Vorgestern hat Trump Russland gedroht, in Syrien „smarte“ Lenkwaffen einzusetzen. Nicht einmal eine Stunde später ruderte er zurück und sagte, dass es für die USA „easy“ wäre, Russlands darbender Wirtschaft zu helfen. Der Journalist und Militärexperte Pawel Felgengauer erklärt in der Novaya Gazeta, wie ein solcher Deal „Hilfe statt Raketen“ aussehen könnte:
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Die Sanktionen werden „easy“ aufgehoben. Russland bekommt Investitionen und Technologien, und die langjährige wirtschaftliche Stagnation wird dadurch beendet. Dafür muss man [Russland – dek] aber Assad aufgeben genauso wie die Donbass-Republiken. Und wir müssen die Minsker Vereinbarungen vollständig erfüllen. Erst dann werden alle zufrieden sein. Andernfalls werden Raketen abgeschossen. [...]
Ja, als man sich in Moskau im November 2016 über Trumps Wahlsieg gefreut hatte, hat man sich einen zukünftigen Pakt, der die Spannungen mit den USA löst, anders vorgestellt. Anscheinend sind gewaltsame Deals grundlegend für Trumps Geschäftserfahrungen, ähnlich wie in Russland. Wenn es um Immobilien geht, dann kann es sein, dass eine solche Art der Übereinkunft funktioniert, und wenn sie es nicht tut – dann schreibt man einfach die Verluste ab und fängt irgendwas Neues an. Im Fall zweier atomarer Supermächte können die Verluste allerdings tatsächlich massiv ausfallen. In den USA sind viele davon überzeugt, dass Trump völlig fehl am Platze ist. Wie gefährlich das [diese Fehlbesetzung – dek] ist, ist nun auch in Moskau angekommen, wo er versucht, Russland gewaltsam zum Frieden zu zwingen.
Санкции будут сняты «легко», Россия получит инвестиции и технологии, многолетняя экономическая стагнация закончится, но надо «сдать» Асада. Еще, очевидно, надо «сдать» донбасские республики — безусловно, выполнить Минские соглашения, и всем будет хорошо. В случае отказа — полетят ракеты. [...] Да, не таким представлялся будущий пакт с Трампом по глобальному разрешению противоречий с США, когда в Москве радовались в ноябре 2016-го его победе. Но, похоже, в бизнес-опыте Трампа именно такой силовой способ заключения сделок, схожий с российским, — основной. Если дело касается недвижимости, такой способ договариваться может работать, а не выйдет, то потери можно списать и браться за что-то другое. В случае двух ядерных сверхдержав потери могут оказаться вправду капитальными. В США многие уверены, что Трамп попал совсем не на свое место. Теперь, когда он пытается силой принудить Россию к миру, и до Москвы дошло, насколько это опасно.
In ganzer Länge erschien der Artikel am 13.04.2018 in der Novaya Gazeta unter dem Titel Tramp samedlennowo dejstwija (dt. „Trump mit Zeitzündung“). Das russische Original lesen Sie hier.
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Erst scheitern die Gespräche zwischen Russland und den USA, dann platzt ein Treffen mit dem französischen Präsidenten. Während eine mögliche Waffenruhe in Syrien derzeit am seidenen Faden hängt, ist das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen in diesen Tagen angespannt wie lange nicht.
Die Wirtschaftskrise im Herbst 2014 hatte Russland ökonomisch vor eine unsichere Zukunft gestellt. Drei unabhängige Entwicklungen setzten die russische Wirtschaft gleichzeitig unter Druck: der Einbruch des Ölpreises, wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland sowie strukturelle Probleme, das heißt fehlende Anreize zu Investitionen und zur Steigerung der Produktivität. Erst mit der Erholung des Ölpreises 2017 kam es wieder zu einem leichten Wirtschaftswachstum.
Als Reaktion auf die Angliederung der Krim und Russlands militärisches Eingreifen in der Ostukraine verhängten die EU und die USA im Jahr 2014 Sanktionen gegen Russland. 2018 beschlossen die USA neue Sanktionen, unter anderem wegen Hackerangriffen und Syrien. Seitdem wird diskutiert: Sind Sanktionen sinnvolle Mittel, um Moskau Grenzen aufzuzeigen? Oder schüren sie nur die Eskalation? Janis Kluge über die Strafmaßnahmen und ihre Wirkung.
Auf kaum einen russischen Politiker wird so unterschiedlich reagiert wie auf den Außenminister Sergej Lawrow. Die ehemalige Sprecherin des US State Department Jennifer Psaki überschritt geradezu eine rote Linie des diplomatischen guten Tons, als sie in harscher Manier im April 2014 Lawrows Vorwurf kommentierte, die USA würden Handlungen der ukrainischen Regierung steuern – dies sei, sagte sie, lächerlich.
Wie ist dieser Affront zusammenzubringen mit den Elogen, die sonst auch von westlicher Seite oft auf Lawrow gesungen werden?
Der britische Historiker Mark Galeotti etwa schrieb in der US-Zeitschrift Foreign Policy, Lawrow sei „einer der weltweit härtesten, klügsten und erfahrensten Außenminister“, eine „enorme Ressource des Kreml“ – die leider einfach nicht genügend eingesetzt werde.1 Auch der deutsche Historiker Michael Stürmer brach für ihn eine Lanze2, und sogar unter den russischen Regimekritikern finden sich einige, die etwas für Lawrow übrig haben. Es scheint, Lawrow ist eine durchaus widersprüchliche Figur.
Für den Studenten des Staatlichen Moskauer Instituts für Internationale Beziehungen (MGIMO) – der Kaderschmiede der sowjetischen und später russischen Diplomatie – war die diplomatische Karriere vorgezeichnet. Sie führte den 22-jährigen Lawrow (geb. 1950), der seitdem durchgehend im diplomatischen Dienst tätig ist, erst in die sowjetische Botschaft auf Sri Lanka, vier Jahre später in die Abteilung für internationale Wirtschaftsorganisationen beim Außenministerium und von 1981 bis 1988 zur sowjetischen Vertretung bei der UNO. Nach einem Intermezzo im Außenministerium der UdSSR beziehungsweise Russlands kam er 1994 zurück nach New York, wo er ein Jahrzehnt lang als UN-Botschafter agierte. Seit 2004 ist Lawrow Außenminister. Neben den UNO-Sprachen Englisch und Französisch spricht er Singhalesisch und Dhivehi.3
Ein distinguierter „Mister Njet“
Mit seiner geschliffenen Ausdrucksweise und seinen tadellosen maßgeschneiderten Anzügen umweht den hochgewachsenen Lawrow eine Aura des weltgewandten Gentlemans. Ihm wird ein kluger – zuweilen herber – Humor nachgesagt. Er habe, heißt es außerdem, Sinn für guten Whisky, sei mit seiner Rafting-Leidenschaft risikofreudig und im Umgang mit Damen betont charmant. Sein Pokerface und der Spitzname „Mister Njet“ („Mister Nein“) tun das Übrige für den Nimbus eines Mannes, der sich stets tatkräftig und perfekt informiert gibt und in Verhandlungen äußerst durchsetzungsstark ist.
Gewandte Syrien-Diplomatie
Ein Beispiel seiner diplomatischen Rafinesse präsentierte der erfahrene Politiker im September 2013 im Rahmen des Syrienkonflikts. Geschickt zog er aus einem – möglicherweise recht unbedachten – rhetorischen Argument seines amerikanischen Amtskollegen John Kerry Nutzen und schuf politische Fakten. Kerry hatte bei einer Pressekonferenz gesagt, die syrische Führung könne nur dann einem bevorstehenden Militärschlag entgehen, wenn sie alle Chemiewaffen an die internationale Staatengemeinschaft übergebe – davon ausgehend, dass ein solches Szenario sowieso gänzlich außerhalb des Möglichen liege. Lawrow machte aus Kerrys Worten jedoch umgehend bare Münze: „Wir greifen den Vorschlag von Kerry auf. Wenn sich damit ein Militärschlag abwenden lässt, wollen wir helfen, dass Damaskus die Chemiewaffen abgibt“4, ließ er in einer eilig einberufenen Pressekonferenz verlauten. Und in der Tat begann kurz darauf eine von Russland überwachte Aktion zur Vernichtung syrischer Chemiewaffen. Nach einiger Zeit wurde jedoch klar, dass sie nur zu einer teilweisen chemischen Entwaffnung Syriens führte. Zugleich wurde so der Grundstein für Russlands militärisches Engagement in Syrien gelegt. Mit diesem Coup ließ Lawrow den US-Außenminister wie einen Schuljungen dastehen.
Münchner Sicherheitskonferenz: fast ein Eklat
Es bleibt verborgen, weshalb Kerry seinen russischen Partner schon wenige Tage nach dem Vorfall „my friend Sergey“ nannte5 – die diplomatische Welt hat ihre eigenen Codes. Sicherlich gehört jedoch eines nicht dazu: dass man über einen Diplomaten öffentlich lacht. Diesem Skandal wurde Lawrow bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2015 ausgesetzt. Es war zunächst wie üblich bei solchen Veranstaltungen: Der Außenminister stimmte ein US-kritisches Lamento über die Hegemonie-Bestrebung und den Revolutionsexport an, ganz im Einklang mit dem Whataboutismus der sowjetischen Diplomatenschmiede. Als er aber darauf kam, die Angliederung der Krim als UN-Charta-konform zu erklären und darauf verwies, dass im ähnlichen Fall der deutschen Wiedervereinigung nicht einmal ein Referendum stattgefunden habe, brachen viele Diplomaten in offenes Lachen aus. Ein unerhörter Vorgang in der diplomatischen Welt, die sich meistens hinter der Fassade der Höflichkeit verbirgt.
Souveräne Verkörperung der politischen Unberechenbarkeit
In dieser Situation trafen gleich mehrere Unberechenbarkeiten aufeinander: Die des Publikums, das seine diplomatische contenance verlor, und die der russischen Außenpolitik selbst, von der es oft heißt, sie schlage – vor allem seit der Angliederung der Krim – immer wieder gezielt taktische Volten.6 Ihr Gesicht Sergej Lawrow verkörpert dies: Mal gibt er sich weltmännisch, mal – wie bei einer Pressekonferenz im August 2015, bei der er leise Unflätiges ins Mikro fluchte – hemdsärmelig, mal konziliant und dann – wie im Fall Lisa – aufwieglerisch. Lawrows souveräner Umgang mit diesen Wandlungen macht vermutlich auch sein Faszinosum aus.
3.Singhalesich ist eine der Amtssprachen auf Sri Lanka. Dhivehi ist Amtssprache auf den Malediven, mit denen die sowjetische Botschaft auf Sri Lanka Kontakte unterhielt.
Die Präsidialadministration(PA) ist ein Staatsorgan, das die Tätigkeit des Präsidenten sicherstellt und die Implementierung seiner Anweisungen kontrolliert. Sie ist mit beträchtlichen Ressourcen ausgestattet und macht ihren Steuerungs- und Kontrollanspruch in der politischen Praxis geltend.
Dimitri Peskow ist seit dem Machtantritt Putins für dessen Pressearbeit zuständig und gilt als offizielles Sprachrohr des Kreml. Üblicherweise für die Krisen-PR verantwortlich, sorgte er mehrfach selbst für negative Schlagzeigen, unter anderem im Rahmen der Panama Papers.
Wladimir Medinski leitete von 2012 bis Januar 2020 das Kulturministerium der Russischen Föderation. Zu den zentralen Anliegen seiner Kulturpolitik zählten die Förderung des russischen Patriotismus sowie der Einsatz gegen vorgeblich antirussische Tendenzen in der Kultur.
Als Staatsduma wird das 450 Abgeordnete umfassende Unterhaus der Föderalen Versammlung Russlands bezeichnet. Im Verhältnis zu Präsident und Regierung nimmt die Duma verfassungsmäßig im internationalen Vergleich eine schwache Stellung ein. Insbesondere das Aufkommen der pro-präsidentiellen Partei Einiges Russland führte dazu, dass die parlamentarische Tätigkeit zunehmend von Präsident und Regierung bestimmt wurde.
Der Premierminister oder Ministerpräsident ist nach dem Präsidenten die zweite Amtsperson im russischen Staat. Er ist vor allem für Wirtschafts- und Finanzpolitik verantwortlich.
„Nun kann praktisch jeder zum ausländischen Agenten erklärt werden“, schreibt das unabhängige Exilmedium Meduza. Bislang werden zahlreiche Journalisten, Aktivisten, NGOs und Einzelpersonen in Russland auf solchen „Agentenlisten“ geführt. Viele von ihnen haben das Land inzwischen auch deswegen verlassen. Worum es bei dem sogenannten „Agentengesetz” geht und was sich nun noch weiter verschärft hat, erklärt unsere Gnose.
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