Uladzimir (Uladz) Liankievič, 1987 in Minsk geboren, ist nicht nur Lyriker und Übersetzer von Gedichten und Prosa aus dem Polnischen, Französischen oder Englischen, er gehört auch zu den bekanntesten zeitgenössischen Songschreibern und Musikern in Belarus. Mit Bands wie TonqiXod oder Syndrom Samazvanca, für die Liankievič Texte ausschließlich auf Belarussisch schreibt, hat er eine große Popularität in der alternativen Musikszene des Landes erlangt.
Im Zuge der Proteste von 2020 wurde Liankievič zweimal zu kürzeren Haftstrafen verurteilt, mittlerweile lebt er im Exil in Polen. Um das Erbe des Volksaufstandes vor fünf Jahren geht es auch in seinem Essay, den er für unser Projekt mit der S. Fischer Stiftung Spurensuche in der Zukunft geschrieben hat. Zudem um die Frage, ob diejenigen, die wegen politischer Verfolgung fliehen mussten, Hoffnung haben können, irgendwann in ihre Heimat zurückzukehren. Da sei er, schreibt Liankievič, voller Optimismus.
Die deutsche Übersetzung und belarussische Originalversion des Essays werden zeitgleich mit der schwedischen und englischen Übersetzung veröffentlicht, die der Svenska PEN und das Online-Portal Eurozine möglich gemacht haben.
Ich war ein gutgläubiger Schüler, wuchs auf in den 1990ern, als eine Express-Belarusifizierungswelle meine Generation durch und durch erfasste. Für viele von uns war es deshalb mehr oder weniger normal, von belarusischer Sprache und Kultur umgeben zu sein.
Wir lasen es in den Geschichtslehrbüchern, man erzählte uns darüber im Literaturunterricht: Das belarusische Volk hatte gelebt und gelitten, das belarusische Volk hatte großes Leid ertragen und war dagegen aufgestanden, es kämpfte und wurde in Ketten gelegt, es wehrte sich und stand auf, wieder und wieder ... Diese Erzählung funktionierte bis zu einem gewissen Zeitpunkt, an dem man älter wurde und dem „Volk“ immer häufiger jenseits der Grenzen von Familie, Schule und Altersgenossen im Hof begegnete. Plötzlich erwischte man sich bei dem Gedanken: War es wirklich dieses Volk, das sich geplagt, die Ketten abgeworfen und nach Freiheit gestrebt hatte? Irgendetwas passte da nicht. Denn auch der Alltag war nicht allzu frei, jedenfalls ging das so aus der unabhängigen Presse hervor, die es in den 1990er und 2000er Jahren noch legal an den Kiosken der Stadt zu kaufen gab, und darüber hinaus war Belarus überhaupt nicht so, wie es sich unsere Gründerväter im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wohl erhofft hatten. Was soll man sagen, irgendwie war es ein durch und durch russisches Belarus. Betrachtete man dazu noch den sozialen Aspekt und die Wohlstandsfrage, war für einen Neuntklässler wie mich jedenfalls klar, dass der Volksaufstand nicht abgeschlossen und von einem Sieg nur zu träumen war. Doch wie viele gab es, die das wirklich umtrieb, und wo waren sie?
Ein furchtbarer Zweifel durchdrang damals den noch schwach entwickelten jugendlichen Geist: War unser Volk wirklich irgendwann in der Geschichte aufgestanden, hatte es Forderungen gestellt, hatte es je etwas gemeinsam bewirkt? Bis 2020 versuchte die Wirklichkeit dich nämlich eindringlich davon zu überzeugen, dass hier niemand jemals gemeinschaftlich gedacht hatte und es keine Gesellschaft als solche gäbe, sondern nur zufällige Menschen, die nach dem Zerfall der Sowjetunion in den Konturen der BSSR verblieben waren. Ob man wollte oder nicht, daran glaubte man allmählich, so sah man die Sache. Deshalb erschafft sich jeder mit den Jahren eine eigene leicht romantische, aber nicht langweilige Seifenblase, richtet sich gemütlich darin ein, teilt sie mit ein paar Dutzend Freunden, Bekannten und Kollegen. Deshalb kamen die Ereignisse von 2020 für viele Menschen so unerwartet.
Wie aus heiterem Himmel wurde klar: Es gibt eine Gemeinschaft – die Menschen können sich mobilisieren, wenn die Sterne richtig stehen, jede Person kann sich anschließen und ihren Beitrag zur gemeinsamen Sache leisten – sie kann es nicht nur, sie tut es auch, ohne Einladung und auch ohne kaltes Buffet. Allumfassende Hoffnung, Inspiration und der Wunsch, „Menschen zu heißen“, wie es in den beinahe zerfallenen Versen Janka Kupalas heißt, wurden auf magische Weise zu Handlung. Ich weiß nicht, ob es unseren Klassikern, den Vätern (oder eher Vorvätern) der Nation vergönnt war, etwas Ähnliches zu bezeugen, die Frucht der eigenen Arbeit zu sehen, oder ob sie sich beim Schreiben nicht an ihre Zeitgenossen wandten, sondern an uns, die Zukünftigen, im Voraus, im Blindflug, im Vertrauen? Jedenfalls durfte ich 2020 selbst erleben, was das heißt: Das Volk steht auf.
In den allerersten Tagen nach den „Wahlen“, als ganz Minsk schallte, explodierte, in Autohupen ertrank, in blockierten Straßen brodelte, gewaltig und gefährlich, sprach ich mit einer älteren Frau. Sie sagte, überwältigt, mit Tränen in den Augen und Kloß im Hals: Das ist es, darauf haben wir die ganzen 1990er Jahre lang so sehr gewartet.
Erhabenheit und Schmerz, kaum beherrschbare Aufregung. Vor dir liegt, worauf du nicht mehr zu hoffen wagtest, der Glaube daran war schon verloren, die Hoffnung bewusst erstickt, der Blick absichtlich abgelenkt, um nicht noch eine Enttäuschung zu erleben. Der gesamten bisherigen Logik zufolge hätte das nicht stattfinden dürfen, es dürfte eigentlich nicht sein. Aber hier und jetzt findet es statt. Das Faktum dieses Seins lässt einen erblinden. Du hältst den Atem an. Willst dich blindlings in den Strudel der Ereignisse stürzen und gleichzeitig erstarren, verschwinden, um es nicht zu verscheuchen.
Von da an glaubte ich an die Möglichkeit unseres ganzen Mythos von Bahuschewitsch bis Karatkewitsch, von Zjotka bis Nina Bahinskaja. Hoffnung ist für mich kein abstrakter Begriff mehr, ich habe ihr ins Gesicht gesehen, ich kenne ihren Geruch, ich habe sie berührt. Es ist geschehen, was nicht geschehen sollte, also kann es auch wieder geschehen.
Heute wissen wir noch nichts über den Jüngsten Tag der neuen Chance, des Fensters der Möglichkeiten – nennt es, wie ihr wollt. In welchem Antlitz wird er daherkommen? Vielleicht werden diejenigen, durch und für die er anbrechen wird, völlig anders sein als wir, jung, vielleicht werden sie mir nicht gefallen, vielleicht werden sie gar nicht mehr merken, dass die Ruinen des Belarusischen, auf denen sie aufwuchsen, längst ein Geflecht aus zudringlichem Russki Mir-Plüsch umwuchert. Aber ich glaube an die Lebenskraft, die Macht der Jugend, die wie von selbst Funken versprüht und die Kränkung aus Janka Kupalas Gedicht Wer geht da einher? in Flammen aufgehen lässt – und damit die Wahrheit ans Licht bringt.
Ich träume davon, einmal an der Stelle jener Frau stehen, schauen und wiederholen zu können: Das ist es, darauf haben wir 2020 gehofft. Und es endlich zu erleben.
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Leider sind das bislang nur Träume. Bis Mitte 2023 hielt ich in Belarus durch, dann trug es mich nach Polen. Die Geschichte ist banal in ihrer statistischen Durchschnittlichkeit. Es ist nicht wichtig, wie viele wir sind, einhunderttausend oder eine halbe Million. Uns gibt es, unabhängig davon, ob man uns im Land unseres Aufenthaltes wahrnimmt und ob man sich in der Heimat an uns erinnert.
Mithilfe der Errungenschaften der modernen Zivilisation versucht die neue Emigrationswelle, Zeit und Raum zu täuschen. Wir sind in Belarus nicht völlig abwesend, aber auch unsere Anwesenheit in den neuen Ländern ist fragmentarisch. Es ist, als würde zuhause, unter den Strahlen der Sonnenstadt, das eilig aufgenommene Polaroid-Gruppenfoto langsam verbleichen, während sich das, das der Apparat am neuen Ort kurz nach dem Klick ausgeworfen hat, so sehr du es auch schüttelst, nicht ganz entwickeln will.
Manche haben das Land schon vor fünf Jahren verlassen, haben ihr Eigentum verkauft, die Familie aus dem Land gebracht; ihre Umrisse sind kaum mehr auf dem Foto zu erkennen. Andere stehen ständig in Verbindung mit dem Festland und empfangen regelmäßig Besuch. Und es gibt diejenigen, die das Risiko eingehen und selbst das halbokkupierte Land besuchen.
Kürzlich zitierte eine Freundin beim Kaffeetrinken einen gemeinsamen Bekannten, der meinte, alle Emigranten sollten sich schon jetzt auf den lokalen Friedhöfen umschauen und sich überlegen, wo genau sie begraben werden möchten, sei es nun in Warschau, Vilnius oder Berlin.
Sofort musste ich an die einschlägige Enzyklopädie Buch der Friedhöfe. Belarusische Grabstätten in der Welt von Natallia Hardsijenka und Ljawon Jurewitsch denken. Das Buch erschien Ende 2023 dank der Unterstützung des Belarusian Institute of Arts and Sciences (BINiM), das in den 1950er Jahren in den USA noch von der alten belarusischen Nachkriegsemigrationswelle gegründet wurde – von Menschen also, die selbst erleben werden, was es heißt, in der Fremde zu sterben.
Der 600-seitige Band versammelt sorgfältig ausgewählte Farbfotografien verschiedensprachiger prächtiger belarusischer Grabsteine aus 13 Ländern, von Australien bis Chile, von Großbritannien bis Schweden. Neben den Abbildungen stehen biografische Angaben der Beigesetzten, bei einigen wenige Zeilen, bei anderen mehrere Absätze. Im Buch finden sich keine Beispiele aus Polen, Litauen und Russland, obwohl in deren Erde wohl die meisten unserer Landsleute begraben liegen. Ich weiß nicht, ob man überhaupt realistisch beschreiben und erfassen kann, wie viele Belarusen und Belarusinnen allein in den letzten 100 bis 150 Jahren gegen ihren Willen aus dem Land verstoßen wurden und nun in der Welt verstreut liegen.
Also sagt man: Such dir schon jetzt deinen Friedhof.
Wir warfen einander eine Weile lang lässige Bemerkungen zu, und es stellte sich heraus, dass bei Weitem nicht alle in der Fremde begraben werden möchten, gäbe es eine wirkliche Wahl, würden sie dem Grab im eigenen Land den Vorzug geben. Dabei geht es nicht einmal darum, dass in Belarus Verwandte und Freunde leben oder neben den Ahnen begraben zu sein, sondern einfach um ein „Ich will zuhause liegen“. Natürlich hält ein Großteil der Leute diese Frage für dumm und misst ihr keine große Bedeutung bei, aber genau mit diesen Leuten werden sich die Forscher und Enzyklopädisten später beschäftigen, wenn sie den fünften oder zehnten Band des Buches der Friedhöfe vorbereiten.
Wenn man mich also fragt, ob die Emigranten (vornehmlich die politischen) Hoffnung auf Rückkehr haben, antworte ich stets aus Überzeugung: Selbstverständlich haben sie Hoffnung. Da bin ich voller Optimismus.
Früher gab es faktisch keine Möglichkeit, die sterblichen Überreste in die Heimat zu überführen, entweder war es zu teuer oder es dauerte zu lange, die Technik gab es nicht her oder die Grenzen waren geschlossen, alle Luken des U-Bootes UdSSR waren dichtgemacht. Die meisten wussten auch gar nicht, ob es überhaupt noch einen Ort in dieser Heimat gab, wo man beigesetzt werden könnte, ob es den Gottesacker im Dorf oder den Kirchfriedhof in der Kleinstadt noch gab oder ob alles im Krieg vernichtet, die Gräber umgepflügt worden waren.
Heutzutage, jedenfalls bislang, ist die Rückführung des Leichnams nach Belarus ein völlig reales Unterfangen. Natürlich ist es billiger, den letzten Weg von Polen oder Litauen aus anzutreten, aber alles ist möglich, man muss nur ein oder mehrere tausend Euro zurücklegen. Oder im Notfall Freunde und Verwandte bitten zusammenzulegen.
Es stellte sich heraus, dass die Frage nach dem Begräbnisort für mich eine recht grundsätzliche war. Warum „stellte sich heraus“? Weil ich darüber tatsächlich bis dahin nicht nachgedacht hatte und mich über mich selbst wunderte. Ich hatte nicht darüber nachgedacht, weil es mir so klar und selbstverständlich erschien, dass ich die ewige Ruhe irgendwo im Land der blauen Seen finden würde, unter dem lauten Geschrei der Gans und dem furchterregenden Gejaule des Windes, das meinem Herzen dennoch lieb ist.
Die Frage ist gar nicht so sehr, wo ich konkret begraben sein möchte. Natürlich wäre es nicht schlecht, romantischem Pathos nachzujagen und für den zerfallenden Körper ein hübsches Plätzchen zu finden. Taras Schewtschenko schrieb in seinem Gedicht Vermächtnis: „Wenn ich sterbe, so bestattet / Mich auf eines Kurhans Zinne,/ Mitten in der breiten Steppe / Der geliebten Ukraine“. Da sind die Steppe, ein Kurhan, und auch der Dnipro mit seinen Schnellen.
Der Philosoph und Dichter Ihnat Kantscheuski aka Abdsiralowitsch bat darum, nicht auf einem Friedhof bestattet zu werden, sondern „an einem Weg, auf einem grünen Hügel ...“ Laryssa Henijusch, die nach dem Krieg noch Stalins Lager überlebte, schrieb, sie möge im heimischen Eichenhain begraben werden, „wo es grünt ringsum, so grün“.
Während der Schulzeit gewann ich einmal einen Preis im Wettbewerb Tag der Erde des Green Cross International und durfte an einer Schreibwerkstatt teilnehmen. Eine der Gewinnerinnen hatte ein Gedicht geschrieben, das mit den Worten begann: „Bestattet mich an der Wilija ...“ Ich bin nicht mehr sicher, ob der Satz wirklich genau so lautete, aber in dieser Form traf der Vers genau justiert durch den schwarzen Kunstledermantel in meinen pathetischen jungen Körper. Also, am Njoman wäre nicht schlecht, denn meine Vorfahren sowohl mütterlicherseits als auch väterlicherseits stammen aus der Njomanregion. Auch wenn ich nur wenige Male dort war, kommen diese Orte für mich doch einem gelobten Land gleich. Letztlich, wenn ich von all diesem jugendlichen Getöse absehe, genügt mir ein beliebiger ordentlicher Baum bei Minsk an einem von der Kreisverwaltung streng festgelegten Platz. Und sollte das nicht gehen, nehme ich auch irgendein anderes Fleckchen Erde auf dem Gebiet der Republik Belarus.
Das war der erste Teil meines Testaments. Die zweite und letzte unerlässliche Bedingung: Die Aufschrift auf meinem Kreuz soll in belarusischer Sprache sein. Das wünsche, erbitte, fordere, erflehe ich.
Lieber Wanderer, kommst du vorbei und siehst, dass die Inschrift in anderer Sprache geschrieben steht – so ritze sofort mit dem Schlüssel, korrigiere mit wasserfestem Stift, hast du beides nicht, so reiß das Schild herunter, kurzum, ich weise hiermit an, notfalls mein Grab zu entweihen.
Seit meiner Schulzeit war ich auf Friedhöfen nicht deshalb traurig und bedrückt, weil dort zu meinen Füßen Tote raschelten, sondern weil es keine Rolle spielte, wer man zu Lebzeiten war – ob man es liebte, für die Seele Ales Rasanau zu lesen, ob man Trassjanka sprach, weil man nur selten die Grenzen des Kamarouka-Marktes in Minsk überschritt, ob man bei den seltenen Besuchen in der Heimat vom Russischen zum lokalen Dialekt wechselte, um die Familie nicht mit affektierter Hochsprache zu ärgern, oder ob man an der Universität lehrte, ob man gar Schriftsteller, Historiker, Künstler oder Verfechter der nationalen Wiedergeburt war, hier, auf dem Kladbischtsche, dem Friedhof, war das alles wie weggewischt: Der Tod ist in Belarus a priori russischsprachig.
Noch im Tod musst du dich für Sprache und Nationalität, die du dir zu Lebzeiten erkämpft hast, einsetzen (einliegen?). Denn das Bestattungsunternehmen nutzt das Leid der belarusischen Hinterbliebenen niederträchtig aus, denen es unpassend und irgendwie auch unangemessen erscheint, die Bestatter, die nicht einmal „belarusische Schrift“ auf ihrem Computer haben, mit so etwas zu belasten, sodass die vorläufigen Schrifttafeln erst einmal „normal“, auf Russisch erstellt werden. „Das ist ja nur fürs Erste, später stellen Sie dann den Grabstein auf und schreiben in der anderen Sprache, wenn Sie wollen.“ Das vorläufige Täfelchen steht dann über Jahre da, und später denken die Enkel und entfernten Verwandten, die den Grabstein finanzieren, nicht mehr darüber nach und alles wird nach standardisiertem Standard gemacht. So haben es alle, warum soll man es kompliziert machen.
Ein ganz frisches Beispiel: Auf dem Minsker Nordfriedhof wurde der Geologe Radsim Harezi beigesetzt, Sohn des ergebenen Belarusisten Hauryla Harezki, einem der Begründer der Belarusischen Akademie der Wissenschaften, repressiert in den 1930er Jahren, den GULAG und Zwangsarbeit durchlebt, erst 1958 rehabilitiert. Radsim Harezki war auch der Neffe des belarusischen Schriftstellers Maxim Harezki, den der NKWD 1938 hinrichtete. Und was haben wir nun – auf dem vorläufigen Kreuz prangt die russische Aufschrift Garezkij Radim Gawrilowitsch. Schon zu Lebzeiten trug dieser Mensch aus Prinzip in der zweiten Staatssprache (also Russisch) eine belarusifizierte Variante des Familiennamens, nämlich nicht „Gorezkij“, wie sein Vater und sein Onkel noch in den Akten stehen haben. Das belarusische Akanje ist das einzige Zeichen, ein winziges Bisschen, das dem Verstorbenen geblieben ist.
Eine Protagonistin in Siarhej Pryluzkis Lyrikband Ničoha niastrašnaha (dt. Nichts, was keine Angst macht), eine alte Frau aus Butscha, sagt zu jeder Person, der sie begegnet: „... gestern bin ich gestorben – begrabt mich wie einen Menschen.“
Ich möchte auch wie ein Mensch begraben werden. Und ich wünsche mir, im Tode eine bessere Version meines jetzigen Ich zu sein – zu Hause und mit belarusischer Aufschrift auf dem Grabstein.
ANMERKUNG DER REDAKTION
Weißrussland oder Belarus? Belarusisch oder belarusisch? Die Belarus oder das Belarus? Nicht ganz leicht zu beantworten. Da es im Deutschen keine einheitlich kodifizierten Schreibweisen für diese Bezeichnungen und deren Adjektive gibt, überlassen wir es den Autorinnen und Autoren welche Schreibweise sie verwenden. Die Schreibweise in redaktionellen Inhalten (wie Titel und Erklärtexte) wird von der dekoder-Redaktion verantwortet.