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„Wie kann es sein, dass man die Sprache seiner Heimat nicht beherrscht?“

„Wie kann es sein, dass man die Sprache seiner Heimat nicht beherrscht?“ Mit diesem unter Belarussen und Ukrainern immer wieder heiß diskutierten Thema beschäftigt sich eine Ausgabe der Artikelserie Baljutschyja pytanni (dt. Schmerzhafte Fragen) von Media_IQ, in der Experten auf drängende Fragen der Zeit antworten und diese diskutieren. Dazu hat sich das belarussische Online-Portal zwei Koryphäen auf diesem Gebiet eingeladen: den belarussischen Sprachwissenschaftler und ehemaligen Oppositionspolitiker Winzuk Wjatschorka und die ukrainische Linguistin Larysa Masenko, die in der Ukraine als eine der führenden Forscherinnen zur ukrainischen Sprache gilt. Beide diskutieren in ihren jeweiligen Muttersprachen, Belarussisch und Ukrainisch, über die Dominanz des Russischen in ihren Ländern und über die Unterschiede in der Verwendung von Sprachen in der Ukraine und Belarus. Wir bringen einen Auszug des Gesprächs.

Quelle Media_IQ

Media_IQ: Sind russischsprachige Belarussen Belarussen? Und russischsprachige Ukrainer Ukrainer?

Larysa Masenko: Die zentrale Frage an dieser Stelle ist aus meiner Sicht: Welche Antwort gibt die Person auf die Frage nach der Muttersprache (ukr. ridna mowa)? Wenn ein russischsprachiger Ukrainer oder ein russischsprachiger Belarusse antworten, dass ihre Muttersprache Ukrainisch respektive Belarussisch ist, dann kann man sie als Ukrainer beziehungsweise Belarussen betrachten. 

Mit der Unterstützung internationaler Organisationen haben wir 2006 eine große Befragung in der Ukraine durchgeführt. Wenn man die Ergebnisse betrachtet, so nannten 15 Prozent der Ukrainer Russisch als ihre Muttersprache, sie lebten mehrheitlich im Osten und Süden des Landes. Bei den Bewohnern von Kyjiw, dessen Großteil leider auch russischsprachig ist, gibt jedoch die Mehrheit als Muttersprache Ukrainisch an. Anhand dieses Kriteriums kann man also tatsächlich erkennen, ob eine Person ukrainisch ist und eine ukrainische Identität hat, obwohl sie Russisch spricht. 

Winzuk Wjatschorka: Bei uns ist die Situation komplizierter. Unter anderem, weil wir keine konkrete, sichere Antwort auf die Frage haben, wie viele Belarussen das Belarussische als Muttersprache betrachten und was sie unter diesem Begriff überhaupt verstehen – Muttersprache. Die Sache ist, dass in der internationalen Soziolinguistik eine ganze Bandbreite an Bezeichnungen für die sprachliche Identität und das Sprachverhalten des Menschen existieren. Da gibt es mother tongue, die Muttersprache oder Erstsprache. Es gibt die Hauptsprache, die der Mensch am besten beherrscht, die Sprache, die er üblicherweise im Alltag verwendet. Und es gibt die sprachliche Identität – mit welcher Sprache verbindet der Mensch seine Herkunft, seine Familie, seine Zukunft und letztlich auch seine Nationalität.

Belarussisch als Muttersprache, auch wenn die Mutter gar nicht Belarussisch sprach – das waren die Opfer der sowjetischen Russifizierung der 1960er und 1970er Jahre

Bei uns wurde früher in den Volksbefragungen die Frage nach der Muttersprache ohne Erläuterung gestellt, wodurch die Befragten ihre eigene Interpretation zugrunde legen konnten, so auch das Konzept der Sprachidentität. Wenn jemand also nicht täglich Belarussisch sprach, oder nicht die belarussische Literatursprache, konnte er die belarussische Sprache dennoch als seine rodnaja mowa betrachten, also die Sprache seiner Familie und Herkunft, oder sie gar als Muttersprache bezeichnen, auch wenn seine Mutter gar nicht Belarussisch mit ihm sprach (das waren die Opfer der sowjetischen Russifizierung der 1960er und 1970er Jahre), aber die Mutter seiner Mutter, also die Großmutter, noch Belarussisch gesprochen hatte. So ergibt sich eine Perspektive, dass seine Kinder und Enkel wieder Belarussisch sprechen werden, und das hat bei uns ja tatsächlich stattgefunden – die Rückkehr zur belarussischen Sprache nach ein oder zwei Generationen.

Was bedeutet eigentlich Belarussisch sprechen?

Sehr wichtig ist aber auch, dass die Menschen, die selbst zurückgefunden haben oder ihre Kinder an die belarussische Sprache heranführen, sich dessen bewusst sind, dass dies die Sprache ihrer Herkunft, ihrer Familie ist. In den späteren Volkszählungen, die schon unter Lukaschenka stattfanden, wurde auf einmal erläutert, was unter rodnaja mowa zu verstehen sei: Nämlich jene Sprache, die der Mensch zuerst in seiner Kindheit gelernt hat. Damit wurde den Menschen praktisch das Recht entzogen, die Sprache ihrer Identität anzugeben. Dadurch ergab sich zwischen den Umfragen 1999 und 2009 ein absolut katastrophaler Einbruch bei den Zahlen zur sprachlichen Identität – 22 Prozent weniger gaben Belarussisch als Muttersprache an.

Es ist wirklich beispiellos, dass sich innerhalb von zehn Jahren die sprachliche Identität einer kompletten Bevölkerung so verändert! Einerseits liegt das an der antibelarussischen Politik des Lukaschenka-Regimes, andererseits an der Veränderung der Fragestellung, durch die man Belarussisch nicht mehr als rodnaja mowa angeben konnte. 

Ein weiterer wichtiger Punkt: Was bedeutet eigentlich Belarussisch sprechen? Wie ich schon sagte, umfasst das nicht nur die Verwendung der Standardsprache. Jede Person, die einen Dialekt spricht, spricht ohne Frage Belarussisch. Die Person selbst versteht das vielleicht als Mischsprache: „Sie wissen schon, wie wir sprechen – ein belarussisches Wort, ein polnisches Wort, ein russisches Wort, ein belarussisches Wort, ein ukrainisches Wort ...“ Es ist abhängig von der Geografie. Tatsächlich sind das aber belarussische Dialekte. Nur war es den Menschen nicht möglich zuzugeben, dass sie Belarussisch sprechen – es galt als unfein. 

In der Sowjetzeit galt das als peinlich. Und auch jetzt ist es wieder unangenehm. Dabei ist doch eine Person, die das Belarussische passiv beherrscht, es versteht und gut beherrscht, letztlich auch belarussischsprachig. Worauf ich hinaus will: Eine Person, die im Alltag Russisch spricht, aber das Belarussische versteht und beherrscht, einige Wörter einbaut, kann potenziell jederzeit zu dieser Sprache zurückkehren. Die Person ist potenziell belarussischsprachig. Und wenn irgendwelche emsigen Soziologen sagen, dass bei uns nur drei Prozent oder fünf Prozent Belarussisch sprechen, dann verstehen sie diese Hintergründe einfach nicht. 

Insofern ist ohne Frage jeder, der Russisch spricht, aber diesen Hintergrund, diese Vorgeschichte hat, ein Belarusse, und besitzt mithin die Option, zur belarussischen Sprache zurückzukehren.

In der Ukraine ist es wichtig, die ridna mowa als Sprache meines Volkes, meines Landes zu behandeln 

L.M.: Hier wurde eine wichtige Frage aufgeworfen: Was ist die Muttersprache, wenn die Eltern russischsprachig sind. Bei uns sind die Großstädte am stärksten russifiziert, in den Städten leben viele Menschen, dort fand die Industrialisierung statt, es gab viel Zuzug, und so entstand der Schmelztiegel der Russifizierung. Die Kleinstädte und Dörfer verloren ukrainischsprachige Einwohner. Für die Kinder dieser Generation, die in die Städte zogen und zum Russischen übergingen, war das Ukrainische oft die Sprache von Oma und Opa, es war die Sprache ihrer Ahnen, die Sprache aller vorangegangenen Generationen. In diesem Sinne ist das Ukrainische also zweifellos ihre Muttersprache, ridna mowa. Ich möchte außerdem sagen, dass wir für unsere Situation folgende Definition gefunden haben: ridna mowa ist die Sprache meines Landes. Ich verstehe, dass ridna mowa in anderen Ländern anders definiert wird, wie Sie bereits gut beschrieben haben, am weitesten verbreitet ist das Konzept der Muttersprache. Ja, ridna mowa ist die Sprache der Mutter, von ihr lernt das Kind diese Sprache. Aber in Anbetracht unserer Situation ist es, denke ich, ebenfalls wichtig, ridna mowa als Sprache meines Volkes, meines Landes zu behandeln.

Ist es im 21. Jahrhundert korrekt, die Identität eines Menschen über die Sprache zu definieren?

L.M.: Die sprachliche, ethnische und nationale Identität sind doch sehr eng miteinander verbunden. In allen Ländern, hauptsächlich in den europäischen Ländern, gibt es nur eine Amtssprache; es gibt nur sehr wenige zweisprachige Staaten. Diese kann man separat besprechen, dort gibt es fast immer einen Konflikt, da jedes Volk, jede Nation ihre Identität unstrittig hauptsächlich über die Sprache definiert. Jedoch nicht nur über die Sprache, sondern auch über die Kultur, die in dieser Sprache geschaffen wird, denn in der Kultur kommt die Identität sehr klar zum Ausdruck.

Deshalb ist es unbedingt notwendig, das Ukrainische bei uns zu verbreiten. Im Moment gibt es einen großen Umbruch, einen großen Bruch im Verhältnis zu Moskau ...

Und es hat ein starker Wechsel vieler russischsprachiger Ukrainer zum Ukrainischen begonnen. Tatsächlich hat dieser Prozess bereits nach der Revolution der Würde aktiv an Fahrt aufgenommen, nachdem im Jahr 2019 endlich das Gesetz Über die Staatssprache eingeführt wurde, das klar definierte, in welchen Bereichen das Ukrainische als Amtssprache verpflichtend zu verwenden ist. Putin und sein Umfeld dachten, nur weil es zu Sowjetzeiten gelungen war, einige Städte zu russischsprachigen zu machen, besonders die Großstädte im Osten und Süden, würden die Menschen dort die russische Armee mit Brot und Salz empfangen. Aber das Gegenteil war der Fall, die Ukrainer sehen Russland nun bewusst als Feind, sie sehen den genozidalen Krieg, der zum Zweck der Vernichtung der Ukrainer geführt wird. Ihr Widerstand ist sehr stark geworden und viele Menschen wechseln nun zur ukrainischen Sprache.

Am schlimmsten ist, dass der Status des Belarussischen als alleinige Staatssprache nicht erhalten werden konnte

W.W.: Die ukrainische Situation ist natürlich eine epochale Kraftprobe. Einerseits hat sich der ukrainische Staat stark für die ukrainische Sprache eingesetzt, worauf wir Belarussen in unserer aktuellen Situation nur mit Neid blicken können. Denn der aktuelle Staat, der sich Belarus nennt, verdrängt die belarussische Sprache funktional und zielgerichtet, letztlich muss man schon sagen, er vernichtet sie. Andererseits ist die Ukraine Ziel eines verbrecherischen Angriffs geworden, der unter anderem gerade mit einer sprachlichen Argumentation begründet wird. Das brachte alle an Russland angrenzenden Völker dazu aufzuwachen und zu verstehen, dass dieses Russland und die aufgezwungene Russischsprachigkeit, die von einigen als Reichtum betrachtet wird, da die russische Sprache zu den Weltsprachen gehöre und eine Brücke zu kulturellen, wissenschaftlichen und allerlei anderen Reichtümern darstelle, in Wirklichkeit die Brücke zum Einmarsch des Aggressors ist ...

Um auf die Frage zurückzukommen, ob die sprachliche Identität identisch ist mit der nationalen – ja, ich denke, dass die aktuelle sprachliche Situation in Belarus instabil und entropiehaft ist. Wenn wir in der kurzen Periode der realen Unabhängigkeit und der relativen Demokratie in der ersten Hälfte der 1990er Jahre innerhalb von sechs Jahren der belarussischen Sprache ihren Status zurückgeben konnten, ein bis zwei Millionen Schüler durch das belarussischsprachige Bildungssystem lotsen konnten, dann trat eine sprachliche Wirkung ein, die dann mit Gewalt wieder aus der Gesellschaft herausgepresst wurde, nachdem gerade sprachliches Selbstbewusstsein und funktionale sprachliche Normalität zurückgekehrt waren.  

L.M.: Am schlimmsten ist, dass der Status des Belarussischen als alleinige Staatssprache nicht erhalten werden konnte, so wie es in der Ukraine gelungen ist. Als Lukaschenka an die Macht kam, wurde das belarussische Sprachengesetz geändert, und Russisch wurde neben Belarussisch zur Staatssprache erklärt. Natürlich öffnete das den Russifizierern und Kolonisatoren Tür und Tor. Es ist sehr bedauerlich, dass durch verschiedene Manipulationen, faktisch durch Betrug der Bevölkerung, eine Person wie Lukaschenka an die Macht gekommen ist. Denn Lukaschenka verachtet die belarussische Sprache, er hat geäußert, dass es nur zwei große Sprachen gäbe – Russisch und Englisch, Belarussisch hingegen sei sehr arm, man könne damit keine technischen Sachverhalte beschreiben, da es keine Fachtermini gäbe, und so weiter. Wie soll eine Sprachenpolitik mit einem solchen Präsidenten aussehen?

Auch bei uns ist die sowjetische Politik noch spürbar, dass damals die hervorragendste Elite, die das Ukrainische verteidigte, ins Lager geschickt wurde, und die Russifizierung stark vorankam. Besonders unter Schtscherbyzky in den 1970er Jahren, der die ukrainische Sprache aus dem offiziellen Gebrauch nahm, auch in der Partei. 

Sind die ukrainische und belarussische Sprache durch ihre Nähe zum Russischen bedroht?

L.M.: Bei uns wird häufig nicht berücksichtigt, dass es einen Unterschied zwischen der individuellen Zweisprachigkeit und der staatlichen Zweisprachigkeit gibt. Wenn ein Mensch zwei Sprachen beherrscht, oder heutzutage oft auch drei, denn unsere Schüler und Studenten lernen ja auch intensiv Englisch, dann ist daran überhaupt nichts Schlimmes, im Gegenteil.

Die staatliche Zweisprachigkeit ist jedoch ein ausgesprochen negatives Phänomen, besonders, wenn sie so ausgeprägt ist wie bei uns, in einem postimperialen Raum, wo die gesamte Bevölkerung der Ukraine und Belarus‘ in der sowjetischen Zeit Russisch lernen musste, da andernfalls keine berufliche Karriere möglich war.

Diese Sprache verdrängte die lokalen Sprachen, so dass dieser Bilinguismus, wie sogar Wissenschaftler aus anderen Ländern bestätigen, ein Zustand des Ungleichgewichtes war, in dem ein ständiger Konflikt zwischen zwei Sprachen herrschte, da eine Sprache die andere Sprache aus deren heimischem Territorium verdrängen wollte. Ein solcher Konflikt wird nur durch den Sieg einer der beiden Sprachen gelöst, oder durch den Zerfall des Staates in zwei Teile, wie es beispielsweise in Belgien der Fall ist.

W.W.: Ich würde die regionale Betrachtung etwas eingrenzen. Wir sind in Mittelosteuropa, und für Mittelosteuropa ist staatliche Zweisprachigkeit etwas sehr Exotisches. Die einzige Ausnahme ist zum großen Leidwesen Lukaschenkas Belarus. Auch wenn Lukaschenka hundertmal sagt „Wir haben kein Sprachproblem, es wird uns untergeschoben“, so war er es doch selbst, der nach seinem durch populistische Losungen errungenen Wahlsieg 1994 die unausweichlichen Probleme beim wirtschaftlichen und politischen Aufbau eines jungen Staates gleichsetzte mit dem Sprachenproblem, als er nämlich sagte: All diese bewussten Menschen mit ihrer Sprache seien schuld an all diesen Problemen. Das Referendum begann er ausgerechnet mit der Sprachenfrage. Er verwirrte die Menschen und stellte eine die Identität betreffende Frage, was der damaligen Gesetzeslage nach bei einem Referendum eigentlich nicht zulässig war. Die Ergebnisse sollten nur beratenden Charakter haben, aber Lukaschenka entwickelte schon damals seine eigene Haltung zu Gesetz und Verfassung. Er betrachtete das Ergebnis als verbindlich und so wurden wir das einzige postsowjetische Land, und darüber hinaus auch das einzige mittelosteuropäische Land, mit zwei Staatssprachen – und die Folgen ließen nicht lange auf sich warten. 

In komplizierten Situationen, wie der belarussischen, kann es eine Übergangszeit geben

Bereits 2007 nahm die UNESCO die belarussische Sprache in ihren unheilvollen Atlas der gefährdeten Sprachen auf, da der Prozentsatz der Menschen, die in den Folgegenerationen die Sprache von ihren Eltern oder in der Schule lernen würden, auf ein gefährliches Niveau gesunken war. Noch stehen wir auf der ersten Stufe der Bedrohung, aber vielleicht hat sich das seit 2007 auch schon geändert und wir sind in diesem bedrohlichen UNESCO-Atlas eine Stufe höher geklettert.

Der Status der Staatssprache bedeutet, dass ein Staatsbeamter verpflichtet ist, diese Sprache zu verwenden, dass der Staat verpflichtet ist, die Rechte dieser Sprache zu schützen, dass ich, als Belarussischsprachiger, das Recht habe, mich auf Belarussisch an jede beliebige staatliche Institution zu wenden, und auf Belarussisch eine Antwort erhalte. Nicht mehr und nicht weniger. 

In komplizierten Situationen, wie der belarussischen, kann es eine Übergangszeit geben. In Kasachstan, wo der demokratische Charakter des politischen Systems zwar infrage steht, wird das Kasachische als Staatssprache beispielsweise für einige Zeit begleitet von Russisch als zweiter Amtssprache, das aber nicht Staatssprache ist. Allmählich, langsam, aber sicher, nähert man sich so einem Zustand, in dem die kasachische Sprache vollwertig und allgegenwärtig gebraucht wird. 

Wenn Menschen, die sich für das Belarussische als einzige Staatssprache aussprechen, ein Hang zu Gewalt und Zwang nachgesagt wird, verfälscht das schlicht die Realität. Im Jahr 1990, als die Entscheidung getroffen wurde, Belarussisch zur alleinigen Staatssprache zu machen, beschloss man eine sehr sanfte Zeitschiene: fünf bis sechs Jahre, für das juristische Feld sogar zehn Jahre Zeit, um vollständig zur belarussischen Sprache überzugehen, unter Berücksichtigung der Ausbildung von Fachkräften, Entwicklung der Terminologie, Buchdruck, Übersetzung der Gesetzgebung. Hätte es 1994 nicht diesen populistischen Umsturz gegeben, hätten wir heute eine Situation ähnlich wie in der Ukraine. Diese Lehre sollten wir verinnerlichen und Fehler nicht wiederholen. 

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Putin spricht in jenem Aufsatz ein Gebiet an, das weite Teile der heutigen Ukraine, der Republik Belarus und des europäischen Russlands umfasst.1 Im Mittelalter bestand an dieser Stelle das Großreich der Kyjiwer Rus. Die Bevölkerung dieses Reiches sprach neben finnischen und baltischen vor allem ostslawische Mundarten – einer der drei Zweige des Slawischen. Die Bezeichnung Rus stammt – so die gängigste Theorie – vom ostseefinnischen Wort ruotsi, das wohl seinerseits auf ein nordgermanisches Wort für „Ruderer“ zurückgeht. Hiermit waren zunächst nicht Ostslawen, sondern auch als Waräger bekannte Wikingergemeinschaften gemeint, die über Flüsse wie Newa, Wolchow, Düna und Dnipro aus der Ostsee durch das ostslawische Gebiet ins Schwarze Meer und nach Konstantinopel reisten. Zur Sicherung ihrer Routen errichteten sie Stützpunkte, aus denen sich lokale Machtzentren herausbildeten. Im späten 9. Jahrhundert gelang es, die größten dieser Machtzentren – Nowgorod im Norden und Kiew/Kyjiw im Süden – zu vereinen. Das neue Großreich übernahm die Bezeichnung Rus. Bald passten sich die skandinavischen Waräger sprachlich an die ostslawische Bevölkerungsmehrheit an. Mit der Zeit wurde Rus zur Bezeichnung der Ostslawen schlechthin. 

Rus kommt nicht von Russisch

Putin ist nicht der erste, der dieses mittelalterliche Reich als ersten „(alt-)russischen Staat“ bezeichnet und dessen Sprache als „altrussisch“. Diese Bezeichnungen sind zumindest irreführend: Sie suggerieren, dass die Menschen damals Russen gewesen wären und sich einer Form des Russischen bedient hätten, und eben nicht des Belarusischen oder des Ukrainischen. Somit scheint das Russische, erstens, seit dem tiefsten Mittelalter dagewesen zu sein, und zwar, zweitens, als einzige ostslawische Sprache, und, drittens, seine Identität bis heute bewahrt zu haben. Dem Belarusischen und dem Ukrainischen bliebe dann nur die Rolle des Spalters. Ursprünglich meinte „russisch“ aber nichts anderes, als ein Teil des Reiches der Rus zu sein beziehungsweise gewesen zu sein.2 Anders als das Ukrainische und das Belarusische („Weißrussische“) hatte das Russische letztendlich vor allem eines: das historische „Glück“, die Bezeichnung Rus ohne irgendeinen einschränkenden Wortteil zu erben. Dieses „Glück“ ist letztlich in der Vormachtstellung des Russischen Zarenreiches ab dem 17. Jahrhundert begründet.

Über die Sprachen in der Kyjiwer Rus

Man könnte dies nun alles ignorieren – schließlich haben das Alter von Sprachen und mittelalterliche Sprachverhältnisse, ja Sprachverhältnisse überhaupt, nichts über heutige nationale und staatliche Eigenständigkeiten auszusagen. Wirkmächtig sind solche Vorstellungen dennoch, so dass man doch nicht umhin kommt, über Sprache und Sprachen der Ostslawen, deren Alter und Verhältnis zueinander zu sprechen. Dabei ist es wesentlich, zwischen zwei Erscheinungsformen von Sprache zu unterscheiden: einerseits Standardsprachen im modernen Sinne beziehungsweise für frühere Epochen überregionale, geschriebene Formen, die von wenigen Kundigen für kulturell hochstehende Bereiche verwendet wurden; andererseits die Mundarten, die die breite Bevölkerung in ihrem Alltag verwendete.

Geschrieben wurden ostslawische Mundarten relativ selten, wenn, dann zum Beispiel auf Birkenrinde, hier ein Exponat aus dem 13./14. Jahrhundert / Foto © Lapot/Wikimedia unter CC0 1.0 Universal

Im Alltag sprachen die Bewohner der Kyjiwer Rus ihre ostslawischen Mundarten (oder ihre baltischen und finnischen Mundarten). In dieser Zeit können keine klar voneinander getrennten Vorläufer der drei ostslawischen Sprachen identifiziert werden. Zwar gab es deutliche Unterschiede zwischen räumlich weit entfernten Mundarten, zwischen den aneinandergrenzenden Mundarten gab es aber fließende Übergänge. Die Geschichte dieser ostslawischen Mundarten ist kurz erzählt: Wie jede Sprachform veränderten sie sich im Laufe der Jahrhunderte, sie blieben aber das Kommunikationsmittel der breiten Bevölkerung bis in das 20. Jahrhundert hinein und existieren bis heute. Dabei bestehen immer noch fließende Übergänge der Mundarten, selbst über die heutigen Staatsgrenzen hinweg. Dies ist auch für Mundarten in anderen Teilen Europas nichts Ungewöhnliches – beispielsweise an der niederländisch-deutschen oder der portugiesisch-spanischen Grenze.

Geschrieben wurden ostslawische Mundarten relativ selten – bekannt sind Alltagstexte, verfasst auf Birkenrinde (z. B. kurze private Briefe), die vor allem in Nowgorod, aber auch an anderen Orten gefunden wurden. Diese Texte spiegeln die dortigen Mundarten wider. Auch die eher schematisch-formelhafte Sprache von Rechtstexten war ostslawisch (im Wesentlichen handelt es sich um einen größeren Text, die Russkaja prawda – zu übersetzen eben nicht mit „Russisches Recht“, sondern mit „Recht der Rus“). Kurzum: Ostslawisch war die Sprache von weltlichen Texten. Allerdings war ein sehr großer Teil des Schrifttums in der Rus wie anderswo im mittelalterlichen Europa religiös geprägt. Ähnlich wie weiter westlich das Lateinische den kulturell-religiösen Bereich und damit das Schrifttum überhaupt dominierte, dominierte auch im ostslawischen Raum eine importierte Sprache, und zwar das sogenannte Kirchenslawische. 

Der Weg des Kirchenslawischen

Das Kirchenslawische kam über Umwege in die Rus. Es war bereits im 9. Jahrhundert von den Brüdern Konstantin (der später den Mönchsnamen Kyrill annahm) und Method, zweier im Dienste von Byzanz stehenden Geistlichen erschaffen worden, und zwar zur Missionierung der Westslawen im damaligen „Mährischen Reich“. Um den Slawen die heiligen Texte in „ihrer“ Sprache näherbringen zu können, kombinierten die beiden sogenannten Slawenapostel ihren südslawischen Dialekt mit komplexeren Satzstrukturen und abstrakterem Wortschatz, die sie an griechische oder lateinische Vorbilder anlehnten. Kyrill entwickelte ein eigenes Schriftsystem, das Glagolitische. Für kurze Zeit war das Altkirchenslawische als erste und einzige Sprache auf zeitgenössischer Basis (wenn es letztlich auch eine Plansprache war, ohne „Muttersprachler“) neben Latein, Griechisch und Hebräisch auch von Rom als Sakralsprache anerkannt.

 Kyrill und Method / Foto © Mikuláš Klimčák (Maler), Peter Zelizňák (Fotograf), Wikimedia unter CC-BY SA 3.0

Die „mährische Mission“ scheiterte jedoch, in ihrem Zielgebiet setzte sich die lateinische Liturgie durch. Die Schüler von Kyrill und Method mussten bald fliehen, die meisten in das damalige Bulgarische Reich. Hier entstand das nach Kyrill benannte, aber nicht von ihm selbst entwickelte kyrillische Alphabet, das kaum auf dem Glagolitischen, aber stark auf dem griechischen Alphabet beruht. In der Folge sollte es zur Schrift der orthodoxen Slawia werden. Als um 990 der Großfürst der Rus Wolodymyr (so der ukrainische, auf dem Ostslawischen beruhende Name) bzw. Wladimir (so der heutige kirchenslawisch geprägte russische Name) mit seinem Gefolge das Christentum annahm, wurde dieses kyrillisch geschriebene Kirchenslawische zur Missionierung der Bevölkerung eingesetzt. Den Ostslawen war das im Wesentlichen südslawische Kirchenslawische zu dieser Zeit partiell wohl noch verständlich, zumindest klang es vertrauter als es etwa beim Griechischen oder beim Lateinischen der Fall gewesen wäre. 

Sprachkonkurrenz in Moskau und Litauen

Die Kyjiwer Rus zerfiel im 13. Jahrhundert. Der östliche Teil wurde der mongolischen Goldenen Horde tributpflichtig. Später, im 14. und 15. Jahrhundert, etablierte hier das ursprünglich unbedeutende Fürstentum Moskau seine Vorherrschaft. Die bis dahin bestehende sprachliche Konstellation hatte in der Moskauer Rus, aus dem das Russische Zarenreich hervorging, noch bis ins 17. Jahrhundert Bestand: Ostslawisch (im Sinne zahlreicher Mundarten) war die Sprache im Alltag und in weltlichen Angelegenheiten, wurde aber nur begrenzt geschrieben. Kirchenslawisch galt für die höheren Sphären. Es ergab sich eine sogenannte Diglossie: eine Situation, in der sich zwei Sprachen – eine „hohe“ und eine „niedrige“ – recht strikt die Anwendungsbereiche aufteilen. 

Anders sah es im westlichen Teil der einstigen Rus aus, auf dem Gebiet der heutigen Belarus und der Ukraine. Im 14. Jahrhundert waren diese Gebiete Teile des Großfürstentums Litauen geworden. Anders als in Moskau entstand hier relativ früh eine überregionale Schriftsprache, die auf dem Ostslawischen beruhte.3 Die litauischen Eroberer nutzten das Ostslawische der Bevölkerungsmehrheit und das kyrillische Alphabet in der Verwaltung ihres riesigen Reiches. Im 16. und frühen 17. Jahrhundert machte dieses westliche, aus heutiger Sicht „belarusisch“ und „ukrainisch“ geprägte Ostslawische dem Kirchenslawischen ernsthafte Konkurrenz, denn es wurde nun nicht nur zu profanen Zwecken, sondern auch für Übersetzungen religiöser Texte, vor allem aber in konfessionellen Disputen gebraucht. Diese Sprache wurde von Zeitgenossen als „Sprache der Rus“ (ruska mova) oder als „einfache Sprache“ (prosta mova) bezeichnet. „Einfach“ ist dabei keinesfalls mit „simpel“ gleichzusetzen, sondern hebt auf ihre im Gegensatz zum Kirchenslawischen volkssprachlich-autochthone Basis ab. Diese Emanzipation der autochthonen Prosta mova passierte ganz ähnlich wie bei anderen europäischen „Volkssprachen“ im 16. und 17. Jahrhundert im Zuge von Reformation und Gegenreformation. 

Während die Prosta mova von russischer Seite und auch in älteren deutschsprachigen Quellen oft und problematischerweise als „westrussisch“ bezeichnet wird, wird heutzutage im Deutschen in der Regel die Bezeichnung „ruthenisch“ bevorzugt. Diese Bezeichnung drückt aus, dass es sich eben nicht um eine Unterart des Russischen handelte. In der Belarus ist die Bezeichnung „Altbelarusisch“, in der Ukraine „Altukrainisch“ geläufig. Auch diese Bezeichnungen sind nicht unproblematisch, denn die Prosta mova insgesamt ist weder klar dem heutigen Belarusischen noch dem Ukrainischen zuzuordnen, auch wenn einzelne Texte mal mehr Ähnlichkeiten zu Mundarten des heutigen belarusischen, mal zu solchen des ukrainischen Gebiets aufweisen.

Die ruthenische Schriftsprache des Großfürstentum Litauens hat wie das Großfürstentum selbst die Jahrhunderte nicht überdauert. Ende des 17. Jahrhunderts wurde ihre Verwendung in Verwaltung und Rechtsprechung aufgehoben, ihre Bedeutung hatte sie schon zuvor verloren. Nachdem Litauen bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts Teil eines gemeinsamen polnisch-litauischen Staates geworden war und sich kulturell immer stärker an Polen orientiert hatte, wurde die ruthenische Schriftsprache vom kulturell attraktiven Polnischen verdrängt. 

Die modernen Standardsprachen

Um 1700 war damit „in der ostslavischen Sprachlandschaft […] noch nichts von dem in Sicht, was heute als Russisch, Ukrainisch und Weißrussisch (im Sinne der jeweiligen Standardsprachen) bezeichnet wird“.4 Die Bevölkerung sprach ihre jeweiligen Mundarten. Als Schriftsprache dominierte im Großfürstentum Litauen nunmehr das Polnische, im russischen Zarenreich nach wie vor das Kirchenslawische. Angestoßen durch die Modernisierungen Peters des Großen gab es im Zarenreich des 18. Jahrhunderts einen vehementen Konflikt, ob die als notwendig erachtete zukünftige russische Schriftsprache eher am Kirchenslawischen oder eher an der Volkssprache auszurichten war. Die moderne russische Standardsprache, die sich im 18. Jahrhundert allmählich herausbildete und im 19. Jahrhundert insbesondere im Werk des Schriftstellers Alexander S. Puschkin verfestigte, ist letztendlich ein Kompromiss: Sie beruht zum einen auf mittelrussischen Mundarten rund um Moskau, enthält aber sehr viele Elemente und Eigenschaften des Kirchenslawischen. 

Die moderne ukrainische und die moderne belarusische Standardsprache sind nur etwas jünger. Wie viele andere moderne Standardsprachen sind sie Kinder des „Völkererwachens“ des 19. Jahrhunderts. Die Startbedingungen waren für sie schlechter als für das Russische: Zu dieser Zeit war das belarusische Sprachgebiet Teil des Russischen Zarenreiches geworden, das ukrainische größtenteils ebenfalls, ein kleinerer Teil gehörte zu Österreich. Dennoch bildeten sich in dieser Zeit das moderne Ukrainische und das moderne Belarusische im Werk von Schriftstellern wie den Ukrainern Iwan P. Kotljarewsky und Taras Schewtschenko und den Belarusen Winzent Dunin-Marzinkewitsch und Franzischak Bahuschewitsch heraus. Beide Sprachen beruhen auf damaligen ukrainischen beziehungsweise belarusischen Mundarten, ohne größere Rückgriffe auf das Kirchenslawische oder die frühneuzeitliche ruthenische Schriftsprache.5 

Angesichts der Dominanz des Russischen in diesen Gebieten hatten die belarusische und die ukrainische Standardsprache auch weiterhin keine einfache Geschichte. Gerade in der Zeit der Sowjetunion gab es starke Versuche, die beiden Sprachen zugunsten des Russischen zurückzudrängen und sie zu „russifizieren“, dem Russischen ähnlicher zu machen. Diese Politik hat zweifellos ihre Spuren im Belarusischen und Ukrainischen hinterlassen. Aus dem Russischen entwickelt haben sie sich aber ebenso zweifellos nicht. Wenn die Kyjiwer Rus als Beginn der russischen Sprache und der „russischen Welt“ bezeichnet wird, nicht aber der belarusischen und ukrainischen, so beruht dies auf einem nomenklatorischen Trick: nämlich auf der Bezeichnung eines mittelalterlichen Großreiches und seiner Sprache, in dem an das Russische, das Ukrainische und das Belarusische, so wie wir es heute kennen, nicht zu denken war, als „altrussisch“.

Und noch eine ostslawische Sprache?

Abschließend: Es mag überraschen, dass auch Slawist*innen auf die simple Frage, wie viele ostslawische Sprachen es denn gäbe, unterschiedlich antworten. Dies liegt daran, dass manche Sprachformen eine größere Menge an kommunikativen Funktionen ausfüllen als typische Mundarten bzw. Dialekte, aber andererseits auch weniger als typische, voll ausgebildete Standardsprachen. Ein solcher Fall ist zum Beispiel das Russinische, das oft als vierte ostslawische Sprache bezeichnet wird. Es wird im Karpatenraum vor allem der Slowakei, der südwestlichen Ukraine und im südöstlichen Polen verwendet, nach migrativen Verschiebungen im 18. Jahrhundert auch in der serbischen Wojwodina. Für das Wojwodina-Russinische ist der Ausbau zu einer Standardsprache recht weit vorangeschritten. Für das Karpato-Russinische ist die Lage unterschiedlich, am wenigsten weit ist man in der Ukraine, am weitesten in der Slowakei.


ANMERKUNG DER REDAKTION:

Weißrussland oder Belarus? Belarussisch oder belarusisch? Die Belarus oder das Belarus? Nicht ganz leicht zu beantworten. Da es im Deutschen keine einheitlich kodifizierten Schreibweisen für diese Bezeichnungen und deren Adjektive gibt, überlassen wir es den Autorinnen und Autoren der Gnosen, welche Schreibweise sie verwenden. Die Schreibweise in redaktionellen Inhalten (wie Titel und Erklärtexte) wird von der dekoder-Redaktion verantwortet.


1.Eine kritische Einordnung des Textes findet sich in Kappeler, Andreas (2021): Revisionismus und Drohungen: Vladimir Putins Text zur Einheit von Russen und Ukrainern, in: Osteuropa 2021:7, S. 67–76 
2.Moser, Michael (2022): The late origins of the glottonym “русский язык”, in: Russian Linguistics 46, S. 365–370 
3.Moser, Michael (2020): Middle Ruthenian, in: Encyclopedia of Slavic Languages and Linguistics Online, Brill 
4.Hentschel, Gerd (1997): Rußland, Weißrußland, Ukraine: Sprachen und Staaten der ‘slavischen Nachfolge’ von Zarenreich und Sowjetunion, in: Hentschel, Gerd (Hrsg.): Über Muttersprachen und Vaterländer: Beobachtungen zum Problemkreis von Sprache und Nation, Frankfurt, S. 211–240, hier: S. 224 
5.Bieder, Hermann (2014): Herausbildung der Standardsprachen: Ukrainisch und Weißrussisch, in: Gutschmidt, Karl/Berger, Tilman/Kempgen, Sebastian/Kosta, Peter (Hrsg.): Die Slavischen Sprachen: Halbband 2, Berlin, München, Boston, S. 1412-1422 
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Gnose Belarus

Die moderne belarussische Sprache

In den vergangenen 200 Jahren hinderten unterschiedliche Herrschaftsbereiche und politische Systeme die moderne belarussische Sprache daran, sich durchzusetzen. Sie wurde unterdrückt und an den Rand gedrängt. Heute ist sie eine der beiden Amtssprachen der Republik Belarus. Dennoch wird sie nur von wenigen Menschen im Alltag gesprochen. Warum ist das so? Eine Gnose von Jan Patrick Zeller über eine Sprache mit bewegter Vergangenheit und großem aktuellen Symbolwert.

Gnose

Russki Mir

Das Konzept der Russischen Welt (russ. russki mir) wurde in den Jahren 2006/07 entwickelt und hat seitdem an Popularität gewonnen. War es zunächst eher ein kulturelles Konzept, das die soziale Bindungskraft russischer Sprache und Literatur betonte (es existiert eine gleichnamige kulturpolitische Stiftung), so dient es heute auch zur Legitimierung außenpolitischer Aktionen, die den Einfluss Russlands im postsowjetischen Raum stärken sollten. 

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Ein kurzer Augenblick von Normalität und kindlicher Leichtigkeit im Alltag eines ukrainischen Soldaten nahe der Front im Gebiet , © Mykhaylo Palinchak (All rights reserved)