Gnose (Was ist das?)

Systematische Inhaftierung von Zivilist:innen in von Russland besetzten Gebieten der Ukraine 

Spuren russischer Besatzung im südukrainischen Cherson: Kalender an der Tür einer Gefängniszelle, wo Russlands Truppen zwischen Februar und November 2022 ukrainische Gefangene festhielten – darunter auch Zivilist:innen / Foto © Michael Brochstein/ZUMA/Imago

Russland installiert in den durch seine Truppen besetzten Gebieten der Ukraine schrittweise sein eigenes repressives Haftsystem. Das Vorgehen konnte der Kreml seit 2014 auf der annektierten Krym testen und weiterentwickeln. Seit 2022 nutzt es die Schwarzmeerhalbinsel als Zentrum für willkürliche Gefangennamen, Verschleppungen und Folter.  

Die Soziologin und Journalistin Lieselotte Hasselhoff erläutert ausführlich, welche Strukturen, Institutionen und Vorgehensweisen Russland zur Festigung seiner Besatzungsmacht installiert. Insbesondere, wie die systematischen Verhaftungen ukrainischer Zivilist:innen ablaufen. 

Diese Gnose ist Teil des Dossiers Archipel Gulag-FSIN.

Es war später Vormittag an jenem 3. März 2014, als Reschat Ametow verschwand. Auf einem Platz mitten im Stadtzentrum von Simferopol, der Hauptstadt der Autonomen Republik Krym, hatte er gegen die russische Besatzung protestiert. Nur wenige Tage zuvor hatten Bewaffnete ohne Abzeichen, die später als Russen identifiziert1 wurden, hier das Regierungsgebäude und das Regionalparlament gestürmt und unter ihre Korntrolle gebracht. Reschats Leiche fand man rund zwei Wochen später. Er war der erste ukrainische Zivilist, der unter russischer Besatzung gefangen genommen wurde – schon acht Jahre bevor Russland seinen Großangriff auf die gesamte Ukraine begann.  

Simferopol, 18. März 2014: Die krymtatarische Gemeinde trauert um Reschat Ametow, der gegen Russlands Besetzung der Krym protestiert hatte. Ametow wurde tot aufgefunden, nachdem er von Männern in Militärkleidung verschleppt worden war. / Foto © Rafael Yaghobzadeh/Imago

Am 18. März 2014 annektierte Russland die Krym, schaffte bis Jahresende das ukrainische Rechtssystem ab, installierte eigene Gerichte und Strafverfolgungsbehörden und begann mit der systematischen Verfolgung von Zivilist:innen. Besonders Angehörige der Volksgruppe der Krymtatar:innen wurden zum Ziel. Von 349 politisch motivierten Strafverfahren seit 2014 (Stand: März 20252) betrafen gut die Hälfte Krymtatar:innen. Tausende weitere haben die Halbinsel seitdem verlassen.  

Das Ziel der Besatzer:innen ist, so scheint es, die vor Ort lebenden Menschen entweder zur restlosen Annahme russischer Identität und Weltanschauung zu zwingen oder sie – durch Einschüchterung, Gefangennahme und Verdrängung – für immer von der Bildfläche verschwinden zu lassen. 

Nach Russlands Vollinvasion 2022 haben sich viele dieser Abläufe in den neu eroberten Gebieten fast genauso wiederholt. Viele glauben, dass Russland die Krym seit 2014 als Testfeld nutzte für das, was 2022 in anderen Teilen der Ukraine geschehen würde – in weit größerem Maßstab. Auch dort ersetzt Russland das ukrainische Rechtssystem durch sein eigenes, statt Hunderten werden Tausende Zivilist:innen verhaftet. Recherchen und Analysen von Menschenrechtsorganisationen zeigen, dass heute in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine vor allem Menschen mit ukrainischem Nationalbewusstsein Ziel der Verfolgung sind. 

Die Abschaffung des ukrainischen Rechtssystems 

Die Verhaftungen von Zivilist:innen in den nach 2022 besetzten Gebieten begannen unmittelbar nach Russlands vollumfänglichem Überfall im Februar. Allein in der Region um Charkiw, die nur bis zur Rückeroberung im September besetzt blieb, verschwanden 1.967 Zivilist:innen.3 Man geht davon aus, dass sie in Gefängnissen im weiterhin besetzten Teil der Ukraine oder sogar in Russland einsitzen.

Gleichzeitig wurde die Auflösung des ukrainischen Rechtssystems und die Eingliederung des Strafverfolgungsapparats unter die Verwaltungshoheit des russischen Innenministeriums vorbereitet.4 

Schon Ende Juli eröffnete das russische Innenministerium dazu seine vorläufigen Regionalabteilungen5 in Saporishshja und Cherson6, was die gezielten Verhaftungen und Ermittlungen gegen Personen, die aus Sicht der russischen Führung den Zielen der Besatzung im Weg standen, vereinfacht haben dürfte.  

Wohl, um genügend Platz für den Zuwachs an Häftlingen zu schaffen, wurde außerdem die Gefängnisinfrastruktur auf der Krym bis zum Herbst massiv ausgebaut. In Simferopol eröffnete im September 2022 ein zweites Untersuchungsgefängnis (SISO 2), das offenbar das bestehende SISO 1 wegen Überfüllung entlasten sollte. Das Gefängnis bietet offiziell rund 300 Haftplätze – zusätzlich zu den 747 Plätzen von SISO 1.7  

Die Halbinsel Krym wurde zum zentralen logistischen Knotenpunkt für Gefangene aus der besetzten Ukraine. 

Ein weiteres SISO entstand an der Grenze zur Krym im Dorf Tschonhar in der Region Cherson.8 Das Gefängnis wird bis heute nicht im offiziellen Register des russischen Föderalen Dienstes für den Strafvollzug (FSIN) erfasst, doch laut der Einschätzung des ehemaligen Gefangenen Artem Bartschuk beherbergte es im Sommer 2023 rund 100 Menschen.9 Die Halbinsel wurde zu einem zentralen logistischen Knotenpunkt für Gefangene aus der besetzten Ukraine. 

Hinzu kommen zahllose inoffizielle Haftorte in Kellern, Polizeistationen, Garagen, Hotels, Schulgebäuden oder verlassenen Fabrikhallen im gesamten durch Russland kontrollierten Teil der Ukraine sowie in Russland selbst. Insgesamt mindestens 131 offizielle und inoffizielle Gefängnisse10 hat die ukrainische Medieninitiative für Menschenrechte (MIHR) bis heute dokumentiert. Rund ein Drittel davon in Russland – oft Tausende Kilometer von der Heimat der Gefangenen entfernt.  

Nach den Annexionen der südukrainischen Gebiete sowie der sogenannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk am 30. September 2022 wurde dann schrittweise auch ein neues Gerichtswesen unter der Hoheit des Obersten Gerichtshofs in Russland eingerichtet11, das am 21. September 2023 in allen vier Regionen seine Arbeit aufnahm.12 Damit wurde auch der nötige gesetzliche Rahmen geschaffen, um den Gefangenen den Prozess zu machen. 

Kupjansk, Oblast Charkiw, war vom 27. Februar bis 16. September 2022 von russischen Truppen besetzt. Diesen Gefängnishof einer Polizeistation nutzten die Besatzer zur Inhaftierung ukrainischer Zivilist:innen. / Foto © Ashley Chan/ZUMA/Imago

Russland selbst bestätigt die Inhaftierung Tausender ukrainischer Zivilist:innen bis heute nicht öffentlich. Berichte ehemaliger Gefangener und Recherchen in russischen Online-Anklageregistern belegen die massenhaften Gefangennahmen jedoch und lassen auch Rückschlüsse auf die Gesamtzahl zu. Nur wenige aber konnten bis heute namentlich identifiziert werden. 

Deshalb unterscheiden sich auch die verlautbarten Zahlen: Oft zitiert wird der ukrainische Ombudsmann für Menschenrechte, Dmytro Lubinez, der von 16.000 identifizierten Zivilist:innen spricht, die von Russland gefangengenommen wurden. Darin eingeschlossen sind jedoch nicht nur Verhaftungen, sondern auch verschleppte Heimbewohner und Kinder.13 Andere Menschenrechtsinitiativen zählen auf Grundlage eigener Recherchen und Zeugenberichten ausschließlich mutmaßlich Gefangene – zum Beispiel Personen, die nach einer Festnahme verschwunden blieben oder Personen, die von ehemaligen Mitgefangenen in einer Hafteinrichtung gesehen wurden. So nennt die Kharkiv Human Rights Protection Group 1.861 registrierte Fälle „in Verbindung mit dem Verschwinden von Zivilist:innen“ allein in der Region Charkiw.14 Und die MIHR zählte, Stand November 2025, landesweit 2.277 Gefangene. Die Zahl nicht namentlich identifizierter Gefangener ist aber viel höher. Das ukrainische Menschenrechtszentrum Zmina, das eng mit MIHR zusammenarbeitet, schätzt die Gesamtzahl auf 8.000 bis 10.000. 

Etappen: Russlands Haftsystem in den besetzten Gebieten der Ukraine 

Die zügige Eingliederung der besetzten ukrainischen Landesteile in die russische Verwaltung zeigt, dass Russland von Anfang an vorhatte, nicht – wie offiziell behauptet – lediglich eine militärstrategische Pufferzone (gegen eine vermeintliche Bedrohung von Westen durch die NATO) einzurichten, sondern die Gebiete völkerrechtswidrig zu annektieren, ähnlich wie 2014 die Halbinsel Krym.  

Artem Bartschuk und seine Lebensgefährtin Lydia (vorne rechts), dahinter Artems Sohn Serhii. Bruder Olexii (v.l.) und Freund Oleh. Die Familie und ihr Freund verbrachten etwas mehr als ein Jahr in russischer Haft. / Foto © Lieselotte Hasselhoff/privat

Über die weiterreichenden Motive geben die Art und Weise der Gefangennahmen und die Organisation der Gefangenschaft Aufschluss: Mithilfe von Interviews befreiter Gefangener sowie der Auswertung von russischen Online-Anklageregistern haben Menschenrechtsorganisationen diese genauer analysiert. Dabei fallen zahlreiche Parallelen auf zur jahrzehntelangen Praxis politischer Verfolgung von Oppositionellen in Russland selbst. Doch die Unterschiede zeigen, dass sich die Verfolgung in der Ukraine nicht nur gegen aktive Besatzungsgegner:innen richtet, sondern gegen die Ukrainer:innen und ihr Ukrainisch-Sein an sich. 

Viele Gefangene berichten von einer regelrechten Odyssee durch russische Gefängnisse in unterschiedlichen ukrainischen Landesteilen oder Russland. In Russland hat sich für die auch dort verbreitete Praxis der häufigen Verlegungen der Begriff der Etappierung eingebürgert, der noch aus der Zeit der Sowjetunion stammt.

„In der Polizeistation in Cherson gab es nur zwei kleine Kammern mit einem einzigen Bett“, berichtet Artem Bartschuk, „zeitweise lebten wir zu siebt in einer Kammer, die Mehrheit schlief auf dem Boden.“ / Foto © Lieselotte Hasselhoff/privat

Artem Bartschuk zum Beispiel wurde insgesamt dreimal verlegt, ohne zu wissen, wann und wohin es das nächste Mal gehen würde, und phasenweise sogar, ohne seinen aktuellen Aufenthaltsort zu kennen. Sein Sohn hatte früher stellvertretend das Rentenamt von Cherson geleitet. Beide wurden verhaftet, weil sie während der russischen Besetzung der südukrainischen Stadt 2022 die Amtscomputer vor den Besatzer:innen versteckten. Am Ende der Etappe kamen beide in das SISO in Tschonhar.8 

Ein anderer berühmter Fall ist der der ukrainischen Journalistin Viktoria Roschtschyna, die zur Zeit ihrer Festnahme im besetzten Enerhodar (Region Saporishshja) zu eben jenem Netz aus Foltergefängnissen recherchierte, in dem sie später qualvoll sterben würde. Nach mehrmonatiger Inhaftierung in einer Garagenanlage in Melitopol kam sie in die Untersuchungshaftanstalt SISO 2 im russischen Taganrog. Im Februar 2025 wurde ihre verstümmelte Leiche an die Ukraine überstellt.  

Viele Gefangene berichten von einer regelrechten Odyssee durch russische Gefängnisse

Diese und viele andere Beispiele zeigen, dass die Etappen immer ähnlich ablaufen: Erst werden die Gefangenen in eine lokale Polizeistation oder einen anderen Verhör-Ort in der Nähe gebracht, dann über Zwischenstationen – häufig provisorische Unterbringungsorte wie Hotelzimmer, Fabrikhallen oder Garagen – in eines der voll ausgebauten Untersuchungsgefängnisse in den vor 2022 besetzten Gebieten oder Russland. Seit einiger Zeit sind das vor allem die Einrichtungen in Südrussland und auf und um die Krym, die als Zentren für die Unterbringung und die Gerichtsverhandlungen der Gefangenen dienen.  

Kyjiw, 11. Oktober 2024: Gedenkkundgebung für die in russischer Haft zu Tode gefolterte ukrainische Journalistin Viktoria Roschtschyna auf dem Kyjiwer Maidan der Unabhängigkeit. Dabei sind auch Kolleg:innen der Reporterin wie Sewhil Mussajewa von der Ukrajinska Prawda (links). / Foto © Oleksandr Klymenko/Imago

Bis zum Ende festgehalten werden jedoch nur solche Gefangenen, die Russland für eine Gefahr für seine Besatzungsmacht oder für besonders wertvoll hält – beispielsweise als Quelle von Informationen, potenzielle Geisel für künftige Gefangenenaustausche oder als Druckmittel, um angehörige Dritte zur Kooperation zu zwingen. Die Mehrheit wird nach einer Reihe von Verhören wieder freigelassen, bei denen die Opfer Informationen über das ukrainische Militär oder andere Personen preisgeben sollen. Diese Verhöre können von einigen Tagen bis hin zu sechs Monaten dauern. In dieser Zeit erleben fast alle Gefangenen schwere körperliche und psychische Misshandlungen bis hin zu Folter.15  

Die von Russlands Besatzungsvertreter:innen festgenommenen Personen wie Bartschuk oder Roschtschyna verbringen manchmal sogar Jahre in Haft. Die meisten incommunicado, das heißt ohne Kontakt zu Anwälten, Angehörigen oder der Außenwelt und ohne offiziellen Verfahrensstatus. Kommt es doch irgendwann zur Anklage, dann – weil es sich aus Russlands Sicht um politische Gefangene handelt – wird den Angeklagten meist Spionage oder einer der Extremismus- oder Terrorismus-Paragraphen zur Last gelegt, auf die jahrelange Haftstrafen stehen. Es sind dieselben Paragraphen, die auch gegen russische Oppositionelle eingesetzt werden.  

Russlands Prozesse gegen Ukrainer:innen

Mit diskriminierenden Schauprozessen will Russland die ukrainische Bevölkerung in den besetzten Gebieten unterdrücken und gleichzeitig die Fortsetzung seines Krieges rechtfertigen.

Filtration: Systematische Verfolgung von Menschen mit nicht-russischer Identität 

Ob Etappierung, Incommunicado-Haft, Folter, Anklagen als Terrorist:in oder Extremist:in – viele dieser Prinzipien zeigen, dass Russland in den besetzten ukrainischen Gebieten nicht nur das eigene Haftsystem eingeführt hat, sondern dieselben menschenrechtswidrigen Methoden teils noch strenger als im eigenen Staatsgebiet anwendet. Ukrainer, die sich der russischen Besatzungsmacht widersetzen (oder in dem Verdacht stehen) werden nach ähnlichen Mustern politisch verfolgt wie Oppositionelle in Russland. Trotzdem gibt es eine entscheidende Besonderheit in der Ukraine, nämlich die Kriterien, nach denen es überhaupt zur Festnahme kommt: Weil die Existenz einer eigenständigen ukrainischen Nation als solche nicht ins politische Narrativ der russischen Führung passt, ist allein ukrainisch zu sein und sich als Ukrainer:innen zu präsentieren, Grund genug, ins Visier der Verfolgung zu geraten.  

Aus russischer Besatzer:innen-Sicht ist jede:r ukrainische Staatsbürger:in verdächtig und potenziell gefährlich: Die Behörden haben deshalb für die Besatzungszone einen zusätzlichen Mechanismus in ihren Strafverfolgungsapparat eingeführt: die sogenannte Filtration. Das sind großangelegte Durchsuchungen von Wohnvierteln oder an bestimmten Militärcheckpoints auf der Suche nach Personen, die mutmaßlich gegen die Besatzung und ihre Weltsicht sind. 

7. Mai 2022, Oblast Donezk: Ein Soldat der russischen Besatzer bewacht einen Kontrollpunkt im Dorf Besimenne, 30 Kilometer östlich von Mariupol. Zivilist:innen werden an solchen Checkpoints auch auf ihre Haltung zur Besatzermacht kontrolliert. / Foto © Alexey Kudenko/Sputnik/Imago

Laut Jelisaweta Sokurenko, der Leiterin der Abteilung für Dokumentation von Kriegsverbrechen bei Zmina, haben sich die Kriterien, nach denen die zu Verhaftenden aus der Bevölkerung ausgesucht wurden, mit der Dauer der russischen Besatzung gewandelt.16 So suchten die Behörden zu Invasionsbeginn – oft anhand bereits vorgefertigter Listen – vorrangig nach leitenden Behördenmitarbeiter:innen, Personen mit Verbindungen zum Militär oder den Strafverfolgungsbehörden sowie lokalen Meinungsführer:innen wie Politiker:innen, Journalist:innen oder Kulturschaffenden: also vor allem nach öffentlich aktiven Menschen oder solchen, die die nötigen Ressourcen hatten, effektiv Widerstand zu mobilisieren. Heute jedoch können auch diejenigen aufgegriffen werden, die im Stillen nicht mit der russischen Weltsicht übereinstimmen oder dessen verdächtigt bzw. denunziert werden. Mögliche Anhaltspunkte für eine Verhaftung sind zum Beispiel Tätowierungen mit patriotischen Symbolen und alles, was auf Handys und Socialmedia-Profilen der Verdächtigten zu finden ist: Fotos, ukrainische Musik, abonnierte Telegramkanäle, Likes und Kommentare.17 Auch Minderjährige sind von solchen Maßnahmen betroffen. 

Zmina und MIHR haben auf Grundlage selbst geführter Interviews mit Betroffenen russischer Filtration eine Liste typischer „Marker“ erstellt. Je mehr dieser Eigenschaften auf eine Person zutreffen, desto wahrscheinlicher wird ihre Verhaftung und desto schwerer auch die erlebten Misshandlungen. 

Reschat Ametow war 2014 der erste Ukrainer, der unter russischer Besatzung verhaftet wurde. Die „Marker“, die auf ihn zutrafen, waren: Er hatte öffentlich gegen die Besatzung protestiert, war bekannt für seine pro-ukrainische Haltung und gehörte noch dazu zur Volksgruppe der Krymtataren.  

Russland ersetzte das geltende Rechtssystem durch einen Repressionsapparat, der vor allem ein Ziel verfolgt: Lokale Identitäten zu kriminalisieren und die Bevölkerung vollständig zu russifizieren. 

Was genau bis zu seiner Ermordung mit Reschat geschah, wird die Welt vielleicht nie erfahren. Doch vom Anlass der Festnahme über sein spurloses Verschwinden bis zu den Folterspuren an seiner Leiche – alles gleicht der Systematik, nach der seitdem tausende Ukrainer:innen gefangengenommen werden und von der Bildfläche verschwinden: Vor mehr als einem Jahrzehnt begann Russland nicht nur, schrittweise militärisch die Kontrolle über Teile der Ukraine zu übernehmen. Es ersetzte auch das geltende Rechtssystem durch einen von russischen Behörden kontrollierten Repressionsapparat, der vor allem ein Ziel verfolgt: lokale Identitäten zu kriminalisieren und die Bevölkerung vollständig zu russifizieren.  

  1. Ukrainian Helsinki Human Rights Union, Regional Center of Human Rights (2019):  The occupation of Crimea: No markings, no names and hiding behind civilians. URL: https://old.helsinki.org.ua/wp-content/uploads/2020/05/Prev_Okupation_Crimea_Engl_A4.pdf  ↩︎
  2. OVDinfo (2025): 11 Years of Occupation: Establishment of the Repressive Regime in Crimea. URL: https://ovd.info/en/11-years-occupation-crimea#1-1 ↩︎
  3. Vladyslav Dolzhko (2023): A Year of Full-Scale Russia-Ukraine War: the Kharkiv Region. Kharkiv, Kharkiv Human Rights Protection Group (KHPG), URL: https://khpg.org/en/1608811856 ↩︎
  4. Marchuk I., Ostaf S., Svyrydova D., Tymochko M. (2025): Denial of the Right to a Fair Trial as an International Crime during Russia’s War against Ukraine: Context, Practice, Law and Prospects. Kyiv, Human Rights Centre ZMINA, Media Initiative for Human Rights, S. 39, URL: https://zmina.ua/wp-content/uploads/sites/2/2025/05/zvit_all_web-eng-finnal.pdf  ↩︎
  5. Pressestelle des Innenministeriums der Russischen Föderation (28.07.2022): Na territorii Chersonskoi i Saporoshskoi oblastei sosdany Wremennyje uprawlenija MWD Rossii, URL: https://mvdmedia.ru/news/official/na-territorii-khersonskoy-i-zaporozhskoy-oblastey-sozdany-vremennye-upravleniya-mvd-rossii/ ↩︎
  6. Marchuk I., Ostaf S., Svyrydova D., Tymochko M. (2025): Denial of the Right to a Fair Trial as an International Crime during Russia’s War against Ukraine: Context, Practice, Law and Prospects. Kyiv, Human Rights Centre ZMINA, Media Initiative for Human Rights, S. 39, URL: https://zmina.ua/wp-content/uploads/sites/2/2025/05/zvit_all_web-eng-finnal.pdf ↩︎
  7. Crimea SOS (26.10.2022): Okupanty widkryly nowy SISO w Simferopoli. URL: https://krymsos.com/krymsos-okupanty-vidkryly-novyj-sizo-v-simferopoli/ ; 
    FKU SISO-2 UFSIN Rossii po Respublike Krym i g. Sewastopolju, URL: https://companies.rbc.ru/id/1229100011800-federalnoe-kazennoe-uchrezhdenie-sledstvennyij-izolyator–2-upravleniya-federalnoj-sluzhbyi-ispolneniya-nakazanij-po-respublike-kryim-i-g-sevastopolyu/  ↩︎
  8. Olena Roschtschina (05.06.2023): Politwjasniw is Simferopolja perewodjat u sekretne SISO w Tschonhari na meshi s Krymom. Ukrajinska Prawda, URL: https://www.pravda.com.ua/news/2023/06/05/7405384/ ↩︎
  9. Lieselotte Hasselhoff (23.09.2025): Interview mit Artem Bartschuk ↩︎
  10. Maryia Kvitsinskaya, Eugenia Andreyuk, Charlotte Mancini (2024): “You’re loyal to Ukraine — are you a nazi?”. Torture and other violations as crimes against humanity by the Russian army in Ukraine. Kyiv/Geneva, Human Rights Centre ZMINA, The World Organisation Against Torture (OMCT), URL: https://zmina.ua/wp-content/uploads/sites/2/2024/07/rapport-ukraine-trorture-final-omct-web-pages-1-1.pdf, S. 51 ↩︎
  11. Marchuk I., Ostaf S., Svyrydova D., Tymochko M. (2025): Denial of the Right to a Fair Trial as an International Crime during Russia’s War against Ukraine: Context, Practice, Law and Prospects. Kyiv, Human Rights Centre ZMINA, Media Initiative for Human Rights, URL: https://zmina.ua/wp-content/uploads/sites/2/2025/05/zvit_all_web-eng-finnal.pdf, S. 29;
    Federalny sakon ot 03.04.2023 № 85-FS: O sosdanii sudow Rossiskoi Federazii na territorii Donezkoi Narodnoi Respubliki i o wnessenii ismeneni w otdelnyje sakonodatelnyje akty Rossiskoi Federazii, URL: http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001202304030002?index=1;
    Federalny sakon ot 03.04.2023 № 86-FS: O sosdanii sudow Rossiskoi Federazii na territorii Luganskoi Narodnoi Respubliki i o wnessenii ismeneni w otdelnyje sakonodatelnyje akty Rossiskoi Federazii. URL: http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001202304030003?index=1;
    Federalny sakon ot 03.04.2023 № 87-FS: O sosdanii sudow Rossiskoi Federazii na territorii Saporoshskoi oblasti i o wnessenii ismeneni w otdelnyje sakonodatelnyje akty Rossiskoi Federazii. URL: http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001202304030004?index=1;
    Federalny sakon ot 03.04.2023 № 88-FS: O sosdanii sudow Rossiskoi Federazii na territorii Chersonskoi oblasti i o wnessenii ismeneni w otdelnyje sakonodatelnyje akty Rossiskoi Federazii. URL: http://publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001202304030005?index=1 ↩︎
  12. Marchuk I., Ostaf S., Svyrydova D., Tymochko M. (2025): Denial of the Right to a Fair Trial as an International Crime during Russia’s War against Ukraine: Context, Practice, Law and Prospects. Kyiv, Human Rights Centre ZMINA, Media Initiative for Human Rights, URL: https://zmina.ua/wp-content/uploads/sites/2/2025/05/zvit_all_web-eng-finnal.pdf, S. 35 ↩︎
  13. UNN (09.05.2025): Ukraine has identified almost 16,000 civilians illegally detained by Russia – Ombudsman. URL: https://unn.ua/en/news/ukraine-has-identified-almost-16000-civilians-illegally-detained-by-russia-ombudsman ↩︎
  14. Vladyslav Dolzhko (2025): Three Years of Full-scale Russia-Ukraine war: the Kharkiv Region. Kharkiv, Kharkiv Human Rights Protection Group (KHPG), URL: Three Years of Full-scale Russia-Ukraine war: the Kharkiv Region ↩︎
  15. Office of the UN High Commissioner for Human Rights (2025): Treatment of civilians deprived of their liberty in the context of the armed attack by the Russian Federation against Ukraine. URL: https://ukraine.ohchr.org/en/treatment-of-civilians-deprived-of-their-liberty-in-the-context-of-the-armed-attack-by-the-russian-federation-against-ukraine, S. 8;
    Maryia Kvitsinskaya, Eugenia Andreyuk, Charlotte Mancini (2024): “You’re loyal to Ukraine — are you a nazi?”. Torture and other violations as crimes against humanity by the Russian army in Ukraine. Kyiv/Geneva, Human Rights Centre ZMINA, The World Organisation Against Torture (OMCT), URL: https://zmina.ua/wp-content/uploads/sites/2/2024/07/rapport-ukraine-trorture-final-omct-web-pages-1-1.pdf, S. 61;
    Lieselotte Hasselhoff (23.09.2025): Interview mit Artem Bartschuk ↩︎
  16. Lieselotte Hasselhoff (08.09.2025), Interview mit Jelisaweta Sokurenko ↩︎
  17. Maryia Kvitsinskaya, Eugenia Andreyuk, Charlotte Mancini (2024): “You’re loyal to Ukraine — are you a nazi?”. Torture and other violations as crimes against humanity by the Russian army in Ukraine. Kyiv/Geneva, Human Rights Centre ZMINA, The World Organisation Against Torture (OMCT), URL: https://zmina.ua/wp-content/uploads/sites/2/2024/07/rapport-ukraine-trorture-final-omct-web-pages-1-1.pdf, S. 28 ↩︎