Die Krim rückt wieder mehr in die internationale Aufmerksamkeit: Vergangene Woche hatte der russische Geheimdienst FSB erklärt, am Wochenende ukrainische „Terrorangriffe“ auf der Krim vereitelt zu haben. Ein FSB-Mitarbeiter und ein russischer Soldat seien von ukrainischen „Saboteuren” ermordet worden, Drahtzieher sei Jewgeni Panow gewesen, ein ukrainischer Geheimdienstmitarbeiter. Putin erklärte außerdem, es sei sinnlos, die geplanten Gespräche im Normandie-Format (Russland, Deutschland, Frankreich und Ukraine) zu führen. Kiew wies die Anschuldigungen zurück, versetzte die eigenen Truppen aber in Alarmbereitschaft.
Bei einem heutigen Treffen in Jekaterinburg mahnte Außenminister Steinmeier seinen russischen Amtskollegen Lawrow, „alles zu unterlassen”, was die Lage weiter verschärfen könnte. Unterdessen kämpfen im Osten der Ukraine prorussische Separatisten weiter gegen ukrainische Truppen.
Russische Medien diskutieren unter anderem, wer tatsächlich Terror säe: Moskau oder Kiew? Welche Rolle spielen die USA? Und droht nun gar ein Krieg?
Rossijskaja Gaseta: Gespräche bringen nichts
Jewgeni Schestakow verurteilt in der Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta den „Terror“ Kiews und verteidigt die Äußerung Putins, Treffen im Normandie-Format vorerst auszusetzen:
Solange die Ukraine nicht von Schritten absieht, die die Situation auf der Krim und im Donbass verschärfen, wirkt die Nichtteilnahme des russischen Präsidenten am Normandie-Format gerechtfertigt, als konsequente Entscheidung in der gegebenen Situation.
Wie Wladimir Putin erklärte, sind „die Menschen, die seinerzeit die Macht in Kiew ergriffen haben und sie immer noch halten, von der Suche nach Kompromissen zu Terrorhandlungen übergegangen“. Eine friedliche Konfliktbeilegung in der Ukraine mit einem Staatsoberhaupt zu verhandeln, dessen Militärs die Provokation auf der Krim organisiert und russische Bürger getötet haben, wird im Kreml als eine perspektivlose Angelegenheit gesehen.
Slon: Es ist Krieg
Auf dem unabhängigen Portal Slon.ru dagegen schreibt Oleg Kaschin, warum Putins Gesprächsabsage zeige, dass auf der Krim kein Konflikt, sondern ein Krieg im Gange sei:
Nach den Erklärungen Putins [...] ist es nun eine vom Präsidenten selbst bezeugte Tatsache, dass es sich um einen zwischenstaatlichen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine handelt. Und überhaupt ist dies tatsächlich ein Krieg (im Gegensatz zu Donbass und Syrien), weil Krieg sich nicht durch Schüsse und Opfer auszeichnet, sondern durch Worte, und diese Worte hat Wladimir Putin bereits gesprochen.
Das bedeutet überhaupt nicht, dass den Worten unbedingt eine heiße Phase der militärischen Konfrontation folgen muss, es besteht auch kein Bedarf dafür. Der Krim-Vorfall eröffnet eine Menge von Möglichkeiten für die schärfste innenpolitische Rhetorik, für neue Jarowaja-Pakete, für beliebige Spekulationen und Spiele im letzten Monat vor den Duma-Wahlen.
Это совершенно не значит, что за словами обязательно последует горячая фаза военного противостояния, да в нем и нет нужды. Крымский инцидент открывает множество возможностей для самой резкой внутриполитической риторики, для новых «пакетов Яровой», для каких угодно спекуляций и игр в оставшийся до выборов Госдумы месяц.
Izvestia: Giftnadel ins Herz Russlands
In der kremlnahen Tageszeitung Izvestia fragt der bekannte Schriftsteller Alexander Prochanow nach dem Ziel der sogenannten „Saboteure“:
Die Krim – sie ist die Hauptstadt der russischen Welt, die Wiege fünf großartiger Imperien, die eins nach dem anderen das russische Leben umkleidet haben mit der Hülle eines mächtigen Staates. Eben hier, in dieses geistige Herzstück, sollte der Schlag der Terroristen treffen. Bewaffnet mit Maschinenpistolen und Sprengstoff, waren sie ausgestattet mit der heimtückisch schwarzen Aufgabe, den heiligen Ort zu entweihen, eine Giftnadel ins mystische Herz Russlands zu stoßen.
Крым — столица русского мира, колыбель пяти грандиозных империй, которые одна за другой облекали русскую жизнь в плоть могучего государства. Именно сюда, в эту духовную сердцевину, был направлен удар террористов. Вооруженные автоматами и взрывчаткой, они были вооружены злокозненной черной задачей осквернить священное место, вонзить иглу с ядом в мистическое сердце России.
Rus2Web: Krieg oder Frieden?
Vedomosti-Reporter Ilja Barabanow dagegen, der seit 2014 immer wieder aus der Ukraine berichtet hatte, sieht die Schuld weniger bei Kiew, sondern skizziert auf dem unabhängigen Portal Rus2Web die Wahlmöglichkeit des Kreml zwischen einer friedlichen und einer kriegerischen Variante des weiteren Geschehens:
[...]
Ein großangelegter Krieg muss nicht unbedingt schon morgen beginnen. Ob man es zugeben will oder nicht, aber auf eine gewisse Art ist der schon seit März 2014 im Gange. Und wenn dann das Geld ausgeht und das Finanzministerium schon ganz offen sagt, dass keiner weiß, wie man im kommenden Jahr die Renten und Gehälter zahlen soll, dann hast du zwei Möglichkeiten: entweder den Krieg doch endlich zu beenden und so eine Aufhebung der Sanktionen zu erreichen oder einen neuen Krieg zu entfesseln, um die verarmende Bevölkerung gegen den äußeren Feind zu vereinen. Leider scheint es nach den Ereignissen der vergangenen [...] Tage immer unwahrscheinlicher, dass der Kreml sich für die friedliche Variante entscheidet.
[...]
Полномасштабная война не обязательно должна начаться завтра. Как бы кому ни хотелось этого признавать, но в том или ином виде, она уже идет с марта 2014 года. И когда у тебя заканчиваются деньги, а Минфин уже вполне открыто говорит, что в следующем году не знает, как платить пенсии и зарплаты, то варианта у тебя два: либо войну все же заканчивать, добиваясь этим отмены санкций, либо развязывать новую, чтобы сплотить беднеющее население против внешнего врага. К сожалению, в то, что Кремль выберет мирный вариант, после событий последних [...] дней верится все меньше.
Nesawissimaja Gaseta: USA wollen von Syrien ablenken
Oleg Odnokolenko, Kommentator der einst unabhängigen Nesawissimaja Gaseta, macht eine Verbindung auf zwischen den Ereignissen in Aleppo und denen auf der Krim – und vermutet die USA als Helfer der Ukraine:
Die andere Frage ist: Warum mussten sie die Lage bis zum Höchstmaß verschärfen? [...]
Wie unschwer zu erraten ist, ist es jetzt die Hauptsache, Moskau mit allen Wahrheiten und Unwahrheiten von den aktuellen Ereignissen in Syrien abzulenken. Bei allem ist es ja nicht so wichtig – laut Michael Morella, dem ehemaligen stellvertretenden CIA-Direktor und heutigen Berater der Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton – wo man „Russen tötet“. Vielleicht ist es sogar besser, wenn es auf der Krim passiert, denn dort ist Russland besonders empfindlich.
Другой вопрос: зачем им понадобилось доводить обстановку до крайней степени обострения? [...]
И теперь главное, как нетрудно догадаться, – всеми правдами и неправдами отвлечь Москву от текущих событий в Сирии. При этом не так уж важно, где, следуя советам бывшего заместителя директора ЦРУ, а ныне советника кандидата в президенты США от Демпартии Хиллари Клинтон Майкла Морелла «убивать русских». Возможно, в Крыму даже лучше, поскольку для России это чувствительнее.