Seltene Einigkeit im US-Kongress: Die USA wollen mit Sanktionen den Bau von Nord Stream 2 blockieren. Julia Kusznir über die Debatten rund um die Pipeline.
Wegen Doping hat die WADA Russland für vier Jahre gesperrt: Damit ist es von Olympischen Spielen wie von Weltmeisterschaften ausgeschlossen. Premier Medwedew sprach von „antirussischer Hysterie”. In russischen Medien findet das Urteil viel Kritik von allen Seiten, aber auch Zuspruch. Eine Debattenschau.
Im Westen ist Alexander Solschenizyn als einer der bedeutendsten Oppositionellen der Sowjetära bekannt. Heute vor 101 Jahren wurde der streitbare Publizist geboren. Elisa Kriza über Leben und Wirken des Schriftstellers.
Moskowskoje Delo: Der Student Jegor Shukow wurde heute zu drei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Sein Schlusswort, das er vor Gericht hielt, wurde mehrfach abgedruckt und in Sozialen Medien tausendfach geteilt. dekoder bringt es in deutscher Übersetzung.
Die nostalgische Sehnsucht macht sich in Russland vor allem an Lieblingsspeisen und auch an der offiziellen Rhetorik fest – in Ostdeutschland hingegen vor allem an materiellen Dingen des Alltags. Warum das so ist, beschreibt Monica Rüthers.
Ausgerechnet in der Frauenfrage sind sich in Russland Konservative und Liberale oft einig. Wie kommt das? Das fragt sich Anna Narinskaja in der Novaya Gazeta.
Gemeinsam mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping nimmt Präsident Putin heute das Pipeline-Projekt Sila Sibiri in Betrieb. Warum sich die Inbetriebnahme mehrfach verzögerte und welche wirtschaftliche Bedeutung die Pipeline hat, das analysiert Julia Kusznir.
Nirgends wird gesagt, dass Russland einen Krieg führt, aber ausländische Feinde und ihre Agenten gibt es, wundert sich Maxim Trudoljubow auf Vedomosti. Einem neuen Gesetz zufolge kann theoretisch sogar jede Privatperson zum „ausländischen Agenten“ erklärt werden. Ein Kommentar.
dekoder ist das spannendste deutsche Russland-Medien-Projekt.
Christian Mihr, Geschäftsführer Reporter ohne Grenzen Deutschland & dekoder-Klubmitglied
Wer sich für Russland wirklich interessiert, aber kein Russisch kann, kommt an dekoder nicht vorbei.
Alice Bota, Russland-Korrespondentin, DIE ZEIT
dekoder bietet eine Einordnung der öffentlichen Meinung in Russland, die sonst so in Deutschland nicht stattfindet.
aus der Jury-Begründung für den Grimme Online Award
dekoder-Leser sind die wahren Russlandversteher.
Andreas Tretner, Sorokin-Übersetzer
dekoder leistet Pionierarbeit, da es an ein Publikum gerichtet ist, das bis dato nie in solchem Umfang Zugriff auf unabhängige russische Medien hatte.
Cornelius Reinsberg, dekoder-Leser
Dass ich mich das letzte Mal auf das regelmäßige Lesen so gefreut habe, war ungefähr vor 30 Jahren bei der Bravo …
Nicole Hoefs-Brinker, dekoder-Klubmitglied
Eure Arbeit ermöglicht auch Menschen den Zugang zu russischen Medien, die nicht russisch sprechen. Weiter so!
Heiko Birth, dekoder-Klubmitglied
Ich bin sehr begeistert von ihrer Arbeit, die mir viele Zusammenhänge verständlicher macht.
Erik Schiller, dekoder-Klubmitglied
Ich bin begeistert von dekoder. Diese neutrale, nicht populistische Berichterstattung braucht es, um ein vielfältiges Bild Russlands zu zeigen.
Anett Ludwig, dekoder-Klubmitglied
Mit dekoder habe ich endlich das Gefühl, etwas über Russland zu erfahren, was mit vielschichtiger Wirklichkeit zu tun hat und nicht mit einseitiger Berichterstattung.
Vera K., dekoder-Klubmitglied
Mit dekoder ist ein wunderbares Stück Journalismus gelungen, das mit seinen technischen Möglichkeiten eine vorbildliche Balance zwischen Wissenschaft und Journalismus findet.
Wenn aus und über Russland berichtet wird, so geht es meist um Moskau oder St. Petersburg – doch Russland ist natürlich sehr viel mehr: Hier gibts die großen und kleinen Geschichten aus den Regionen.
Gegen die breite Ablehnung in der Bevölkerung und gegen die Stimmen aller anderen Parteien hat die Regierungspartei Einiges RusslandDie Partei Einiges Russland ist der parlamentarische Arm der Regierung. Ihre Wurzeln entstammen einem Machtkampf zwischen Jelzin und seinen Herausforderern im Jahr 1999. Danach entwickelte sie sich schnell zu einer starken politischen Kraft: Seit 2003 hat sie eine absolute Mehrheit der Parlamentssitze inne. Obwohl sie durchaus eine Stammwählerschaft entwickelt hat, verdankt sie ihren Erfolg zu großen Teilen Putins persönlicher Beliebtheit. Read more in our Gnose am 19. Juli 2018 in der StaatsdumaAls Staatsduma wird das 450 Abgeordnete umfassende Unterhaus der Föderalen Versammlung Russlands bezeichnet. Im Verhältnis zu Präsident und Regierung nimmt die Duma verfassungsmäßig im internationalen Vergleich eine schwache Stellung ein. Insbesondere das Aufkommen der pro-präsidentiellen Partei Einiges Russland führte dazu, dass die parlamentarische Tätigkeit zunehmend von Präsident und Regierung bestimmt wurde. Mehr dazu in unserer Gnose in erster Lesung eine Gesetzesänderung über die Erhöhung des Rentenalters befürwortet. In der Sache geht es um die Frage, ob das Rentenalter ab 2019 bis sukzessiv 2034 bei Frauen von 55 auf 63 Jahre und bei Männern von 60 auf 65 Jahre heraufgesetzt werden soll.1Mehr als 80 Prozent der Bürger äußern sich entschieden gegen diese Pläne2, die sie als äußerst ungerecht empfinden. Gerade in der Klage über Ungerechtigkeit scheinen die in einer Gesellschaft geltenden Gerechtigkeitsvorstellungen auf. Und so werfen auch die Reaktionen auf die Erhöhung des Rentenalters ein Schlaglicht darauf, was in der russischen Bevölkerung als gerecht und was als ungerecht gilt.
Eine besonders starke Empörung ruft der Umstand hervor, dass die geplanten Reformen auf einer grundlegenden Ebene die Vorstellung von einem gerechten (Tausch-)Verhältnis zwischen Staat und Bürger verletzten. Dieses beruht auf der Idee, dass die Bürger für die Allgemeinheit Leistung erbringen und dafür eine Gegenleistung in Form von Lohn, gesellschaftlicher Anerkennung und Sicherheit im Alter erhalten. Das Gefühl, es mit Ungerechtigkeit zu tun zu haben, wird unter anderem durch die Art und Weise, wie die Gesetzesreform in Gang gebracht wurde, zusätzlich verstärkt. Einerseits entstand der Eindruck, sie sollte im Schatten der Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land unauffällig durchgewinkt werden, andererseits nährte dieser zeitliche Zusammenfall den Verdacht, dass mit der Rentenreform die enormen Kosten der Weltmeisterschaft kompensiert werden sollen.
Verantwortlich für das zweifelhafte Vorgehen, das vielen als Betrug am Volk gilt, wird die bürokratische EliteSilowiki ist ein Sammelbegriff für Amtspersonen aus Sicherheitsorganen des Staates. Seit den späten 1990er Jahren hat ihr Einfluss stetig zugenommen. Unter Putin gehören sie zu den einflussreichsten Akteuren innerhalb der russischen Elite. Mehr dazu in unserer Gnose gemacht, die traditionell immer der KorruptionKorruption ist in Russland weit verbreitet – sowohl in Politik und Wirtschaft als auch im Alltagsleben. Korruption, die nicht zuletzt durch niedrige Gehälter befördert wird, kommt in zahlreichen Variationen vor: gegenseitige Gefälligkeiten, Tausch unter der Hand, Abzweigung staatlicher Mittel, Bestechungsgelder und vieles mehr. Da die Korruption systemischen Charakter angenommen hat, ist vorerst nicht damit zu rechnen, dass sie wirksam bekämpft werden kann. Mehr dazu in unserer Gnose und des Egoismus verdächtig ist.
Der Bürokratie als Ursache für Ungerechtigkeit steht in der Wahrnehmung der „gerechte Herrscher“ als Hüter der Gerechtigkeit gegenüber. Eben nach diesem Muster hat sich Putin bisher aus der Debatte über die RentenreformStört die Rente den WM-Frieden? Die Regierung will das Rentenalter anheben. Trotz Protest-Verbot in WM-Städten haben Oppositionsparteien Demonstrationen auch in Moskau angekündigt. Oleg Kaschin kommentiert, warum es sein kann, dass der wirkmächtigste Protest jedoch aus dem Machtzirkel selbst kommt. herausgehalten, um eventuell in einem späteren Stadium mit einer Abmilderung der Pläne auftreten zu können. Immerhin steht er im Wort, denn 2005 hat er sich klar gegen die Erhöhung des Rentenalters ausgesprochen.3
Soziale versus politische Gerechtigkeit
Hier nur kurz skizziert, scheinen in diesem Fall einige Besonderheiten des Gerechtigkeitsverständnisses in Russland auf. Zunächst ist auffällig, dass es meist Verletzungen der sozialen Gerechtigkeit sind, die von weiten Teilen der Bevölkerung wahrgenommen werden und zu ProtestenWeit verbreitet sind in Russland Proteste zu Sozialthemen wie Lohnrückstände, Sozialabbau oder LKW-Maut. Im Gegensatz zu Protestaktionen der Oppositionellen und Aktionskünstler wird jedoch über sie gerade von den westlichen Medien selten berichtet. Die Aktionsformen reichen vom Bummelstreik bis zur Selbstverbrennung. Von einigen Beobachtern als unpolitisch abgetan, gilt der Sozialprotest anderen als der wahrhaft politische, da es um konkrete Interessen statt eines abstrakten Wandels geht. Mehr dazu in unserer Gnose führen können. Moralische Gerechtigkeit als Anforderung an das politische Führungspersonal spielt eine wichtige Rolle, und auffällig ist die herausgehobene Stellung des Staatsführers als höchste gerechtigkeitsschaffende Instanz. Diese Prioritäten im Verständnis von Gerechtigkeit haben ihre Wurzeln in der politischen Ordnung der Sowjetunion, in der rechtsschaffende Institutionen schwach ausgeprägt und nicht unabhängig waren. Herrschaft durfte nicht in Frage gestellt werden und blieb immer stark personalisiert. Der soziale Status und das materielle Wohlergehen des Einzelnen in der Gesellschaft hingen ausschließlich von der Obrigkeit ab.4
Gleichzeitig bedeutet dies nicht, dass Prinzipien der politischen Gerechtigkeit (wie Gewissens- und Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung und Kontrolle der Macht) sowie der juridischen Gerechtigkeit (wie Forderung nach unabhängigen Rechtsorgangen und Gleichheit aller vor dem Gesetz) keine Rolle spielen würden. Alle russischen Reformer seit den DekabristenAls Dekabristen werden die Offiziere der kaiserlichen Armee bezeichnet, die am 14./26. Dezember (russ. dekabr) 1825 in St. Petersburg einen Eid auf den neuen Zaren Nikolaus I. verweigerten, um gegen Leibeigenschaft, Zensur und zaristische Autokratie zu protestieren. Die Erhebung auf dem Senatsplatz wurde bis zum Abend niedergeschlagen, fünf Anführer wurden zum Tode verurteilt, über 100 verbannt. Read more in our Gnose waren diesen Ideen verpflichtet, und alle politischen Führungen bis heute sehen sich unter dem Zwang, diesen Forderungen wenigstens formal zu entsprechen.
In den verschiedensten konkreten politischen Situationen hat sich jedoch immer wieder gezeigt, dass im Zweifelsfall die soziale Gerechtigkeit gegen die politische ausgespielt wird. Der Mensch lebt zwar „nicht vom Brot allein“5, aber ohne Brot lässt sich auch nicht leben. Die Begründung der Ordnung unter Putin folgt dieser Logik, indem permanent der Zusammenbruch der Staatlichkeit in den 1990er JahrenDie 1990er Jahre waren in Russland ein Jahrzehnt des radikalen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umbruchs. Demokratischer Aufbruch einerseits und wirtschaftlicher Niedergang andererseits prägten die Zeit nach dem Zerfall der Sowjetunion. Mehr dazu in unserer Gnose als negatives Gegenbild zur Gegenwart beschworen wird. Es heißt, hätte Putin nicht Anfang der 2000er Jahre das Ruder herumgerissenDie Stabilisierung der wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse war in den 2000er Jahren das erklärte Hauptziel der russischen Politik. Tatsächlich verbesserte sich die wirtschaftliche Lage des Landes in den ersten zwei Amtszeiten Putins erheblich. Die Stabilisierung als politisches Projekt ging jedoch mit einer Konzentration der Macht in den Händen des Präsidenten einher. Mehr dazu in unserer Gnose, so gäbe es heute keinen Staat mehr und damit weder elementare persönliche noch jegliche soziale Sicherheit, die Gesellschaft wäre in einen Urzustand ohne Gerechtigkeit verfallen. Wo es nichts mehr gäbe, ließe sich auch nichts verteilen. Angesichts dieser elementaren Bedrohung scheint die Sicherung der Ordnung die erste Aufgabe des „gerechten Herrschers“, und dem hat sich im Zweifel alles andere unterzuordnen. Bürger, die in dieser Situation die Einhaltung von Prinzipien politischer Gerechtigkeit einfordern, haben es schwer und sehen sich leicht dem Vorwurf ausgesetzt, die Gesellschaft spalten, den Staat schwächen und die Einheit zerstören zu wollen. Sicherheit ist an die Stelle von Gerechtigkeit getreten.6
Prawda – Wahrheit und Gerechtigkeit
Auch die Frage, ob sich nun das Verständnis von Gerechtigkeit in Russland von dem in Europa unterscheidet, führt letztlich zur Idealisierung von Einheit als idealem, gottgegebenen Zustand. Diese wurzelt in der engen Verbindung von kirchlicher und weltlicher GewaltHöllischer Brei Am einen Tag vergleicht Putin die Mumie Lenins mit Reliquien christlicher Heiliger, am anderen steigt der Ex-KGB-Agent am orthodoxen Feiertag ins Eiswasser. Andrej Loschak über sehr unterschiedliche Ideologien, die die Staatsführung zusammenmische. Mit diesem Sud würde in den nächsten Jahren der Bevölkerung das Hirn durchspült. Das ist Loschaks optimistische Prognose. Er hat auch eine pessimistische. , einer harmonischen Einheit, der sogenannten „Symphonia“, die aus der byzantinischen TraditionRom – Konstantinopel – Moskau: Diese historische Abfolge sah der Mönch Filofej zu Beginn des 16. Jahrhundert als gegeben, nachdem Byzanz von den Osmanen erobert worden war. Die Doktrin beansprucht für Moskau den Status des einzig verbliebenen Zentrums der christlichen Welt. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde sie zur politischen Idee eines russischen Sonderweges umgedeutet, die bis heute Bestand hat. Mehr dazu in unserer Gnose ins Moskowiter Zarentum übernommen wurde. Die Vorstellungen von einer göttlichen Ordnung des Guten werden mit dem Begriff Prawda beschrieben, der „Wahrheit“ und zugleich „Gerechtigkeit“ bedeutet.7 Der andere Begriff für Gerechtigkeit, Sprawedliwost, bezieht sich ursprünglich eher auf die moralische Integrität des Individuums.8 Heute werden die Begriffe oft synonym benutzt, eine deutliche Abgrenzung der Semantiken fällt schwer. Es ist aber zu betonen, dass die doppelte Bedeutung des Worts Prawda als Wahrheit und Gerechtigkeit spätestens seit dem 19. Jahrhundert zum Merkmal der kulturellen Identität Russlands hochstilisiert wurde und bis heute dazu dient, ein spezifisches, russisches Verständnis von Gerechtigkeit zu konstatieren. Dazu gehört auch, dass der Gedanke der Gerechtigkeit kaum mit den Vorstellungen von einem autonomen Recht, von GesetzSakon (dt. „Gesetz“) ist ein komplexes und vielfältiges Phänomen in der russischen Kultur. Kulturwissenschaftler konstatieren, dass der Begriff an sich nicht das Rechtssystem spiegelt und mit Gerechtigkeit zunächst nichts zu tun hat. Dem Sakon setzt man das Gute, das Gewissen und die Gerechtigkeit entgegen. Das schwierige Verhältnis zu Sakon in der russischen Kultur wird einerseits erklärt mit einer unterentwickelten rechtlichen Begrifflichkeit, aber auch damit, dass die Bevölkerung die grundlegenden Gesetze nicht kennt und im Land ein rechtlicher Pluralismus herrscht. Mehr dazu in unserer Gnose, Rechtsgleichheit und RechtsstaatIm Rule of Law Index 2019 des World Justice Project findet sich Russland auf Rang 88 von 126 Staaten. Bei Menschenrechten ist das Land punktgleich mit Sambia und Tansania auf Platz 104, in der Kategorie „Bindung von Regierung und Staat an Recht und Gesetz“ steht Russland auf Rang 112, punktgleich mit Honduras. Seit dem Amtsantritt Putins im Jahr 2000 schlägt das Pendel der Bewertung von Recht und Rechtsstaat in Russland zurück ins Negative. Read more in our Gnose in Verbindung gebracht wird. Auf dieser Grundlage lässt sich auf populistische Weise ein Gegensatz zum „Westen“Panel #1: Gelten in Russland andere Werte als im Westen? Haben Russland und Westeuropa wirklich unterschiedliche Werte? Gibt es „spezifisch russische Werte“? Und lohnt es sich überhaupt, über Werte zu streiten? dekoder hat drei Experten dazu befragt – acht Fragen und je drei unterschiedliche Meinungen: konstruieren, der vergeblich versuche mit dem RechtsstaatIm Rule of Law Index 2019 des World Justice Project findet sich Russland auf Rang 88 von 126 Staaten. Bei Menschenrechten ist das Land punktgleich mit Sambia und Tansania auf Platz 104, in der Kategorie „Bindung von Regierung und Staat an Recht und Gesetz“ steht Russland auf Rang 112, punktgleich mit Honduras. Seit dem Amtsantritt Putins im Jahr 2000 schlägt das Pendel der Bewertung von Recht und Rechtsstaat in Russland zurück ins Negative. Read more in our Gnose Gerechtigkeit zu verwirklichen, während Russland schon aus Tradition über ein höheres Verständnis von Gerechtigkeit verfüge.
Derartigen Diskursen haftet Beliebigkeit an, oder sie folgen einer bestimmten Intention. Sehr viel greifbarer und „wahrer“ sind dagegen Forderungen nach Gerechtigkeit in konkreten gesellschaftlichen Konflikten. In den vergangenen Jahren waren es meist Verstöße gegen die soziale Gerechtigkeit, die vermochten, die Menschen zu Protesten zu mobilisieren; ob bei der Monetarisierung von Sozialleistungen2005 versuchte die russische Regierung, die zahlreichen Vergünstigungen für Kriegsveteranen, Menschen mit Behinderung und andere Personengruppen durch Geldleistungen zu ersetzen. Die Reform ist jedoch wegen starker landesweiter Proteste weitgehend gescheitert. Es war die erste größere Welle von Sozialprotesten unter Putin, seine Umfragewerte sackten erstmals seit seinem Amtsantritt deutlich ab. oder dem AbrissPlattentausch in Moskau Der geplante Abriss von mehreren tausend Wohnhäusern in Moskau ist das größte Abriss- und Neubauprojekt, das jemals in Russland unternommen wurde. Ein Besuch bei Bewohnern und Haustieren von zwölf Fünfgeschossern. von PlattenbautenAuf dem Kongress der Baufachleute 1954 verordnete Chruschtschow eine radikale Umkehr, weg von neoklassizistischen Prachtbauten hin zu sparsamen Dimensionen, neuen Materialien und Großtafeln, die auf der Baustelle nur noch montiert werden mussten. Das war die Geburtsstunde der Platte. Mit seiner Wohnungsbaukampagne wollte Chruschtschow die Bevölkerung für die „Erneuerung des Sozialismus nach Stalin“ mobilisieren – und setzte eine Massenbewegung in Gang: Zwischen 1955 und 1970 zogen 132 Millionen Sowjetbürger in eine neue Wohnung. Read more in our Gnose , es kommt zu einer explosiven Situation, wenn den Bürgern etwas genommen werden soll, was ihnen verdienter- und damit gerechterweise zusteht. Kritisches Potential und Dynamik entstehen außerdem, wenn die Bürger den Eindruck gewinnen, von einer moralisch zweifelhaften Führung betrogen und für dumm verkauft zu werden. So provozierten allzu offensichtliche Wahlmanipulationen die landesweiten politischen Demonstrationen im Dezember 2011.Nachdem Putin im September 2011 angekündigt hatte, wieder Präsident werden zu wollen, und im Dezember zahllose Wahlbeobachter über massive Wahlfälschungen berichteten, bildete sich in Russland die größte Protestbewegung seit dem Ende der Sowjetunion. Sie bewies erstaunliches Durchhaltevermögen, versiegte jedoch im Jahr 2013 aufgrund von inneren Streitigkeiten und der repressiven Reaktion des Staates. Mehr dazu in unserer Gnose
3.Am 27. September 2005 im Rahmen der alljährlichen im Fernsehen übertragenen Fragestunde Primaja linia.
4.vgl. Brewer, Aljona/Lenkewitz, Anna/Plaggenborg, Stefan (Hrsg., 2014): „Gerechte Herrschaft“ im Russland der Neuzeit: Dokumente, München
5.Bibelwort, hier: Bezug auf Titel eines bekannten Romans von Valdimir Dudincev, der in der sowjetischen Tauwetterperiode 1956 erschien und die Wirtschaftsbürokratie kritisierte.
6.vgl. Kuhr-Korolev, Corinna: Gerechtigkeit und Herrschaft. Von der Sowjetunion zum neuen Russland, Paderborn 2015.
7.Der erste Gesetzeskodex der Kiewer Rus aus dem 11. Jahrhundert hieß Russkaja Prawda.
8.vgl. Haardt, Alexander u. a.: Kulturen der Gerechtigkeit: Normative Diskurse im Transfer zwischen Westeuropa und Russland, unveröffentlichter Antrag beim BMBF auf Förderung eines Verbundprojektes
Ist Russland nur Abklatsch westlicher Vorbilder oder aber erlösendes Vorbild für ein fehlgeleitetes Europa? Ulrich Schmid über kontroverse Debatten und ein Fenster, das zeitweilig auf und wieder zugeht.
Größtes Problem der neuen Amtszeit Putins, so meint die Politikwissenschaftlerin Ekaterina Schulmann, ist der Machttransfer. Das Dilemma: Das politische System muss die Macht stärker verteilen und weckt damit auch Begehrlichkeiten. In diesem Verteilungskrieg könnte auch das Volk den Kürzeren ziehen. Kann man einen Krieg aller gegen alle vermeiden? Drei mögliche Szenarien.
Sie kann sowohl den Macht- und Herrschaftsbegriff umfassen, als auch die Staatsmacht, Regierung, Behörden, Oligarchen oder irgendeine Obrigkeit. Anton Himmelspach über die Vieldeutigkeit der russischen Wlast.
Nach dreieinhalb Jahren Haft wurde Oleg Nawalny entlassen. „Willkürlich und rechtswidrig“ hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Urteile gegen ihn und seinen Bruder, den Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, genannt. Ihnen war Betrug vorgeworfen worden. Weshalb der Fall eine Bankrotterklärung des russischen Rechtssystem bedeutet, analysiert Alexander Wereschtschagin.
Badeenten, Skifahrer, Extremisten und eine Pietà: Darüber lacht das Runet nach den landesweiten Protesten. dekoder zeigt populäre Internet-Meme mit deutscher Übersetzung.
more gnoses
This site uses cookies. By continuing to browse the site, you are agreeing to our use of cookies. Find out more