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Bumm Bumm Bumm

Heute beginnt das russische Militärmanöver Wostok 2018 (dt. „Osten 2018“) in Russlands Fernem Osten. Das russischen Verteidigungsministerium gibt an, dass allein 300.000 Soldaten daran beteiligt sein sollen. Damit wäre das Manöver größer als alle NATO-Übungen der letzten Jahrzehnte. 

Militärexperte Alexander Golz jedoch traut diesen Zahlen nicht. Bemerkenswert an der Übung ist für ihn in seinem Kommentar auf The New Times dagegen etwas ganz anderes: Erstmals ist auch China beteiligt.

Источник The New Times

Für die russischen Chefs gehört es zum guten Ton, den Rest der Welt ab und zu mit militärischer Stärke zu schrecken. Wir erinnern uns, dass der Präsident im März viel von phantastischen Atomraketen sprach, die durch die amerikanischen Raketenabwehrsysteme dringen wie ein Messer durch die Butter. Seine Worte wurden in animierten Videoclips bekräftigt, in denen unsere atomaren Sprengköpfe gen Florida flogen. 
Nun hat Verteidigungsminister Sergej Schoigu das Manöver Wostok 2018 angekündigt, das im asiatischen Teil Russlands stattfinden soll. 

Angeblich 300.000 Militärangehörige beteiligt 

Dem Minister zufolge werden daran rund 300.000 Militärangehörige und über 36.000 Fahrzeuge und Waffensysteme aller Art beteiligt sein. Er erklärte, es seien die größten Kriegsspiele in der postsowjetischen Ära, und verglich Wostok 2018 mit dem berühmten Manöver Sapad-81 in der ausgehenden Breshnew-Zeit, wobei er hervorhob, dass das nun anstehende Manöver in gewisser Hinsicht sogar jene der Sowjetunion übertreffen würde.

Wenn das alles ernst gemeint ist, dann haben jene, die Wladimir Putin mit zusammengebissenen Zähnen als seine „Partner“ bezeichnet, wirklich Grund zur Sorge. Eine führende Atommacht hält Manöver ab, die in ihrer Dimension mit den Kriegsspielen vergleichbar sind, die es auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges gegeben hat. Immerhin setzte die UdSSR, die seinerzeit über eine Truppenstärke von fünf Millionen verfügte, bei dem Manöver Sapad-81 nur 100.000 bis 120.000 Mann ein. 1981 war diese riesige Anzahl der beteiligten Soldaten durchaus erklärlich: Man bereitete sich auf einen globalen Vernichtungskrieg unter (wenn auch begrenztem) Einsatz von Atomwaffen vor. Heute jedoch, wo die Wahrscheinlichkeit eines Kampfeinsatzes von Millionen Soldaten nahe Null liegt, hält niemand Manöver von solcher Größe ab.

Dimension wie auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges

Außerdem fand Sapad-81 in einem klaren politischen Kontext statt: In Polen begann damals die Konfrontation zwischen der Solidarność-Bewegung und dem kommunistischen Regime. Es war kein Zufall, dass zu den Szenarien des Manövers damals zwei Luftlandeoperationen gehörten, eine unmittelbar in Polen, die andere in Belarus. Und es ist auch kein Zufall, dass es drei Monate später in der Volksrepublik Polen praktisch einen Militärputsch gab: Der unlängst ans Ruder gekommene General Jaruzelski befahl nicht nur die Internierung der Anführer des Widerstands, sondern rief darüber hinaus das Kriegsrecht aus – unter anderem, um eine sowjetische Intervention zu vermeiden. 

Im Vorfeld Flottenübungen im Mittelmeer

Heute jedoch sind im Osten keine plötzlichen Krisen zu beobachten. Und die russisch-amerikanische Konfrontation verschärft sich auf einem ganz anderen Teil des Planeten. 

Im Vorfeld von Wostok 2018 haben im Mittelmeer russische Flottenübungen bislang ungekannten Ausmaßes begonnen, an denen über 20 Kriegsschiffe beteiligt sind. Das sind praktisch sämtliche Schiffe der russischen Flotte, die es bis nach Syrien schaffen können. Der militärische und politische Sinn des Seemanövers liegt auf der Hand: Die russischen Schiffe, die mit Lenkraketen großer Reichweite vom Typ Kalibr ausgerüstet sind, sollen die Unterstützung für die Streitkräfte von Assad absichern, die in den kommenden Tagen die Provinz Idlib unter ihre Kontrolle bringen wollen. Der Sicherheitsberater des US-Präsidenten, John Bolton, hat Nikolaj Patruschew, den Sekretär des russischen Sicherheitsrates, bereits gewarnt: Falls Assad erneut Giftstoffe einsetzt, werde Washington angreifen. 
An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass der Einsatz von Chlorgas in letzter Zeit zu einer Art Visitenkarte der Angriffsoperationen syrischer Regierungstruppen geworden ist. Die Präsenz von 26 Kriegsschiffen soll Washington davon abhalten, sich erneut – wie im April dieses Jahres – für eine Antwort mit Tomahawks zu entscheiden, wenn Assad Giftstoffe einsetzt.

3.000  chinesische Soldaten  und Offiziere beteiligt

Aber irgendwie wirkt  das alles merkwürdig: Zu einem Zeitpunkt, da die Konfrontation im Mittelmeer zunimmt, plant die russische Armee im östlichen Teil des Landes Manöver von noch nie dagewesenen Ausmaßen – tausende Kilometer von den Kriegsschauplätzen im Nahen Osten entfernt. Das wäre ja noch alles nachvollziehbar, wenn es um den Wunsch ginge, die militärische Stärke Russlands China gegenüber zu demonstrieren, der einzigen militärischen Macht, die über das Potential verfügt, in den asiatischen Teil Russlands einzumarschieren. 

Neben der Beteiligung von mongolischen Einheiten an den Manövern ist jedoch das Sensationelle an Wostok 2018, dass auch 3000 chinesische Soldaten und Offiziere teilnehmen werden. Seien wir ehrlich: Das dürfte die Entwicklung einer Verteidigung gegen eine chinesische Invasion erheblich erschweren.

Das größte Geheimnis hinsichtlich der Manöver ist, warum überhaupt solche riesigen Manöver im Osten des Landes abgehalten werden. Glaubt man nämlich Verteidigungsminister Schoigu, wird an den Manövern ein Drittel aller Militärangehörigen des Landes teilnehmen, das ist mehr als die Truppenstärke der russischen Festlandstreitkräfte. Vermutlich ist es die Gesamttruppenstärke der Militärbezirke Ost und Zentrum, der Luftlandetruppen und der Nordmeerflotte.

Zahlen verblüffen durch Ungereimtheiten

36.000 Fahrzeuge und Waffensysteme – die Zahlen verblüffen durch ihre Ungereimtheiten. Nach Angaben des allseits geschätzten Nachschlagewerks The Military Balance gibt es im Militärbezirk Ost eine Panzerdivision und zehn mechanisierte Brigaden (das ergibt zusammen niemals mehr als 2000 bis 3000 Panzer, Schützenpanzer und Infanteriefahrzeuge). Im Militärbezirk Zentrum gibt es noch weniger: eine Panzerdivision und sieben Brigaden. Nehmen wir darüber hinaus einmal an, dass da auch sämtliche Automobile mit eingerechnet werden, dann kommen bestenfalls 8000 bis 10.000 hinzu. Wo kommen nun die unglaublichen 36.000 her? 
Der Versuch, eine derartige Menge Kriegsgerät aus dem europäischen Teil Russlands zu verlegen – ich bezweifle, dass das Verteidigungsministerium überhaupt über eine derartige Menge einsatzfähiger Waffen verfügt – würde die Verkehrswege zwischen der Landesmitte und dem Osten des Landes für mehrere Wochen lahmlegen.

Kriegsministerium kann hemmungslos lügen

Das Rätsel um das Manöver Wostok 2018 ist leicht gelöst: Das Kriegsministerium hat ausgerechnet hier die Gelegenheit, hemmungslos auf die Pauke zu hauen und auch hemmungslos zu lügen. Der Umfang von Militärmanövern wird in Europa durch die Bestimmungen des Wiener Dokuments [über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmendek] beschränkt: auf höchstens 9000 Soldaten bei vorher anzukündigenden Manövern. Außerdem müssen ausländische Beobachter eingeladen werden. Im Osten jedoch haben unsere russischen Münchhausens mit ihren Generalsstreifen Platz zum Aufmarschieren. Sie können alle möglichen, selbst die unglaublichsten Truppenzahlen verkünden, die die militärische Stärke des Vaterlandes demonstrieren sollen – und keiner wird sie erwischen In Wirklichkeit dürften es 30.000 bis 40.000 Soldaten sein, die an den Manövern teilnehmen (und das ist schon viel). Die übrigen Einheiten werden den Befehl erhalten, zum Zielschießen auf ihre Übungsplätze auszurücken.

Wenn nun der Verteidigungsminister dem Obersten Chef des Landes aufgeblasene Ziffern meldet, könnte man meinen: Lass ihm doch das Vergnügen. Allerdings besteht die Gefahr, dass Putin tatsächlich glaubt, er könne im Ernstfall ein 300.000-Mann-Heer gen Osten aufmarschieren lassen.

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Schwarzmeerflotte

Die Schwarzmeerflotte ist eine der vier Flotten der russischen Marine. Sie operiert im Schwarzen und im Asowschen Meer.1 Das Hauptquartier befindet sich in Sewastopol auf der ukrainischen, von Russland annektierten, Halbinsel Krim. Die strategische Bedeutung der Schwarzmeerflotte hat sich parallel zu historisch-geopolitischen Entwicklungen stark gewandelt. Ihre Symbolkraft ist in Russland nach wie vor hoch.

Die Schwarzmeerflotte entstand gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Sie spielte eine wichtige Rolle im Ausbau der russischen Vorherrschaft im Schwarzmeerraum gegenüber dem mehr und mehr weichenden Einfluss des Osmanischen Reiches. Die Flotte war dabei an zahlreichen Russisch-Osmanischen Kriegen beteiligt (so etwa 1787–1792, 1828–1829 und 1877–1878).

Russland versuchte im 19. und 20. Jahrhundert kontinuierlich, die Kontrolle über die Dardanellen-Meerenge zwischen dem Schwarzen und dem Mittelmeer zu erlangen, um Verbindungslinien zu sichern und der Schwarzmeerflotte einen größeren Wirkungsbereich zu verschaffen. Das schwächere Osmanische Reich widersetzte sich und wurde dabei im Laufe der Zeit von verschiedenen Großmächten unterstützt, die ein Interesse an der Eindämmung des russischen Einflusses hatten. Dies galt beispielsweise für Großbritannien und Frankreich im Krimkrieg (1853–1856) und für Deutschland im Ersten Weltkrieg (1914–1918).

Dieses Muster setzte sich bis nach dem Zweiten Weltkrieg fort, als die siegreiche und militärisch übermächtige Sowjetunion verstärkt auf die Kontrolle der Dardanellen drängte. Dies trug zur Entwicklung der Truman-Doktrin, dem Beginn des Kalten Krieges und zum Nato-Beitritt der Türkei 1952 bei. Das westliche Bündnis verwehrte hierdurch der Sowjetunion den strategischen Zugang zum Mittelmeer und verringerte die militärische Bedeutung der Schwarzmeerflotte.

Mit dem Zerfall der Sowjetunion und der neuen Unabhängigkeit der Ukraine seit 1991 wurden die Schwarzmeerflotte und insbesondere die in Sewastopol stationierten russischen Soldaten zu einem wichtigen Einflussfaktor Russlands in der Ukraine.2 In den 1990ern rangen beide Seiten um die Kontrolle über das alte sowjetische Militär. Die Flotte wurde 1997 aufgeteilt. Die Ukraine erhielt einen deutlich kleineren Teil der Schiffe, und Russland pachtete die Stützpunkte auf der Krim bis 2017. Die russisch-ukrainischen Beziehungen verschlechterten sich seit den frühen 2000ern zunehmend. Die Schwarzmeerflotte war dabei Mittel und Zweck einer russischen Politik der Einflussnahme und der Verhinderung ukrainischer Nato-Ambitionen.3

So setzte Russland 2008 die Schwarzmeerflotte im Zuge des Georgienkriegs ein – gegen den ausdrücklichen Willen der ukrainischen Regierung. Im folgenden Jahr kündigte die Ukraine unter Präsident Viktor Juschtschenko und Ministerpräsidentin Julia Timoschenko an, den Pachtvertrag nicht über 2017 hinaus zu verlängern. Daraufhin verschärfte Russland seine Position im andauernden Konflikt über ukrainische Gaspreise, Gastransitgebühren und ukrainische Schulden. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Ukraine in einer schweren Wirtschaftskrise. Als 2010 Viktor Janukowitsch zum Präsidenten gewählt wurde, verlängerte er den Stationierungsvertrag bis 2042 im Austausch gegen eine erhöhte Pacht und verringerte Gaspreise.4 Noch im selben Jahr zog die Ukraine ihren Nato-Beitrittsantrag zurück.5

2014 nutzte Russland die auf der Krim stationierten Truppen um die dortige Regionalregierung zu unterwandern, das ukrainische Militär zu neutralisieren und die Krim zu annektieren.6 Beim Einsatz des russischen Militärs in Syrien wird die Schwarzmeerflotte zur Unterstützung des Assad-Regimes und im Kampf gegen syrische Rebellen eingesetzt.7

Neben ihrer strategischen Bedeutung spielt die Schwarzmeerflotte auch seit jeher eine Rolle in der Vermittlung politisch gewünschter Interpretationen der Geschichte. Sergej Eisensteins berühmter Film Panzerkreuzer Potemkin (1925) bezieht sich beispielsweise auf eine reale Meuterei auf einem Schiff der Schwarzmeerflotte im Zuge der gescheiterten russischen Revolution von 1905. Die Hafenstadt Sewastopol, in der ein Großteil der Flotte stationiert ist, gilt zudem in der dominanten Geschichtsauffassung des heutigen Russlands als Symbol für Heroismus und historische Größe. Neuere offizielle Darstellungen in Russland deuten Sewastopol und den dortigen Einsatz russischer Soldaten bei der Angliederung der Krim als Zeichen der Wiedererstarkung Russlands.


1.Details zur heutigen russischen und ukrainischen Marine, inklusive der Stützpunkte sowie der Zahl, Zusammensetzung und geographischen Position von Truppen und Kriegsgerät sind zu finden in: International Institute for Strategic Studies (Hrsg.): The Military Balance 2015, London, S. 159-206
2.hier und im Folgenden: Donaldson, Robert H. / Nogee, Joseph L. / Nadrakarni, Vidya (2014): The Foreign Policy of Russia: Changing Systems, enduring Interests, New York, S. 172-175 und S. 179; Mankoff, Jeffrey (2012): Russian Foreign Policy: The Return of Great Power Politics (2nd edition), Lanham, S. 23
3.vgl. Driedger, Jonas J. (2015): Fear and power as main drivers of Russo-Ukrainian relations 1990-2014, Natolin / Warschau; Subtelny, Orest (2014): Ukraine: A History (4th edition), Toronto, S. 601
4.Chyong, Chi Kong (2014): Why Europe should support Reform of the Ukrainian Gas Market – or risk a Cut-off, in: European Council on Foreign Relations ECFR Policy Brief, No. 113; Gvosdev, Nikolas K. / Marsh, Christopher (2014): Russian Foreign Policy: Interests, Vectors, and Sectors, Washington DC, S. 192-193;  Mankoff, Jeffrey (2012): Russian Foreign Policy: The Return of Great Power Politics (2nd edition), Lanham, S. 234
5.Mankoff, Jeffrey (2012): Russian Foreign Policy: The Return of Great Power Politics (2nd edition), Lanham, S. 228
6.Putin erklärte 2015 in einem öffentlichen Interview, dass im Kreml die Entscheidung zur Krimannektion vier Tage vor dem Tag getroffen wurde, an dem das Parlament der Krim von professionellen Truppen besetzt und ein neuer Ministerpräsident von der bis dato marginalen Russischen Einheitspartei eingesetzt wurde, vgl. The Guardian: Vladimir Putin describes secret meeting when Russia decided to seize Crimea
Einen Überblick über die Konfliktereignisse liefern Driedger, Jonas J. (2015): Russia – Ukraine, in: Heidelberg Institute for International Conflict Reserach (Hrsg.): Conflict Barometer 2014, Heidelberg, S. 37-38; Driedger, Jonas J. (2015): Fear and power as main drivers of Russo-Ukrainian relations 1990-2014, Natolin / Warsaw, S. 61-62 und  International Institute for Strategic Studies (Hrsg.) (2015): The Military Balance 2015, London, S. 159-206, S. 169-170
7.Brookings.edu: Russia’s military is proving Western punditry wrong
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