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Testament

Uladzimir (Uladz) Liankievič, 1987 in Minsk geboren, ist nicht nur Lyriker und Übersetzer von Gedichten und Prosa aus dem Polnischen, Französischen oder Englischen, er gehört auch zu den bekanntesten zeitgenössischen Songschreibern und Musikern in Belarus. Mit Bands wie TonqiXod oder Syndrom Samazvanca, für die Liankievič Texte ausschließlich auf Belarussisch schreibt, hat er eine große Popularität in der alternativen Musikszene des Landes erlangt.  

Im Zuge der Proteste von 2020 wurde Liankievič zweimal zu kürzeren Haftstrafen verurteilt, mittlerweile lebt er im Exil in Polen. Um das Erbe des Volksaufstandes vor fünf Jahren geht es auch in seinem Essay, den er für unser Projekt mit der S. Fischer Stiftung Spurensuche in der Zukunft geschrieben hat. Zudem um die Frage, ob diejenigen, die wegen politischer Verfolgung fliehen mussten, Hoffnung haben können, irgendwann in ihre Heimat zurückzukehren.  Da sei er, schreibt Liankievič, voller Optimismus. 

Die deutsche Übersetzung und belarussische Originalversion des Essays werden zeitgleich mit der schwedischen und englischen Übersetzung veröffentlicht, die der Svenska PEN und das Online-Portal Eurozine möglich gemacht haben. 

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„Knoten der Hoffnung“ / Illustration © Antanina Slabodchykava

Ich war ein gutgläubiger Schüler, wuchs auf in den 1990ern, als eine Express-Belarusifizierungswelle meine Generation durch und durch erfasste. Für viele von uns war es deshalb mehr oder weniger normal, von belarusischer Sprache und Kultur umgeben zu sein. 

Wir lasen es in den Geschichtslehrbüchern, man erzählte uns darüber im Literaturunterricht: Das belarusische Volk hatte gelebt und gelitten, das belarusische Volk hatte großes Leid ertragen und war dagegen aufgestanden, es kämpfte und wurde in Ketten gelegt, es wehrte sich und stand auf, wieder und wieder ... Diese Erzählung funktionierte bis zu einem gewissen Zeitpunkt, an dem man älter wurde und dem „Volk“ immer häufiger jenseits der Grenzen von Familie, Schule und Altersgenossen im Hof begegnete. Plötzlich erwischte man sich bei dem Gedanken: War es wirklich dieses Volk, das sich geplagt, die Ketten abgeworfen und nach Freiheit gestrebt hatte? Irgendetwas passte da nicht. Denn auch der Alltag war nicht allzu frei, jedenfalls ging das so aus der unabhängigen Presse hervor, die es in den 1990er und 2000er Jahren noch legal an den Kiosken der Stadt zu kaufen gab, und darüber hinaus war Belarus überhaupt nicht so, wie es sich unsere Gründerväter im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wohl erhofft hatten. Was soll man sagen, irgendwie war es ein durch und durch russisches Belarus. Betrachtete man dazu noch den sozialen Aspekt und die Wohlstandsfrage, war für einen Neuntklässler wie mich jedenfalls klar, dass der Volksaufstand nicht abgeschlossen und von einem Sieg nur zu träumen war. Doch wie viele gab es, die das wirklich umtrieb, und wo waren sie? 

Ein furchtbarer Zweifel durchdrang damals den noch schwach entwickelten jugendlichen Geist: War unser Volk wirklich irgendwann in der Geschichte aufgestanden, hatte es Forderungen gestellt, hatte es je etwas gemeinsam bewirkt? Bis 2020 versuchte die Wirklichkeit dich nämlich eindringlich davon zu überzeugen, dass hier niemand jemals gemeinschaftlich gedacht hatte und es keine Gesellschaft als solche gäbe, sondern nur zufällige Menschen, die nach dem Zerfall der Sowjetunion in den Konturen der BSSR verblieben waren. Ob man wollte oder nicht, daran glaubte man allmählich, so sah man die Sache. Deshalb erschafft sich jeder mit den Jahren eine eigene leicht romantische, aber nicht langweilige Seifenblase, richtet sich gemütlich darin ein, teilt sie mit ein paar Dutzend Freunden, Bekannten und Kollegen. Deshalb kamen die Ereignisse von 2020 für viele Menschen so unerwartet. 

Wie aus heiterem Himmel wurde klar: Es gibt eine Gemeinschaft – die Menschen können sich mobilisieren, wenn die Sterne richtig stehen, jede Person kann sich anschließen und ihren Beitrag zur gemeinsamen Sache leisten – sie kann es nicht nur, sie tut es auch, ohne Einladung und auch ohne kaltes Buffet. Allumfassende Hoffnung, Inspiration und der Wunsch, „Menschen zu heißen“, wie es in den beinahe zerfallenen Versen Janka Kupalas heißt, wurden auf magische Weise zu Handlung. Ich weiß nicht, ob es unseren Klassikern, den Vätern (oder eher Vorvätern) der Nation vergönnt war, etwas Ähnliches zu bezeugen, die Frucht der eigenen Arbeit zu sehen, oder ob sie sich beim Schreiben nicht an ihre Zeitgenossen wandten, sondern an uns, die Zukünftigen, im Voraus, im Blindflug, im Vertrauen? Jedenfalls durfte ich 2020 selbst erleben, was das heißt: Das Volk steht auf. 

In den allerersten Tagen nach den „Wahlen“, als ganz Minsk schallte, explodierte, in Autohupen ertrank, in blockierten Straßen brodelte, gewaltig und gefährlich, sprach ich mit einer älteren Frau. Sie sagte, überwältigt, mit Tränen in den Augen und Kloß im Hals: Das ist es, darauf haben wir die ganzen 1990er Jahre lang so sehr gewartet. 

Erhabenheit und Schmerz, kaum beherrschbare Aufregung. Vor dir liegt, worauf du nicht mehr zu hoffen wagtest, der Glaube daran war schon verloren, die Hoffnung bewusst erstickt, der Blick absichtlich abgelenkt, um nicht noch eine Enttäuschung zu erleben. Der gesamten bisherigen Logik zufolge hätte das nicht stattfinden dürfen, es dürfte eigentlich nicht sein. Aber hier und jetzt findet es statt. Das Faktum dieses Seins lässt einen erblinden. Du hältst den Atem an. Willst dich blindlings in den Strudel der Ereignisse stürzen und gleichzeitig erstarren, verschwinden, um es nicht zu verscheuchen. 

Von da an glaubte ich an die Möglichkeit unseres ganzen Mythos von Bahuschewitsch bis Karatkewitsch, von Zjotka bis Nina Bahinskaja. Hoffnung ist für mich kein abstrakter Begriff mehr, ich habe ihr ins Gesicht gesehen, ich kenne ihren Geruch, ich habe sie berührt. Es ist geschehen, was nicht geschehen sollte, also kann es auch wieder geschehen. 

Heute wissen wir noch nichts über den Jüngsten Tag der neuen Chance, des Fensters der Möglichkeiten – nennt es, wie ihr wollt. In welchem Antlitz wird er daherkommen? Vielleicht werden diejenigen, durch und für die er anbrechen wird, völlig anders sein als wir, jung, vielleicht werden sie mir nicht gefallen, vielleicht werden sie gar nicht mehr merken, dass die Ruinen des Belarusischen, auf denen sie aufwuchsen, längst ein Geflecht aus zudringlichem Russki Mir-Plüsch umwuchert. Aber ich glaube an die Lebenskraft, die Macht der Jugend, die wie von selbst Funken versprüht und die Kränkung aus Janka Kupalas Gedicht Wer geht da einher? in Flammen aufgehen lässt – und damit die Wahrheit ans Licht bringt.   

Ich träume davon, einmal an der Stelle jener Frau stehen, schauen und wiederholen zu können: Das ist es, darauf haben wir 2020 gehofft. Und es endlich zu erleben. 

. . . . . . 

Leider sind das bislang nur Träume. Bis Mitte 2023 hielt ich in Belarus durch, dann trug es mich nach Polen. Die Geschichte ist banal in ihrer statistischen Durchschnittlichkeit. Es ist nicht wichtig, wie viele wir sind, einhunderttausend oder eine halbe Million. Uns gibt es, unabhängig davon, ob man uns im Land unseres Aufenthaltes wahrnimmt und ob man sich in der Heimat an uns erinnert.  

Mithilfe der Errungenschaften der modernen Zivilisation versucht die neue Emigrationswelle, Zeit und Raum zu täuschen. Wir sind in Belarus nicht völlig abwesend, aber auch unsere Anwesenheit in den neuen Ländern ist fragmentarisch. Es ist, als würde zuhause, unter den Strahlen der Sonnenstadt, das eilig aufgenommene Polaroid-Gruppenfoto langsam verbleichen, während sich das, das der Apparat am neuen Ort kurz nach dem Klick ausgeworfen hat, so sehr du es auch schüttelst, nicht ganz entwickeln will.   

Manche haben das Land schon vor fünf Jahren verlassen, haben ihr Eigentum verkauft, die Familie aus dem Land gebracht; ihre Umrisse sind kaum mehr auf dem Foto zu erkennen. Andere stehen ständig in Verbindung mit dem Festland und empfangen regelmäßig Besuch. Und es gibt diejenigen, die das Risiko eingehen und selbst das halbokkupierte Land besuchen. 

Kürzlich zitierte eine Freundin beim Kaffeetrinken einen gemeinsamen Bekannten, der meinte, alle Emigranten sollten sich schon jetzt auf den lokalen Friedhöfen umschauen und sich überlegen, wo genau sie begraben werden möchten, sei es nun in Warschau, Vilnius oder Berlin. 

Sofort musste ich an die einschlägige Enzyklopädie Buch der Friedhöfe. Belarusische Grabstätten in der Welt von Natallia Hardsijenka und Ljawon Jurewitsch denken. Das Buch erschien Ende 2023 dank der Unterstützung des Belarusian Institute of Arts and Sciences (BINiM), das in den 1950er Jahren in den USA noch von der alten belarusischen Nachkriegsemigrationswelle gegründet wurde – von Menschen also, die selbst erleben werden, was es heißt, in der Fremde zu sterben.  

Der 600-seitige Band versammelt sorgfältig ausgewählte Farbfotografien verschiedensprachiger prächtiger belarusischer Grabsteine aus 13 Ländern, von Australien bis Chile, von Großbritannien bis Schweden. Neben den Abbildungen stehen biografische Angaben der Beigesetzten, bei einigen wenige Zeilen, bei anderen mehrere Absätze. Im Buch finden sich keine Beispiele aus Polen, Litauen und Russland, obwohl in deren Erde wohl die meisten unserer Landsleute begraben liegen. Ich weiß nicht, ob man überhaupt realistisch beschreiben und erfassen kann, wie viele Belarusen und Belarusinnen allein in den letzten 100 bis 150 Jahren gegen ihren Willen aus dem Land verstoßen wurden und nun in der Welt verstreut liegen.  

Also sagt man: Such dir schon jetzt deinen Friedhof.  

Wir warfen einander eine Weile lang lässige Bemerkungen zu, und es stellte sich heraus, dass bei Weitem nicht alle in der Fremde begraben werden möchten, gäbe es eine wirkliche Wahl, würden sie dem Grab im eigenen Land den Vorzug geben. Dabei geht es nicht einmal darum, dass in Belarus Verwandte und Freunde leben oder neben den Ahnen begraben zu sein, sondern einfach um ein „Ich will zuhause liegen“. Natürlich hält ein Großteil der Leute diese Frage für dumm und misst ihr keine große Bedeutung bei, aber genau mit diesen Leuten werden sich die Forscher und Enzyklopädisten später beschäftigen, wenn sie den fünften oder zehnten Band des Buches der Friedhöfe vorbereiten.  

Wenn man mich also fragt, ob die Emigranten (vornehmlich die politischen) Hoffnung auf Rückkehr haben, antworte ich stets aus Überzeugung: Selbstverständlich haben sie Hoffnung. Da bin ich voller Optimismus.  

Früher gab es faktisch keine Möglichkeit, die sterblichen Überreste in die Heimat zu überführen, entweder war es zu teuer oder es dauerte zu lange, die Technik gab es nicht her oder die Grenzen waren geschlossen, alle Luken des U-Bootes UdSSR waren dichtgemacht. Die meisten wussten auch gar nicht, ob es überhaupt noch einen Ort in dieser Heimat gab, wo man beigesetzt werden könnte, ob es den Gottesacker im Dorf oder den Kirchfriedhof in der Kleinstadt noch gab oder ob alles im Krieg vernichtet, die Gräber umgepflügt worden waren.  

Heutzutage, jedenfalls bislang, ist die Rückführung des Leichnams nach Belarus ein völlig reales Unterfangen. Natürlich ist es billiger, den letzten Weg von Polen oder Litauen aus anzutreten, aber alles ist möglich, man muss nur ein oder mehrere tausend Euro zurücklegen. Oder im Notfall Freunde und Verwandte bitten zusammenzulegen. 

Es stellte sich heraus, dass die Frage nach dem Begräbnisort für mich eine recht grundsätzliche war. Warum „stellte sich heraus“? Weil ich darüber tatsächlich bis dahin nicht nachgedacht hatte und mich über mich selbst wunderte. Ich hatte nicht darüber nachgedacht, weil es mir so klar und selbstverständlich erschien, dass ich die ewige Ruhe irgendwo im Land der blauen Seen finden würde, unter dem lauten Geschrei der Gans und dem furchterregenden Gejaule des Windes, das meinem Herzen dennoch lieb ist.  

Die Frage ist gar nicht so sehr, wo ich konkret begraben sein möchte. Natürlich wäre es nicht schlecht, romantischem Pathos nachzujagen und für den zerfallenden Körper ein hübsches Plätzchen zu finden. Taras Schewtschenko schrieb in seinem Gedicht Vermächtnis: „Wenn ich sterbe, so bestattet / Mich auf eines Kurhans Zinne,/ Mitten in der breiten Steppe / Der geliebten Ukraine“. Da sind die Steppe, ein Kurhan, und auch der Dnipro mit seinen Schnellen.  

Der Philosoph und Dichter Ihnat Kantscheuski aka Abdsiralowitsch bat darum, nicht auf einem Friedhof bestattet zu werden, sondern „an einem Weg, auf einem grünen Hügel ...“ Laryssa Henijusch, die nach dem Krieg noch Stalins Lager überlebte, schrieb, sie möge im heimischen Eichenhain begraben werden, „wo es grünt ringsum, so grün“

Während der Schulzeit gewann ich einmal einen Preis im Wettbewerb Tag der Erde des Green Cross International und durfte an einer Schreibwerkstatt teilnehmen. Eine der Gewinnerinnen hatte ein Gedicht geschrieben, das mit den Worten begann: „Bestattet mich an der Wilija ...“ Ich bin nicht mehr sicher, ob der Satz wirklich genau so lautete, aber in dieser Form traf der Vers genau justiert durch den schwarzen Kunstledermantel in meinen pathetischen jungen Körper. Also, am Njoman wäre nicht schlecht, denn meine Vorfahren sowohl mütterlicherseits als auch väterlicherseits stammen aus der Njomanregion. Auch wenn ich nur wenige Male dort war, kommen diese Orte für mich doch einem gelobten Land gleich. Letztlich, wenn ich von all diesem jugendlichen Getöse absehe, genügt mir ein beliebiger ordentlicher Baum bei Minsk an einem von der Kreisverwaltung streng festgelegten Platz. Und sollte das nicht gehen, nehme ich auch irgendein anderes Fleckchen Erde auf dem Gebiet der Republik Belarus. 

Das war der erste Teil meines Testaments. Die zweite und letzte unerlässliche Bedingung: Die Aufschrift auf meinem Kreuz soll in belarusischer Sprache sein. Das wünsche, erbitte, fordere, erflehe ich.  

Lieber Wanderer, kommst du vorbei und siehst, dass die Inschrift in anderer Sprache geschrieben steht – so ritze sofort mit dem Schlüssel, korrigiere mit wasserfestem Stift, hast du beides nicht, so reiß das Schild herunter, kurzum, ich weise hiermit an, notfalls mein Grab zu entweihen.  

Seit meiner Schulzeit war ich auf Friedhöfen nicht deshalb traurig und bedrückt, weil dort zu meinen Füßen Tote raschelten, sondern weil es keine Rolle spielte, wer man zu Lebzeiten war – ob man es liebte, für die Seele Ales Rasanau zu lesen, ob man Trassjanka sprach, weil man nur selten die Grenzen des Kamarouka-Marktes in Minsk überschritt, ob man bei den seltenen Besuchen in der Heimat vom Russischen zum lokalen Dialekt wechselte, um die Familie nicht mit affektierter Hochsprache zu ärgern, oder ob man an der Universität lehrte, ob man gar Schriftsteller, Historiker, Künstler oder Verfechter der nationalen Wiedergeburt war, hier, auf dem Kladbischtsche, dem Friedhof, war das alles wie weggewischt: Der Tod ist in Belarus a priori russischsprachig. 

Noch im Tod musst du dich für Sprache und Nationalität, die du dir zu Lebzeiten erkämpft hast, einsetzen (einliegen?). Denn das Bestattungsunternehmen nutzt das Leid der belarusischen Hinterbliebenen niederträchtig aus, denen es unpassend und irgendwie auch unangemessen erscheint, die Bestatter, die nicht einmal „belarusische Schrift“ auf ihrem Computer haben, mit so etwas zu belasten, sodass die vorläufigen Schrifttafeln erst einmal „normal“, auf Russisch erstellt werden. „Das ist ja nur fürs Erste, später stellen Sie dann den Grabstein auf und schreiben in der anderen Sprache, wenn Sie wollen.“ Das vorläufige Täfelchen steht dann über Jahre da, und später denken die Enkel und entfernten Verwandten, die den Grabstein finanzieren, nicht mehr darüber nach und alles wird nach standardisiertem Standard gemacht. So haben es alle, warum soll man es kompliziert machen. 

Ein ganz frisches Beispiel: Auf dem Minsker Nordfriedhof wurde der Geologe Radsim Harezi beigesetzt, Sohn des ergebenen Belarusisten Hauryla Harezki, einem der Begründer der Belarusischen Akademie der Wissenschaften, repressiert in den 1930er Jahren, den GULAG und Zwangsarbeit durchlebt, erst 1958 rehabilitiert. Radsim Harezki war auch der Neffe des belarusischen Schriftstellers Maxim Harezki, den der NKWD 1938 hinrichtete. Und was haben wir nun – auf dem vorläufigen Kreuz prangt die russische Aufschrift Garezkij Radim Gawrilowitsch. Schon zu Lebzeiten trug dieser Mensch aus Prinzip in der zweiten Staatssprache (also Russisch) eine belarusifizierte Variante des Familiennamens, nämlich nicht „Gorezkij“, wie sein Vater und sein Onkel noch in den Akten stehen haben. Das belarusische Akanje ist das einzige Zeichen, ein winziges Bisschen, das dem Verstorbenen geblieben ist.  

Eine Protagonistin in Siarhej Pryluzkis Lyrikband Ničoha niastrašnaha (dt. Nichts, was keine Angst macht), eine alte Frau aus Butscha, sagt zu jeder Person, der sie begegnet: „... gestern bin ich gestorben – begrabt mich wie einen Menschen.“ 

Ich möchte auch wie ein Mensch begraben werden. Und ich wünsche mir, im Tode eine bessere Version meines jetzigen Ich zu sein – zu Hause und mit belarusischer Aufschrift auf dem Grabstein. 

 

ANMERKUNG DER REDAKTION  

Weißrussland oder Belarus? Belarusisch oder belarusisch? Die Belarus oder das Belarus? Nicht ganz leicht zu beantworten. Da es im Deutschen keine einheitlich kodifizierten Schreibweisen für diese Bezeichnungen und deren Adjektive gibt, überlassen wir es den Autorinnen und Autoren welche Schreibweise sie verwenden. Die Schreibweise in redaktionellen Inhalten (wie Titel und Erklärtexte) wird von der dekoder-Redaktion verantwortet. 

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Eine Fahrt mit der Minsker Metro verrät einiges über die sprachliche Situation in der Belarus. Die Fahrgäste unterhalten sich auf Russisch. In dieser Sprache sind auch die Bücher und Zeitschriften in ihren Händen, genau wie die Werbeanzeigen an den Wänden. Und gibt es einmal Störungen im Betriebsablauf, so erfolgt die entsprechende Durchsage ebenfalls auf Russisch. Wird jedoch ein planmäßiger Halt angekündigt, hört man aus den Lautsprechern plötzlich eine andere Sprache: das Belarusische.

Wären auf dem Gebiet der heutigen Belarus vor 200 Jahren auch schon Metros gefahren, hätte sich ein anderes Bild geboten. Russisch wäre kaum zu hören gewesen, denn die Gebiete der heutigen Belarus sind zu Beginn des 19. Jahrhunderts erst seit kurzer Zeit Teil des Russischen Zarenreichs. Zuvor hatten sie jahrhundertelang zur Adelsrepublik Polen-Litauen gehört, und deswegen wären auch zu jener Zeit die offiziellen Durchsagen der nächsten Station wohl noch auf Polnisch erfolgt. Auch die Namen der Stationen hätte man auf Polnisch ausgeschildert. Zwar hatte es im 16. und 17. Jahrhundert auf den Gebieten der Belarus bereits eine autochthone, ostslawische Schriftsprache1 gegeben, diese war aber längst vom westslawischen Polnischen verdrängt worden. Unterhalten hätten sich die Fahrgäste des 19. Jahrhunderts in unterschiedlichen Sprachen: Einige auf Polnisch, der Sprache des Adels, andere auf Jiddisch, und wieder andere in unterschiedlichen dialektalen Formen des ostslawischen Belarusischen, der Sprache der breiten Bevölkerung.

Das moderne Belarusische

Im 19. Jahrhundert setzte sich in Europa der Glaube an die Einheit von Volk, Nation und Sprache und damit das Bedürfnis nach einheitlichen Standardsprachen durch. Für die drei modernen ostslawischen Standardsprachen, für das Russische, das Ukrainische und das Belarusische, war dieses Jahrhundert das entscheidende. Auch die Idee einer belarusischen Identität gewann nun an Bedeutung und damit der Wunsch nach einer einheitlichen belarusischen Sprache. Anfang des 19. Jahrhunderts standen beide allerdings in Konkurrenz zur polnischen Sprache und Identität. Exemplarisch zeigt sich das in Biographie, Werk und Wahrnehmung der beiden befreundeten Schriftsteller Adam Mickiewicz und Jan Tschatschot. Obwohl beide am Ende des 18. Jahrhunderts unweit des heute belarusischen Nawahrudak geboren wurden, avancierte der erste zum Nationaldichter Polens, während der zweite zu einem der Gründer der belarusischen Wiedergeburtsbewegung wurde. „Von nahezu identischen Ausgangspunkten“ schlugen sie Bahnen ein, „wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten“2.

Das Polnische verlor im späteren 19. Jahrhundert in den „Nordwestprovinzen“ des Zarenreiches zunehmend seine Bedeutung. In Reaktion auf zwei Aufstände, die 1830/31 und 1863 auf den Gebieten des ehemaligen Polen-Litauens ausbrachen, nahm stattdessen der Einfluss des Russischen zu. Die westlichen Ostslawen wurden als „Teil des russischen Volkes“ betrachtet, der durch polnische Einflussnahme von diesem „entfremdet“ worden sei.3 Eine belarusische Standardsprache hatte in dieser Logik keinen Platz und wurde dementsprechend in ihrer Entwicklung behindert. Trotz dieser ungünstigen politischen Situation bildete sich bis zum Anfang des 20. Jahrhundert eine Literatur heraus, deren Sprache auf den damaligen belarusischen Dialekten aufbaute. Im Zuge der politischen Teilliberalisierung, die auf die Russische Revolution 1905 folgte, konnte das Belarusische schließlich auch in publizistischen Bereichen verwendet und stilistisch ausgebaut werden. Maßgeblich für diesen Prozess war die zwischen 1906 und 1915 herausgegebene Zeitung Nascha Niwa, das wichtigste Publikationsorgan der belarusischsprachigen Schriftsteller und Publizisten jener Zeit. 1918 wurden die orthographischen und grammatischen Regeln des Belarusischen durch Branislau Taraschkewitsch kodifiziert. Diese erste, aber nicht letzte Norm der belarusischen Standardsprache wurde nach ihrem Schöpfer als Taraschkewiza bekannt und war auf Abstand zum Russischen bedacht.

Das Belarusische in der Sowjetunion

Anfang des 20. Jahrhunderts stand die belarusische Sprache also gewissermaßen bereit, in einem künftigen belarusischen Staat die Funktionen einer Standardsprache zu erfüllen. Durchsetzen sollte sie sich jedoch letztlich nie, auch wenn es nach dem ersten Weltkrieg zunächst ganz danach aussah. Zwar gingen die westlichen Gebiete der heutigen Belarus an das neu entstandene Polen, wo eine Polonisierung der ostslawischen Bevölkerung angestrebt wurde. Im östlichen Teil, der nun als Belarusische Sozialistische Sowjetrepublik (BSSR) Teil der Sowjetunion war, erfuhr das Belarusische jedoch im Zuge der sogenannten Belarussisazyja eine nie dagewesene Förderung. Insbesondere wurde das Belarusische als Schul- und Verwaltungssprache eingeführt und auch in beträchtlichem Maße durchgesetzt.

Doch die liberale Sprachenpolitik der frühen Sowjetunion, die das Ziel verfolgte, nationale Minderheiten und ihre Eliten in den neuen Staat und die neue Ideologie einzubinden, sollte nicht lange andauern. Unter Stalin wurde 1934 das Russische zur alleinigen Sprache der innersowjetischen Kommunikation erklärt, bereits ein Jahr zuvor war es die alleinige Sprache der Armee geworden. 1938 wurde es Pflichtfach in den Schulen aller Sowjetrepubliken. Ein neues Regelwerk, die nach dem Volkskommissariat (narodny kamissaryjat) benannte Narkamauka, ersetzte 1933 die Taraschkewiza. Sie nähert das Belarusische in Grammatik, Wortbildung und Orthographie dem Russischen an. Diese Maßnahmen lesen sich heute recht nüchtern. Gleichzeitig fiel aber dem Großen Terror der 1930er Jahre auch fast die gesamte belarusischsprachige Intelligenz zum Opfer. Sich für das Belarusische einzusetzen oder lediglich Belarusisch zu sprechen, während der Kampf gegen „nationale Abweichler“ wütete, erforderte beträchtlichen Mut.

Doch nicht nur die Sowjetisierung, sondern auch der Zweite Weltkrieg hatte Folgen für die Stellung der belarusischen Standardsprache. Zwar gingen mit der sowjetischen Annexion Ostpolens 1939 große Teile des in der Zwischenkriegszeit zu Polen gehörenden belarusischen Sprachgebiets an die BSSR. Der Umstand, dass die deutschen Besatzer die belarusische Sprache im Zweiten Weltkrieg – wie auch schon im Ersten Weltkrieg – in gewissem Umfang für ihre Zwecke gefördert hatten, trug jedoch dazu bei, das Belarusische in der Sowjetunion zu diskreditieren. Vor allem aber verlor die belarusische Standardsprache ihren stärksten Trumpf gegenüber dem Russischen, nämlich die größere Nähe zur Alltagssprache der breiten Bevölkerung. Denn mit der Ermordung von Millionen Menschen und der vollständigen Vernichtung von etwa 9000 Dörfern durch die Deutschen war auch die dialektale Landschaft zu großen Teilen zerstört worden. Nach dem Krieg wurden Städte im Zuge einer raschen Industrialisierung schneller wiederaufgebaut als Dörfer. Zahlreiche junge Sprecher*innen belarusischer Dialekte zogen daher als dringend benötigte Arbeitskräfte vom Land in die rasant wachsenden Städte, wo sie sich der sozial dominanten russischen Sprache zuwandten. Hieraus resultiert die weite Verbreitung der sogenannte Trassjanka im Lande, einer gemischten Rede, die Elemente des Belarusischen und des Russischen aufweist.

Dass insbesondere in den Städten das Russische dominierte, lag einerseits daran, dass nach dem Krieg viele Russ*innen und Sprecher*innen des Russischen aus anderen Teilen der Sowjetunion in die belarusischen Städte gezogen waren, um dort Führungspositionen einzunehmen. Vor allem blieb aber auch unter Stalins Nachfolgern das Russische die Sprache des ideellen Wegs zum Kommunismus – und damit auch die Sprache des individuellen Wegs nach oben auf jedweder Karriereleiter. Seinem Ärger über eine belarusischsprachige Rede, die er wohlgemerkt auf dem 40. Jahrestag der BSSR hatte hören müssen, soll Chruschtschow mit den Worten Luft gemacht haben: „Je eher wir alle Russisch sprechen, desto eher haben wir den Kommunismus aufgebaut“.4 Das Russische hatte nun die „zweite Muttersprache“ aller nicht-russischen Ethnien zu sein. Trotz allem war das Belarusische als Unterrichtssprache bis in die Nachkriegszeit hinein aber noch recht gut vertreten. Als Eltern ab 1958 jedoch die Unterrichtssprache ihrer Kinder frei wählen durften, optierten die meisten für das in der Sowjetunion unverzichtbare Russische, nicht für das verzichtbare Belarusische.

Belarusisch im unabhängigen Belarus

Zum Ende der Sowjetzeit sah es für das Belarusische düster aus. Erst in der Perestroika-Stimmung der 1980er Jahre konnten sich national orientierte Intellektuelle für das Belarusische stark machen. Als alleinige Staatssprache der nun unabhängigen Republik Belarus erlebte es dann Anfang der 1990er Jahre einen vorerst letzten Aufschwung. Insbesondere der Anteil der Schüler*innen, die auf Belarusisch unterrichtet wurden, stieg stark an. Der Rückhalt in der Bevölkerung für die allgemeine Durchsetzung einer Sprache, die von vielen kaum benutzt und eher mittelmäßig beherrscht wurde, war jedoch nicht allzu groß. Vielen ging es zumindest zu schnell und in der postsowjetischen Wirtschaftskrise waren vielen Belarus*innen andere Probleme dringlicher. Auf diese Stimmung bauend ließ Präsident Alexander Lukaschenko kurz nach seinem Antritt im Mai 1995 ein in seiner Rechtmäßigkeit umstrittenes Referendum durchführen, das unter anderem auch auf die Staatssprache abzielte. Die entsprechende Frage war geschickt formuliert: Es ging nicht etwa darum, die Förderung des Belarusischen zurückzunehmen oder es gar zurückzudrängen, sondern darum, „dem Russischen den gleichen Status wie dem Belarusischen“ einzuräumen. Offiziell 87 Prozent der gültigen Stimmen zeigten sich damit einverstanden.

Heute sind Belarusisch und Russisch rechtlich gleichberechtigte Staatssprachen der Republik Belarus. Personen, die sich für eine stärkere Position des Belarusischen einsetzen, kann die offizielle Seite entgegnen, dass man das Belarusische ja keinesfalls zurückdränge. Man sei – so etwa Lukaschenko – lediglich dagegen, eine der beiden Sprachen mit Zwang durchzusetzen.5 Ganz ähnlich wie bei der freien Wahl der Unterrichtssprache in den 1950er Jahren ist das Belarusische ohne eine positive Diskriminierung jedoch chancenlos. Denn ob im alltäglichen Gebrauch, im öffentlichen Leben, den Medien, dem Bildungswesen, dem Buchmarkt, bei Regierungs- und Verwaltungsorganen, im Geschäftswesen, in der Wissenschaft – überall dominiert das Russische, das Belarusische spielt allenfalls eine marginale Rolle.
So gab im Zensus von 2019 zwar immerhin ein gutes Viertel der knapp acht Millionen ethnischer Belarus*innen6 an, zu Hause für gewöhnlich das Belarusische zu benutzen. Dass sich dahinter aber nicht die Standardsprache verbirgt, wird in anderen Umfragen deutlich. Können die Befragten nicht nur Belarusisch oder Russisch ankreuzen, sondern auch „Trassjanka“ oder „belarusisch-russisch gemischt“, dann sinkt der Anteil der Belarusischsprecher*innen auf unter fünf Prozent.7
 

Die Daten wurden in sieben belarusischen Städten erhoben, 1230 Menschen wurden befragt.8

Der zweifellos marginale Status des Belarusischen im Gebrauch wird zuweilen sogar in ein Argument gegen dessen Förderung umgemünzt: Dass niemand es im Alltag benutze, zeige, dass diese „Sprache der Schriftsteller“ nicht für den Alltag tauge. Das verkennt allerdings, dass das Belarusische für einige, wenn auch wenige, durchaus die praktikable und normale Alltagssprache ist. Bei dieser Gruppe handelt es sich um eine national gesinnte Minderheit, oft mit einer Vorliebe für die erste, nicht-russifizierte Norm des Belarusischen, die Taraschkewiza. Der Gebrauch des Belarusischen in der Öffentlichkeit ist ungewöhnlich und damit als Statement zu verstehen. Umgekehrt ist es jedoch keineswegs so, dass der Gebrauch des Russischen auf eine regierungstreue Haltung oder die Ablehnung einer belarusischen Eigenständigkeit schließen lässt. Die Sprachenfrage ist entsprechend auch in den gegenwärtigen Protesten „seltsam abwesend“9


Die Daten wurden in einer landesweiten Umfrage erhoben, 882 Menschen wurden befragt.10

Die Situation des Belarusischen ist heute von vielen Widersprüchen geprägt. So betrachten etwa viele Belarus*innen das Belarusische als ihre Muttersprache11, obwohl sie es kaum sprechen. Auch sehen viele die Sprache noch als wichtiges Unterscheidungsmerkmal der Belarus*innen zu den Russ*innen, stimmen jedoch der Aussage zu, dass man auch Belarus*in sein könne, ohne die Sprache zu sprechen. Grundsätzlich beherrschen solle man sie jedoch schon, auch wenn für die allermeisten das Belarusische heute eine lediglich im Klassenzimmer erlernte und auf schulische Kontexte beschränkte Sprache ist. Nach wie vor hegen aber viele junge Belarus*innen den Wunsch, dass ihre eigenen Kinder einmal nicht nur das Russische, den jasyk, beherrschen, sondern auch: die belarusische mowa.12 Ob den Belarus*innen in ihrer Mehrheit die symbolischen, aber letztlich homöopathischen Dosen des Belarusischen in Metro, Schule und anderswo ausreichen, wird sich zeigen müssen.


Anmerkung der Redaktion:

Weißrussland oder Belarus? Belarussisch oder belarusisch? Die Belarus oder das Belarus? Nicht ganz leicht zu beantworten. Da es im Deutschen keine einheitlich kodifizierten Schreibweisen für diese Bezeichnungen und deren Adjektive gibt, überlassen wir es den Autorinnen und Autoren der Gnosen, welche Schreibweise sie verwenden. Die Schreibweise in redaktionellen Inhalten (wie Titel und Erklärtexte) wird von der dekoder-Redaktion verantwortet.

 

 

Zum Weiterlesen
Bieder, H. (2001): Der Kampf um die Sprachen im 20. Jahrhundert, in: Beyrau, D./Lindner, R. (Hrsg.): Handbuch der Geschichte Weißrusslands, Göttingen, S. 451–471
Hentschel, G./Kittel, B. (2011): Zur weißrussisch-russischen Zweisprachigkeit in Weißrussland – nicht zuletzt aus der Sicht der Weißrussen, in: Bohn, Th. et al. (Hrsg.): Ein weißer Fleck in Europa ... Die Imagination der Belarus als Kontaktzone zwischen Ost und West, Bielefeld, S. 49–67
Woolhiser, Curt (2013): New speakers of Belarusian: Metalinguistic Discourse, Social Identity, and Language Use, in Bethea, David M./Bethin, Christina Y.  (Hrsg.): American Contributions to the 15th International Congress of Slavists, Minsk, August 2013, Bloomington, S. 63–115
Zaprudski, S. (2007): In the grip of replacive bilingualism: The Belarusian language in contact with Russian, in: International Journal of the Sociology of Language 183, S. 97–118

1.Moser, M. (2005): Mittelruthenisch (Mittelweißrussisch und Mittelukrainisch): Ein Überblick, in: Studia Slavica Academiae Scientiarum Hungaricae 50, S. 125–142; Bunčić, D. (2006): Die ruthenische Schriftsprache bei Ivan Uževyč unter besonderer Berücksichtigung der Lexik seines Gesprächsbuchs Rozmova/Besěda, München 
2.Kohler, G.-B. (2014): Selbst, Anderes Selbst und das Intime Andere: Adam Mickiewicz und Jan Čačot, in: Studia Białorutenistyczne 8, S. 79–94, hier S. 83 
3.Brüggemann, M. (2014): Zwischen Anlehnung an Russland und Eigenständigkeit: Zur Sprachpolitik in Belarus', in: Europa ethnica 3-4/2014, S. 88–93, hier S. 89 
4.zit. nach: Korjakov, Ju. B. (2002): Jazykovaja situacija v Belorussii i tipologija jazykovych situacij, Moskva, hier S. 39 
5.nach Brüggemann, M. (2014): Die weißrussische und die russische Sprache in ihrem Verhältnis zur weißrussischen Gesellschaft und Nation: Ideologisch-programmatische Standpunkte politischer Akteure und Intellektueller 1994–2010, Oldenburg, hier S. 112 
6.Mit ethnischen Belarus*innen sind dabei belarusische Staatsbürger*innen gemeint, die sich nicht als Russ*innen, Pol*innen, Ukrainer*innen etc. identifizierten. 
7.Kittel, B./Lindner, D./Brüggemann, M./Zeller, J. P./Hentschel, G. (2018): Sprachkontakt – Sprachmischung – Sprachwahl – Sprachwechsel: Eine sprachsoziologische Untersuchung der weißrussisch-russisch gemischten Rede „Trassjanka“ in Weißrussland, Berlin, hier S. 180; Informacionno-analitičeskij centr pri Administracii Prezidenta Respubliki Belarus’ (Hrsg.) (2018): Respublika Belarus’ v zerkale sociologii: Sbornik materialov sociologičeskich issledovanij, Minsk, hier S. 46 
8.Die Daten wurden in sieben belarusischen Städten erhoben, 1230 Menschen wurden befragt. Vgl. Kittel et al. 2018, S. 180 
9.Brüggemann, M. (2020): Demokratie nur auf Belarusisch? Eine Reise in die sprachpolitischen „Befindlichkeiten“ der Belarus, in: Bohn, T./Rutz, M. (Hrsg.): Belarus-Reisen: Empfehlungen aus der deutschen Wissenschaft, Wiesbaden, S. 53–69, hier S. 69 
10.Die Daten wurden in einer landesweiten Umfrage erhoben, 882 Menschen wurden befragt. Vgl. Hentschel, G./Brüggemann, M./Geiger, H./Zeller, J. P. (2015): The linguistic and political orientation of young Belarusian adults between East and West or Russian and Belarusian, in: International Journal of the Sociology of Language 2015/236, S. 133–154, hier S. 151 
11.In der Entsprechung zum deutschen Wort „Muttersprache“ ist weder im Belarusischen noch im Russischen von „Mutter“ die Rede. Im Belarusischen ist es „rodnaja mova“, im Russischen „rodnoj jazyk“. Das Attribut „rodnaja“ bzw. „rodnoj“ ist am ehesten vergleichbar mit dem englischen „native“. In anderen Kontexten kann es mit „leiblich verwandt“, „Heimat‑“ oder „angeboren“ übersetzt werden. Abgeleitet ist es von der Wurzel „rod“, zu übersetzen unter anderem mit „Stamm, Geschlecht“, die auch im Wort „narod“ „Volk“ vorkommt. Vgl dazu: Zeller, J. P./Levikin, D. (2016): Die Muttersprachen junger Weißrussen: Ihr symbolischer Gehalt und ihr Zusammenhang mit sozialen Faktoren und dem Sprachgebrauch in der Familie, in: Wiener Slavistisches Jahrbuch (Neue Folge) 4, S. 114–144 
12.Hentschel, G et al. 2018, S. 151 
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Vor 80 Jahren starb die Ikone der belarusischen Literatur Janka Kupala (1882–1942). Ob es Selbstmord war oder ob der Geheimdienst beteiligt war, wurde nie richtig aufgeklärt. Seine Werke sind Klassiker, die mit dem Protestsommer von 2020 wieder brandaktuell wurden. Gun-Britt Kohler in einer Gnose über den Nationaldichter Kupala, der mit seinem Werk wie kein anderer für die schwierige Suche der Belarusen nach einem nationalen Selbstverständnis steht.

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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)