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Ayka – Moskau kann dein Freund und Feind sein

„Du hast genau zwei Tage. Wenn du bis dahin nicht bezahlst, dann wird es hässlich.“ Ayka hat aber kein Geld. Die junge Kirgisin lebt illegal in Moskau, nun muss sie schnell neue Schwarzarbeit finden, um ihre Schulden zurückzuzahlen. Eigentlich müsste sie aber zurück in die Geburtsklinik: Kürzlich hat sie einen Sohn zur Welt gebracht und ist danach aus dem Krankenhausfenster getürmt, um Geld zu verdienen. Ayka hat Blutungen, nimmt Schmerztabletten und sucht im winterlichen Moskau fieberhaft nach einem Ausweg. 

Diese Not beschreibt der Regisseur Sergej Dworzewoi in seinem preisgekrönten Spielfilm Ayka. Ähnlich wie der Protagonistin geht es vielen Gastarbajtery in Russland. Russische Behörden gehen davon aus, dass im Land rund vier Millionen Arbeitsmigranten leben, die meisten sind aus Zentralasien. Ihre Einkünfte, die sie zurück nach Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan schicken, betragen bis zu einem Drittel der jeweiligen Bruttoinlandsprodukte. Damit gehören diese Länder zur Weltspitze bei Rücküberweisungen. Schiere Not treibt die Gastarbajtery nach Russland, selten sind sie hier willkommen: Rund zwei Drittel der Russen wollen laut Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum den Zuzug anderer Ethnien nach Russland einschränken.

Der Film Ayka war 2018 in Cannes für die Goldene Palme nominiert, die Hauptdarstellerin Samal Yeslyamova wurde als beste Darstellerin ausgezeichnet. Am Donnerstag, 18. April, läuft der Streifen auch in den deutschen Kinos an.
Im Interview mit Moskvich Mag spricht Dworzewoi über den Film, über die zentralasiatischen Parallelgesellschaften in Moskau und darüber, wie es Menschen trotz Extremsituationen schaffen, menschlich zu bleiben.

https://www.youtube.com/watch?v=K3uJ5H9wdxM

Quelle Moskvich Mag

Jaroslaw Sabalujew: Was hat Sie generell an dem Thema Migranten in Moskau gereizt?

Sergej Dworzewoi: Ich hatte irgendwo gelesen, dass innerhalb eines Jahres 248 Kinder von kirgisischen Frauen in den Geburtskliniken zurückgelassen wurden. Das hat mich so erschüttert, dass ich den Grund verstehen wollte. Ich begann nachzuforschen, was da passiert. Und mir wurde klar, dass es nichts mit Unmenschlichkeit zu tun hat, sondern mit der Extremsituation, in der sich die Frauen hier befinden. Einige, die aus Kirgistan nach Moskau gekommen sind, sehen ihre Kinder jahrelang nicht, die sie in der Heimat zurücklassen. Gleichzeitig haben sie auch hier ein Leben – Beziehungen, sogar Ehen, Schwangerschaften, gewollte und ungewollte. Natürlich lassen sie ihre Kinder nicht zurück, weil es ihnen so gut geht. 

Das Eine ist die Statistik, das Andere – wenn man die Menschen dahinter kennenlernt

Das eine ist die Statistik, das andere – wenn man die Menschen dahinter kennenlernt. Und irgendwann lernte ich eine Frau kennen, die ein ganz ähnliches Schicksal hatte wie meine Heldin.

Gab es etwas, dass Sie ernsthaft erschüttert hat, als Sie in dieses Milieu eingetaucht sind?

Ja, natürlich, vieles. Zum Beispiel erzählte mir eine der Frauen, die im Film zu sehen ist, folgende Geschichte. Sie hatte ein Kind bekommen, ein ziemlich hellhäutiges Baby – sie ist Usbekin, da kommt das vor. Damals arbeitete sie bei irgendwelchen Leuten, auch Zugezogene, aus Moldawien. Und eines Tages schlugen die ihr plötzlich vor, ihnen das Kind zu verkaufen. Sie redeten lange auf sie ein, aber sie lehnte ab und wurde gefeuert. Verstehen Sie? „Verkauf uns dein Kind“ – als ginge es, was weiß ich, um ein Telefon.

Wie haben Sie Ihre Protagonistin gefunden?

Ich kenne hier in Moskau Zentralasiaten, die haben mich mit ihr bekanntgemacht. Diese Frau hatte genau wie Ayka den Wunsch, sich als Näherin selbständig zu machen. Und auch sie war in der Situation, dass sie in Moskau ein Kind zur Welt gebracht hat und es im Krankenhaus zurücklassen musste. Später ist sie zurückgekommen, um es zu sich zu holen. Das, was wir auf der Leinwand sehen, ist natürlich nicht eins zu eins ihre Geschichte.

Später habe ich andere Frauen kennengelernt, die in der gleichen Situation waren. Ein paar ihrer Geschichten waren noch viel dramatischer. Den Moskauern ist nicht klar, wie stark der Grad der Anspannung ist, der Druck, unter dem diese Menschen leben. Es ist ein ständiger, erbarmungsloser Kampf um das Leben, in dem es kein Mitleid gibt. Nicht nur, dass sie von der Polizei verfolgt werden, sie werden auch von ihr bestohlen, so wie das im Film passiert.

Es ist ein ständiger, erbarmungsloser Kampf um das Leben, in dem es kein Mitleid gibt

Nach den ersten Screenings wurde ich gefragt, warum Ayka niemand hilft, aber genauso läuft es eben, das ist doch kein Geheimnis. Illegale Abtreibungen, Babys, die nach der Geburt im Krankenhaus zurückgelassen und manchmal sogar verkauft werden – das ist ihre Realität, auch wenn es schwer ist, das zu glauben. Man sagt mir, ich hätte das Bild düsterer gemalt, als es ist, aber in Wirklichkeit habe ich sogar Szenen rausgelassen, weil sie einen um den Verstand bringen.

Wie haben Sie sich Ihren Protagonisten angenähert?

Unter meinen Bekannten waren natürlich keine Putzkräfte, nicht einmal Kellner. Das hängt auch damit zusammen, dass sie alles tun, damit ihnen niemand zu nah kommt. Das heißt, man kann schon mit ihnen reden – Kirgisen sind überhaupt die aufgeschlossensten Menschen, die ich kenne. Sie erzählen dir ganz offen von ihrem Leben, aber wenn es darum geht, etwas zu zeigen, dann ist das praktisch ein Ding der Unmöglichkeit, dafür haben sie viel zu viel Angst. Jeder Nicht-Kirgise ist für sie eine potenzielle Gefahr – Abschiebung, Deportation, Polizei et cetera. 

Die Menschen leben in einer Atmosphäre ständiger Täuschung – ihr Vertrauen gewinnt man nur langsam

Und selbst wenn dein Gesprächspartner mit deiner Anwesenheit einverstanden ist, dann sind es seine Nachbarn noch lange nicht. Es ist praktisch unmöglich, einen Einblick in ihren Alltag zu bekommen. Wir haben sechs Jahre an diesem Film gearbeitet, und trotzdem habe ich ständigen Widerstand gespürt.

Dabei sind in Ihrem Film auch Laien-Darsteller zu sehen …

Ja, aber sie haben mich erst nach jahrelanger Bekanntschaft an sich herangelassen. Man muss verstehen, dass diese Menschen in einer Atmosphäre ständiger Täuschung leben und man ihr Vertrauen deshalb nur durch langfristige Zusammenarbeit gewinnen kann. Irgendwann ist es mir sogar gelungen, das Vertrauen ihrer Nachbarn zu gewinnen, ab da wurde es einfacher mit dem Dreh.

Ayka ist in vielerlei Hinsicht ein Film über Moskau, deshalb meine Frage: Wie ist Ihr Verhältnis zu dieser Stadt?

Ich wurde in Kasachstan geboren, habe 29 Jahre dort gelebt, in der Luftfahrt gearbeitet. Dann bin ich nach Moskau gegangen, an die Uni, und bin geblieben, das war vor etwa 30 Jahren. Dann zerfiel die UdSSR, und es gab nichts mehr, wohin ich hätte zurückgehen können. 

Je mehr Menschen, desto einsamer ist der Einzelne

Moskau ist eine einzigartige Stadt, sie hat eine ganz besondere Anziehungskraft. Sogar Menschen, denen sie nicht gefällt, wollen hierher zurückkommen. Für mich ist Moskau mittlerweile meine Heimat, aber jetzt, während der Dreharbeiten zu Ayka, habe ich mit vielen Zugezogenen gesprochen. Diese Gespräche haben mir die vielen Gesichter Moskaus noch einmal deutlich gemacht: Die Stadt kann Freund und Feind sein, schön und schrecklich zugleich. Das ist normal – je mehr Menschen, desto einsamer ist der Einzelne, desto schwerer ist es für den kleinen Mann. Städte mit einer solchen Energie heißen dich nicht unbedingt willkommen, aber gleichzeitig funktionieren sie wie ein Magnet.

Ich für meinen Teil liebe Moskau, aber in dem Film ging es mir nicht darum, meinen eigenen Blick darauf zu zeigen, sondern den Blick einer jungen Frau, die hierhergekommen ist und seit etwa einem Jahr hier lebt. Und zu Menschen wie Ayka ist die Stadt nicht gerade freundlich.

Gab es Schwierigkeiten, weil sie an öffentlichen Orten gedreht haben?

Ja, natürlich gab es die. Wir haben mit einer kleinen Kamera gedreht und formal nicht gegen Gesetze verstoßen, aber die Leute reagierten ganz unterschiedlich. Passanten sahen in die Kamera, oder sie versuchten im Gegenteil ihr Gesicht zu verstecken. Aber genau diese Momente sind mir besonders wichtig. Wir haben ja eine fast subjektive Kamera, Ayka ist kein Landschaftsfilm. Ich wollte einfangen, wie sich die Stadt anfühlt.

Den Moskauern geht es immer besser, den Migranten aber nicht unbedingt. Die Stadt hat nicht auf sie gewartet; man braucht sie bloß als Menschen, die bestimmte Funktionen erfüllen. Sie leben immer noch mit sehr vielen Leuten in einem Zimmer, oft unter grauenvollen Bedingungen.

Apropos Moskauer: Von denen verstehen viele überhaupt nicht, wie man so leben kann. Ihre Protagonistin ist hierhergekommen, ohne eine Arbeit, ohne eine Wohnung oder irgendwelche klaren Perspektiven zu haben.

Naja, Perspektiven hat sich schon. Sie spricht gut russisch, könnte zum Beispiel als Kellnerin arbeiten, das wäre ein Anfang … Wenn es darum geht, warum sie überhaupt hier ist, dann deshalb, weil die Kirgisen mit einem Monat Schwarzarbeit in Moskau mehr verdienen als in einem halben Jahr in Kirgistan. Und solche Arbeit gibt es viel. Aber auch ich habe mich gefragt, wie diese Frauen leben. Zu Hause ein Kind, das sie ein, zwei Jahre am Stück nicht sehen. Hier müssen sie auf der Straße ständig Angst haben. Die Polizei könnte sie abschieben, und auch die Moskauer mögen Migranten nicht besonders.

Vielen gefällt es hier, trotz ihrer Lebensumstände

Aber nichtsdestotrotz gibt es hier Arbeit. Solange sich nichts an der wirtschaftlichen Lage in Moskau ändert, wird sich auch in dieser Welt nichts ändern. 

Aber da gibt es noch etwas. So seltsam es erscheinen mag, vielen von ihnen gefällt es hier, trotz ihrer Lebensumstände. In Moskau funktionieren die zwischenmenschlichen Beziehungen anders. Auch deswegen wollen viele Kirgisen hier Fuß fassen. Viele von denen, die schon lange hier sind – damals konnte man noch die russische Staatsbürgerschaft bekommen – haben sich assimiliert, ich kenne solche Menschen.

Wenn man bedenkt, was Sie alles gesehen haben: Ist Moskau eine europäische oder doch eher eine asiatische Stadt?

Das Leben, von dem ich in Ayka erzähle, ist Underground. Doch es beeinflusst das gesamte übrige Leben und gibt ihm eine starke asiatische Note. Äußerlich ist Moskau also eine europäische Stadt, aber innen drin ist sie sehr unterschiedlich, vielseitig. Und wissen Sie was – mir gefällt das.  

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Arbeitsmigration in Russland

Trotz der anhaltenden Rezession bleibt Russland ein Magnet für ausländische Arbeitskräfte und reihte sich im vergangenen Jahrzehnt stets in die Top-Fünf der Rangliste von Ländern mit der größten Anzahl von Immigranten ein.1 Die Mehrheit dieser Einwanderer stammt aus den ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens. Arbeitsmigranten aus Usbekistan, Kirgistan und Tadschikistan fanden in Zeiten des Gas- und Ölbooms der 2000er Jahre Anstellung im Baugewerbe, dem Straßenbetrieb und dem Dienstleistungssektor. Doch die anhaltende wirtschaftliche Flaute stellt viele dieser, mit dem deutschen Lehnwort als Gastarbaitery bezeichneten, Migranten vor eine schwierige Wahl.
Die schwache heimische Wirtschaft und die autokratischen Regime Zentralasiens geben wenig Anlass zur Rückkehr. Gleichzeitig lassen die komplexe Rechtslage, der anhaltend schwache Rubel und oftmals miserable Arbeitsbedingungen das Arbeiten in Russland immer weniger lohnend erscheinen.

Der Zerfall der Sowjetunion brachte nicht nur die Entstehung von 15 unabhängigen Nationalstaaten mit sich, sondern verwandelte die vormals bloß verwaltungstechnischen Abgrenzungen zwischen den Ex-Sowjetrepubliken in konkrete Staatsgrenzen. Das GUS-Abkommen ermöglichte ehemaligen Sowjetbürgern, diese neuen Grenzen zu überqueren und sich bis zu drei Monate ohne Visum in anderen GUS-Mitgliedsstaaten aufzuhalten. Die schnell voranschreitende Deindustrialisierung, in Verbindung mit rasantem Bevölkerungswachstum in der Peripherie des früheren Sowjetreichs, machte aus diesem Recht auf Freizügigkeit häufig sogar eine Notwendigkeit.

Eine neue Generation postsowjetischer Bürger, zum Großteil aus dem ökonomisch hart getroffenen Zentralasien, versuchte im wirtschaftlich boomenden Russland der 2000er Jahre als Wanderarbeiter ihr Glück. Groß angelegte Bauprojekte und der zunehmende Bedarf an Serviceleistungen der neuen russischen Mittelschicht, sorgten für eine hohe Nachfrage nach ungelernten Arbeitskräften, die Russlands schrumpfende Bevölkerung selbst nicht befriedigen konnte.

ABHÄNGIG VON RÜCKÜBERWEISUNGEN

Dabei lassen sich allerdings nur die wenigsten der geschätzten vier bis fünf Millionen Saisonarbeiter aus Zentralasien dauerhaft in Russland nieder. Während der Wintermonate kehren viele Migranten zu ihren Familien zurück, die oft wirtschaftlich völlig von dem Einkommen aus der Saisonarbeit abhängig sind. Dementsprechend hoch ist der Anteil von Geldsendungen am Bruttoinlandsprodukt Zentralasiens. Rücküberweisungen von Migranten entsprachen zu Zeiten des russischen Wirtschaftswunders der Hälfte des BIP im ökonomischen Schlusslicht der ehemaligen UdSSR: Tadschikistan. Ähnlich in Kirgistan – hier entsprachen die Heimatüberweisungen nahezu einem Drittel des BIP.2

Dementsprechend hart traf der wirtschaftliche Abschwung im Zuge fallender Ölpreise und westlicher Sanktionen gegen Russland die zentralasiatischen Volkswirtschaften. Ähnlich schnell wie der Rubelkurs fielen auch die Rücküberweisungen von Arbeitsmigranten. In US-Dollar gemessene Geldsendungen nach Tadschikistan brachen 2016 auf weniger als 50 Prozent des Vorkrisenniveaus ein; für Usbekistan liegt dieser Wert bei 40 Prozent.3
Jüngste Reformen im russischen Arbeits- und Migrationsrecht haben zudem den Erwerb einer Arbeitserlaubnis erheblich verkompliziert und verteuert. Einwanderer müssen seit 2015 innerhalb eines Monats nach Ankunft einen russischen Geschichts- und Sprachtest ablegen, ein Gesundheitszertifikat erwerben und einen Nachweis über Krankenversicherung vorlegen, bevor sie sich um die gebührenpflichtige Arbeitserlaubnis bemühen können.4
Kirgistans Bürger allerdings profitieren seit dem Eintritt in die Eurasische Wirtschaftsunion im August 2015 von der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb des Staatenverbunds und sind von diesen Auflagen befreit. So wurde Kirgistan weniger hart von der Krise getroffen – was der Regierung des widerwilligen Beitrittskandidaten Tadschikistan sicherlich nicht entgangen ist.

VERSCHÄRFTE GESETZE

Die Reformen im russischen Migrationsrecht waren ursprünglich dazu gedacht, Arbeitsmigranten, die oft unter prekären Bedingungen in einer rechtlichen Grauzone arbeiten, einen regulären Aufenthaltsstatus zu verschaffen. Doch es bestehen weiterhin Zweifel am Erfolg dieser Maßnahmen. So befinden sich mehrere hunderttausend Ausländer auf der sogenannten schwarzen Liste der russischen Migrationsbehörde. Ihnen wird aufgrund von Vergehen gegen das Aufenthaltsrecht oder anderer Gesetzesverstöße die erneute Einreise nach Russland für drei bis fünf Jahre untersagt. 

Migranten im Mediendiskurs

Nachdem der Ukraine-Konflikt lange Zeit das russische Fernsehen dominiert hatte, drohten 2017 wieder Migranten aus Zentralasien verstärkt zur Zielscheibe medialer Stigmatisierung zu werden. Nach dem tragischen Anschlag in der Sankt Petersburger U-Bahn, dessen mutmaßlicher Täter aus Kirgistan stammte, mehrten sich Stimmen, die ein „Russland für Russen“ fordern. Obwohl die fremdenfeindlichen Stimmungen in der russischen Gesellschaft seit 2016 rückgängig sind, sind sie immer noch auf einem sehr hohem Niveau.5 Auch vonseiten der russischen Regierung ist mit verschärften Kontrollen und größerer Überwachung zu rechnen, da nach Einschätzung des FSB Arbeitsmigranten aus GUS-Staaten zu den Hauptdrahtziehern der in Russland aktiven Terrororganisationen gehören.6

Die fremdenfeindliche Atmosphäre schreckt jedoch nur wenige ab, auch der krisenbedingte Rückgang der Zuwanderungszahlen war nur von kurzer Dauer. Von 2016 bis 2019 stiegen diese mitsamt der Heimatüberweisungen in die zentralasiatischen Länder auf neue Rekordhöhen7. 2019 betrug die Gesamtsumme der Rücküberweisungen von Migranten aus Russland laut Weltbank8 22,2 Milliarden US-Dollar – rund 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Russlands. 
Das Corona-Jahr 2020 stoppte diese Entwicklung weitgehend: Verglichen mit dem Vorjahr reisten von Januar bis November  nur halb so viele Ausländer nach Russland ein9, in Moskau lebten offiziellen Angaben zufolge rund 40 Prozent weniger Gastarbaitery als 2019. Viele von ihnen wurden arbeitslos10, ihre ohnehin schwierige Lebenslage in Russland wurde noch prekärer11
Zu Hause erwartet die zentralasiatischen Gastarbeiter aber eine kaum bessere Situation. Das insbesondere in Usbekistan und Tadschikistan von Repressionen geprägte politische Klima und die trüben wirtschaftlichen Aussichten werden trotz der schwächelnden russischen Wirtschaft und Corona wohl dafür sorgen, dass das Phänomen von Gastarbaitery in Russland auf absehbare Zeit bestehen bleibt.

aktualisiert am 19.01.2021


1.migrationpolicy.org: Russia: A Migration System with Soviet Roots 
2.The World Bank: Personal remittances, received (% of GDP) 
3.Cbr.ru: Statistika 
4.Aljazeera America: Ruble ripple: New Russian laws make Life difficult for migrant workers​ 
5. levada.ru: Ksenofobija v 2017 godu 
6.Echo.msk.ru: Direktor FSB A.Bortnikow: Trudovyje migranty načinajut sostavljat osnovnoj kostjak terrorističeskich grupp v Rossii 
7.oxussociety.org: Introducing the Central Asia Migration Tracker 
8.The World Bank: Migration and Remittances Data 
9.Ministerstvo vnutrennich del Possijskoj Federazii: Svodka osnovnych pokazatelej dejatel'nosti po migrazionnoj situazii v Rossijskoj Federazii za janvar' – nojab' 2020 goda 
10.RBK: Gastarbajtery podveli perevozku i dostavku 
11.Human Rights Watch: As Russia Faces an Economic Downturn, Migrant Workers are Paying the Price 

 

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Russische Wirtschaftskrise 2015/16

Die Wirtschaftskrise im Herbst 2014 hatte Russland ökonomisch vor eine unsichere Zukunft gestellt. Drei unabhängige Entwicklungen setzten die russische Wirtschaft gleichzeitig unter Druck: der Einbruch des Ölpreises, wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland sowie strukturelle Probleme, das heißt fehlende Anreize zu Investitionen und zur Steigerung der Produktivität. Erst mit der Erholung des Ölpreises 2017 kam es wieder zu einem leichten Wirtschaftswachstum.

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