihre Gesamtzahl ist nicht bekannt, Zahlen gibt es nur für einige Länder. 
Im Jahr 2017 haben beispielsweise in den USA 2,6 Millionen Menschen eine russische Herkunft angegeben. Als Herkunft gilt hier die ethnische Zugehörigkeit einer Person, ihre Wurzeln, ihr Geburtsort oder der ihrer Vorfahren. Die Anzahl solcher Personen ist in den letzten Jahren rückläufig: 2010 hatte sie noch 2,9 Millionen betragen. Eine entgegengesetzte Tendenz ist hinsichtlich des Gebrauchs des Russischen zu beobachten. Wenn 2010 noch 854.000 Menschen Russisch als die Sprache angaben, die zu Hause gesprochen wird, waren es 2017 bereits 936.000. 2018 landete das Russische in den USA auf Platz neun der zu Hause gesprochenen Sprachen.

Russische Migranten in Deutschland

Ein weiteres Land, das bei Russen begehrt ist, ist Deutschland. Hier wird keine Statistik darüber geführt, wie viele Menschen sich als aus Russland stammend wahrnehmen. Berechnungen ergeben aber, dass es in Deutschland unter den 19 Millionen Menschen ausländischer Herkunft 1,4 Millionen mit Wurzeln in Russland gibt. Das bedeutet, dass diese Menschen selbst oder ihre Vorfahren aus Russland nach Deutschland gekommen sind. Dazu zählen Menschen, die entweder als Ausländer in Deutschland leben, oder solche, die bereits die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben.
Was die Sprache betrifft, so wird in Deutschland in 14 Prozent aller Haushalte, in denen die Hauptsprache nicht Deutsch ist, Russisch gesprochen. Nach Berechnungen von Projekt sprechen im Schnitt 1,1 Millionen Menschen in Deutschland vorwiegend Russisch zu Hause. Nach dem Türkischen liegt das Russische bei den nichtdeutschen Sprachen, die in Deutschland zu Hause gesprochen werden, auf dem zweiten Platz.

Gründe für die Emigration

2016 hat das Lewada-Zentrum eine Umfrage zu den Gründen durchgeführt, die die Menschen an Emigration denken lassen. Die meisten nannten bessere Lebens- und Alltagsbedingungen im Ausland und klagten über die instabile Wirtschaftslage in Russland. Die übrigen wollten ihren Kindern eine anständige und hoffnungsvolle Zukunft sichern oder Russland wegen fehlenden Schutzes vor Behördenwillkür verlassen. Ein nicht geringer Anteil der Befragten begründete den Auswanderungswunsch mit der Möglichkeit, im Ausland eine bessere medizinische Versorgung zu erhalten. Weitere Gründe waren die Geschäftsbedingungen für Unternehmen in Russland, die politischen Zustände und fehlende Möglichkeiten für beruflichen Aufstieg.

Warum kommen die Menschen auf die Idee, aus Russland zu emigrieren?


Anteil der Respondenten, die angegeben haben, über eine Emigration nachgedacht zu haben. Quelle: Lewada (2016) / zitiert nach Projekt

Die stärkste Tendenz zur Emigration haben laut Rosstat in Russland junge Menschen. Die meisten Emigranten sind zwischen 20 und 34 Jahre alt. Dabei bevorzugen die Jüngeren die Länder des fernen Auslands als Ziel, dorthin zieht es Menschen zwischen 20 und 24. In die Länder der GUS gehen meist jene, die über 30 sind.

Auswanderer russischer Staatsangehöriger nach Altersklassen


Quelle: Rosstat (2015, 2016, 2017) / zitiert nach Projekt

Schaut man sich in den Rosstat-Statistiken die russischen Staatsangehörigen an, ist die Situation eine andere. Die meisten Auswanderer sind zwischen 25 und 34. Die Hälfte jener, die aus Russland ins ferne Ausland fortziehen, hatte noch keine Familie gegründet und war niemals verheiratet gewesen. Das erhöht die Chancen, in einem anderen Land Wurzeln zu schlagen.

Auch der Brain Drain nimmt an Fahrt auf: 2017 hatten 22 Prozent der Emigranten, zu denen Rosstat Bildungsdaten vorliegen, eine abgeschlossene höhere Bildung, unter anderem auch akademische Grade. Die Zahl der Emigranten mit Hochschulbildung wächst mit jedem Jahr, von 17 Prozent 2012 auf heute 22 Prozent. Vor der Änderung der Methodik, mit der Emigranten durch Rosstat registriert werden, war ein ähnlicher Anstieg zu beobachten gewesen – von 28 Prozent 2008 auf 34 Prozent 2011. 

Die meisten Arbeitsmigranten aus Ländern der GUS haben keine höhere Bildung, und das führte im Weiteren in den Statistiken zu einem sinkenden Anteil der Emigranten mit höherer Bildung.

Im Jahr 2017 sind Russen mit Hochschulbildung meist nach Deutschland, in die USA, nach Israel und in die Volksrepublik China gegangen. Diese Länder des fernen Auslands hatten auch im vergangenen Jahrzehnt in Bezug auf russische Einwanderer mit höherer Bildung an der Spitze gelegen: Auf dem ersten Platz lag Deutschland, dann die USA, Israel, China und Kanada.



Quelle: Rosstat / zitiert nach Projekt

Nicht nur Menschen mit höherer Bildung emigrieren aus Russland, sondern auch solche mit viel Geld. Den Daten der Studie Global Wealth Migration Review 2018 der Consultingfirma New World Wealth zufolge liegt Russland bei der Zahl der Dollarmillionäre, die das Land 2017 verlassen haben, an sechster Stelle. Diesen Angaben zufolge sind rund 3000 Millionäre aus Russland fortgezogen, vor allem in die USA, nach Zypern, Großbritannien, Portugal und in die Länder der Karibik. Und diese Zahl umfasst nur jene, die das Land tatsächlich hinter sich gelassen haben. In der Studie sind dies Personen, die sich über ein halbes Jahr im Ankunftsland aufgehalten haben.

Es entfliehen nicht nur jene dem Land, denen es gut geht: Auch Asylanträge, die wegen Problemen in der Heimat gestellt werden, sind eine Erscheinungsform von Emigration. Die Demografin Julia Florinskaja erläutert, dass aufgrund der politischen Situation derzeit unter den Asylsuchenden vermehrt Oppositionelle zu finden sind, die strafrechtlich verfolgt werden, sowie Menschen mit „nicht traditioneller“ sexueller Orientierung. Insgesamt sind 2017 in den 28 Ländern der EU rund 12.700 Asylanträge von russischen Staatsangehörigen eingegangen. Was die Zahl der gestellten Anträge angeht, liegt Deutschland an der Spitze, gefolgt von Frankreich, Polen, Österreich und Finnland.

Russen suchen nicht nur in Europa Asyl: Weitere 2700 Anträge wurden 2017 in den USA gestellt. Während die Gesamtzahlen für die EU-Staaten seit 2014 zurückgehen, stellen in den USA Jahr für Jahr mehr Russen einen Asylantrag. 2000 waren es noch 856, 2014 wurde dann die Tausendermarke überschritten und bis 2016 hatte sich die Zahl noch einmal verdoppelt.  

Top-10 der EU-Länder, in denen Menschen aus Russland 2017 Asyl beantragt haben


Quelle: Eurostat (2017) / zitiert nach Projekt
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Stabilisierung

Die Stabilisierung der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse war in den 2000er Jahren das erklärte Hauptziel der russischen Politik. Tatsächlich verbesserte sich die wirtschaftliche Lage des Landes in den ersten zwei Amtszeiten Putins erheblich. Die Stabilisierung als politisches Projekt ging jedoch mit einer Konzentration der Macht in den Händen des Präsidenten einher.

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Arbeitsmigration in Russland

Trotz der anhaltenden Rezession bleibt Russland ein Magnet für ausländische Arbeitskräfte und reihte sich im vergangenen Jahrzehnt stets in die Top-Fünf der Rangliste von Ländern mit der größten Anzahl von Immigranten ein.1 Die Mehrheit dieser Einwanderer stammt aus den ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens. Arbeitsmigranten aus Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan fanden in Zeiten des Gas- und Ölbooms der 2000er Jahre Anstellung im Baugewerbe, dem Straßenbetrieb und dem Dienstleistungssektor. Doch die anhaltende wirtschaftliche Flaute stellt viele dieser, mit dem deutschen Lehnwort als Gastarbaitery bezeichneten, Migranten vor eine schwierige Wahl.
Die schwache heimische Wirtschaft und die autokratischen Regime Zentralasiens geben wenig Anlass zur Rückkehr. Gleichzeitig lassen die komplexe Rechtslage, der anhaltend schwache Rubel und oftmals miserable Arbeitsbedingungen das Arbeiten in Russland immer weniger lohnend erscheinen.

Der Zerfall der Sowjetunion brachte nicht nur die Entstehung von 15 unabhängigen Nationalstaaten mit sich, sondern verwandelte die vormals bloß verwaltungstechnischen Abgrenzungen zwischen den Ex-Sowjetrepubliken in konkrete Staatsgrenzen. Das GUS-Abkommen ermöglichte ehemaligen Sowjetbürgern, diese neuen Grenzen zu überqueren und sich bis zu drei Monate ohne Visum in anderen GUS-Mitgliedsstaaten aufzuhalten. Die schnell voranschreitende Deindustrialisierung, in Verbindung mit rasantem Bevölkerungswachstum in der Peripherie des früheren Sowjetreichs, machte aus diesem Recht auf Freizügigkeit häufig sogar eine Notwendigkeit.

Eine neue Generation postsowjetischer Bürger, zum Großteil aus dem ökonomisch hart getroffenen Zentralasien, versuchte im wirtschaftlich boomenden Russland der 2000er Jahre als Wanderarbeiter ihr Glück. Groß angelegte Bauprojekte und der zunehmende Bedarf an Serviceleistungen der neuen russischen Mittelschicht, sorgten für eine hohe Nachfrage nach ungelernten Arbeitskräften, die Russlands schrumpfende Bevölkerung selbst nicht befriedigen konnte.

ABHÄNGIG VON RÜCKÜBERWEISUNGEN

Dabei lassen sich allerdings nur die wenigsten der geschätzten vier bis fünf Millionen Saisonarbeiter aus Zentralasien dauerhaft in Russland nieder. Während der Wintermonate kehren viele Migranten zu ihren Familien zurück, die oft wirtschaftlich völlig von dem Einkommen aus der Saisonarbeit abhängig sind. Dementsprechend hoch ist der Anteil von Geldsendungen am Bruttoinlandsprodukt Zentralasiens. Rücküberweisungen von Migranten entsprachen zu Zeiten des russischen Wirtschaftswunders der Hälfte des BIP im ökonomischen Schlusslicht der ehemaligen UdSSR: Tadschikistan. Ähnlich in Kirgistan – hier entsprachen die Heimatüberweisungen nahezu einem Drittel des BIP.2

Dementsprechend hart traf der wirtschaftliche Abschwung im Zuge fallender Ölpreise und westlicher Sanktionen gegen Russland die zentralasiatischen Volkswirtschaften. Ähnlich schnell wie der Rubelkurs fielen auch die Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten. In US-Dollar gemessene Geldsendungen nach Tadschikistan brachen 2016 auf weniger als 50 Prozent des Vorkrisenniveaus ein; für Usbekistan liegt dieser Wert bei 40 Prozent.3
Jüngste Reformen im russischen Arbeits- und Migrationsrecht haben zudem den Erwerb einer Arbeitserlaubnis erheblich verkompliziert und verteuert. Einwanderer müssen seit 2015 innerhalb eines Monats nach Ankunft einen russischen Geschichts- und Sprachtest ablegen, ein Gesundheitszertifikat erwerben und einen Nachweis über Krankenversicherung vorlegen, bevor sie sich um die gebührenpflichtige Arbeitserlaubnis bemühen können.4
Kirgistans Bürger allerdings profitieren seit dem Eintritt in die Eurasische Wirtschaftsunion im August 2015 von der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb des Staatenverbunds und sind von diesen Auflagen befreit. So wurde Kirgistan weniger hart von der Krise getroffen – was der Regierung des widerwilligen Beitrittskandidaten Tadschikistan sicherlich nicht entgangen ist.

VERSCHÄRFTE GESETZE

Die Reformen im russischen Migrationsrecht waren ursprünglich dazu gedacht, Arbeitsmigranten, die oft unter prekären Bedingungen in einer rechtlichen Grauzone arbeiten, einen regulären Aufenthaltsstatus zu verschaffen. Doch es bestehen weiterhin Zweifel am Erfolg dieser Maßnahmen. So befinden sich mehrere hunderttausend Ausländer auf der sogenannten schwarzen Liste der russischen Migrationsbehörde. Ihnen wird aufgrund von Vergehen gegen das Aufenthaltsrecht oder anderer Gesetzesverstöße die erneute Einreise nach Russland für drei bis fünf Jahre untersagt. 

Migranten im Mediendiskurs

Nachdem der Ukraine-Konflikt lange Zeit das russische Fernsehen dominiert hatte, drohten 2017 wieder Migranten aus Zentralasien verstärkt zur Zielscheibe medialer Stigmatisierung zu werden. Nach dem tragischen Anschlag in der Sankt Petersburger U-Bahn, dessen mutmaßlicher Täter aus Kirgistan stammte, mehrten sich Stimmen, die ein „Russland für Russen“ fordern. Obwohl die fremdenfeindlichen Stimmungen in der russischen Gesellschaft seit 2016 rückgängig sind, sind sie immer noch auf einem sehr hohem Niveau.5 Auch vonseiten der russischen Regierung ist mit verschärften Kontrollen und größerer Überwachung zu rechnen, da nach Einschätzung des FSB Arbeitsmigranten aus GUS-Staaten zu den Hauptdrahtziehern der in Russland aktiven Terrororganisationen gehören.6

Die fremdenfeindliche Atmosphäre schreckt jedoch nur wenige ab, auch der krisenbedingte Rückgang der Zuwanderungszahlen war nur von kurzer Dauer. Von 2016 bis 2019 stiegen diese mitsamt der Heimatüberweisungen in die zentralasiatischen Länder auf neue Rekordhöhen7. 2019 betrug die Gesamtsumme der Rücküberweisungen von Migranten aus Russland laut Weltbank8 22,2 Milliarden US-Dollar – rund 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Russlands. 
Das Corona-Jahr 2020 stoppte diese Entwicklung weitgehend: Verglichen mit dem Vorjahr reisten von Januar bis November  nur halb so viele Ausländer nach Russland ein9, in Moskau lebten offiziellen Angaben zufolge rund 40 Prozent weniger Gastarbaitery als 2019. Viele von ihnen wurden arbeitslos10, ihre ohnehin schwierige Lebenslage in Russland wurde noch prekärer11
Zu Hause erwartet die zentralasiatischen Gastarbeiter aber eine kaum bessere Situation. Das insbesondere in Usbekistan und Tadschikistan von Repressionen geprägte politische Klima und die trüben wirtschaftlichen Aussichten werden trotz der schwächelnden russischen Wirtschaft und Corona wohl dafür sorgen, dass das Phänomen von Gastarbaitery in Russland auf absehbare Zeit bestehen bleibt.

aktualisiert am 19.01.2021


1.migrationpolicy.org: Russia: A Migration System with Soviet Roots 
2.The World Bank: Personal remittances, received (% of GDP) 
3.Cbr.ru: Statistika 
4.Aljazeera America: Ruble ripple: New Russian laws make Life difficult for migrant workers​ 
5. levada.ru: Ksenofobija v 2017 godu 
6.Echo.msk.ru: Direktor FSB A.Bortnikow: Trudovyje migranty načinajut sostavljat osnovnoj kostjak terrorističeskich grupp v Rossii 
7.oxussociety.org: Introducing the Central Asia Migration Tracker 
8.The World Bank: Migration and Remittances Data 
9.Ministerstvo vnutrennich del Possijskoj Federazii: Svodka osnovnych pokazatelej dejatel'nosti po migrazionnoj situazii v Rossijskoj Federazii za janvar' – nojab' 2020 goda 
10.RBK: Gastarbajtery podveli perevozku i dostavku 
11.Human Rights Watch: As Russia Faces an Economic Downturn, Migrant Workers are Paying the Price 

 

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