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Debattenschau № 75: Was bedeutet Selenskys Sieg für Russland?

Der Schauspieler und Comedian Wolodymyr Selensky hat die Präsidentschaftswahl in der Ukraine gewonnen. Über 61 Prozent der Wahlberechtigten nahmen an der Wahl teil, Hochrechungen am Montag zufolge bekam Selensky rund 73 Prozent der Stimmen, Petro Poroschenko etwa 25 Prozent. Damit hat der Polit-Neuling den bisherigen Amtsinhaber haushoch besiegt. 

Was bedeutet der Sieg von Selensky für Russland? Was könnte sich in den ukrainisch-russischen Beziehungen ändern? dekoder bringt Ausschnitte aus der Debatte in russischen Medien.
 

Wie die Ukraine gewählt hat – unsere interaktive Ukraine-Wahlkarte.

Источник dekoder

Zargard.tv: Der Präsidenten-Stuhl

Wladimir Solowjow, polarisierender Moderator im Staatsfernsehen, ruft dazu auf, die ukrainische Wahl nicht anzuerkennen. In einem Gespräch mit dem Fernsehsender Zargrad sagt er, dass er vom neuen Präsidenten nichts erwarte:  

Deutsch
Original
Wie irgendein ausländischer Diplomat ganz richtig sagte: Statt Selensky hätte auch ein Stuhl antreten können. Selbst der hätte gegen Poroschenko gewonnen.
как правильно говорил кто-то из иностранных дипломатов, вместо Зеленского мог быть стул. И то он победил бы Порошенко

erschienen am 22.04.2019, Original

Facebook/Lilija Schewzowa: Wenden wir uns wieder uns selbst zu!

Die Ukraine beherrschte die russischen Schlagzeilen – gerade in kremlnahen Sendern wurde sehr kritisch über die Entwicklungen berichtet. Auf Facebook beurteilt Politologin Lilija Schewzowa die Folgen des ukrainischen Wahlausgangs für Russland auch vor diesem Hintergrund:

Deutsch
Original
Die russische Fraktion rätselt, was für ein Präsident Wolodymyr Selensky wohl werden wird. Was für einer auch immer er wird, er wird die nationalen Interessen der Ukraine verteidigen. Andernfalls wird ein neuer Maidan über sein Schicksal entscheiden. Außerdem wird Selensky nicht das einzige Zentrum der Macht sein in der Ukraine, die es vermochte, ein System der checks and balances aufzubauen. Möglicherweise ist entscheidender, wie die Machtverhältnisse in der Rada sind und wer der neue Premier wird. Das ist eine uns völlig unverständliche Realität. Wir, die wir an Alleinherrschaft gewöhnt sind, fühlen uns verloren, wenn wir viele widerstreitende Kräfte sehen, und empfinden sie als Chaos. [...]
Klar, es ist peinlich, ein ausgestoßener Staat zu sein. Noch peinlicher ist es, auf Gleichgültigkeit zu stoßen. Aber wenn Russland seine Würde und Zukunftsperspektive zurückerlangen will, müssen wir das Leiden an der Ukraine überwinden und uns endlich mit unseren Angelegenheiten beschäftigen.

Российская тусовка гадает, каким президентом станет Владимир Зеленский. Каким бы он ни стал, он будет защищать украинские национальные интересы. Иначе новый Майдан решит его участь. Причем, Зеленский не будет единственным центром власти в Украине, которая сумела создать систему противовесов. Возможно, важнее будет новое соотношение сил в Раде и кто станет новым премьером. Это непонятная для нас реальность. Мы, привыкшие к единовластию, теряемся, когда видим множество противоборствующих сил, считая это хаосом. 

[...]

Конечно, быть отвергнутой державой обидно. Встречать равнодушие еще обиднее. Но если Россия хочет вернуть себе достоинство и видение будущего, придется переболеть Украиной и заняться своими делами.

erschienen am 22.04.2019, Original

Kommersant: Neue Rhetorik?

Die unabhängige Zeitung Kommersant zitiert den berühmten Staatsjournalisten Dimitri Kisseljow: Dieser bemerkte, dass Selensky die Separatisten aus dem Donbass „Aufständische“ nenne:

Deutsch
Original
Für sich genommen, bedeutet das Wort „Aufständische“, dass es ein innerukrainischer Konflikt ist, dass es ein innerukrainischer Krieg ist. Moskau ist kein Teil dieses Konflikts. Poroschenko fürchtete das Wort „Aufständische“ wie der Teufel das Weihwasser. Selensky hat keine Angst davor. [...] Selensky verspricht, im Normandie-Format zu handeln und den Minsker Prozess fortzusetzen. Für seine erstrangige Aufgabe hält er, so wie er sagt, die Rückkehr aller Verhafteten in die Ukraine. Auch ein Waffenstillstand gehört zu den prioritären Aufgaben des neuen Leaders der Ukraine.
Само по себе слово "повстанцы" обозначает, что конфликт внутриукраинский, а война внутригражданская. Москва стороной конфликта не является.[...] Порошенко боялся "повстанцев" как черт ладана. Зеленский этого слова не боится. [...] Зеленский обещает действовать в нормандском формате и продолжить минский процесс. Своей первостепенной задачей считает возвращение на Украину, как он выразился, всех заключенных и пленных. Прекращение огня в Донбассе также остается приоритетной задачей для нового лидера Украины.

erschienen am 22.04.2019, Original

Republic: Begrenzt positive Agenda

Politologe Wladimir Frolow überlegt auf Republic noch vor der Stichwahl am Sonntag, wie sich die ukrainisch-russischen Beziehungen unter einem Präsidenten Selensky wohl gestalten würden. Sein positives Szenario fällt nur kurz aus:

Deutsch
Original
Bislang kann man aus dem, was Selensky im Wahlkampf öffentlich sagte, den Schluss ziehen, dass er womöglich von aggressiver Rhetorik absehen und eine ruhigere Diskussionsatmosphäre aufbauen wird, etwa, was Fragen nach Verkehrsverbindungen angeht (Wiedererrichtungen direkter Flugverbindungen, des Güterverkehrs), das Aufheben einzelner Sanktionen, den Zugang zu Märkten bestimmter Güter. [...]
Klar, die Rede ist keinesfalls von der Rückkehr in die Zeiten vor 2014 und von Beziehungen „brüderlicher Länder”. Selensky kann die russische Hoheit über die Krim nicht anerkennen. [...]. 
Selensky fordert [aber] auch, die künstlichen Beschränkungen für den Gebrauch des Russischen in der Ukraine zu beseitigen. [...] Solche Schritte, wenn sie denn gemacht werden, bringen das Eis zum Schmelzen und sie werden vom Kreml angemessen bewertet werden. [...]
Doch das ist eine begrenzte positive Agenda. Sie basiert unweigerlich darauf, dass Fortschritte im Donbass erzielt werden oder bricht wieder in sich zusammen, sobald unüberwindliche Differenzen bei der Umsetzung des Minsker Abkommens auftreten.
Пока из того, что публично наговорил Зеленский в ходе кампании, можно сделать вывод о возможном отказе от агрессивной риторики и создании более спокойной атмосферы для обсуждения, например, нормализации транспортного сообщения (восстановление прямых авиарейсов, транзита грузов), снятия отдельных санкционных ограничений, доступа на рынки по отдельным товарным позициям. [...]
Разумеется, ни о каком возвращении к временам до 2014 года и отношениям «братских стран» речь не идет. Зеленский не сможет признать российский суверенитет над Крымом [...]. Зеленский призывает также к снятию искусственных ограничений на использование русского языка на Украине [...]. Такие шаги, если они будут сделаны, растопят лед и будут правильно оценены Кремлем. [...]
Но это ограниченная позитивная повестка. Она неизбежно упирается в достижение прогресса по Донбассу или же вновь рушится при возникновении непримиримых разногласий вокруг реализации Минских соглашений.

erschienen am 19.04.2019, Original

Facebook/Konstantin von Eggert: Leb wohl, Ukraine!

Der unabhängige Journalist Konstantin von Eggert resümiert über die Wahl in der Ukraine auf Facebook:

Deutsch
Original
Die Ukraine hat sich als Demokratie vollständig etabliert. Einen Moskau-nahen Präsidenten wird es dort nicht geben, denn das wird die Gesellschaft nicht zulassen. Wenn Selensky nicht gefällt, werfen sie ihn raus und wählen den nächsten, sei es ein Karpaten-Ungar, eine Frau, ein Zahnarzt, der ehemalige Botschafter in Kairo oder ein Schwuler. Und uns mit unserem ewigen Putin werden sie nicht fragen. Wie Sergej Medwedew sagt, „die Nation ändert die Realität”. Leb wohl, Ukraine! Danke dir. Wir werden uns auch bemühen.
Украина полностью состоялась как демократия. Никакого промосковского президента там не будет, потому что не позволит общество. Если Зеленский не понравится, выгонят и изберут себе карпатского венгра. Женщину. Дантиста. Бывшего посла в Каире. Гея. И нас с нашим вечным Путиным не спросят. Как говорит Сергей Медведев, “нация меняет реальность». Прощай, Украина! Спасибо тебе. Мы тоже будем стараться.

erschienen am 21.04.2019, Original

Facebook/Sacharowa: Die Möglichkeit eines Resets

Auf Facebook zeigt sich die Außenamtssprecherin nach wochenlanger Kritik an dem Wahlkampf zwar versöhnlicher, dennoch spart Maria Sacharowa nicht an Spitzen:

Deutsch
Original
Auch wenn ich das Backstage der Weltpolitik verstehe, sage ich dennoch: Die Ukraine kann einen Reset vollziehen. Nicht im Sinne der Umverteilung von Geldflüssen aus der einen in die andere Tasche. Sondern einen richtigen Reset, der dem Bewusstsein geschuldet ist, dass eine Konsolidierung des Volkes nicht mit Gewalt, sondern durch das Herausarbeiten einer Agenda für die ganze Nation zustande kommt. Damit es nächstes Mal nicht nötig sein wird, so wie jetzt Millionen eigener Bürger von den Wahlen auszuschließen.
При понимании всего мирового закулисья, всё равно скажу: Украина может осуществить перезагрузку. Не в смысле перераспределения денежных потоков из одних карманов в другие. А настоящую, основанную на осознании необходимости консолидации народа не на основе силы, а на основе выработки общенациональной повестки. Чтобы в следующий раз не пришлось как сейчас отключать от голосования миллионы собственных граждан.

erschienen am 21.04.2019, Original

Facebook/Ossetinskaja: Heikle Frage

Auf Facebook stellt die renommierte Investigativ-Journalistin Jelisaweta Ossetinskaja eine delikate rhetorische Frage: 

Deutsch
Original
Verzeihen Sie bitte – etwas Heikles: Wie können die Propagandisten die Ukraine jetzt noch als faschistischen Staat bezeichnen, wenn der Präsident nun ein Jude ist?
Извините, я о деликатном. А как пропагандисты теперь будут называть Украину фашистским государством, если там президент - еврей?

erschienen am 22.04.2019, Original

 

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Krim-Annexion

Als Krim-Annexion wird die einseitige Eingliederung der sich über die gleichnamige Halbinsel erstreckenden ukrainischen Gebietskörperschaft der Autonomen Republik Krim in die Russische Föderation bezeichnet. Seit der im Frühjahr 2014 erfolgten Annexion der Krim ist die Halbinsel de facto Teil Russlands, de jure jedoch ukrainisches Staatsgebiet und somit Gegenstand eines ungelösten Konfliktes zwischen der Ukraine und Russland.

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Krieg im Osten der Ukraine

Bei dem bewaffneten Konflikt im Osten der Ukraine beziehungsweise im Donbass handelt es sich um einen Krieg, der von seit April 2014 zwischen ukrainischen Streitkräften und Freiwilligenbataillonen auf der einen Seite sowie separatistischen Milizen der selbsternannten Volksrepubliken von Donezk und Luhansk (DNR und LNR) und russischen Soldaten auf der anderen Seite geführt wurde. Am 24. Februar 2022 befahl Putin den Angriff auf das Nachbarland – aus dem verdeckten ist ein offener Krieg geworden.

Die zentralen Vorgänge, die den Krieg in der Ostukraine bis dahin geprägt hatten: Vorgeblich ging es dabei um die Gebietshoheit der beiden ostukrainischen Verwaltungsbezirke Donezk und Luhansk – dem sogenannten Donbass, der zu etwa einem Drittel nicht unter Kontrolle der ukrainischen Regierung ist. In der Ukraine sowie in der Europäischen Union ist man bis heute überzeugt, dass Russland die Separatisten immer finanziell, personell und logistisch unterstützt hat. Demnach hat Russland den Donbass vor allem als Instrument genutzt, um die Ukraine langfristig zu destabilisieren und somit gleichzeitig kontrollieren zu können. Russland hatte eine militärische Einflussnahme und Destabilisierungsabsichten stets bestritten.

Die Entstehung des Krieges und wie die EU und die USA mit Sanktionen darauf in dem jahrelangen Konflikt reagiert hatten – ein Überblick. 

Nachdem Ende Februar 2014 der ukrainische Präsident Janukowytsch im Zuge der Maidan-Proteste gestürzt wurde, russische Truppen kurze Zeit später die Krim okkupierten und die Annexion der Halbinsel auf den Weg brachten, ist die Situation im Donbass schrittweise eskaliert.

Zunächst hatten pro-russische Aktivisten im April 2014 Verwaltungsgebäude in mehreren ostukrainischen Städten besetzt. Forderungen, die hier artikuliert wurden, waren diffus und reichten von mehr regionaler Selbstbestimmung bis hin zur Unabhängigkeit von der Ukraine und einem Anschluss an Russland.

Während sich in Charkiw die Situation nach der polizeilichen Räumung der besetzten Gebietsverwaltung rasch entspannte, kam es in Donezk und Luhansk zur Proklamation eigener Republiken. Parallel wurden Polizeistationen und Gebäude des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes gestürmt sowie dortige Waffenarsenale gekapert. Wenige Tage später traten in der Stadt Slowjansk (Donezker Verwaltungsbezirk) unter dem Kommando des russischen Geheimdienstoberst Igor Girkin erste bewaffnete „Rebellen“ in Erscheinung. Girkin, der bereits zuvor an Russlands Okkupation der Krim beteiligt gewesen war und zwischen Mai 2014 und August 2014 als Verteidigungsminister der DNR fungierte, behauptete später, dass der Krieg im Donbass mitnichten aus einem Aufstand russischsprachiger Bewohner der Region resultierte. Er betonte indes, dass dieser „Aufruhr“ ohne das Eingreifen seiner Einheit schnell zum Erliegen gekommen wäre.1

Eskalation

Tatsächlich begannen die bewaffneten Kampfhandlungen in dem von Girkins Einheit besetzten Slowjansk. Um die Stadt zurückzugewinnen, startete die ukrainische Regierung eine „Anti-Terror-Operation“ mit Beteiligung der Armee. Während die Separatisten in den von ihnen kontrollierten Orten des Donbass im Mai 2014 sogenannte Unabhängigkeitsreferenden durchführen ließen, weiteten sich in der Folgezeit die Gefechte zwischen ukrainischen Streitkräften und Freiwilligenverbänden auf der einen und den Separatisten auf der anderen Seite stetig aus.

In deutschsprachigen Medien und in der internationalen Diplomatie wurde seither häufig von einer „Krise“ oder einem „Konflikt“ gesprochen. Tatsächlich erreichte die militärische Eskalation unter quantitativen Aspekten, die sich auf eine bestimmte Anzahl von zivilen und nicht-zivilen Opfern pro Jahr beziehen, bereits 2014 den Zustand eines Krieges.2 Auch unter qualitativen Gesichtspunkten erfüllte der bewaffnete Konflikt ab 2014 sämtliche Merkmale eines Krieges, wie ihn beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung der Universität Hamburg definiert3.

Neben der Involvierung russischer Freischärler und Söldner4 mehrten sich im Verlauf der kriegerischen Auseinandersetzungen Berichte über großkalibrige Kriegsgeräte, die den von den Separatisten kontrollierten Abschnitt der russisch-ukrainischen Grenze passiert haben sollen.5 Hierzu soll auch das Flugabwehrraketensystem BUK gehören, mit dem nach Auffassung des internationalen Ermittlungsteams das Passagierflugzeug MH17 im Juli 2014 über Separatistengebiet abgeschossen wurde.6 Reguläre russische Streitkräfte sollen indes ab August 2014 erstmalig in das Geschehen eingegriffen haben, nachdem die ukrainische Seite zuvor stetige Gebietsgewinne verbuchen und Städte wie Kramatorsk, Slowjansk, Mariupol und Awdijiwka zurückerobern konnte.7

Die EU verhängte im Sommer 2014 aufgrund der „vorsätzlichen Destabilisierung“8 der Ukraine weitreichende wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland. Russland stritt eine Kriegsbeteiligung eigener regulärer Soldaten jedoch stets ab: So hätten sich beispielsweise Soldaten einer russischen Luftlandlandedivision, die in ukrainische Gefangenschaft geraten waren, nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums verlaufen und die Grenze zur Ukraine nur  aus Versehen überquert.9 Die russische Menschenrechtsorganisation Komitee der Soldatenmütter Russlands indes beziffert die Zahl russischer Soldaten, die im Spätsommer 2014 auf ukrainischem Territorium im Einsatz gewesen seien, mit rund 10.000.10

Einen Wendepunkt des Kriegsverlaufs stellte schließlich die Schlacht um die ukrainische Kleinstadt Ilowajsk dar, bei der die ukrainische Seite im September 2014 eine herbe Niederlage erfuhr und mehrere hundert gefallene Soldaten zu beklagen hatte.11

Die ukrainische Regierung hat die NATO mehrfach vergeblich um Waffenhilfe gebeten. Allerdings legte die NATO spezielle Fonds an, die zu einer Modernisierung der ukrainischen Streitkräfte beitragen sollen. Diese Fonds dienen unter anderem der Ausbildung ukrainischer Soldaten, der Verbesserung von Kommunikationsstrukturen, der Stärkung von Verteidigungskapazitäten im Bereich der Cyberkriegsführung sowie der medizinischen Versorgung von Soldaten.12 Darüber hinaus erhält die Ukraine Unterstützung in Form von sogenannter nichttödlicher Militärausrüstung wie Helmen und Schutzwesten, Funkgeräten und gepanzerten Geländewagen, unter anderem von den USA.13 

Verhandlungen

Die zunehmende Eskalation des Krieges brachte eine Intensivierung internationaler Vermittlungsbemühungen mit sich. Bereits im März 2014 hatte der Ständige Rat der OSZE eine zivile Sonderbeobachtermission für die Ukraine beauftragt und wenig später eine trilaterale Kontaktgruppe zwischen der Ukraine, Russland und der OSZE ins Leben gerufen. Auf Ebene der Staats- und Regierungschefs etablierte sich das sogenannte Normandie-Format zwischen der Ukraine, Russland, Deutschland und Frankreich. Im September 2014 machte es die Unterzeichnung des sogenannten Minsker Protokolls durch die OSZE-Kontaktgruppe möglich.

Nach anhaltenden Kämpfen, vor allem um den Flughafen von Donezk sowie die Stadt Debalzewe, kam es im Februar 2015 zu einem erneuten Zusammentreffen des Normandie-Formats in Minsk. Im Minsker Maßnahmenpaket (Minsk II) konkretisierten die Parteien sowohl einen Plan zur Entmilitarisierung als auch politische Schritte, die zur  Lösung des Konflikts beitragen sollten.

Das Maßnahmenpaket umfasst dreizehn Punkte, die schrittweise unter Beobachtung der OSZE umgesetzt werden sollen. Hierzu gehört der Waffenstillstand sowie der Abzug schwerer Kriegsgeräte und sogenannter „ausländischer bewaffneter Formationen“. Außerdem soll in der ukrainischen Verfassung ein Sonderstatus für die Separatistengebiete verankert werden. Nicht zuletzt sieht das Maßnahmenpaket vor, dass Kommunalwahlen in diesen Gebieten abgehalten werden. Außerdem soll die ukrainisch-russische Grenze wieder durch die ukrainische Regierung kontrolliert werden.14

Entwicklung seit Minsk II

Auch unmittelbar nach der Unterzeichnung des Minsker Abkommens hielten jedoch vor allem in Debalzewe heftige Gefechte an, bis die Stadt schließlich wenige Tage später unter die Kontrolle der Separatisten fiel. Auch hier soll – wie bereits zuvor in Ilowajsk – reguläres russisches Militär massiv in das Kriegsgeschehen eingegriffen haben.15 Erst nach dem Fall von Debalzewe nahmen die Kampfhandlungen ab. Zu Verletzungen der Waffenruhe, Toten und Verletzten entlang der Frontlinie kam es seither dennoch beinahe täglich.16 Dies macht eine Umsetzung des Minsker Maßnahmenpakets bis heute unmöglich.

Schwere Gefechte mit dutzenden Toten brachen zuletzt rund um die Stadt Awdijiwka aus. Awdijiwka, das im Sommer 2014 von ukrainischer Seite zurückerobert wurde und dem Minsker Protokoll entsprechend unter Kontrolle der ukrainischen Regierung steht, hat als Verkehrsknotenpunkt sowie aufgrund der dort ansässigen Kokerei eine besondere strategische und ökonomische Bedeutung. Die Stadt ist in der Vergangenheit immer wieder unter Beschuss geraten.17 Im Januar 2017 kam es dort auch zur Zerstörung kritischer Infrastruktur: Dabei fielen in der Stadt bei Temperaturen von unter minus 20 Grad mehrere Tage die Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung aus. Allein am 31. Januar 2017 berichtete die Sonderbeobachtermission der OSZE von mehr als 10.000 registrierten Explosionen – die höchste von der Mission bisher registrierte Anzahl an Waffenstillstandsverletzungen.18

Laut Schätzungen der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2019 sind seit Beginn des Krieges im Donbass rund 13.000 Menschen gestorben. Die Anzahl der Verletzten beziffern die Vereinten Nationen mit über 24.000. Bei mehr als 2000 Todesopfern sowie etwa 6000 bis 7000 Verletzten handelt es sich um Zivilisten.19 Menschenrechtsorganisationen geben zudem an, etliche Fälle von Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen dokumentiert zu haben.20 Im November 2016 erklärte die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) in Den Haag, dass Anzeichen für einen internationalen bewaffneten Konflikt zwischen Russland und der Ukraine vorliegen.21 Die russische Regierung zog daraufhin ihre Unterschrift unter dem Statut des ICC zurück. 

Neben tausenden Toten und Verletzten hat der Krieg auch zu enormen Flüchtlingsbewegungen geführt. Das ukrainische Ministerium für Sozialpolitik registrierte bis Mitte 2016 über 1,6 Millionen Binnenflüchtlinge; das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen geht in seinen eigenen Berechnungen derweil von 800.000 bis einer Million Binnenflüchtlingen aus.22 Daneben haben knapp 1,5 Millionen Ukrainer seit Ausbruch des Krieges Asyl oder andere Formen des legalen Aufenthalts in Nachbarstaaten der Ukraine gesucht. Nach Angaben russischer Behörden sollen sich rund eine Million Ukrainer in der Russischen Föderation registriert haben.23


1.vgl.: Zavtra.ru: «Kto ty, «Strelok»?» und Süddeutsche Zeitung: „Den Auslöser zum Krieg habe ich gedrückt“
2.vgl. University of Uppsala: Uppsala Conflict Data Program
3.vgl. Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung der Universität Hamburg: Laufende Kriege
4.Neue Zürcher Zeitung: Nordkaukasier im Kampf gegen Kiew
5.The Guardian: Aid convoy stops short of border as Russian military vehicles enter Ukraine sowie Die Zeit: Russische Panzer sollen Grenze überquert haben
6.vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Minutiös rekonstruiert
7.Für eine detaillierte Auflistung der im Krieg in der Ukraine involvierten regulären russischen Streitkräfte siehe Royal United Services Institute: Russian Forces in Ukraine
8.vgl. europa.eu: EU-Sanktionen gegen Russland aufgrund der Krise in der Ukraine
9.vgl. tass.ru: Minoborony: voennoslzužaščie RF slučajno peresekli učastok rossijsko-ukrainskoj granicy
10.vgl. TAZ: Es gibt schon Verweigerungen
11.vgl.Frankfurter Allgemeine Zeitung: Ein nicht erklärter Krieg
12.vgl. nato.int: NATO’s support to Ukraine
13.vgl. Die Zeit: US-Militärfahrzeuge in Ukraine angekommen
14.vgl. osce.org: Kompleks mer po vypolneniju Minskich soglašenij
15.vgl. ViceNews: Selfie Soldiers: Russia Checks in to Ukraine
16.vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Wer bricht den Waffenstillstand?
17.vgl. Die Zeit: Wo Kohlen und Geschosse glühen
18.osce.org: Latest from the OSCE Special Monitoring Mission to Ukraine (SMM), based on information received as of 19:30, 31 January 2017
19.vgl.: Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights: Report on the human rights situation in Ukraine: 16 August to 15 November 2016
20.vgl. Helsinki Foundation for Human Rights/Justice for Peace in Donbas: Surviving hell - testimonies of victims on places of illegal detention in Donbas
21.vgl. International Criminal Court/The Office of the Prosecutor: Report on Preliminary Examination Activities 2016
22.vgl. unhcr.org: Ukraine
23.vgl. unhcr.org: UNHCR Ukraine Operational Update
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Donezker Volksrepublik

Die Donezker Volksrepublik ist ein von Separatisten kontrollierter Teil der Region Donezk im Osten der Ukraine. Sie entstand im April 2014 als Reaktion auf den Machtwechsel in Kiew und erhebt zusammen mit der selbsternannten Lugansker Volksrepublik Anspruch auf Unabhängigkeit. Seit Frühling 2014 gibt es in den beiden Regionen, die eine zeitlang Noworossija (dt. Neurussland) genannt wurden, Gefechte zwischen den Separatisten und der ukrainischen Armee.

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Grüne Männchen

Als kleine grüne Männchen, manchmal auch höfliche Menschen, werden euphemistisch die militärischen Spezialkräfte in grünen Uniformen ohne Hoheitsabzeichen bezeichnet, die Ende Februar 2014 strategisch wichtige Standorte auf der Krim besetzt haben. Bestritt Moskau zunächst jegliche direkte Beteiligung und verwies auf „lokale Selbstverteidungskräfte“, so gab Präsident Putin später zu, dass es sich dabei um russische Soldaten gehandelt hat. Die grünen Männchen sind inzwischen zu einem kulturellen Symbol geworden.

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