Nur ein kleiner Teil der Menschen, die zur Zeit global auf der Flucht sind, reist nach Russland ein. Die wenigsten von ihnen erhalten Flüchtlingsstatus. Aus Syrien sind über die letzten Jahre ganze drei Flüchtlinge in Russland registriert worden. Tausende Menschen aus verschiedenen Ländern leben jedoch in einer unklaren Rechtslage, wofür auch politische Gründe eine Rolle spielen. Pawel Aptekar von Vedomosti gibt einen Überblick.
Die mit dem Zustrom von Flüchtlingen nach Europa verbundene Krise zwingt, den Blick auf Russland lenken. Da scheint es zunächst, Russland könnte bei der Aufnahme von Flüchtlingen ruhig Engagement zeigen – es wäre eine Friedensgeste, wir würden unseren Nachbarn helfen, wir würden den Vorwürfen, Konflikte zu unterstützten, konkrete Taten zur Rettung von Konfliktopfern entgegenstellen. Doch dies erweist sich als allzu schwierig.
Auch nach Russland kommen Flüchtlinge, doch von den Hundertausenden, die wegen Krieg und Verfolgung ihre Heimat verlassen haben, haben nur einige wenige den Flüchtlingsstatus. Tausende Menschen beantragen vergeblich Asyl, viele von ihnen sind gezwungen, über Jahre mit halblegalem Status zu leben oder andere Möglichkeiten aufzutun, ihren Aufenthalt in Russland zu legalisieren.
Nach Angaben der Föderalen Migrationbehörde (FMS) sind in Russland nur 816 Flüchtlinge registriert, davon 385 Menschen afghanischer und 285 ukrainischer Herkunft. Die Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina erklärt, im ganzen Jahr hätten lediglich 2 Menschen syrischer Herkunft den Flüchtlingsstatus erhalten. Das FMS hat im Laufe mehrerer Jahre 3 syrische Flüchtlinge registriert. Die geringe Zahl der offiziell anerkannten Flüchtlinge ist dem komplizierten Verfahren geschuldet. Der Antragsteller muss den Antrag und weitere Unterlagen selbst oder mit Hilfe eines Übersetzers in russischer Sprache ausfüllen. Für die Sachverhandlung sind zwei Monate angesetzt, doch häufig zieht sich das Verfahren in die Länge. Im Jahr 2013 wurden 1977 Anträge gestellt, 2014 waren es 6976 und in den ersten sieben Monaten des Jahres 2015 850. Als Flüchtlinge anerkannt wurden jeweils lediglich 64, 19 und 81 Menschen.
Mit dem Zustrom von Flüchtlingen aus der Ukraine wurde ein vereinfachtes Verfahren zum Erhalt eines zeitweiligen Asyls eingeführt. 2014 wurden von der Föderalen Migrationsbehörde 276.764 Anträge geprüft, in den ersten Monaten des Jahres 2015 weitere 112.805. Über 90 Prozent davon wurden bewilligt.
Der zeitweilige Asylstatus erlaubt es, die ursprüngliche Staatsbürgerschaft zu behalten. Viele Ukrainer wollen später in ihr Land zurückkehren. Doch die Syrer etwa können nirgendwohin zurück. Fachleute und Menschenrechtler gehen davon aus, dass es einen informellen politischen Beschluss gibt, diese Menschen nicht als Flüchtlinge zu legalisieren, um so den Bau neuer Unterbringungszentren zu umgehen. Russland hat die UN-Flüchtlingskonvention und das Zusatzprotokoll unterzeichnet, die die aufnehmenden Staaten verpflichten, den Flüchtlingen Unterkunft und entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen.
Es bestehen offensichtliche bürokratische Schwierigkeiten. Das an Friedenszeiten gewöhnte System des Föderalen Migrationsamtes ist dem infolge der Konflikte in der Ukraine und in Syrien wachsenden Flüchtlingszustrom offenkundig nicht gewachsen. Es ist fehler- und korruptionsanfällig geworden, man wartet auf Befehle von oben. Die Wirtschaftskrise hat die Chancen der Migranten auf reale Hilfe verringert, insbesondere in den Regionen, wo man sie hinschickt und sie in Obhut der lokalen Behörden stellt. Bei der Unterbringung der Migranten aus der Ukraine wird kaum berücksichtigt, ob sich dort Chancen auf einen Arbeitsplatz finden, oftmals werden sie in heruntergekommenen Wohnungen untergebracht, erklärt die Wirtschaftswissenschaftlerin und Meinungsforscherin der Moskauer Staatlichen Universität Olga Tschudinowskich. Von der einheimischen Bevölkerung werden die Flüchtlinge oft feindselig aufgenommen, da man sie als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt und beim Beziehen staatlicher Hilfen betrachtet.