Das Ermittlungskomitee der Russischen Föderation, so die offizielle Bezeichnung, ist eine von der Staatsanwaltschaft unabhängige Institution, die direkt dem Präsidenten unterstellt ist. Es kann eigenständig Ermittlungen aufnehmen, was die Behörde mit mehr als 20.000 Mitarbeitern zu einem der zentralen Machtinstrumente der in Russland einflussreichen Silowiki macht.
Ursprünglich geht die Idee einer unabhängigen Ermittlungsbehörde auf Zar Peter den Großen (1672–1725) zurück. Dieser richtete 1713 ein eigenständiges Organ zur Untersuchung von Schwerkriminalität, Korruption und Machtmissbrauch durch hochrangige Beamte ein. Es unterstand direkt dem Zaren, was dieser regelmäßig dazu nutzte, gegen seine Widersacher vorzugehen.
In der Sowjetunion übertrug man die Ermittlungstätigkeit dann vollständig in den Kompetenzbereich der Staatsanwaltschaft, aber schon bald nach dem Zerfall der UdSSR gab es Versuche zur Wiedereinsetzung des Ermittlungskomitees: So wurde 1993 ein Gesetzesentwurf eingebracht, der auf die erneute Schaffung einer unabhängigen Ermittlungsbehörde zielte. Diese Entscheidung wurde jedoch aufgrund der politischen Krise vertagt. Erst als im Zuge des Jukos-Falls die Staatsanwaltschaft immer mächtiger wurde und im Kreml offenbar die Notwendigkeit gesehen wurde, ihren Einfluss zu begrenzen, nahm man diese Überlegungen wieder auf. So entstand 2007 das heutige Ermittlungskomitee der Russischen Föderation, dessen Bestimmung vor allem in der Aufklärung von Schwerverbrechen liegt bzw. liegen soll. Es war zunächst noch formal weiterhin Bestandteil der Staatsanwaltschaft, wurde 2011 aber in eine eigene Behörde ausgegliedert. Heute ist es de jure und de facto selbständig und untersteht der direkten Kontrolle des Präsidenten, der auch den Leiter der Behörde ernennt.
Das Verhältnis zwischen den beiden Behörden Staatsanwaltschaft und Ermittlungskomitee verdient eine gesonderte Betrachtung. Bereits in der Zeit, als das neugegründete Ermittlungskomitee noch eine Abteilung innerhalb der Staatsanwaltschaft war, entstand aufgrund konkurrierender Aufgaben und unklarer Zuständigkeiten zwischen dem Generalstaatsanwalt, Juri Tschaika, und dem Leiter der Ermittlungsbehörde, Alexander Bastrykin, ein Kampf um die jeweiligen Einflusssphären. Schließlich erfolgte dann 2011 die Ausgliederung des Ermittlungskomitees (oft abgekürzt als SK, Sledstwenny komitet) in eine eigenständige Behörde, ohne jedoch die Konkurrenz zwischen beiden Institutionen zu entschärfen. Dieser Schritt ist von externen Beobachtern unterschiedlich interpretiert worden. Vieles spricht jedoch für eine bewusste divide-and-rule Taktik des Präsidenten, der durch diese Schaffung von Kompetenzenüberschneidung und Konkurrenz innerhalb des Machtapparates seine Möglichkeiten zu einem direkten Eingreifen erweitert hat.
Von Menschenrechtsaktivisten wird dem Ermittlungskomitee immer wieder vorgeworfen, es halte bei seinen Ermittlungen rechtsstaatliche Standards nicht ein. So verfassten fünfzig namhafte russische Juristen im Jahr 2013 einen offenen Brief, in dem sie dem Ermittlungskomitee (und anderen Rechtsschutzorganen und Spezialdiensten) vorwarfen „[...] grob und deutlich, ja sogar demonstrativ und zynisch verfassungsmäßige und andere Rechtsnormen [...]“ zu verletzen und Strafverfahren gegen Regierungskritiker zu fabrizieren.1 Das Ermittlungskomitee ist auch für den Bolotnaja-Prozess gegen 27 Oppositionelle verantwortlich, ebenso für die Verhaftung internationaler Greenpeace-Aktivisten im September 2013.2 Auch bei der Inhaftierung der Pussy-Riot-Musikerinnen infolge ihres „Punk-Gebets“ sowie bei der Strafverfolgung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny im Kirowles-Fall war das Ermittlungskomitee die treibende Kraft.3 Im Juni 2014 kam bei einem Verhör durch das Ermittlungskomitee der junge Vizechef der Antikorruptionsabteilung im Innenministerium, Boris Kolesnikow, unter bisher ungeklärten Umständen ums Leben.4
Zuletzt geriet die Behörde aufgrund schleppender Ermittlungen im Mordfall Nemzow in die Schlagzeilen, sowie im Zusammenhang mit einem Machtkampf mit dem tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow.5