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Loblied auf die Korruption

Ja, klar, sie klauen, aber wenigstens bringen sie keinen um, beziehungsweise manchmal schon, aber das ist nicht ihr Ziel. Und auch uns bleiben ja wiederum ein paar winzige Annehmlichkeiten … 
Iwan Dawydow auf Republic mit einem (zwiespältigen) Loblied auf die Korruption.

Quelle Republic

Einen meiner Bekannten hat das Leben nach England verschlagen. Dass die Russen eine Vorliebe für spitze Türme haben, ist ja allgemein bekannt. Doch sobald sie sich sattgesehen haben, bekommen sie Heimweh – der eine nach Buchweizen, der andere nach Roggenbrot. Auch meinem Bekannten erging es so. Jedes Mal, wenn er in Moskau ist, wird getrunken, klar, und wenn er getrunken hat, fängt er an zu erzählen, wie viel Glück wir doch haben. Und wie wenig wir doch unser Glück zu schätzen wüssten. Wir würden gar nicht begreifen, wie viele Vorteile uns die Korruption beschere. „Hier“, sagt er und kämpft mit den Tränen, „hier fahre ich betrunken über eine durchgezogene Linie, und was passiert? Nichts passiert. Ich zahle und fahre weiter. Aber dort ...“ Und in die Tränen mischt sich offener Hass gegenüber diesem „dort“.

Mit der Rückkehr nach Hause hat er es aber nicht besonders eilig. Er leidet und hält durch. Die Russen leiden gerne, auch das ist allgemein bekannt.

Im Gefängnis sind noch mehr Russen als in London

Ein anderer Bekannter von mir, ein erwachsener, gestandener Mann, der schon zu Sowjetzeiten eine Neigung zu dem hatte, was das Strafgesetzbuch als Betrug bezeichnet, kam einmal ins Gefängnis. Daran ist erst einmal nichts Außergewöhnliches. Im Gefängnis sind noch mehr Russen als in London. Er hegte den Wunsch, auf Bewährung rauszukommen, und fand heraus, dass der Leiter der Strafkolonie ein interessantes Hobby hatte. Er züchtete Kaninchen, besaß Käfige (offenbar eine Berufskrankheit; die Neigung dazu, die gewohnten Bedingungen auch auf andere Ebenen zu übertragen). In den Käfigen saßen die Rammler, er fütterte sie mit Kohl und freute sich an ihrer Niedlichkeit.

Aber er war nicht bloß Kaninchenzüchter. Er war auch Sammler.

In den Käfigen saßen edle Kaninchen seltener Rassen. Doch er wollte eine noch seltenere Rasse besitzen. Der Mensch braucht ja Träume. Mein Bekannter recherchierte, fand heraus, dass genau solche in einer Tierzucht in der Nähe von Rjasan gezüchtet werden, und beauftragte seine Kumpels auf freiem Fuß damit, das kostbare Geschenk für den Leiter zu besorgen. Darüber, wie ein paar ziemlich harte Typen zwei Kaninchen quer durchs Land fuhren, hätte man einen Film drehen können, doch als sie ankamen, stellte sich heraus, dass ihnen jemand zuvorgekommen war und der Leiter diese Rasse schon in seiner Sammlung hatte. Außerdem stellte sich heraus, dass man diese für die Bewährung notwendigen „Belohnungen“ problemlos kaufen konnte – 10.000 Rubel das Stück. Mein Bekannter machte vor Freude einen Luftsprung und sagte, er nehme gleich hundert. Der bescheidene Leiter der Strafkolonie senkte den Blick und bemerkte, dass ein Dutzend ja auch schon genügen würde.

Der Bekannte kam frei und sprach von dem Kaninchenzüchter aus dem Strafvollzug seitdem nur ausgesprochen liebevoll.

Woher diese Korruptionäre kommen, ist ein Rätsel

Überhaupt sind wir von von Grund auf ehrlichen Menschen umgeben, niemals besticht jemand irgendjemanden, woher diese Korruptionäre kommen, ist ein Rätsel, und doch hat jeder von Grund auf ehrliche Mensch eine eigene Bestechungsgeschichte zu erzählen. Auch ich habe meine. Vor langer Zeit, als noch Freiheit herrschte, lebte ich in einer Mietwohnung. Einmal, nach einer wilden Party, weckte mich ein Polizist und stieß einen Jubelschrei aus, als er hörte, dass ich in der Wohnung nicht gemeldet war. Er lud mich und den Wohnungseigentümer zu sich aufs Revier ein und kam gleich nach den Begrüßungsformalitäten zur Sache. Er zeigte auf eine aufgeschlagene Zeitschrift auf seinem Tisch und sagte: „Ich brauche ein Lesezeichen“ (ich glaube, damals bedeutete das Wort „Lesezeichen“ wirklich nur Lesezeichen). Ich legte einen Schein mit Benjamin Franklins Porträt zwischen die Seiten, der bekanntermaßen nie Präsident der USA war. Der Beamte klappte die Zeitschrift zu und sagte: „Danke schön. Ich komme in einem Jahr wieder.“

Ich zog aus, an den höflichen Polizisten dachte ich schon gar nicht mehr, bis mich genau ein Jahr später völlig ratlos mein Freund anrief, der nach mir in die Wohnung gezogen war, und erzählte: „Hier ist irgend so ein Polizist. Er sagt, ich schulde ihm 100 Dollar.“ „Stimmt, du schuldest ihm 100 Dollar“, bestätigte ich. „Warum?!“ – „Weil er Polizist ist, und du nicht.“

Und keiner wundert sich

Korruption ist das unbedingte Böse. Es kommt vor, dass Korruption tötet: Simnjaja Wischnja, Bulgarija und so weiter, die Liste der Beispiele ist leider lang. Dabei haben wir einfache Russen uns längst mit der Tatsache abgefunden, dass jeder Bürger, der die Macht zu fassen kriegt (jede Macht, von der kleinsten bis zur beinahe unbeschränkten), zu Diebstahl und Erpressung neigt. Man empört sich gewöhnlich, wenn man Ergebnisse immer neuer Untersuchungen liest, den erbärmlichen Prunk der Schlösser bestaunt, mit Häuschen für Bedienstete und Häuschen für Entlein, aber man wundert sich überhaupt nicht. Wundern würde man sich wohl über eine fundierte Untersuchung, die belegt, dass ein Staatsbeamter X ehrlich von einem einzigen Gehalt lebt. Aber eine derartige Untersuchung hat noch nie jemand veröffentlicht und wird vermutlich auch nie jemand veröffentlichen.

Eine Menge eigentümlicher Annehmlichkeiten

Der Kampf gegen die Korruption gerät hierzulande ständig ins Stocken. Zum Teil, weil sich die echten Mechanismen der Korruptionsbekämpfung in den Händen eben jener befinden, die sich von dieser Korruption ernähren. Zum Teil liegt es an unserer eigenen Ergebenheit, der Bereitschaft, den unredlichen Reichtum der Mächtigen als unabdingbar ins gewohnte Weltbild zu schreiben. Bis dato ist Ergebenheit ein weiterer Wesenszug der Russen. Zum Teil aber auch, möchte man meinen, weil Korruption sogar dem einfachen Bürger, sogar einem Opfer der Korruption, eine Menge eigentümlicher Annehmlichkeiten sichert. Im Sinn haben wir alle genau das, was mein betrunkener Gast aus London laut ausspricht.

Ein großer Teil des russischen Lebens besteht aus dem Hindurchlavieren zwischen tödlichen Gefahren, deren Ursache die Korruption ist, und lächerlichen Annehmlichkeiten, für die dasselbe gilt. Es ist ein banges Leben, wenn man sich klarmacht, dass jedes einzelne Gebäude über dir einstürzen könnte, weil der Bauherr die Bauaufsicht geschmiert hat und der Subunternehmer Sand statt Zement verwendet. Aber es ruft auch Panik hervor, sich in die Papierhölle der Bürokratie zu vertiefen. Schwer zu sagen, was bei unseren Gewohnheiten mehr Schrecken erzeugt. Doch die Wahl zwischen den beiden Optionen ist sowieso illusorisch – die Papierhölle ist nämlich nicht dazu gedacht, das Prozedere zu überwachen, sondern sie dient der Erpressung.

Makabere Lotterie mit hohem Einsatz

Das Ergebnis ist eine makabere Lotterie mit hohem Einsatz. Wenn du lebst und in Freiheit bist, hast du bisher Glück gehabt, wenn du stirbst, ist alles vorbei, und wenn nur deine Freiheit vorbei ist, beginnt eine neue Lotterie. Vielleicht wird man dich schlagen und foltern, vielleicht auch nicht. Aber sicher ist, dass es immer einen Weg geben wird, sich zu einigen, und sogar an Orten, die eher unangenehm sind, zum Schaschlik einen Cognac hinunterzustürzen. 

Aber vor allem scheint es, als würden wir den Rest der Welt allmählich auch an diese Lotterie gewöhnen. Unser nationaler Leader schüchtert die Welt eifrig mit dem Endkrieg ein, zeigt Zeichentrickfilme mit Raketen, prophezeit den Feinden den Tod und den Freunden den Weg ins Paradies. Also auch den Tod. Klingt beeindruckend und hebt nicht gerade die Stimmung, doch dann taucht eine neue Untersuchung auf – sogar zwei, von der Novaya Gazeta und von Nawalny – die recht ausführlich darlegen, dass das Geld, welches für die furchteinflößenden Raketen gedacht war, höchstwahrscheinlich einfach geklaut wurde, so wie das hier eben üblich ist. Du liest, empörst dich, wunderst dich nicht – alles in allem das bekannte Gefühlsspektrum – aber vor allem begreifst du, dass es keinen Krieg geben wird. Wie denn, Krieg ohne Raketen?

Und so wursteln sie herum auf dem geschundenen Leib der armen Heimat, die Satten und Unersättlichen, ziehen, zerren und schleppen das Zusammengeklaute, Häuser für Entlein und Schlösser am Comer See, züchten Kaninchen und nehmen uns aus wie dieselbigen, und du schaust sie dir an und denkst, na ja, vielleicht sollte man sie lassen? Ja, klar, sie klauen, aber wenigstens bringen sie keinen um, beziehungsweise manchmal schon, aber das ist nicht ihr Ziel, und auch nicht alle auf einmal, obwohl sie doch könnten. Und auch uns bleiben ja wiederum ein paar winzige Annehmlichkeiten …

Die Russen gehen gerne im Kreis, auch das ist, glaube ich, allgemein bekannt.

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Der Geist der Korruption

Für die Bezeichnung von Korruption gibt es im Russischen verschiedene Begriffe. Viele kommen aus Jargon und Umgangssprache, wie etwa wsjatka, sanos, otkat, Administrative Ressource und viele andere. Dass es so vielfältige Bezeichnungen für korrupte Verhaltensweisen gibt, ist eng mit den sozialen Praktiken und ideellen Einstellungen in der Sowjetepoche und den ersten drei Jahrzehnten nach dem Zerfall der UdSSR verbunden.

Das Phänomen der Korruption in Russland ist komplex und bisher nur unzureichend erforscht. Illegale Bereicherung wird in der Gesellschaft auf beinahe allen Ebenen als akzeptable, legitime Form betrachtet, um den Lebensunterhalt zu sichern. Die Verwurzelung im Alltagsleben sowie die Mannigfaltigkeit der Korruptionsformen drücken sich auch in der Sprache aus. Im offiziellen Diskurs wird oft das Fremdwort Korrupzija gebraucht.

Ein Phänomen mit vielen Namen

In der Umgangssprache finden sich zahlreiche, teils duldsame Jargon-Ausdrücke: die Substantive wsjatka oder wsjatotschnitschestwo (von wsjat, dt. nehmen), sanos, otkat und Ausdrücke wie sanesti (dt. etwas vorbeibringen), otkatit (dt. etwa zurückschaffen, im Sinne von Korrputionsgegenleistung), dat na lapu (dt. auf die Pfote geben), podmasat (dt. einschmieren) und viele andere. Literarische und traditionelle Wörter wie kasnokradstwo (dt. etwa Veruntreuung, wörtlich Haushaltsklau) oder msdoimstwo (dt. Bestechung), die in Wörterbüchern und klassischen Werken noch vorkommen, sind fast völlig aus dem Sprachgebrauch verschwunden.

Außerdem kommen sowohl in der offiziellen wie in der alltäglichen Sprachpraxis Euphemismen zum Einsatz, durch die von Seiten der Sprecher zum Ausdruck kommt, dass mafiöse Praktiken oder die Verflechtung von Staat und Unterwelt legitimiert sind. Der wichtigste dieser Ausdrücke ist der halboffizielle Terminus Administrative Ressource. Dieser meint die Ausnutzung einer Stellung in der staatlichen Hierarchie, um sich Teile der öffentlichen Mittel anzueignen oder Familienangehörigen lukrative Erwerbsmöglichkeiten zu verschaffen.

Hier werden zwar Gegenleistungen nicht unmittelbar erkauft, aber es wird doch in einem korrumpierenden Sinne der Vorgang der Ressourcenverteilung manipuliert – was Korruptionsnetzwerke weiter wachsen lässt.

Ehrlich verdientes Geld galt als verwerflich

Die Ursache wird verständlich, wenn man die sozialen Praktiken und Einstellungen aus der sowjetischen Epoche und den ersten drei Jahrzehnten nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems miteinander vergleicht.

Mit Marx kann kann man die sowjetische Ära als Epoche der asiatischen Produktionsweise begreifen. Dies meint Ausbeutung ohne die Bildung von Eigentum. In der UdSSR war nicht nur das Privateigentum an „Werkzeugen und Produktionsmitteln” verboten, auch der gewöhnliche Besitz, die persönlichen Habseligkeiten, wurden beschränkt.

Eine aggressive Form der Uneigennützigkeit wurde dagegen verherrlicht. Ein Arbeiter, der weniger erhielt als den Gegenwert seiner Arbeit und keine Gehaltserhöhung forderte, wurde als „selbstlos“ gepriesen, und sogar ehrlich verdientes Geld galt im sowjetischen Diskurs als verwerflich.

Die Korruption, die in der UdSSR blühte, betraf nicht so sehr finanzielle Eigentumsverhältnisse (also die Möglichkeiten des Privateigentums) als vielmehr die Anhäufung von Einfluss und die Fähigkeit, mit Staatsbesitz so umzugehen, als sei es der eigene.

Immobilien und Geld häuften sich zu Sowjetzeiten nur in einem sehr engen Kreis an. Traditionell hatte (in Russland) dabei nur der oberste Herrscher das Recht, Bürgern Eigentum zuzuteilen: Vor der Revolution war der Zar der einzige rechtmäßige Eigentümer überhaupt. Im sowjetischen Russland war es hingegen das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei und seine Führung.

Postsowjetische Massen-Korruption

Die Propagierung der Uneigennützigkeit hatte in der UdSSR fast schon religiösen Charakter. Und die Angst wegen Unternehmertums zu sterben1 war ein Teil der ideologischen Indoktrination. Nach dem Zerfall des sozialistischen Systems verbanden sich daher drei gedankliche Linien, die ein festes Programm bildeten:

  • einerseits Selbstlosigkeit und Uneigennützigkeit 
  • andererseits ein praktisches Verlangen, endlich ein eigenes Haus, eine eigene Wohnung oder ein eigenes Stück Land zu besitzen
  • und schließlich ein fester Glaube daran, dass alles vom Chef abhängt.

Dadurch kam es im Folgenden zu dem verblüffenden historischen Phänomen der postsowjetischen Massen-Korruption.

Die nach dem Zerfall der UdSSR gesetzlich erlaubte allgemeine Bereicherung wurde von den meisten Leuten geradezu als Erlaubnis von oben aufgefasst. Stillschweigend akzeptierte die Gesellschaft die Bedingungen, unter denen das sogenannte Volkseigentum in Privateigentum umgewandelt wurde. Allerdings erfolgte die Privatisierung größtenteils nach dem Motto „jeder nimmt, was er kann“.

Ein traditionelles Mittel der Staatsführung

Dass die ehemaligen Chefs und Geheimdienstmitarbeiter am meisten abbekamen, hat niemanden verwundert. Als die Ära des späten Jelzin in die Ära Putin überging, herrschte ein Konsens bezüglich der nun folgenden Umverteilungen. Der oberste Chef und Eigentümer hatte nach Auffassung der meisten Russen nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, persönlich die Verteilung aller Ressourcen sicherzustellen und dabei alle drei Aspekte des Eigentums zu legitimieren: Besitz, Handhabung und Verteilung.

Die massiven Proteste gegen Korruption im März 2017 deuteten zwar einen zaghaften Wertewandel an, doch insgesamt bleibt das Protestpotential eher gering: Veruntreuung von Staatseigentum und Bestechlichkeit werden nicht als Exzess oder Verletzung des geschriebenen Gesetzes gesehen, sondern als traditionelles Mittel der Staatsführung.

Auf Korruptionsenthüllungen von ausländischen oder russischen Organisationen (wie dem Fonds für Korruptionsbekämpfung von Alexej Nawalny, Transparency International, ICIJ etc.) reagiert nur ein kleiner Teil der russischen Gesellschaft mit Protestaktionen: Die Anschuldigungen Nawalnys an die Adresse Medwedews brachten am 26. März 2017 zwar landesweit einige zehntausende Menschen auf die Straße, die große Mehrheit der Gesellschaft quittierte diese Enthüllung aber mit Schweigen. Die krassesten Veruntreuungen von staatlichem Eigentum, die zum Teil mit der russischen Staatsspitze verbunden sind, werden als legitim aufgefasst. Und jeglicher Versuch, etwas dagegen zu unternehmen, wird schon innerfamiliär unterbunden: Die Familienmitglieder wissen, dass sie ihr gesamtes Eigentum verlieren können, wenn einem Kettenglied in der gegenwärtigen Machtvertikale danach ist.


1.Es ist bemerkenswert, dass Versuche einer selbständigen unternehmerischen Tätigkeit ohne die Genehmigung der politischen Führung stets verhindert wurden – auch mit der Todesstrafe. Im Jahr 1984 wurde Juri Sokolow, der Direktor des Feinkostladens Jelissejew, in Moskau wegen „Diebstahls sozialistischen Eigentums in besonders hohem Ausmaß” erschossen. Im Jahr 1987 traf es den Chef eines Gemüselagers: Mchitar Ambarzumjan. Da die Sowjetunion ein Land des ständigen Mangels war, wurden besondere Handelsketten eingerichtet, über die nur besonders nah an der politischen Führung stehende Personen mit Waren versorgt werden sollten. Versuche der Mitarbeiter, dabei über die gesteckten Grenzen hinauszugehen, wurden zur „ungesetzlichen unternehmerischen Tätigkeit” erklärt – ungesetzlich dabei war der Charakter der „Blat-Aufteilung”. Von hier aus verbreitete sich der Korruptionssumpf, der nach Ansicht einiger Ökonomen die gesamte Wirtschaft der Sowjetunion in den Ruin trieb.
Weiterführende Literatur:
Passarge, Malte/Behringer, Stefan/Babeck, Wolfgang (Hrsg.) (2014): Handbuch Compliance international: Recht und Praxis der Korruptionsprävention, Berlin; [Russland: S.445-480]
Dawisha, Karen (2014): Putin's kleptocracy: who owns Russia? New York
Golunov, Sergey (2014): The elephant in the room: corruption and cheating in Russian universities, Stuttgart
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