In der Nacht auf Samstag haben die USA, Großbritannien und Frankreich syrische Ziele angegriffen. Diese Vergeltungsmaßnahme der Verbündeten für den mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien sollte laut US-Angaben Assad klarmachen, dass er rote Linien überschritten habe. Der russische UN-Botschafter Nebensja kritisierte das „neokoloniale Auftreten“ der Verbündeten, die das Völkerrecht ignorieren würden.
Noch im Vorfeld des Angriffs hatten russische Politiker damit gedroht, dass die Marschflugkörper der Verbündeten abgeschossen würden. Da es vereinzelt auch Stimmen gab, die den Gegenangriff auf US-amerikanische Raketenträger androhten, sprachen einige Analysten schon von einer neuen Kuba-Krise. Doch schließlich reagierte Russland nicht mit militärischen Mitteln – vermutlich auch, weil die Angriffsziele offenbar mit der russischen Seite abgestimmt waren. Umso massiver fällt nun die offizielle russische Kritik aus: Der Giftgasangriff sei nicht bewiesen, der Westen habe gegen das Völkerrecht gehandelt.
Welche Folgen hat der Angriff für die internationale Diplomatie? Und wie geht es nun weiter mit Russland und dem Westen? dekoder bringt Ausschnitte aus der Debatte.
Republic: Kuba-Krise gebannt, Russland geschwächt
Im Vorfeld des Luftschlags sprachen Politiker und Militärexperten schon von einer zweiten Kuba-Krise. Diese Gefahr ist nun zwar vorerst gebannt, Russland geht aus der Krise aber geschwächt hervor, meint der Außenpolitik-Experte Wladimir Frolow auf Republic:
Doch für die anderen Staaten der Region wurde die Schwäche Russlands offensichtlich. Den Anspruch auf die Rolle einer Alternative zum Kraftzentrum der USA und auf die des Sicherheits-Providers im nahen Osten kann Russland nicht erheben.
erschienen am 16.04.2018
Novaya Gazeta: Krise zwischen Ost und West bleibt
„Aufatmen“ heißt es auch in der Novaya Gazeta – der Journalist und Militärexperte Pawel Felgengauer sieht die Eskalation aber noch nicht beendet:
Aber die Krise zwischen Ost und West bleibt. Gegenseitige Beschimpfungen und Konfrontationen, auch die in Syrien, gehen weiter und werden wahrscheinlich noch an Schärfe gewinnen. Auf syrischem Boden sind amerikanische, französische und britische Spezialeinheiten aufgeschlagen. Und natürlich wollen sowohl Damaskus als auch Moskau als auch Teheran diese Truppen aus Syrien verdrängen.
Но кризис между Востоком и Западом никуда не делся. Взаимная ругань и противостояние, в том числе в Сирии, продолжатся и будут, наверное, еще более ожесточенными. В Сирии развернуты «на земле» силы американского, французского и британского спецназа. И Дамаск, и Москва, и Тегеран, конечно, хотят вытеснить эти силы из Сирии.
erschienen am 16.04.2018
Vedomosti: Sieht Assad nun Russlands Schwäche?
Die Vedomosti-Redaktion fragt nach möglichen Gründen für das vergleichsweise vorsichtige Vorgehen der westlichen Verbündeten und nach Russlands neuer Stellung in Syrien. Dabei zitiert sie den Außenpolitik-Experten Wladimir Frolow und den Nahost-Forscher Alexej Malaschenko:
Doch nun findet sich Russland in einer schwierigen Situation wieder: Die Erklärung, man sei bereit, auf Anschläge der Koalition nur im Falle einer direkten Bedrohung für russisches Militär und russische Einrichtungen zu reagieren, war unter anderem auch eine Demonstration gegenüber Assad, dass man nicht willens ist, für ihn das Leben der eigenen Staatsbürger einzusetzen. Dies könnte in Damaskus als Schwäche ausgelegt werden, führt Malaschenko an.
Но теперь и Россия оказалась в сложной ситуации: заявления о готовности отвечать на удары коалиции только в случае прямой угрозы российским военным и объектам были в том числе демонстрацией Асаду нежелания рисковать ради него жизнями своих граждан. Это может быть воспринято Дамаском как слабость, отмечает Малашенко.
erschienen am 15.04.2018
Kommersant: Völkerrechtswidriges Vorgehen
Russland wird oft wegen Nichteinhaltung des Völkerrechts kritisiert. Das berühmteste Beispiel dieser Kritik war die Angliederung der Krim. Im Interview mit Kommersant dreht nun Sergej Rjabkow – einer von zehn stellvertretenden Außenministern Russlands – den Spieß um:
Aber zusammenarbeiten muss man. Und eine der Hauptaufgaben am heutigen Tag ist es, der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zu ermöglichen, dass sie trotz allem ihre Arbeit tut und Experten nach Duma schickt, um Materialien und Fakten zu sammeln und entsprechende Gespräche zu führen.
Но сотрудничать нужно. И одна из главных задач сегодняшнего дня — это обеспечить для Организации по запрещению химического оружия (ОЗХО) возможность все-таки выполнить свою работу и направить специалистов в (сирийский город — “Ъ”) Думу, чтобы они собрали материалы и факты, провели соответствующие беседы.
erschienen am 14.04.2018
Zvezda: Feige Haltung wird Westen zum Verhängnis
Der TV-Sender Zvezda steht dem Verteidigungsministerium nahe. Den Raketenangriff auf Syrien lässt er vom kremlnahen Politologen und Amerikanisten Rafael Orduchanjan kommentieren, der meint, man solle sich jetzt auf Terrorabwehr einstellen:
erschienen am 15.04.2018
Izvestia: Erfolgreiche Abwehr dank russischem Know-How
Laut Pentagon ist die mission accomplished: Alle 105 Raketen hätten ihre Ziele – Kommandozentrale, Lager und Forschungseinrichtungen für Chemiewaffen – erreicht. Die staatsnahe Izvestia greift dabei eine Meldung des Assad-Regimes auf und behauptet, dass die meisten Raketen der Verbündeten abgeschossen wurden. Die entscheidende Rolle bei der Abwehr des Angriffs habe das russische Militär gespielt:
erschienen am 16.04.2018
Facebook/Adagamow: Verteidigungsministerium als Münchhausen
Der bekannte russische Blogger Rustem Adagamow hat auf Facebook rund 180.000 Abonnenten. Die in den Staatsmedien gefeierten Erfolge der russisch-syrischen Koalition quittiert er mit einem Screenshot aus dem bekannten sowjetischen Film Genau jener Münchhausen. Dabei legt er dem Lügenbaron Münchhausen die Meldung des russischen Verteidigungsministeriums in den Mund:
„Die syrische Flugabwehr hat 71 von 103 Raketen erfolgreich abgefangen.“ Verteidigungsministerium der Russischen Föderation
erschienen am 14.04.2018
dekoder-Redaktion